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Veröffentlicht am 21.11.2020

Erziehung im Buckingham Palace

Teatime mit Lilibet
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Der Roman "Teatime mit Lilibet" von Wendy Holden erscheint im List Verlag.

England, 1932: Die 22-jährige schottische Erzieherin Marion Crawford wird als Lehrerin von Prinzessin Elisabeth und ihrer Schwester ...

Der Roman "Teatime mit Lilibet" von Wendy Holden erscheint im List Verlag.

England, 1932: Die 22-jährige schottische Erzieherin Marion Crawford wird als Lehrerin von Prinzessin Elisabeth und ihrer Schwester Margaret im englischen Königshaus angestellt. Hinter den Schlossmauern stellt sie fest, wie weltfremd und abgeschottet die Mädchen aufwachsen. Sie möchte das ändern und ihnen auch das Alltagsleben der Bevölkerung näher bringen. Besonders Lilibet wächst Marion ans Herz. Marion eröffnet den Prinzessinnen den Blick auf das öffentliche Leben der Briten, sie gehen ins Kino und zu Woolworth’s. Genauso wie Marion die zukünftige Queen "formen" kann, so verändert sich auch ihr eigenes Leben gewaltig und sie nimmt eine Rolle ein, aus der es kein Zurück gibt.

Wendy Holdens "Teatime mit Lilibet" ist ein unterhaltsamer historischer Roman, der auf der Grundlage von Marion Crawfords Buch "Little Princesses" beruht. Wir dürfen im Buckingham Palace Mäuschen spielen und erleben den Alltag bei den Windsors. In diesem fiktiven Roman zeigt sich, dass sich die Erziehung der Töchter im Hause des Herzogs von York, der spätere King George VI., hinter den Schlossmauern abspielte. Die Töchter gingen nicht auf öffentliche Schulen, hatten keine Spielkameraden und lebten ziemlich isoliert. Die Lehrerin und Gouvernante Marion Crawford, genannt "Crawfie", versuchte, die Ausbildung der Prinzessinnen möglichst lebensnah zu gestalteten. Man kann sich gut vorstellen, dass einige Vorgänge wirklich so abliefen. Einblicke in das Zeremoniell und in das Familienleben sind erfrischend unterhaltsam und man erlebt die Queen in einer Zeit, als sie noch unbedarft und ohne die Bürde der Königskrone einfach Kind sein durfte.

Die Protagonistin Marion, "Crawfie", war über 16 Jahre lang die Gouvernante von Elisabeth und Margaret. In dieser Zeit hat sie auf eine eigene Familie verzichtet, sich dem strengen Protokoll untergeordnet und ihr Leben ihrer Rolle gewidmet. Ihre Kinder waren diese beiden Zöglinge, von denen sie besonders Lilibet ins Herz geschlossen hatte. Crawfie ist eine verantwortungsvolle Person, liebevoll und doch mit Strenge kümmert sie sich um die Kinder und erweitert deren Horizont um ein Beträchtliches. Sie erscheint selbstlos, verzichtet auf eigene Kinder und verliert über die Jahre ihrer Aufgabe ihre eigenen Träume. Die Veröffentlichung von "The little Princesses" sorgte dann für einen Bruch mit ihren Arbeitgebern, eiskalt und abweisend wurde nie wieder von Crawfie gesprochen, trotz ihrer liebevollen jahrelangen Zuwendung zu den Mädchen.
Dieser Roman zeigt keine Heile-Welt der Royals, er zeigt die dekadente Lebensweise des Adels, die in einer Zeit als einige Untertanen nicht einmal Strom hatten, ein Leben im Luxus führten. Es ist der lobenswerte Einfluss dieser Erzieherin, die Elisabeth den Blick in die bürgerliche Welt gewährt und damit sicherlich ihren Horizont sinnvoll erweitert hat. Das ausgesprochene Interesse der Queen an Menschen, Dingen und Tieren hat Crawfie sicherlich mit geprägt.

Besonders interessant war für mich die Begegnung mit Wallis Simpson und die Ausgestaltung der Krönungsfeierlichkeiten King George VI., aber auch das Kennenlernen von Prinz Philipp.

