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Veröffentlicht am 04.11.2017

Herrlich klischeefrei dargestelltes Landleben!

Altes Land
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"Das Haus ist meins und doch nicht meins, der nach mir kommt, nennt´s auch noch sein." Zitat Seite 258


Dörte Hansens Buch ist in gewisser Weise ein Heimatroman, sie stellt ein altes Fachwerkhaus im Alten ...

"Das Haus ist meins und doch nicht meins, der nach mir kommt, nennt´s auch noch sein." Zitat Seite 258


Dörte Hansens Buch ist in gewisser Weise ein Heimatroman, sie stellt ein altes Fachwerkhaus im Alten Land in den Mittelpunkt der Geschichte. Das alte Bauernhaus bietet die Möglichkeit, heimisch zu werden, immer wieder kommen hier Flüchtlingsschicksale an. Erst strandet dort nach dem Zweiten Weltkrieg die ostpreußische Adelige Hildegard von Kamcke mit ihrer Tochter Vera, Hildegard zieht wieder weg und später erbt Vera das Haus. Vera bleibt lange eine Fremde, die Alteingesessenen gewöhnen sich nur langsam an Neulinge und sie lässt den einst so schönen Hof verloddern. Erben für die es sich lohnen könnte, sind nicht in Sicht. Doch dann erscheint ihre Nichte Anne, sozusagen ein Großstadtflüchtling aus Hamburg, die genug hat von der abgehobenen gediegenen Lebensart der Großstädter und von ihrem sie betrügenden Mann. Anne ergreift ihre Chance vom Landleben, sie renoviert und packt an, der Hof darf nicht verfallen. Auch ihr Sohn Leon gefällt es hier gut, er ist der Enkel, den Vera nie hatte.


Bei diesem Roman wird der Blick aufs Landleben durch die Generationenkonflikte gelenkt. Es stellt sich mir in erster Linie die Frage nach Heimat und Verbundenheit. Wann schlägt ein Mensch Wurzeln und fühlt sich heimisch? Vera hat damit ihre Probleme und sie braucht Jahrzehnte, um endlich anzukommen und diese Heimat annehmen zu können. Erst die neue Familie gibt ihr Frieden und Ruhe.

Die Autorin nimmt aber auch den gegenwärtigen Hype vom Landleben auf die Schippe. Viele Großstädter ziehen am Wochenende in Scharen aufs Land: Frischluft schnuppern, die Kinder dürfen im Matsch spielen und Bioobst und - Gemüse sind "in", jeder geniesst die Freiheit auf dem Land. Doch nur wenige bleiben und werden hier heimisch. Viele Städter schauen ein wenig mit Verachtung auf die arbeitenden Bauern und wollen alles besser machen. Bio statt konventionelle Landwirtschaft, manche wollen aber auch nur dem Großstadtlärm entfliehen, merken aber dann den Traktorenlärm, der keine Wochentage kennt.

Die Menschen im Alten Land sind Bauern, manche etwas knorrig, alle jedoch arbeitssam und sie kleben an ihrer Scholle. Was im Besitz der Familie ist, muss Besitz bleiben.

Mir hat schon lange kein Buch mehr so gut gefallen wie "Altes Land". Sprachlich ein absolutes Leseerlebnis mit Humor, Ironie und Plattdeutschem Dialekt. Aber trotz der Situationskomik, kommt Dörte Hansen ihren Figuren gefühlsmäßig sehr nahe. Sie erzählt die Geschichte von Flüchtlingen aus Ostpreußen, die sich im Alten Land angesiedelt haben und doch nie heimisch wurden. Es sind Schicksale, die von einer vergessenen Generation erzählt und doch so den Blick auf heutige Flüchtige freimacht. Wer flieht, kann die Vergangenheit nicht aus seinem Kopf verbannen. Schreckliche Bilder verfolgen, Heimatgefühle ebenfalls. So ergeht es auch Vera, die als Kind mit ihrer Mutter aus Ostpreußen auf dem Obstbauernhof bei Ida Eckhoff landete.

Ein wunderbar anrührendes Buch, bei dem beim Lesen bei mir ein Film ablief. Das bewirkt besonders der wunderbare Erzählton mit etwas Humor, aber auch mit Wehmut, dazu die eigenwilligen Figuren, die knorrig, unangepasst handeln und trotz aller Schicksalsschläge nie aufgeben. Mal traurig anrührend, mal ironisch, mal amüsant.


