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Veröffentlicht am 03.11.2017

Tragisch, ergreifend und wissenswert

Farbenblind
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Trevor Noah erzählt in seiner Biografie, wie er die Apartheid erlebt hat und trotz der Probleme seinen Platz im Leben gefunden hat.
Dieses Buch gewährt tiefe Einblicke in das Apartheidsystem Südafrikas, ...

Trevor Noah erzählt in seiner Biografie, wie er die Apartheid erlebt hat und trotz der Probleme seinen Platz im Leben gefunden hat.
Dieses Buch gewährt tiefe Einblicke in das Apartheidsystem Südafrikas, erklärt Stammesrivalitäten und zeigt Diskriminierung aus nächster Nähe.

Das Buch beginnt mit dem Immorality Act, das Unsittlichkeitsgesetz von 1927. Dieses verbot außerehelichen Geschlechtsverkehr zwischen, ich zitiere wörtlich: "Europäern und Eingeborenen". Bei Zuwiderhandlung war mit Freiheitsstrafe zu rechnen.



Trevor wird nicht nur in einem Land mit extremer Rassentrennung groß, er ist auch noch ein Mischlung und gehört damit nicht zu den Schwarzen und nicht zu den Weißen. Das macht seine Situation so schwierig, dass seine Mutter ihn als Kind verstecken muss. Schliesslich hat sie gegen das Gesetz verstoßen.



Man kann es kaum glauben, denn Trevor Noahs Kindheit ist kaum 30 Jahre her und doch erlebt der Mischlingsjunge am eigenen Leib Rassendiskriminierung. Er erklärt, wie Schwarze, Farbige, also Mischlinge, Inder und Weiße jeweils als eigene Rasse gesehen wurden und sogar die Toiletten danach gekennzeichnet wurden. Doch nicht nur nach der Hautfarbe wurde unterschieden, auch sprachlich gesehen gibt es in Südafrika eine Vielzahl verschiedener Ethnen und Sprachen.

Trevors Schilderungen berühren, klären auf und zeigen tragische Einblicke in sein Leben. Er ist kein einfach zu bändigendes Kind, seine Erlebnisse sind von der Gewalt des prügelnden Stiefvaters geprägt und er hat große Probleme mit seiner eigenen Identität. Zu welcher Gruppe von Menschen gehört er?
Schliesslich ist er ein Mischling, auch wenn er sich als Schwarzer sieht. Gemeinsam mit seiner Mutter und einer ordentlichen Portion Humor meistert Trevor viele Schwierigkeiten. Sie sorgt dafür, dass er Englisch und andere Sprachen spricht.

Bei dieser Lektüre ist man von einigen Erlebnissen erschüttert, sieht wie Trevor selten Anschluss findet und dank seiner Sprachkenntnisse eigentlich Zugang zu verschiedenen Gruppen findet. Um Geld zu verdienen, erstellt er illegale Raubkopien und verkauft sie, ohne sich einer Schuld bewusst zu sein. Dennoch findet er seinen Weg im Leben.

Seine komische Ader macht ihn zu einen unterhaltsamen Erzähler, doch nicht alle Kapitel des Buches haben mich gleichermaßen interessiert und unterhalten. Was mich aber fasziniert hat, ist seine im Buch zum Ausdruck gebrachte Liebe zu seiner Mutter.


Am aufschlussreichsten finde ich die Erklärungen über die vielen Sprachgruppen Südafrikas, die Stammeskonflikte dieser Gruppen untereinander und die Probleme, sich gemeinsam als ein Volk zu fühlen.




Diese Biografie zeigt emotionale, persönliche und tragische Momente im Leben des Trevor Noah, der seinen Lebensweg mit Mut, Humor und einem gefestigten Charakter eingeschlagen hat.

Veröffentlicht am 03.11.2017

Tolle Ruhrpott-Krimödie

Mausetot im Mausoleum
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Dieser Band zeigt sich mal in einem anderen Licht als die bisherigen Bücher der Reihe. Der Humor tritt leise in den Hintergrund, denn Loretta ist todunglücklich, weil ihr Freund Pascal sich von ihr getrennt ...

Dieser Band zeigt sich mal in einem anderen Licht als die bisherigen Bücher der Reihe. Der Humor tritt leise in den Hintergrund, denn Loretta ist todunglücklich, weil ihr Freund Pascal sich von ihr getrennt hat. Die Einsamkeit macht Loretta zu schaffen und der fröhliche Tonfall ist ihr so gut wie vergangen.

Lotte Minck entführt ihre Leser in diesem Band auf einen Friedhof, es geht an Lorettas Arbeitsplatz bei der Sex-Hotline und wir erfahren, was bestimmte Blumen und Pflanzen für eine Sprache sprechen.

Hier geht es dieses Mal um einen Stalker, der ohne Rücksicht auf Verluste seine Angebetete für sich gewinnen will. Leider ist Loretta das Ziel seiner Träume und sie versteht die geheime Sprache seiner Blumenbotschaften nicht.



Lotte Minck hat es wieder geschafft, mich mit ihrem flotten Schreibstil und der abwechslungreichen Handlung an das Buch zu fesseln. Der Krimifall steht dieses Mal mehr im Vordergrund des Geschehens. Auch wenn ich einen Verdacht in Hinblick auf den Täter hatte, so haben mich die Erlebnisse bei der Astrologin, Pascals Unfall und die spätere Entführung Lorettas wunderbar unterhalten. Auch dieses Mal gibt es Situationskomik, wenn auch nicht ganz so umfangreich, denn Loretta leidet schrecklich. Und so leidet man mit ihr und freut sich, dass sie nicht aufgibt und ihre spitze Zunge auch in gefährlichen Situationen behalten hat. Denn Loretta ist wie sie ist und damit sorgen ihre bissigen Bemerkungen, die sie sicherheitshalber nur gedanklich äußert, erneut für humorvolle Momente und Lacherfolge.

Es gibt ein Wiedersehen mit bekannten Figuren aus den Vorgängerbänden, Frank mit seinem unvergleichlichen Ruhrpott-Slang ist natürlich auch wieder mit von der Partie und Erwin als Helfer in der Not mit seiner Doris.



Wer trotz eines Toten im Mausoleum und eines Stalkers über Lorettas Kommentare schmunzeln möchte, dem kann ich diese Krimödie nur ans Herz legen. Es ist ein tolles Wiedersehen für alle Loretta-Fans mit ihrer Kultfigur. Humor ist wenn man trotzdem lacht!

Veröffentlicht am 03.11.2017

Ein ganz besonderer Erzählton und eine Figur, die erst allmählich Selbstbewusstsein entwickelt, machen dieses Buch besonders

Die erstaunliche Wirkung von Glück
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Susanne Rehlein erzählt eine eigenartige, manchmal märchenhaft anmutende Geschichte über das Glück. Die besondere Protagonistin Dorle und ihre schrulligen Mitbewohner haben schräge Angewohnheiten und es ...

Susanne Rehlein erzählt eine eigenartige, manchmal märchenhaft anmutende Geschichte über das Glück. Die besondere Protagonistin Dorle und ihre schrulligen Mitbewohner haben schräge Angewohnheiten und es kommt zu komischen Erlebnissen.

Dorle lebt zurückgezogen, ist eine graue Maus ohne Freunde und Bekannte und ihr einziges Highlight des Tages ist der Gang zum Schlachter, wo sie sich ein Mettbrötchen holt.

Dann erscheint Frau Sonne wie eine gute Fee und bittet Dorle gegen Bezahlung, ihre Wohnung zu hüten und Aufgaben zu erledigen, die ihr per Fax zugehen.

Die Senioren in der Villa sind sehr unterschiedlich, manche verhalten sich halbwegs liebenswürdig, andere sind aufdringlich und behandeln Dorle wie eine Dienstbotin. Stets soll sie putzen, Einkäufe tragen, fegen und für Ordnung sorgen. Sie lässt das mit sich machen, entwickelt dabei eine Art, die ich nicht nachvollziehen kann. Ihr Helfersyndrom lässt sie sogar Beleidigungen schlucken und ihr minderes Selbstwertgefühl kann man sich kaum für eine junge Frau ihren Alters vorstellen. Die Erlebnisse im Haus sind aber nicht nur furchtbar und demütigend, es gibt auch Situationen, bei denen man lachen kann. Die Aktion mit den Topfpflanzen ist so eine.

Der einzige Sympathieträger ist für mich Joe, alle anderen Figuren sind schwierig zu verstehen. Alle Personen werden nicht sehr tief gezeichnet. Auch Joe nicht, man merkt ihm nur seine Gefühle für Dorle an, deswegen redet er viel, lässt sich von Dorle aber auch zurückweisen. Was für ein gutmütiger Mann, der eine Menge Geduld mit Dorle hat. Auch Frau Sonne kann man nicht wirklich mögen. Sie spielt zwar die vermeintlich Gute im Roman und plant eine Veränderung für Dorle, aber ich habe das Gefühl, sie hat ihren Spaß daran, jemanden zu bevormunden. Die Aufgaben, die Dorle zum Glück verhelfen sollen, sind z. B. Massagen bekommen, Hefezöpfe zu backen oder in guten Restaurants bezahlte Dates zu treffen. Und das soll helfen? Wenn man das Alter von Dorle in Betracht zieht, so kann man das kaum glauben. Junge Leute gehen tanzen, Wellen surfen, auf Festivals und treffen andere junge Leute. Hier findet aber das Aschenputtel Dorle ihr Glück unter alten Menschen. In einer gewissen Weise ist das ansprechend und märchenhaft, aber mir fehlt hier der realistische Bezug zum wahren Leben.

Das Ende ich vorhersehbar. Bis Dorle sich allmählich aus ihrer Verklemmtheit, Unsicherheit und Zurückgezogenheit löst und weiterentwickelt, zieht sich die Geschichte ganz schön in die Länge. Auch bemerkt man bei der lethargisch wirkenden Dorle keine Stimmungshochs, sie vermisst Joe, aber wenn er da ist, hält sie ihn weiter auf Abstand. Das ist etwas übertrieben und ziemlich nervig.

Susanne Rehlein hat einen besonderen, melancholisch wirkenden Sprachstil, der gut zu Dorles spezieller Welt passt. Ich habe die ungewöhnlichen Erlebnisse gern gelesen und mich ein wenig amüsiert. Aber die Charaktere haben ich mir nicht richtig erschlossen und Dorles Weg war nicht unbedingt fesselnd.

Hier wurde auf recht spezielle Weise ein Mensch therapiert, der sich zurückgezogen hat. Inwieweit diese Theapie angemessen ist, mag ich nicht beurteilen. Mein Glücksgefühl wurde jedoch nicht richtig angesprochen.
"Die erstaunliche Wirkung des Glücks" ist ein Buch, dessen Sprachstil ich gern gelesen habe, aber inhaltlich frage ich mich, wieso man Dorle dieses Glück nicht anders beibringen kann.



Dieses Buch hat eine besondere, märchenhafte Art und die melancholische Stimmung passt gut zum Thema. Dennoch ist mir manches zu vorhersehbar und das Glück stellte sich bei mir nicht ein.

Veröffentlicht am 03.11.2017

Die Handlung hätte gestrafft werden können

Todesreigen
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Auch wenn Todesreigen bereits der vierte Band einer Reihe ist, kann man durchaus mit diesem Band beginnen, denn man findet nach und nach in die personellen bestehenden Verbindungen hinein.


Der Prolog ...

Auch wenn Todesreigen bereits der vierte Band einer Reihe ist, kann man durchaus mit diesem Band beginnen, denn man findet nach und nach in die personellen bestehenden Verbindungen hinein.


Der Prolog startet mit einer spektakulären Aktion auf der Autobahn. Ein Falschfahrer soll durch mutige LKW Fahrer aufgehalten werden. Dieser rasant erzählte Beginn des Buches hat mich auf das weitere Buch sehr neugierig gemacht und die Spannungskurve enorm hoch angelegt.


Die Geschichte wird mit mehreren Handlungssträngen erzählt, einmal die Ermittlungsschiene durch Sabine Nemez und ihre Kollegin Tina und den gerade aus dem Gefängnis entlassenen Hardy, der eine lange Freiheitsstrafe für die Tötung seiner Frau und Kinder verbüßt hat. Dieser ist nach eigener Aussage unschuldig und sucht nun die vermeintlichen Täter von damals.

Es sieht nach einem Rachezug aus, denn schon bald pflastern Leichen von beteiligten Personen seinen Weg.

Hardys Erzähllinie führt mehrfach in die Vergangenheit, dabei wechseln die Rückblenden äußerst häufig und mit Überschriften versehen, dennoch musste ich mich immer wieder neu orientieren, um aktuelles und vergangenes Geschehen gedanklich zu trennen. Das hatte zur Folge, dass die Spannungskurve jedesmal einknickte.

Auch führen die zahlreichen Todesopfer, brutalen Kämpfe und die Not der gepeinigten entführten Sabine Nemez zu einer kaum enden wollenden Flut an gewaltätigen Vorkommnissen. Auch wenn ein Thriller von solchen Taten lebt, hatte ich das Gefühl, in eine Endlosschleife geraten zu sein, die Spuren führten zu einem Motiv, das offensichtlicher kaum angedeutet werden konnte. Die Hintersmänner sind einflussreich und vertuschen soviel sie können.

Die Figuren haben mir dagegen sehr gut gefallen, sie sind ausdrucksstark und verschiedenartig angelegt. Reine Äußerlichkeiten sind jedoch nicht häufig mit eingeflossen und so kann man sich selbst ein Bild von den Personen machen. Mir haben besonders Sabines Gedanken sehr gut gefallen, damit bringt Gruber etwas Schwung in die Befragungen.

Sneijder tritt erst relativ spät in Erscheinung, da ich die Reihe mit diesem Band beginne, hat er mir allerdings auch nicht gefehlt.

Mein Augenmerk galt Hardys mutigem Einmischen und Sabines Überlebenskampf und ich habe ihre aktionsreiche Verfolgung gespannt mitverfolgt. Allerdings hätte man dieses Buch auch gut kürzen können, für meinen Geschmack hatte es einige Längen.



Wer diese Reihe kennt, muss diesen Band ebenfalls lesen. Ich hätte mit einer gestrafften Handlung die Geschichte viel gefesselter verfolgen können.

Veröffentlicht am 03.11.2017

Hier wird Geschichte berührend nachvollziehbar geschildert

Marlenes Geheimnis
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"Die Vergangenheit verlierst Du nie. Aber wenn Du heute nicht lebst, dann wirst Du auch die Zukunft verlieren." Zitat Seite 12


Dieser Roman verpackt eine Geschichte von drei Generationen einer Familie ...

"Die Vergangenheit verlierst Du nie. Aber wenn Du heute nicht lebst, dann wirst Du auch die Zukunft verlieren." Zitat Seite 12


Dieser Roman verpackt eine Geschichte von drei Generationen einer Familie in ein Stück Zeitgeschichte, sodass man als Leser mit den Figuren alles zeitnah miterleben kann.

Von Anfang an haben mich die drei Frauen aus drei Generationen mitgerissen.

Es ist Brigitte Riebe ausgezeichnet gelungen, Vergangenheit und Gegenwart lebendig miteinander zu verweben. Die Rückblenden umfassen ganze Kapitel, sodass man als Leser immer die Zeit im Blick hat. Es beginnt 1938 als Eva sich in einen jungen Tschechen verliebt, zeigt wie der Hass der Tschechen auf Nazideutsche überschlägt, beschreibt den Einmarsch der Russen und die Vertreibung bis zur Ankunft am Bodensee.

Die schwierige Zeit des 2. Weltkrieges und der Nachkriegsjahre werden sehr intensiv beschrieben und es wird deutlich, wie sehr auch viele Deutsche unter den Folgen der Kriegszeit zu leiden hatten. Dieser Roman führt direkt in diese schwere Zeit hinein und man ist berührt und ergriffen von den Zuständen. Es ist die Zeit der Zwangseinquartirung, der knappen Lebensmittelmarken, es gibt Malzkaffee statt Bohnenkaffee, man begnügt sich mit Streckbutter und Kernseife und der allgegenwärtige Tauschhandel zeigt deutlich wie es damals zuging.

Die Erlebnisse sind fesselnd geschildert, berühren hautnah und hinterlassen einen starken und nachhaltigen Eindruck über die Zeit des Krieges, der noch lange in mir nachhallt.

Die Charaktere der Familie werden mit vielen Emotionen, ergreifenden Erlebnissen und traurigen Schicksalen gezeigt und ich hatte die ganze Zeit diese Personen sehr authentisch vor Augen. Ich habe mit ihnen gelitten, geliebt, getrauert und gehofft. Dieser Roman geht mir wirklich sehr nah und wirft einen Blick in die neuste deutsche Geschichte, die viele Leser hier durch diese Figuren vielleicht erstmals erlangen.


Ein beeindruckender historischer Roman, der durch Einzelschicksale dreier Frauen einer Familie Geschichte sichtbar macht und zu einem berührenden Leserlebnis führt. Dieser Roman erhält meine absolute Leseempfehlung.