Sprachlich gesehen gelingt es der Autorin sehr abwechslungsreich, mit bildhaften Beschreibungen und mit den nötigen Nuancen die Stimmungen der Charaktere, der Ereignisse und besonders das Zeremoniell gut darzustellen. Die verschiedenen Episoden werden mit historischen Daten unterfüttert, so hat man einen guten Überblick über das Zeitgeschehen und die Ereignisse.

Was mir von diesem Buch in Erinnerung bleiben wird, ist die Tatsache, das die Dienste bei Hofe lediglich Arbeitscharakter haben, absolute Verschwiegenheit erwartet wird, keine emotionale Nähe von der Familie zurückkommt und auch keine Dankbarkeit für lange, vertrauensvolle Mitarbeiterinnen zu erwarten ist. Marion Crawford war eine Arbeitskraft unter vielen, ein Singleleben war nicht ihr Wunschdenken, aber lange Zeit von den Royals schlicht und ergreifend vorausgesetzt.
Als unterhaltsame Lektüre mit Blick auf die Jugendzeit der Queen öffnet dieser Roman den Blick hinter die Schloßmauern des Buckingham Palace und zeigt das strenge Regiment und Zeremoniell der Monarchie.

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Veröffentlicht am 19.11.2020

Ein Roman, der viele Sinne berührt

Die Rezepte meines Vaters
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Im Kindler Verlag erscheint der Roman "Die Rezepte meines Vaters" von Jacky Durand.

Im Osten Frankreichs führt Monsieur Henri sein kleines Bistro "Le Relais" und verwöhnt die Gaumen seiner Gäste mit ...

Im Kindler Verlag erscheint der Roman "Die Rezepte meines Vaters" von Jacky Durand.

Im Osten Frankreichs führt Monsieur Henri sein kleines Bistro "Le Relais" und verwöhnt die Gaumen seiner Gäste mit bodenständiger, aber hervorragender Küche. Auch wenn er seinen Beruf liebt, möchte der nicht, dass sein Sohn Julien das Bistro weiterführt. Für ihn hat er andere Pläne. Als Henri an Krebs erkrankt, verbringt Julien viel Zeit am Sterbebett seines Vaters. Er lässt die Vergangenheit Revue passieren und versucht, sich an das kulinarische Erbe seines Vaters zu erinnern. Helfen würde ihm dabei das persönliche Rezeptbuch seines Vater, auf der Suche danach entdeckt er auch ein ihm unbekanntes Familiengeheimnis.

Jacky Durand schlägt in diesem Roman ruhige Töne an, besonnen wechseln sentimentale mit traurigen, wütenden, aber auch mit schönen Szenen ab. Er erzählt mit vielen kleinen Details eine gefühlvolle Vater-Sohn-Geschichte, die immer wieder von der Zubereitung und den Genüssen kulinarischer Gerichte untermalt wird.

Henri und sein Freund Lucien verbrachten gemeinsame Zeit im Algerienkrieg, die Erinnerungen daran machen ihnen zu schaffen und so gibt es lediglich Andeutungen über ihre Erlebnisse. Was aber geblieben ist, sind die orientalischen Gewürze, deren Note ihre französischen Gerichte verfeinern. In dieser Küche des Bistros spielt sich das Leben Juliens ab, hier wurde er groß. Er sieht seinem schroffen und raubeinigen Vater zu wie er kocht und schaut sich viel Wissen von ihm ab, denn auch er liebt diesen Beruf. Er kann sich gut an ein Kochbuch erinnern, welches seine Mutter mal angelegt hat, vom Vater aber später versteckt wurde. Denn Koch soll Julien nicht werden, Ingenieur wünscht sich Henri, denn das ermöglicht ein besseres Leben. Die Mutter verlässt die Familie und Julien sehnt sich nach einer heilen Welt mit Mutter-Vater-Kind. Viele Jahre später erkrankt Henri an Krebs und Julien sitzt mit Wehmut, Traurigkeit und Sorge an seinen Sterbebett. Die Liebe für das Kochen hat er seinem Vater zu verdanken und diese Leidenschaft verbindet beide mehr als sie zugeben wollen. Während Julien Abschied von seinem Vater nimmt, lässt er die gemeinsame Zeit Revue passieren. Das wühlt alte Erinnerungen auf und zeigt Gefühle und Missverständnisse in der Familie, den Fortgang der Mutter und andere Erlebnisse aus Juliens Jugend.

In diesem Roman erlebt man die ganze Bandbreite an Emotionen, hautnah bekommt man eine Lebensgeschichte erzählt und fühlt mit Julien, aber auch mit Henri mit und wird von dem lange gehüteten Geheimnis überrollt, genau wie Julien. Manchmal wiegt die Wahrheit schwer und wird einfach verschwiegen.

Neben der gefühlvollen und berührenden Geschichte wird in diesem Buch Frankreichs Kochkultur zelebriert und die vielen Zubereitungsbeschreibungen und geschmackvollen Gerichte (mit Rezepten im Anhang) sorgen für Appetit. Ein Roman, der viele Sinne berührt.

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Veröffentlicht am 18.11.2020

Tiefgründiger als gedacht

Zu mir ans Meer
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Der Roman "Zu mir ans Meer" von Sigrid Hunold-Reime erscheint im Gmeiner Verlag.

Birthe wird das Opfer eines tödlichen Verkehrsunfalls, aber sie hat Glück und darf zurück auf die Erde. Ihr alter Körper ...

Der Roman "Zu mir ans Meer" von Sigrid Hunold-Reime erscheint im Gmeiner Verlag.

Birthe wird das Opfer eines tödlichen Verkehrsunfalls, aber sie hat Glück und darf zurück auf die Erde. Ihr alter Körper ist bereits beerdigt und so landet sie im Körper der chaotischen, depressiven Mia. Getarnt duch diese Annonymität nimmt Birthe Kontakt zu ihren alten Bekannten auf. Was wird dieser Weg zeigen und werden die Bekannten die "alte" Birthe vermissen? Was bringt ein Weg mit einer neuen Identität?

Die Idee hinter diesem Roman ist eine Art Reinkarnation, in der die verstorbene Birthe in einem fremden Körper zurück ins Leben kehrt. Generell finde ich solche Vorstellungen befremdlich, doch wie man sich im Buch den Figuren annähert und ihnen nahe kommt, ist sehr interessant zu lesen.

Birthe ist eine hilfsbereite Person, mit Mia, ihrer neuen Identität, verband sie zu Lebzeiten keine Freundschaft. Nun muss sie versuchen, diesen fremden Körper mit Leben zu füllen und sich darin wohl zu fühlen. Keine einfache Sache, denn irgendwo schwingt immer noch die "Birthe-Identität" und damit ihre eigenen Gedanken mit. Himmlische Unterstützung bekommt sie von ihrem Begleiter (oder doch Engel?) Günther, der ihr mit Rat und Tat zur Seite steht. Nicht physisch vorhanden, aber doch ständig an Birthes Seite zu finden. Bei den Gesprächen

Sigrid Hunold-Reime hat einen leichten Erzählstil, der trotzdem tiefgründige Töne anschlägt. Sie hat es geschafft, mich trotz meiner Bedenken an das Buch zu fesseln. Sie lässt mich Birthes Emotionen spüren und zeigt die Verknüpfungen der Figuren sehr klar auf. Ich habe nicht nur die Personen aus Birthes Umfeld alle näher kennengelernt, sondern auch deren Meinung über sie und konnte mir aus deren ausführlichen Gesprächen mit Mia/Birthe über die frühere Person Birthe ein umfassendes Bild machen. Bei den Gesprächen wird klar, dass die Selbstwahrnehmung Birthes sich nicht mit der Meinung der anderen Menschen deckt. Sie erkennt erst jetzt, dass sie auf andere distanziert, unruhig, unnachgiebig und verschlossen gewirkt hat.

Es geht auch um die Gefühle der Hinterbliebenden. Wie geht es Birthes Mutter nach deren Tod? Wie hat ihr Freund Jonathan ihre Beziehung gesehen? Wer kümmert sich um ihre Ziehtochter Marietta? Und wie fühlt sich der Unfallverursacher Pete?

Hier wird ein ganz besonderer Blickwinkel aufgezeigt, der mal aus einer ganz anderen Warte heraus die Menschen beobachtet und sie zu Wort kommen lässt. Er offenbahrt auch Lebenslügen und Lebenswünsche, die sich leider nicht erfüllt haben.

