Cover-Bild Ich freue mich, dass ich geboren bin
(2)
  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
12,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Piper
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 160
  • Ersterscheinung: 01.09.2017
  • ISBN: 9783492311120
Birgit Vanderbeke

Ich freue mich, dass ich geboren bin

Roman

Es sind die Sechzigerjahre, die Flucht aus dem Osten liegt hinter ihnen. Angekommen sind sie im elterlichen Land der Verheißung, in Westdeutschland. Für das Kind aber ist es ein übler Ort – und an einem 5. Juli beschließt es, aus seiner gewalttätigen Gegenwart zu fliehen in eine selbstgemachte, magische Kindheit. Birgit Vanderbekes raffinierter, federleichter Roman ist die autobiografische Geschichte einer langen Flucht aus dem Osten zu sich selbst.

Dieses Produkt bei deinem lokalen Buchhändler bestellen

Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.03.2024

eine genaue Milieustudie der 1960er Jahre

0

Sie hat heute ihren siebten Geburtstag und freut sich auf die Geschenke. Doch es gehen ihr an diesem Tag so viele Gedanken durch den Kopf. Deshalb erzählt sie uns davon. Sie erzählt von ihren Großeltern, ...

Sie hat heute ihren siebten Geburtstag und freut sich auf die Geschenke. Doch es gehen ihr an diesem Tag so viele Gedanken durch den Kopf. Deshalb erzählt sie uns davon. Sie erzählt von ihren Großeltern, von Mutter und Vater, vom Abhauen aus dem Osten in den Westen, von Tante Eka im Flüchtlingslager mit ihren zwei Männern Onkel Grewatsch und Onkel Winkelmann mit seinen vielen Büchern und Geschichten. „Das war das Schöne im Flüchtlingslager gewesen. Weil Onkel Winkelmann mir das alles erzählte und aus seinen Büchern vorlas, konnte ich mich an all die fremden Gewürze in der Gemeinschaftsküche sofort erinnern, obwohl ich sie gar nicht kannte und niemals gerochen hatte, aber Onkel Winkelmann und die aufgefädelten Buchstabengeschichten in seinen Büchern erzählten sie so genau, dass ich sie in der Nase hatte und jedes Mal Lust bekam, einen Löffel davon zu probieren.“ Sie erzählt vom Leben im Flüchtlingslager und von der Arbeitersiedlung, die danach folgte.

Ihr siebter Geburtstag ist irgendwann in den 1960er Jahren. Einen Namen hat sie in dieser Geschichte nicht. Denn schließlich sagt Mutter immer. Kind, was soll ich mit dir bloß machen? Oder: Kind, was soll aus dir bloß werden?

Birgit Vanderbeke hat als Erzählstil den eines siebenjährigen Mädchens, bzw. das, was sich ein Erwachsener darunter vorstellt, gewählt. Das ist im ersten Moment ungewohnt. Doch nach wenigen Seiten gibt sich das. Der Stil wird einem vertraut, man lässt sich darauf ein, dass ein Kind erzählt. Er wirkt sehr authentisch, und der Leser kann feine Ironie und leichten Sarkasmus spüren. Humor wäre jetzt zu weit hergeholt, denn das, was sie in ihrer kurzen Kindheit alles schon erlebt hat, ist alles andere als lustig. In ganz wenigen Momenten erzählt sie alles andere als von einer heilen Welt in den sechziger Jahren. Doch das Mädchen sucht sich ihre Fluchtpunkte. Ob es „solch eine Person wie“ Tante Eka mit ihren zwei Männern, ihre Freundin Gisela, oder ihr italienischer Freund Tassilo sind. Und irgendwann findet sie für sich einen Weg in die ganz große Freiheit. Sie lernt, ihrer Familie zu entfliehen.

Vanderbeke gibt eine genaue Milieustudie der 1960er Jahre wider. Mit der kindlichen Sprache wird die verlogene und bigotte Welt der westlichen Kleinbürger besonders gut akzentuiert. Das Thema Flucht aus dem Osten in den Westen schlägt genauso einen Bogen in die heutige Zeit wie die Flüchtlingszüge am Ende des Zweiten Weltkriegs in die westlichen Gebiete Deutschlands. Auch wenn sich die Erzählung auf die damalige Zeit bezieht, spiegeln sich im Verhalten der Figuren di aktuellen gesellschaftlichen Probleme wider und es zeigt sich, dass kaum etwas von damals getilgt worden ist.

Der Umstand, dass es über den gesamten Roman hinweg kein klar definiertes Ziel in der Geschichte gibt, macht den Roman nicht weniger lesenswert. Denn er fesselt zweifelsohne aufgrund der spielerischen Erzählweise. Interessierte Leser werden an den Figuren und dem Umfeld kleben bleiben.

Veröffentlicht am 14.07.2020

Ein beeindruckendes Porträt

0

Der siebente Geburtstag sollte eigentlich ein glücklicher und fröhlicher Tag im Leben eines Kindes sein. Für das kleine Mädchen jedoch, von dem die Autorin erzählt, endet er mit heftigen Prügel - aber ...

Der siebente Geburtstag sollte eigentlich ein glücklicher und fröhlicher Tag im Leben eines Kindes sein. Für das kleine Mädchen jedoch, von dem die Autorin erzählt, endet er mit heftigen Prügel - aber auch einer lebensrettenden Entdeckung.
Die Autorin schreibt ihren Roman aus der Sicht des Mädchens, kindlich naiv und dennoch erstaunlich hellsichtig. Es könnte tatsächlich Birgit heißen; denn Vanderbekes Biografie deckt sich im wesentlichen mit ihrer Erzählung. Zu Beginn der 60er Jahre flüchtet sie als Fünfjährige mit den Eltern in den Westen, das „Land der Verheißung“, wie sie es ironisch nennt. Zunächst findet ihr Leben dort in Übergangslagern statt, bis der Vater schließlich Arbeit in der „Rotfabrik“ annimmt und sie in eine Neubausiedlung ziehen. Die Ernüchterung über die Realität im goldenen Westen bewirkt bei den Eltern Unzufriedenheit und Frustration, die an das Kind als Lieblosigkeit und sogar Gewalttätigkeit weitergegeben werden. Es sehnt sich nach einem Menschen, mit dem es sprechen, dem es seine Probleme und Ängste anvertrauen kann - wenigstens ein Kätzchen zum Schmusen wünscht es sich.
Da empfindet es das Lied „Wir freuen uns, dass du geboren bist“ schlicht als Lüge, auch wenn die Mutter es gleich mehrmals singt. Bezeichnenderweise stimmt der Vater nicht in den Gesang ein, sondern betrachtet nur seine Hände, die zwar durch einen Unfall verunstaltet sind, die das Kind aber dennoch zu fürchten gelernt hat.
In schlichten Worten, dafür aber umso eindringlicher, schildert Vanderbeke die Nöte des Kindes. Seine Gedanken wirken auf den Leser traurig, oft deprimierend, aber das Mädchen hat einen erstaunlich starken Charakter. Mit Hilfe seiner Fantasie findet es einen Weg aus seiner Opferrolle; es beschließt, sich nicht aufzugeben und auf die Zukunft zu vertrauen, so dass es am Ende mit Überzeugung sagen kann: „Ich freue mich, dass ich geboren bin.“

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere