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Veröffentlicht am 17.04.2023

Mitreißender Historienroman zu Zeiten der Weberaufstände

Zwischen zwei Welten
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Mitreißender Historienroman zu Zeiten der Weberaufstände
Bei Tinte & Feder erscheint mit "Zwischen zwei Welten" der Auftaktband der Achenthal-Saga von Izabelle Jardin.
Elise von Achenthal führt als Enkelin ...

Mitreißender Historienroman zu Zeiten der Weberaufstände
Bei Tinte & Feder erscheint mit "Zwischen zwei Welten" der Auftaktband der Achenthal-Saga von Izabelle Jardin.
Elise von Achenthal führt als Enkelin eines Tuchfabrikanten in Schlesien ein sorgloses und wohlbehütetes Leben in Wohlstand. Als es 1844 zu einem Aufstand der notleidenden Weber kommt, die bessere Arbeitsbedingungen und faire Löhne brauchen, um überleben zu können, flieht Luises Großvater. Der Aufstand wird vom Militär blutig niedergeschlagen.
Durch einen Zufall wird sie Zeugin eines Übergriffes auf die Webertochter Marie, sie bringt sie nach Hause, erkennt die große Armut und versteht zum ersten Mal, wer für ihren eigenen Wohlstand verantwortlich ist. Sie möchte das ändern und bekommt mit Konrad von Radenau einen reformbereiten Mitstreiter. Die Maschinenweberei würde den Menschen die Arbeit erleichtern, in England trägt die industrielle Revolution mit diesen Maschinen bereits reife Früchte. Elise reist mit ihren Eltern nach England und besucht die Fabrikantenfamilie Cunningham und lernt den Sohn des Hauses Fletcher kennen. Eine Verbindung des Paares würde die finanziellen Probleme der Achenthals lösen, aber Elises Herz hängt an Konrad. Aber sie gibt Fletcher ein Versprechen, dass sie hoffentlich nie einlösen muss.


Izabelle Jardin schreibt flüssig, sehr ausdrucksvoll und emotionsbeschreibend, sie lässt ihren Roman im Schlesien von 1844 stattfinden und zeigt unterschiedliche Gesellschaftsschichten, die Unternehmerfamilien und die armen Weberfamilien, wo schon die kleinsten Kinder am Webstuhl sitzen.

Die Charaktere werden alle erkennbar beschrieben, Luise steht im Mittelpunkt des Geschehens und hat mit ihrer mutigen und sich für die Armen einsetzenden Art gleich mein Herz gewonnen. Sie lebt das wohlsituierte Leben einer Unternehmerstochter, liebt ihre Jagdhündin, die ihr nicht von der Seite weicht und reitet mit ihrem eigenen Pferd durch die Wälder. Auf so einem Ritt hat sie auch einen Übergriff auf Marie beobachtet, seitdem setzt sie sich für das Mädchen ein und erkennt, wie wenig Macht diese armen Menschen haben, um für Gerechtigkeit zu kämpfen. Durch die lebendig beschriebenen Gedanken und Gefühle Maries ist man ihr sehr nahe.

Hinter Luises Geschichte erlebt man die historischen Gegebenheiten, die durch das bildhaft beschriebene Setting zum Leben erwachen. Für mich sorgt das beschriebene Elend der Weberfamilien und die Einbindung des Zeitgeschehens für den entscheidenden Tiefgang des Romans.

Ein emotional mitreißender Roman, der mit den historischen Bezügen sehr authentisch die Weberaufstände beschreibt und mit Luises Erlebnissen gut unterhält. Durch das offene Ende erwartet man wissbegierig den zweiten Teil, der mir hoffentlich wieder so gut gefällt.


**Herzlichen Dank an Tinte & Feder und Zucker Berlin für dieses Rezensionsexemplar!**

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Veröffentlicht am 15.04.2023

Kurzweiliger Krimiurlaub in der Provence

Lavendel-Zorn
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"Lavendel-Zorn" ist der fünfte Fall aus der Provence-Krimireihe von Carine Bernard, die im Knaur Verlag erscheint.

In Carpentras ist warmes Spätsommerwetter angesagt. Endlich haben Lilou Braque und ihr ...

"Lavendel-Zorn" ist der fünfte Fall aus der Provence-Krimireihe von Carine Bernard, die im Knaur Verlag erscheint.

In Carpentras ist warmes Spätsommerwetter angesagt. Endlich haben Lilou Braque und ihr Freund Simon mal neben Polizeiarbeit und Restaurantbetrieb Zeit füreinander und nutzen das schöne Wetter zu einem Ausflug zum Stausee Lac du Péty. Doch kaum ist Lilou im Wasser, entdeckt sie im Wasser die Leiche einer Frau. Es wirkt wie ein tragischer Badeunfall. Kurz nach diesem Fund wird Lilou zu einem weiteren Todesfall gerufen, dort hat sich offenbar ein Notar mit seiner eigenen Waffe das Leben genommen. Merkwürdig ist nur, dass die Tote vom See seine Mitarbeiterin war, Lilou wird hellhörig und übernimmt die Ermittlungen in ihrem ersten Fall als Commissaire. Wie hängen die Fälle zusammen und warum führt eine Spur in Simons Restaurant?

Die Krimis von Carine Bernard lesen sich immer wie kleine Urlaubsreisen in die Provence, denn die Handlung spielt sich vor der schönen landschaftlichen Kulisse ab und das französische Lebensgefühl wird immer sehr stimmig mit kulinarischen Häppchen einbezogen. Dafür sorgt schon der Restaurantbetrieb von Lilous Freund Simon, der als Koch für leckere Gerichte sorgt. Sie wohnen beide nebeneinander, haben aber mit ihren konträren Arbeitszeiten wenig gemeinsame Zeit.

Der Erzählstil ist wie gewohnt flüssig, bildhaft und mit lebendigen Details unterhaltsam aufbereitet, die Krimihandlung sorgt für spannende Momente und man kann wunderbar mitraten.

Während der Ermittlungen kann man nicht nur Lilou, sondern auch den Kriminaltechnikern über die Schulter schauen und erlebt so die Untersuchungen aus nächster Nähe mit. Dabei zeigt sich, wie beharrlich Lilou sich in diesen Fall verbeißt und mit logischen Schlussfolgerungen der Lösung auf die Schliche kommt.

Ich mochte es, neben der Krimihandlung immer wieder ins Privatleben von Lilou und ihrem Simon einzutauchen und mir dabei die Schauplätze mit Lavendelfeldern und kulinarischen Genüsse optisch vorzustellen. Das weckt Urlaubsgefühle und zeigt auf atmosphärische Weise das Lebensgefühl von Land und Leuten in der Provence. Dabei wirken alle Charaktere sehr glaubhaft und sie werden lebensnah und mit menschlichen Facetten gezeigt.

Die Spannung zieht sich auf einem gemächlichen Level durch das ganze Buch, am Ende steigt die Kurve dann noch einmal zu einem gefährlichen Finale an. Insgesamt wird der Fall nicht blutig und grausam dargestellt, sodaß man durch die Ermittlungs-Puzzleteile gut mitraten und nebenbei das Flair der Provence genießen kann.

Lavendel-Zorn ist mal wieder eine gelungene Mischung aus Krimispannung, Privatleben und Frankreichflair und damit ein schöner Urlaubskrimi.

Veröffentlicht am 13.04.2023

Das Bücherschiff fährt wieder los

Das Bücherschiff des Monsieur Perdu
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Im Knaur Verlag erscheint der Roman "Das Bücherschiff des Monsieur Perdu" von Nina George.

Der Buchhändler Jean Perdu besitzt die heilende Gabe, seelische Krankheiten seiner Kunden mit entsprechenden ...

Im Knaur Verlag erscheint der Roman "Das Bücherschiff des Monsieur Perdu" von Nina George.

Der Buchhändler Jean Perdu besitzt die heilende Gabe, seelische Krankheiten seiner Kunden mit entsprechenden Büchern zu heilen. Nach einer längeren Auszeit mit seiner Catherine in der Provence lockt ihn ein an ihn adressiertes Manuskript des Schriftstellers José Saramago, mit der Bitte wieder Menschen und Bücher zusammen zubringen. Also begibt sich Jean gemeinsam mit Max Jordan wieder auf das Bücherschiff "Pharmacie Littéraire" und befährt die Kanäle Frankreichs.

Auf dieses Buch war ich sehr gespannt, es gab viele positive Stimmen für den Vorgänger "Das Lavendelzimmer".

Perdu beginnt neben seiner Aufgabe, den Menschen die richtigen Bücher zu "verordnen", selbst mit dem Schreiben einer "Enzyklopädie der kleinen Gefühle". Die Auflistung der verschiedenen Gefühle beim Lesen soll ein hilfreiches Nachschlagewerk für Buchhändler:innen werden. Dazu gehören Themen wie das Sammeln von Büchern, die Leselust, Bücherfreundschaften, bis hin zum Reisen der Gedanken. Bücher lösen in Menschen unterschiedliche Gefühle aus und manchmal kommen sie mit ihrer Aussage gerade zur rechten Zeit. Damit spricht die Autorin Themen an, die mir als Buchbloggerin sehr am Herzen liegen.

An die Kapitel der Hauptgeschichte um Perdu werden jeweils einzelne Enzyklopädie-Kapitel angehängt. Beide inhaltsreichen Erzählstränge stehen für sich, ziehen sich etwas und wirken nicht wie aus einem Guß, was meinen Lesefluß gestört hat.

Nina George versammelt in ihrem Buch alle Formen von Lesenden und sämtliche Genres von Büchern. Es macht Spaß, sich selbst hier und da in den Lesevorgaben zu entdecken und auch viele erwähnte Autor:innen zu kennen. Die Seele vieler Menschen dürstet nach Geschichten und Gedichten, die von Kummer ablenken, Inhalte vermitteln, Interesse wecken, Reisesehnsüchte erfüllen oder einfach nur gut unterhalten und Freude bereiten. Insofern ist dieser Roman für Bücherfreunde eine erbauliche Entdeckungsreise.

Die Idee der Story um Perdu finde ich interessant, leider verliert sich die Autorin mit ihrer floskelhaften Sprache sehr in Einzelheiten und driftet in Gedankengängen ab, die mir auf Dauer zu langatmig erscheinen. Oder, um es anders zu sagen: Das Schiff fährt streckenweise weiter, ohne mich mitzunehmen. Die Sprache lässt sich nicht flüssig lesen, denn viele Aussagen sind hintergründiger Art. Die Grundidee gefällt mir, der Spracherguß wirkt auf mich leider von Floskeln überfrachtet.


Ein geeignetes Buch für Literaturfreund:innen, das steckenweise langatmig erscheint, aber mit buchigen Seelenmomenten angefüllt ist.

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Veröffentlicht am 10.04.2023

Eine besondere Zeitreise in die 80er Jahre

Großraumdisco
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"Grossraumdisco" von Christine Drews erscheint im DuMont Verlag.

Im Jahr 1986 machen Anni und Vera ihr Abitur und feiern den Abi-Ball. Es gibt natürlich auch eine Abizeitung, die zu allen Abiturienten ...

"Grossraumdisco" von Christine Drews erscheint im DuMont Verlag.

Im Jahr 1986 machen Anni und Vera ihr Abitur und feiern den Abi-Ball. Es gibt natürlich auch eine Abizeitung, die zu allen Abiturienten etwas Besonderes vermeldet. Daran hat Vera maßgeblich mitgearbeitet und erwähnt Annis Zwangshandlung vom Zählen hier öffentlich. Anni ist maßlos enttäuscht, entsetzt und verlässt den Ball, die Freundschaft zu Vera zerbricht daraufhin und Anni studiert in Bremen Psychologie und baut sich dort ein neues Leben auf. Sie jobbt fürs Fernsehen, erfährt im Studium mehr über die Hintergründe ihrer Zwänge und lernt den Banker Christian kennen.

Christine Drews lässt das Lebensgefühl der 1980er Jahre wieder aufleben und bringt damit eigene Erinnerungen an diese Zeit zurück.

Im Roman erleben wir Anni, die als Studentin der Psychologie ihre Hausarbeit über Zwänge schreibt und nebenbei beim Fernsehen jobbt. Außerdem lernen wir den sorglosen und übermütigen Banker Christian kennen, beide Figuren habe mit ihren persönlichen Problemen zu kämpfen.

Durch die Zeitebene werden wir auch mit der Musik der neuen deutschen Welle, dem Kleidungsstil, den damaligen Nachrichten und den Bemühungen um den Umweltschutz konfrontiert.

Bei den Charakterschilderungen lernt man die Personen mit ihren Emotionen, Lebensgedanken und Alltagsleben kennen. Besonders hervorgehoben wird die interessante Beschreibung einzelner Betroffener mit Zwangsstörungen. Christine Drews verdeutlicht einerseits den inneren Kampf, die Zwänge zu überwinden bzw. damit einigermaßen leben zu können und sie auszuhalten und zeigt den Druck von außen, wie Mitmenschen mit Häme oder Maßregelung auf die psychischen Erkrankungen reagieren.

In den 80ern war die Forschung in Sachen Zwängen noch nicht annähernd soweit wie heute. Damals wurde man noch schräg angesehen und das Verständnis für solche Ticks war nicht gerade groß.

Annis Person mit ihrer Zwangsstörung, die in allen Einzelheiten auserzählt wird, ist ständig präsent, das versetzt zwar den Leser in ihre "Welt", erscheint mir aber insgesamt zu ausführlich erzählt. Christians Perspektive lässt ebenfalls viele Einblicke in sein Leben zu. Die Geschichte einer Krebskranken wird, der Spannung halber, nur in kleinen Episoden erwähnt und ich konnte sie erst am Ende einer Person zuordnen. Das war mir persönlich viel zu kurz, ich hätte sie gern näher kennen gelernt.


In diesem Roman erfährt man von unterschiedlichen Zwangsstörungen, erlebt die Hänseleien, die Betroffene im Alltag erdulden müssen und wie sie damit umgehen. Die Handlungszeit der 80er wird mit einigen Details zeitgemäß beschrieben, ich hätte mir noch mehr Szenen gewünscht.


Eine Zeitreise in die 80er Jahre, die die Sicht erhellend auf psychische Erkrankungen lenkt.

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Veröffentlicht am 10.04.2023

Den Geheimnissen der Meeresschildkröten auf der Spur

Nomaden der Ozeane – Das Geheimnis der Meeresschildkröten
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"Nomaden der Ozeane" heißt das neue Sachbuch der Meeresbiologin Frauke Bagusche, es erscheint im Ludwig Verlag.
Meeresschildkröten gibt es seit über 600 Millionen Jahren, damit sind sie älter als jeder ...

"Nomaden der Ozeane" heißt das neue Sachbuch der Meeresbiologin Frauke Bagusche, es erscheint im Ludwig Verlag.
Meeresschildkröten gibt es seit über 600 Millionen Jahren, damit sind sie älter als jeder Dinosaurier. Sie sind erstaunliche Tiere mit besonderen Fähigkeiten, gehören zur Familie der Schildkröten, ernähren sich von Kopffüßern, Krebsen, Schwämmen und Quallen, die sie auf ihren Tauchgängen jagen. Sie können bis zu 1000 Meter tief tauchen, transportieren Organismen durch die Meere und sorgen als »Architekten der Ozeane« für die Ausbreitung von Korallenriffen. Die wunderschönen Tiere sind leider bedroht, neben der Umweltverschmutzung geht diese Bedrohung hauptsächlich vom Menschen aus, der sie seit Jahrhunderten jagt.



"Man geht davon aus, dass von 1000 geschlüpften Jungtieren nur etwa eine Schildkröte bis zur Geschlechtsreife überleben wird." Zitat Seite 97

Frauke Bagusche stellt uns in interessanten Geschichte die Nomaden der Meere näher vor, bringt eigene Beobachtungen und wissenschaftliche Erkenntnisse mit ein und berichtet von ihren Lebensgewohnheiten und Fähigkeiten, speziell ihrem erstaunlichen Orientierungssinn, der ihnen auf ihren Reisen durch die Meere hilft, ihren Geburts- und Nistplatz wiederzufinden.

Doch diese Spezies ist eine bedrohte Art, die vor der Verschmutzung der Weltmeere mit Plastik und Müll geschützt werden muss.


Mich faszinieren die Meeresschildkröten auf besondere Weise, ich bewundere ihr Gleiten durch das Wasser, ihre langen Reisen quer durch alle Weltmeere, bestaune ihre lange Lebenserwartung und freue mich über jeden Bericht, in dem man die kleinen, frisch geschlüpften Schildkröten auf ihrem Weg ins Meer beobachten kann. Diese Faszination hat Frauke Bagusche mit "Nomaden der Meere" nur noch angeheizt. In ihren Geschichten konnte ich viel über die Tiere dazulernen, das Buch enthält einen tollen Bildteil mit tollen Fotos, sowie einige Karten und Illustrationen, die für mich ein Sachbuch erst vollständig machen.


Auf unterhaltsame Weise wird hier Wissen mit erzählten Beobachtungen angereichert, sodaß man den einzelnen Kapiteln gerne folgen mag. Die Autorin stellt die Unterschiede der einzelnen Schildkrötenarten vor, die sie schon mal als Kreuzfahrer mit vier Flossen bezeichnet. Sie erklärt den Lebenszyklus, Eiablage, Speiseplan und Lebensalter, sowie die individuellen Lebensräume. Dadurch erfährt man ganz erstaunliche Fakten rund um die Lebensweise, aber auch von Magnetfeldern und dem besonderen Geruchssinn der Tiere.

Meeresschildkröten sind bedroht, Schleppnetze der Trawler und die riesigen Müllteppiche gefährden das Leben der Tiere. Nicht selten finden die Tiere ein qualvolles Ende!

Auf verständliche Weise wird aufgeklärt, welche Probleme und Konsequenzen wir durch die selbstverschuldete Verschmutzung der Weltmeere angehen müssen.

Ein großartiges Buch für alle Tierfreunde, das uns mitnimmt auf eine erstaunliche Reise zu den Meeresschildkröten. Ein wissensreiches und überzeugendes Plädoyer für den Arten- und Tierschutz!