Von mir gibt es eine absolute Empfehlung für dieses Buch, bei dem der Blick auf Generationenkonflikt, Flüchtlingsschicksale und Landleben aus unterschiedlichen Blickwinkeln freigegeben wird.

Veröffentlicht am 04.11.2017

Kurzweilig, amüsant, voller Lebensfreude und angefüllt mit Klischees über Italiener und Deutsche!

Dolce vita für Fortgeschrittene
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Mit reichlich Humor, südländischem Temperament und italienischer Lebensart bringt Protagonistin Laura dem Leser ihre Geschichte und ihre Sicht auf die typischen Lebensgewohnheiten und Unterschiede zwischen ...

Mit reichlich Humor, südländischem Temperament und italienischer Lebensart bringt Protagonistin Laura dem Leser ihre Geschichte und ihre Sicht auf die typischen Lebensgewohnheiten und Unterschiede zwischen Deutschen und Italienern nahe. Sie muss es als gebürtige Italienierin wissen, denn ihr Mann ist Deutscher. Beide sind nicht verheiratet, was besonders ihrer Nonna ein Dorn im Auge ist. In italienischen Familien wird geheiratet und damit basta. Doch Laura ist es gerade recht, nicht in einer Ehe festzustecken, denn mit Martins Ordnungssinn und seinen deutschen Ansichten kommt es gerade zu einer Partnerkrise. Beide kommen nicht immer mit der gegensätzlichen Mentalität klar.

Laura steckt all ihr Temperament in die neue Agentur, die den Deutschen das italienische Lebensgefühl nahe bringen soll. Ihre Freundinnen unterstützen sie dabei und zusammen stellen sie so einiges auf die Beine. Besonders die Ausrichtung von Hochzeiten steht auf dem Programm und dabei kommt für den Leser authentisch italienische Lebensart rüber. Ich habe diese Planungen mit ihrer Opulenz sehr genossen und konnte mir viele Details gut vorstellen.

In diesem Buch geht es neben einer Liebesgeschichte um Lebensgewohnheiten und Klischees, es wird auf humorvolle Weise deutlich gemacht, wie Deutsche und Italiener ticken. Beide Seiten der Nationalitäten werden lebendig beschrieben und das stets mit einem Augenzwinkern. Es wird nicht angeklagt, sondern lebensnah dargestellt und damit unterhaltsam verständlich gemacht.

Besonders die Dialoge zwischen Laura und ihrer Nonna und mit der kleinen Tochter haben mich schnell in die Geschichte gezogen und ich mag sie richtig gern. Manche Szenen und Gedanken Lauras sind etwas ausführlich geraten, aber von der Grundidee hat mir das Buch gut gefallen. Man kann dabei sogar italienisch lernen, denn die eingestreuten italienischen Sprachfloskeln werden in Fußnoten übersetzt.



Dolce Vita für Fortgeschrittene versprüht Lebensfreude, steckt voller Humor und voller Liebe zu Italien. Bei der Lektüre träumte ich mich nach Bella Italia.

Veröffentlicht am 04.11.2017

Intensiv erzählt, gut recherchiert und emotional bewegend

Der Hexenschöffe
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Hinter diesem Roman steckt eine wahre Begebenheit aus der Zeit der Hexenverfolgungen, die Person des Schöffen Hermann Löhers ist real belegt. Hermann Löher verfasste mit 80 Jahren eine Klageschrift mit ...


Hinter diesem Roman steckt eine wahre Begebenheit aus der Zeit der Hexenverfolgungen, die Person des Schöffen Hermann Löhers ist real belegt. Hermann Löher verfasste mit 80 Jahren eine Klageschrift mit dem Titel "Hochnötige untertanige wemütige Klage der frommen Unschültige". Auf diese stützt sich die Autorin in ihrem Buch und macht Löher zum Protagonisten des Hexenschöffen.

Löher selbst glaubt nicht an Hexerei und hält die Beschuldigungen der Betroffenen für Unsinn. Häufig werden als Gründe Missernten, Unwetter und Todesfälle in den Familien als Grund für Hexerei angeführt. Doch Löher kann gegen den Hexenkommissar nicht viel ausrichten, da er und seine Familie sonst selbst in Gefahr geraten und zur Zielscheibe für Verleumndungen werden. Eine tragische Situation für alle Beteiligten.
Die Hexenhäscher versuchen mit den Anklagen, Rache zu nehmen, ihre Macht und ihren Einfluss darzustellen und außerdem bringt die Verurteilung auch finanzielle Vorteile mit sich. Denn Hab und Gut der Verbrannten wird enteignet und so füllt sich mancher Hexenankläger die eigene Tasche mit dem grausam erstrittenen Geld. Besonders bei reichen Kaufleute ergibt sich eine erträgliche Summe.

Löher kann nicht verhindern, dass das erste Opfer, die unbescholtene Frau Marta, als Hexe verurteilt wird. Unter Marter und unsäglichen Schmerzen wird ihr Hexengeständnis erzwungen.
Die peinliche Befragung und Folter wird im Buch näher erklärt, man hat die drastischen Mitteln deutlich vor Augen und ist bestützt über so viel Grausamkeit. Doch damit veranschaulicht die Autorin auch realistisch, zu welch entsetzlichen Foltermethoden damals gegriffen wurde. Mit Aberglauben, Dummheit und auch berechnender Missgunst fielen so viele Menschen der Hexenverfolgung zum Opfer.

Petra Schier kann historische Romane mit viel Intensität und Gefühl schreiben. Intrigen, Liebe, Gier und Rachsucht spielen auch in diesem Roman eine große Rolle. Petra Schier zeichnet ihre Charaktere mit großer Ausdrucksstärke und glaubhafter Darstellung, sodass man als Leser ihnen gut und gespannt folgen mag.

Der Roman rüttelt den Leser auf, aber er unterhält auch mit Einblicken aus dem Leben und Handeln der Familie Löher und deren Freunden und Nachbarn. Es zeigt das Alltagsleben in einer vielköpfigen Familie, man erlebt Liebe oder erzwungene Heirat, viel Klatsch und Tratsch und allerhand Brauchtum. Besonders interessant war für mich die Tradition der Reihjungen mit dem Brauch der Mailehen, auch anderswo Schlutgehen genannt. Hierzu gibt Frau Schier in einem Nachwort umfassend Auskunft.

Ein emotional aufwühlender und kurzweiliger Roman zu den Hexenprozessen in Rheinbach, der sich auf wahre Begebenheiten stützt.

Veröffentlicht am 04.11.2017

Slapstick-Krimi mit flotten Sprüchen, skurrilen Figuren und wunderbar gelungener Unterhaltung.

Nadel, Faden, Hackebeil
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"Echte Kerle stickten selbst! Mit männlicher Präzision stickten sie kernige Motive auf Textil, die schwielige Linke um das Handstickrähmchen geschlungen, in der groben Rechten Nadel und Faden, im Auge ...

"Echte Kerle stickten selbst! Mit männlicher Präzision stickten sie kernige Motive auf Textil, die schwielige Linke um das Handstickrähmchen geschlungen, in der groben Rechten Nadel und Faden, im Auge wilde Entschlossenheit." Zitat Seite 117

Nach dem tollen Beginn der Reihe habe ich mir nun auch diese Episode zur Unterhaltung gegönnt. Inhaltlich geht es mit herrlich schwarzem Humor und tollen Sprüchen als Kapitel-Überschriften zur Sache.

Überschrift Seite 105: Kunst kommt von können, käme es von wollen,
hieße es Wunst.

Das Buch ist durchgehend amüsant, manchmal etwas klamaukig, aber dennoch lustig. Mir macht es Spaß, besonders Siggi mit seinem Harem (Schwester Irmi, Tochter Susanne und Nichte Karina) zu beobachten, das ist unbeschreiblich kurzweilig und immer ein Erlebnis. Der Hund Onis (durch seine Knick-Rute nicht zur Zucht zugelassen) begleitet Siggi mal wieder auf Schritt und Tritt. Außerdem haben sich die Freunde von Susanne und Karina nebst einem kleinen Bruder im Haus einquartiert und so wird es mehr als nur turbulent. Nebenbei erlebt man noch Siggis eifersüchtige Freundin MaC und die erfrischenden Treffen der Freunde des VHS Männerkochkurses.

Aber auch die Krimihandlung nimmt neben der heiteren Kulisse und den außergewöhnlichen Figuren keine unscheinbare Hintergrundposition ein. Gespannt kann man die Ermittlungen von Seifferheld mitverfolgen und die Auflösung am Ende kommt zwar überraschend, aber auch mit logischer Erklärung. Insofern ist dieser Band gegenüber dem ersten schon deutlich mehr Krimi als nur Komödie.

Wer Tatjana Kruses Schreibstil kennt, weiß, hier geht es mit viel Humor und einer mitreißenden, schrägen Geschichte dem Leser an die Lachmuskeln. Die skurrilen Charaktere und ihre Erlebnisse sorgen Knall auf Fall für durchgängig gute Unterhaltung. Hier wird mit Gags nur so um sich geschossen und das schafft absolut gute Unterhaltung.