Dieser Roman ist sehr ungewöhnlich, hat mich sentimental und nachdenklich gemacht. Er zeigt, wie wichtig es ist, im Leben Spuren zu hinterlassen und miteinander zu reden. Nur so können Missverständnisse und ungewollte Entfremdung vermieden werden.

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Veröffentlicht am 15.11.2020

Vielseitiges Rätselbuch auf der Grundlage des bekannten Brettspiels

Catan-Rätseluniversum™
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Bei Ullmann Medien erscheint das Rätselbuch "Catan-Rätseluniversum™ von Richard Wolfrik Galland.

Mit dem offiziellen Rätselbuch zum beliebten Brettspiel die vielfältige Welt von Catan ganz neu entdecken! ...

Bei Ullmann Medien erscheint das Rätselbuch "Catan-Rätseluniversum™ von Richard Wolfrik Galland.

Mit dem offiziellen Rätselbuch zum beliebten Brettspiel die vielfältige Welt von Catan ganz neu entdecken! Um Frieden und Wohlstand für die Siedler zu erlangen, gilt es, verschiedenste Rätsel zu lösen.

Das Spiel CATAN ist mir als Brettspiel bekannt und ich habe es häufig und gern mit meiner Familie gespielt. Auch das PC Spiel ist ein absoluter Favorit von mir. Nun habe ich mich auf dieses Experiment mit dem Rätselbuch eingelassen und muss sagen, mir macht das Brettspiel durch den Kontakt zu Mitspielern viel mehr Spaß. Doch sei es drum, mein Glück im Spiel habe ich auch bei diesem Buch versucht.

Es gibt 10 Kapitel: Entdecken, Erkunden, Besiedeln, Bauen, Entwickeln etc. Insgesamt stehen 100 verschiedene Aufgaben oder Herausforderungen zur Verfügung, in denen der Rätselnde die Möglichkeit hat, Land zu entdecken, Siedlungen und Straßen zu errichten, das Land zu bestellen und zu ernten. Durch richtige Antworten, die man im hinteren Buchteil finden kann, erhält man bestimmte Gewinn in Form von Rohstoffen. Diese kann man vorne im Buch in einer Tabelle eintragen. Ziel ist es, 10 Siegpunkte zu erreichen. Wenn man ein Rätsel mal nicht errät, ist das kein Problem, man macht einfach mit der nächsten Aufgabe weiter.

Die Anzahl der Siegpunkte ergibt sich aus der gewonnenen Anzahl von Rohstoffen, diese ergeben in spezieller Kombination Straßen, Siedlungen, Ritter oder Städte. Dazu muss man sich allerdings selbst Notizen zu den jeweiligen Rohstoffgewinnen machen und sich entscheiden, was man davon anschafft. Das Spiel eignet sich gut für Personen, die gerne alleine rätseln und vielleicht zur Zeit keine großen Kontakte haben dürfen. Und es ist jederzeit und überall einsatzfähig. Wer das Buch dabei hat, kann schon loslegen.

Zu den 100 Aufgaben gehören unterschiedliche Aktionen: Schafe zählen, Erste Ernte, Berufswahl, Bäume fällen, Holzbearbeitung, Wohltätigkeit, Erz, Invasion, Schütze deine Werte, bis hin zum gleichnamigen letzten Rätsel. Es gibt Rätselreime, Worträtsel wie in einem Kreuzworträtsel, kniffelige Rechenrätsel und Logikrätsel. Der Vorteil an diesem Buch ist vor allem die Möglichkeit der eigenen Zeiteinteilung, man rätselt solange man mag und kann es ohne Probleme neu starten.

Ich empfehle dieses Rätselbuch allen, die die Idee hinter dem Catan Spiel mögen und die gerne allein knobeln oder rätseln. Den Personen wird dieses Buch Zeitvertreib und jede Menge Spaß bringen.


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Veröffentlicht am 14.11.2020

Packend, emotional anrührend und einfach nur grandios geschrieben

Die Schweigende
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Ellen Sandbergs neuer Roman "Die Schweigende" erscheint im Penguin Verlag.

München 2019: Karin Remy vernachlässigt ihren sonst so gepflegten Garten, sie hat nach vielen gemeinsamen Jahren ihren Mann verloren. ...

