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Veröffentlicht am 03.03.2018

Eine starke Frau

Olga
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Olga Rinke lebt recht ärmlich bei ihrer Oma in Tilsit, Ostpreußen. Eine höhere Schulbildung wird ihr versagt, Mädchen werden nicht sonderlich gefördert. Also bringt sie sich vieles selber bei und kämpft ...

Olga Rinke lebt recht ärmlich bei ihrer Oma in Tilsit, Ostpreußen. Eine höhere Schulbildung wird ihr versagt, Mädchen werden nicht sonderlich gefördert. Also bringt sie sich vieles selber bei und kämpft bis sie Lehrerin ist. Mit den Kindern des Gutsherrn, ihrem besten Freund Herbert und dessen Schwester Viktoria, verlebt sie eine schöne Kindheit, doch als sie sich in Herbert verliebt, stehen die gesellschaftlichen Schranken gegen sie. Herbert zieht hinaus in den Krieg nach Afrika und später in die Arktis. Wird ihre Liebe doch noch siegen?


"Ich vermisse Dich bei allem, was wir gemeinsam gemacht haben und was ich jetzt alleine mache.“ Zitat Seite 165


"Dein Zauber - ich sehe jetzt, dass es ein fauler Zauber ist." Zitat Seite 221


Der Roman besteht aus drei Teilen. Zu Beginn erfahren wir relativ sachlich von Olgas Kindheit und ihrem weiteren Lebensweg, der geprägt ist von ihrer starken Willenskraft und ihrem Ehrgeiz, sich als Frau zu behaupten. Im zweiten Teil erzählt Ferdinand, wie er Olga als Näherin und Hilfe seiner Familie erlebt und gekannt hat. Im dritten Teil zeigen Briefe von Olga an Herbert von ihren starken Gefühlen, ihren Gedanken und unerfüllten Wünschen. Erst jetzt bekommt Olgas Charakter liebenswerte Züge und man kann sich ihr annähern.


Dabei ist das Interessante an diesem Buch, wie Bernhard Schlink die historischen Hintergründe geschickt einflechtet und Olgas und Herberts Leben dadurch auf eine ganz andere Ebene gehoben werden.


Die Figur der Olga ist eine kluge und menschliche Figur, bescheiden, unabhängig und kritisch und mit einem starken Willen ausgestattet. Aber vor allem lebt sie eine bedingungslose Liebe, die sie zeitlebens nie aufgibt.

Herbert ist dagegen ein ruheloser Mensch, der als Soldat im Kolonialkrieg im heutigen Namibia kämpft. Olga ist gegen diesen Kampf und sieht auch später im nationalsozialistischen Deutschland keinen Sinn dahinter. Sie erlebt beide Weltkriege mit, wird vertrieben, findet eine neue Heimat und bleibt sich zeitlebens ihrer Ideale treu.


Was anfangs nur als simple Liebesgeschichte erscheint, wird im Verlauf des 2. und 3. Teils immer klarer, fassbarer und immer intensiver und tiefer. Erst dann beginnt man zu ahnen, was hinter dieser Fassade von Olga verborgen blieb.


Der Sprachstil des Autors ist genau wie in "Der Vorleser" in kurzen, aber prägnanten Sätzen gehalten. Trotzdem offenbahrt sich durch die Hintergründe und historischen Beziehungen darin eine Erkenntnis und tiefe Wahrheit, die unter die Haut geht.



Beeindruckend durch die starke Frauenfigur, berührend durch die Hoffnung auf Liebe und erhellend durch den geschichtlichen Bezug. Ein Buch zum Nachdenken und zum Nacherleben der jeweiligen Zeitbezüge. Eine Hommage an all die Frauen Deutschlands, die unter dem Verzicht ihrer Hoffnungen gelebt haben.

Veröffentlicht am 03.03.2018

Entzückend illustriertes Bilderbuch über Tratsch und Gerüchte

Das verrückte Wiesengeflüster
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Das empfohlene Lesealter liegt bei 4- 6 Jahren. Wobei jüngere Kinder das Buch auch schon verfolgen können, auch wenn sie die Aussage dahinter vielleicht noch nicht genau verstehen werden.

Es ist Frühling, ...

Das empfohlene Lesealter liegt bei 4- 6 Jahren. Wobei jüngere Kinder das Buch auch schon verfolgen können, auch wenn sie die Aussage dahinter vielleicht noch nicht genau verstehen werden.

Es ist Frühling, die Sonne scheint und die ersten Blümchen sind auf einer hübschen Wiese am Wald zu sehen. Zwei vorbeifliegende Amseln zwitschern dem Schaf eine Neuigkeit zu. Das Schaf ist für den neusten Tratsch immer zu haben und erzählt dem Fuchs weiter, dass angeblich die Häschen was aufs Näschen bekommen haben. Dieser berichtet es dem Dachs, dieser der Gans und diese der Maus. Solange, bis die Neuigkeit einschlägt wie eine Bombe. Alle wundern sich und machen sich Sorgen um die armen Hasen. Man vermutet das Schlimmste. Doch das kleine Wildschwein geht dem Gerücht auf den Grund und klärt alles auf. Einfache Verständnisprobleme haben hier aus einer schönen Neuigkeit ein schreckliches Gerücht gemacht.

Die Gerüchteküche kocht bei den Tieren am Wald hoch her. Jeder hört die unglaubliche Nachricht, kann es aber kaum glauben, schliesslich sind die Hasen ja super freundlich und friedliche Tiere. Mit wem sollten sie Ärger haben?

Das Aufbauschen von Nachrichten und das falsche Weitergeben kennt jeder, Kinder erfahren das meistens schon im Kindergarten durch das bekannte Stille-Post-Spiel.


Die Geschichte, die hinter diesem Bilderbuch steckt ist eine lehrreiche Sache. Denn wer Informationen weitergibt und sie auch noch mit anderen Tatsachen ausschmückt, kann für ordentlich Verwirrung sorgen. In diesem Fall ging die Erzählung so weit, dass den friedlichen und liebenswerten Hasen einiges nachgesagt wurde und sie laut Gerücht sogar ihr wunderhübsches Häuschen verlassen mussten. Am Ende klärt sich alles auf, eine wunderbare Überraschung ist hier der spezielle Knüller.


Kinder werden durch dieses Buch an die Gerüchteproblematik herangeführt, es bedarf aber vielleicht noch einiger Erklärungen durch den Vorlesenden und ein Erleben durch ein durchgeführtes Stille-Post-Spiel.


Bei diesem herrlich bunt illustrierten Bilderbuch macht das Anschauen Spaß. Besonders die entzückend dargestellten Tiere sind eine echte Freude, alle haben Gesichter und der kleine Marienkäfer ist in echter Wimmelmanier der besondere Liebling der Kinder. Er ist auf allen Buchseiten zu sehen und sorgt immer wieder für neue Überraschung.




Dieses Bilderbuch thematisiert die Problematik der Gerüchteverbreitung und sorgt mit seinen entzückenden Tierdarstellungen für ein wunderbares Lese- und Anschauvergnügen bei Groß und Klein.


Veröffentlicht am 28.02.2018

Ein stimmungsvoller Road-Trip auf Kuba

Mit Hanna nach Havanna
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Katrin ist Moderatorin bei einem TV-Sender, sie ist intelligent, etwas überstrebsam und möchte alles immer nach Plan ablaufen lassen. Doch dann kommt der große Schock, ihre Sendung wird wegen zu geringer ...

Katrin ist Moderatorin bei einem TV-Sender, sie ist intelligent, etwas überstrebsam und möchte alles immer nach Plan ablaufen lassen. Doch dann kommt der große Schock, ihre Sendung wird wegen zu geringer Einschaltquoten einer Kollegin übergeben. Dafür soll Katrin ein Senioren-Magazin übernehmen. Dieses Klientel klingt nach Stützstrümpfen und medizinischen Ratschlägen, aber Katrin fügt sich ergeben ihrem Schicksal. Bis ein Brief einer älteren Dame, Hanna, sie zu einer Reise nach Kuba aufbrechen lässt. Gemeinsam wollen sie Hannas große Liebe suchen. Katrin sagt zu, denn sie erhofft für ihren Reisebericht, einen angesehenen Journalistenpreis zu erhalten.

Von Theresia Graw kenne ich bereits alle Bücher. Dieses neue Buch von ihr mit dem wunderschönen Famingo-Cover musste ich natürlich auch lesen.

"Mit Hanna nach Havanna" ist eine humorvolle Geschichte über zwei völlig verschiedene Frauen. Katrin, die eine jung, etwas verkniffen und langweilig und die andere, Hanna, fast 80, trinkfest, unternehmungslustig und lebensfroh. Gemeinsam reisen sie im rosa Cadillac durch Kuba auf der Suche nach Julius, Hannas großer Liebe von vor 60 Jahren.


Wie sich zwischen den beiden Frauen trotz des Altersunterschiedes und ihrer verschiedenen Charaktere eine Freundschaft entwickelt, ist besonders schön zu lesen. Katrin ist mit ihrer negativen und kritischen Art schon ein besonderer Fall. Salsa, Cuba Libre und tropische Temperaturen in der Karibik? Das ist nicht ihr Fall, sie hat nur ihre berufliche Anerkennung vor Augen, aber dank ihrer abenteuerlichen Reise durch Kuba entwickelt sie ein neues Wertegefühl. Sie erlebt, wie man auch ungeplante Ereignisse überwinden kann und nur den Mut entwickeln muss, sie auch anzugehen. Hanna ist ein Genussmensch und mit ihrer unverwüstlich guten Laune und ihrem lebensfrohen Tatendrang bringt sie Katrin dazu, über ihren Schatten zu springen, auch mal unvernünftig zu sein und schliesslich zu erkennen, welche Dinge im Leben wirklich wichtig sind.

Wunderschön zu lesen sind die Landschaftsbeschreibungen des bunten Lebens auf Kuba, mit all den historisch gewachsenen Schwierigkeiten und den dennoch lebensfrohen und temperamentvollen Kubanern macht es Lust auf eine Urlaubsreise auf den Spuren Hemingways und das eigene Erleben von Salsa-Abenden und Mojitos beim Sonnenuntergang. Neben all der Urlaubsromantik werden aber auch die Probleme der Kubaner angerissen. Es wird deutlich, wie sie trotz ihrer Armut und der sozialen Probleme die Freude am Leben nicht verlieren und ihre Insel und das Leben lieben. Auch wenn es hier an vielem fehlt, die Menschen helfen sich gegenseitig und machen das Beste aus der Situation.


Dank Theresia Graws locker, flüssigem Schreibstil kann man gar nicht anders als durch das Buch zu fliegen, immer mit dem Gefühl, bei diesem Roadtrip direkt dabei zu sein. Gemeinsam quält man sich mit dem rosa Cadillac durch die maroden Strassen, erlebt die zauberhaften Flamingos, rollt Zigarren und trinkt einen Cuba Libre vor einem kitschig schönen Sonnenuntergang. Es ist ein authentisch wirkendes Bild von Kuba, dem man sich hier entspannt hingeben kann.
Man muss dieses Buch einfach geniessen, auch wenn man einige Dinge vorhersehen kann.


"Mit Hanna nach Havanna" war für mich ein wunderbarer Ausflug in die Karibik, eine unterhaltsame Gute-Laune-Geschichte, die mit kubanischer Lebensfreude gespickt ist und für schöne Lesestunden gesorgt hat. Mal wieder hat mich Theresia Graw mit ihrer Story begeistert.

Veröffentlicht am 27.02.2018

Informativ, aufschlussreich, aber als Buch schwierig zu beurteilen.

Kopfsache schlank
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Eigentlich weiß jeder, dass Abnehmen allein durch die Art des Essens oder eine geringere Menge zu schaffen ist. Auch die Bewegung spielt eine große Rolle zur Verbrennung von Kalorien. Entscheidend ist ...

Eigentlich weiß jeder, dass Abnehmen allein durch die Art des Essens oder eine geringere Menge zu schaffen ist. Auch die Bewegung spielt eine große Rolle zur Verbrennung von Kalorien. Entscheidend ist die Willensstärke! Schafft man es, auf etwas zu verzichten oder das Lebensmittel mit der geringeren Kalorienzahl zu essen? Dann ist man auf dem richtigen Weg, hat man aber durch Gewohnheit, Stressfaktoren oder Unzufriedenheit Frust, dann wird man sicherlich diese Willensstärke nur schwer aufbringen.