Nach diesem Band muss ich unbedingt auch noch die anderen Bände der Reihe lesen. Hier ist die Übersicht:

1. Kreuzstich, Bienenstich, Herzstich
2. Nadel, Faden, Hackebeil
3. Finger, Hut und Teufelsbrut
4. Gestickt, gestopft, gemeuchelt
5. Sticken, stricken, strangulieren
6. Der Tod stickt mit


Wer Krimis mit Slapstick-Charakter und skurrilen Figuren mag, der sollte sich diese Reihe unbedingt näher ansehen. Vor lauter Situationskomik bleibt kaum ein Leser ernst und die Serie ist süchtig machend. Siegfried, der stickende Held hat meine vollste Sympathie.

Veröffentlicht am 04.11.2017

Eine fesselnde Ermittlung vor ostfriesischer Kulisse, bei der man gut mitraten kann! Ein echter Nordseeurlaubskrimi!

Mordsleben. Ostfrieslandkrimi
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"Ein Mordsleben, ja, das hatte ich", sagte sie mit zynischem Unterton. "Erst der Unfalltod meiner Tochter. Dann der Selbstmord meines Mannes. Letzte Woche die Schüsse auf mich. Mörderischer geht es kaum." ...

"Ein Mordsleben, ja, das hatte ich", sagte sie mit zynischem Unterton. "Erst der Unfalltod meiner Tochter. Dann der Selbstmord meines Mannes. Letzte Woche die Schüsse auf mich. Mörderischer geht es kaum." Zitat Seite 94

Ich mag Ulrike Buschs Krimis, ihr Schreibstil liest sich angenehm leicht, ein wenig humorvoll und dadurch erfrischend lebensnah. Die Story ist gut durchdacht, mit geschickten Wendungen fesselt sie den Leser an ihr Werk. Mir gefallen besonders ihre Protagonisten, das Ermittlerteam Tammo Anders und Fenna Stern, die ich von den Vorgängerbänden her kenne und daher auf ihre weitere Entwicklung gespannt war.

Die Kommissare Fenna und Tammo sind ein tolles Ermittlerteam und sie harmonieren nicht nur bei der Arbeit wunderbar, auch privat sind sie zusammengewachsen und nun offiziell ein Paar. Eigentlich wollen sie nur ihre Zweisamkeit geniessen und dann hält sie der Fall Leonie Altinga beruflich auf Trab. Während Tammo bei Befragungen eher direkt ist und forsch zur Sache kommt, geht Fenna sehr feinfühlig und behutsam auf die Personen ein. So ergänzen sie sich perfekt und kommen im Fall des Mordanschlags auf Leonie Altinga dem Täter gewieft auf die Spur.

Der Kriminalfall dreht sich um die alternde Schauspielerin und Krimiautorin Leonie Altinga. Welche Person kann auf sie einen solchen Hass haben oder ist hier nur jemand auf ihr Erbe aus? Fenna und Tammo finden bei ihrer Ermittlung keine direkten Feinde, aber in der Autobiografie der Frau verbergen sich einige dunkle Geheimnisse, die die Autorin vor der Öffentlichkeit verborgen hat. Doch diese Frau ist schwer zu durchschauen, denn als Schauspielerin versteht sie ihr Gesicht zu wahren, ohne in ihr Inneres blicken zu lassen. Wer ist hier nun Opfer und wer Täter? Da sind auch noch die Schwester und ihr 40 jähriges Muttersöhnchen, sind die beiden auf Leonies Erbe aus? Es bleibt lange undurchschaubar und das erhöht die Spannung natürlich ungemein. Die Charaktere sind allesamt unterhaltsam und vielseitig gezeichnet und als Leser kann man bei diesem Krimi schön miträtseln. Eine fesselnde Ermittlung, die den Täter noch nicht erraten lässt, so liebe ich Krimis.

Ulrike Buschs Krimis sind unblutig und dennoch sehr fesselnd zu lesen. Der Lokalkolorit um Greetsiel ist als schöne Hintergrundkulisse geschildert und man bekommt beim Anblick des hübschen Coverbildes sofort Lust auf einen Kurzurlaub an der Nordsee.


Dieser Krimi bescherte mir mit dem humorvollen Schreibstil schöne Lesestunden und in punkto Täterfrage hatte ich viel Spaß beim Rätseln. Ein perfekter Krimi für den Nordseeurlaub oder mit einer Tasse Ostfriesentee zuhause.