Ellen Sandbergs neuer Roman "Die Schweigende" erscheint im Penguin Verlag.

München 2019: Karin Remy vernachlässigt ihren sonst so gepflegten Garten, sie hat nach vielen gemeinsamen Jahren ihren Mann verloren. Ihre Töchter Imke, Geli und Anne sind längst erwachsen. Noch auf dem Sterbebett nimmt ihr Vater Imke ein Versprechen ab, sie soll eine bestimmte Person suchen. Und damit beginnt eine zerstörerische Suche nach einer lange verschwiegenen Vergangenheit.

Ellen Sandbergs Erzählstil ist großartig und ihre Romane entwickeln immer eine unglaubliche Sogwirkung, weil sie bestimmte Personengelage oder Dinge aufdecken. Genau das schafft sie auch mit diesem Buch.

Sie beschreibt das Verhältnis der kühlen und nicht gerade empathischen Karin zu ihren drei Töchtern. Bisher war ihr Mann Jens der Ausgleichende, der sich um alle gekümmert und die Wogen geglättet hat. Und es musste häufig vermittelt werden zwischen den Töchtern und ihrer gefühlskalt wirkenden Mutter Karin. Die mittlere Tochter Imke, wird noch kurz vor Jens Tod beauftragt, sich auf die Suche nach einem gewissen Peter zu machen. Karin will keinen Peter kennen und so forscht Imke selbst nach. Sie findet heraus, dass Karin als Kind in einem Erziehungsheim lebte. Die dortigen schlimmen Zustände haben sich für ewig in Karins Seele gegraben, deshalb lässt sie davon auch niemand etwas erfahren.

Dieser Roman sorgt mit den konfliktgeladenen Figuren für emotionale Stimmung, es geht in dieser Familie hoch her, sogar ein Erbstreit wird angestrebt und die Rolle der Vermittelnden fällt nun der hilfsbereiten und sympathischen Imke zu.

Während sie sich um ihre Mutter kümmert und immer mehr aus deren Kindertagen im Heim erfährt, legt ihre Schwester Anne ein fast trotziges und egoistisches Verhalten an den Tag, bei dem man kaum glauben mag, was man da liest.

Besonders erschütternd lesen sich die schrecklichen Vorkommnisse aus Karins Zeit im Heim. Dort musste sie einige Jahre mit ihrem Bruder Pelle verbringen und erlebte Gewalt und Entbehrung.
Die Geschichte ist voller Spannung, man erlebt Missbrauch und sieht die verlorene Kindheit der Kinder, die von den Nonnen extrem ausgenutzt, seelisch und körperlich misshandelt wurden. Man kann gar nicht anders als mitzuleiden und das Personal im Heim zu verabscheuen.

Ellen Sandbergs Gabe ist ihre extrem genaue Charakterzeichnung, sie zeigt eindeutig erkennbare Figuren, die facettenreich beschrieben sind. Sie lässt uns tief in die Seele dieser Personen blicken und weckt damit Verständnis und ein Gefühl für die Frauen dieser Familie.

Hier wagt sich die Autorin an die Aufarbeitung eines Missbrauchs-Themas, das unter dem Deckmantel der Kirche oder wohltätigen Vereinen das Schicksal vieler Kinder grausam besiegelt hat. Denn die Strenge, die körperliche Gewalt und die lieblose Art hinterließ lebenslängliche Narben auf den kleinen Kinderseelen. Viele konnten sich nie davon befreien, manche suchten den Freitod. Die Psyche dieser Menschen ist auf immer beschädigt und betrifft auch noch folgende Generationen.

Der ausgesprochen lebendige Schreibstil mit vielen bildhaften Beschreibungen setzt beim Leser ein Kopfkino in Gang, dem man sich nicht entziehen kann. Ich war in der realistisch wirkenden Handlung gefangen und konnte den Figuren alle Vorgänge abnehmen, auch die grausamen. Und das schafft nicht jede Autorin. Absolut packend, emotional und dramatisch hat mich diese Familiengeschichte in ihren Bann gezogen.

Diese tragische und spannend dargebrachte Geschichte entwickelt einen Lesesog, besonders die Charakterzeichung überzeugt und die Missbrauchsthematik geht unter die Haut. Für mich eines der Highlights im Romanbereich des Jahres.


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