Was will uns dieses Buch also zu diesem Thema sagen? Können wir unser Gehirn dahingehend programmieren, dass wir abnehmen?

Die Antwort ist eindeutig "Nein". Aber das Gehirn und die Funktionen zu kennen, macht es einfacher, sich diesem Thema zu nähern und an seinen eigenen Gewohnheiten Fehler zu erkennen und sie dann anpacken zu können.

Dieses Buch bringt auf unterhaltsame Weise medizinisches Fachwissen näher, zeigt Vorgänge im Gehirn und erklärt ablaufende Prozesse auf verständliche Art und Weise. Mit lebensnahen Beispielen aus dem Leben der Autorinnen wird hier Fachchinesisch klar gezeigt. So gesehen ist es eigentlich kein reines Sachbuch.

Zu den Inhalten: wer weiß schon, welche Programme im Gehirn ablaufen, die uns bei all den guten Vorsätzen zum Abnehmen scheitern lassen.

Die Sache ist komplexer als man glaubt, nicht nur guter Schlaf und Zufriedenheit sind wichtig, auch bestimmte Hormone und ein funktionierender Blutzuckerspiegel. Gerade dieser lässt uns nicht bis zur nächsten Mahlzeit warten, sondern zu kleinen Snacks greifen. Ein fataler Fehler, den man vielleicht mit dem Hintergrundwissen dieses Buches umgehen kann, weil man die Falle kennt.

Für mich war dieses Buch kein Versuch um abzunehmen, sondern mich hat interessiert, inwiefern das Gehirn unser Essverhalten steuert und wie man dort ansetzen kann.

Hunger ist für den Körper ein Zeichen von Stress. Im Gehirn wird z. B. beim Essen das Belohungshormon Dopamin freigesetzt, dieses baut das Stresshormon Cortisol ab. Das Ziel des Körpers ist also, Nahrung zu bekommen. Diese ist entscheidend für den Blutzuckerspiegel, geht der nach schnellem Anstieg in den Keller, haben wir Heißhunger. Es gibt aber Nahrungsmittel, die einen geringen glykämischen Index haben, die den Blutzuckerspiegel relativ konstant halten können. Die Folge wäre: die Hungerattacken werden geringer.

Im Buch gibt es eine Liste von Lebensmitteln mit niedrigem glykämischen Index.
Stellt man seine Nahrung daraufhin um, ist das im Grunde eine Umstellung auch der alten Muster im Gehirn.

Wir brauchen Dopamin, fehlt die Gabe durch die hochglykämische Nahrung, so müssen wir andere Wege finden, das Dopamin ausgeschüttet wird.


Statt im Essen gibt es weitere Dopaminquellen. Diese erzeugen wir auch durch sportliche Betätigung, durch positive Erlebnisse wie in der Natur, bei der Musik, bei schönen Dingen oder in einer Wohlfühlatmosphäre in der eigenen Wohnung.

"Je mehr wir eine Mahlzeit inszenieren, desto intensiver kann die Dopaminausschüttung ausfallen." Zitat S. 120
Fachwort: Verhaltensverstärkung, wenn Dinge Spaß machen, wiederholen wir sie.

Abnehmen durch Wohlfühlen wird sicherlich einfacher zu bewerkstelligen sein als durch Verzicht und Frusthungern.


Dieses Buch klärt auf über unsere Essgewohnheiten, erklärt die medizinischen Hintergründe und Fakten und gibt einige Beispiele zum eigenen Gebrauch. Die interessanten Einblicke klären auf über unser Gehirn, ob man dank dieser Erkenntnisse wirklich abnehmen kann, steht noch zu beweisen.

Veröffentlicht am 24.02.2018

Gesellschaftskritischer Kriminalroman

Kühn hat Ärger
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Jeder neue Tag kann gut werden und bringt neue Chancen. In letzter Zeit hat Martin Kühn aber eher wenig gute Tage. Von seinem Burnout hat er sich gerade erholt, da kriselt es in seiner Ehe mit Susanne. ...

Jeder neue Tag kann gut werden und bringt neue Chancen. In letzter Zeit hat Martin Kühn aber eher wenig gute Tage. Von seinem Burnout hat er sich gerade erholt, da kriselt es in seiner Ehe mit Susanne. Aber auch mit seinem Kollegen gibt es Rivalitäten und die Arbeit beginnt gleich mit einem Mord an Amir, einem jungen Libanesen. Das grausam zugerichtete Opfer war der Freund Julia van Houtens, Tochter aus gutem Hause. Kühn ist ein einfacher Polizist und sieht sich durch die Ermittlungen mit der Welt der Reichen und Wohltätigen konfrontiert. Hat diese Familie etwas gegen Amir gehabt?

Martin Kühn wohnt mit seiner Familie im Außenbezirk von München, auf der Weberhöhe, dort stand früher eine Munitionsfabrik. Er ist Hauptkommissar und Berufspendler aus Kostengründen. Seine Sicht auf die Dinge und die Welt an sich hat manchmal schon philosphische Züge. Das macht diesen Roman so besonders.

Zu Beginn muss man sich ein wenig einlesen, kann sich dann aber schnell auf Kühn einstellen und ich muss sagen, ich habe seine Sichtweise sehr genossen.
Sein neuer Ermittlungsfall dreht sich um Amir, ein kleinkrimineller Jugendlicher mit libanesischer Herkunft, der sich Hals über Kopf in Julia van Houten verliebt hat. Julia stammt aus einer reichen Familie, eine Verbindung zwischen beiden scheint schwierig und erinnert sehr an Romeo und Julia. Doch die Familie scheint offen, sie nehmen Amir freundschaftlich auf, fahren mit ihm in Urlaub.

Warum und von wem wurde Amir dann ermordet, brutal erschlagen und in der Gosse liegen gelassen?
Kühn setzt seine ganze Arbeitskraft in diesen Fall, obwohl er gerade privat einige Probleme bewältigen muss. Auch sein Arzt macht ihm eine unangenehme Diagnose über seine Prostata.
Aber Kühn ist ein ganz besonderer Mensch, er philosophiert gern über alles und jeden. Die Ermittlung mit seinem Kollegen Steierer ist eher nebengeordnet. Es sind mehr die Milieuzeichnungen, die interessieren. Zunächst hat Kühn eine etwas sarkastische Sichtweise auf die Welt der Reichen. Aber er fühlt sich auch angezogen von dem Leben dieser Neureichen, denn die rechtsradikalen Aktivitäten in seiner persönlichen Nachbarschaft nerven ihn zunehmend.

Weilers Schreibweise kann man hier nicht als humoristisch benennen, sondern sie ist eher eine satirische Betrachtung des Lebens aus Kühns Sicht. Selbst beim Arztbesuch empfindet man die Bissigkeit seiner Bemerkungen und merkt ihm seine Unsicherheit in dieser Lebensphase deutlich an.

Wer sinniert schon über Tag und Nacht und denkt über den Blick auf die Welt aus der Weltraumperspektive nach? Genau das macht Kühn und damit ist er auch ein wenig gefangen in seinem tiefsinnigen, philosophisch wirkenden Gedankengut.

Jan Weiler benutzt seinen Kühn, um bissige Hiebe auf die Gesellschaft zu verteilen. Und das gelingt ihm recht unterhaltsam und durch die Krimianteile auch spannend. Aber auch Kühns Leben interessiert den Leser, er ist anders als andere Kommissare. Seine inneren Monologe offenbahren ihn und seine Lebenskrise. Mich hat diese Sichtweise sehr beeindruckt und der Roman hat mich mit den aktuellen gesellschaftspolitischen Themen sehr überrascht.

Die Schilderung der Ehe finde ich ein wenig klischeemäßig, aber sie passt zu Kühn.

Ich mag Kühn als Eigenbrötler und als Ermittler mit interessanten Verhörmethoden. Er hat eine besondere Gabe, in seinen Verhören die Menschen zu den entscheidenden Aussagen zu bringen. Dabei gewinnt man auch Einblicke in den Täter und seine niederen Beweggründe.

Bei diesem Roman kommt zu der satirischen Ader eine Menge aktuelle Themen, der Tiefsinn und die Krimihandlung bildet den geeigneten Rahmen. Es ist ein vielseitiges Buch und bietet für jeden Leser etwas. Mir hat die Kombination von allem sehr zugesagt.