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Veröffentlicht am 23.01.2021

Hogart ermittelt in Paris

Die Knochennadel
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Inhalt: Eigentlich möchte Peter Hogart mit seiner Freundin Elisabeth und seiner Nichte Tatjana einen schönen Urlaub in Paris verbringen. Doch auch berufliche Gründe führen nach Paris: Elisabeth ist Kunsthistorikerin ...

Inhalt: Eigentlich möchte Peter Hogart mit seiner Freundin Elisabeth und seiner Nichte Tatjana einen schönen Urlaub in Paris verbringen. Doch auch berufliche Gründe führen nach Paris: Elisabeth ist Kunsthistorikerin und betreut die Auktion der Knochennadel, einem kostbaren mittelalterlichen Artefakt. Unmittelbar nach der Auktion verschwindet Elisabeth spurlos – zusammen mit der Knochennadel. Kurz danach findet die Polizei die Leichen von Kunstsammlern, die auf die Nadel geboten haben. Steckt Elisabeth hinter den Morden, so wie die Polizei vermutet? Ist Elisabeth selbst ein Opfer? Es liegt an Hogart, die Wahrheit herauszufinden.

Persönliche Meinung: „Die Knochennadel“ ist der dritte Fall um den Versicherungsdetektiv Peter Hogart und spielt zweieinhalb Jahre nach den Ereignissen von „Die Engelsmühle“. Erzählt wird der Thriller hauptsächlich aus der Perspektive Hogarts; vereinzelt wird allerdings auch er Point of View anderer Figuren eingenommen, sodass der Fall aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet wird. „Die Knochennadel“ ist der umfangreichste, verworrenste und dadurch auch spannendste Fall der Hogart-Reihe. Einzelne Personen verschwinden, die Knochennadel ist unauffindbar, Kunsthändler werden verprügelt, Kunstsammler ermordet, undurchsichtige Schläger bedrohen Hogart und setzen ihm ein Ultimatum, die Polizei arbeitet gegen ihn. Zusätzlich dazu beleuchten Rückblicke das Leben zweier Geschwister, die irgendwie mit dem Fall zu tun haben. Wie/Ob das alles zusammenhängt, bleibt bis zur Auflösung undurchsichtig, da einige red herrings zu falschen Schlussfolgerungen verleiten. In einem großen, actionreichen und überraschenden Finale werden die einzelnen Fasern allerdings wieder aufgegriffen und zu einem stimmigen und logischen Ende geführt. Der letzte Akt nimmt vergleichsweise viel Raum ein (ca. 1/6 des Romans) und dementsprechend passiert hier auch einiges (das betrifft v.a. das Schicksal einzelner Figuren und letzte Fragen zum Fall – mehr kann ich ohne Spoiler nicht sagen). Der Fall ist insgesamt in sich abgeschlossen, sodass er auch unabhängig von den Vorgängern gelesen werden kann. Ein Highlight des Thrillers war für mich die Entwicklung der Beziehung von Hogart und Kohlschmidt, dem Leiter der Außendienstelle von Medeen & Lloyd, der bereits in den beiden Vorgängern aufgetreten ist. Beide sind sich eigentlich spinnefeind, doch in „Die Knochennadel“ mausert sich Kohlschmidt und wächst über sich hinaus, sodass es zu einigen tollen Szenen zwischen Hogart und Kohlschmidt kommt. Originell fand ich auch die titelgebende Knochennadel, die eine spezifische Funktion besitzt (mehr kann ich ohne Spoiler nicht verraten). Wie schon die Vorgänger ist „Die Knochennadel“ sehr flüssig geschrieben, sodass man den Thriller angenehm lesen kann. Insgesamt ist „Die Knochennadel“ ein spannender, gut durchdachter Pageturner, der sich in Sachen Komplexität deutlich von den Vorgängern abhebt.

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Veröffentlicht am 29.12.2020

11 humorvolle Weihnachtsgeschichten

Der falsche Bart des Weihnachtsmanns
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„Der falsche Bart des Weihnachtsmanns“ versammelt 11 weihnachtliche Kurzgeschichten von Terry Pratchett.

1. Die erste Geschichte ist ein Briefwechsel zwischen verschiedenen Mitarbeiter einer Supermarktkette, ...

„Der falsche Bart des Weihnachtsmanns“ versammelt 11 weihnachtliche Kurzgeschichten von Terry Pratchett.

1. Die erste Geschichte ist ein Briefwechsel zwischen verschiedenen Mitarbeiter einer Supermarktkette, der sich um die Einstellung und das zu weihnachtsmannmäßige Verhalten des neuen Supermarkt-Weihnachtsmannes
drehen.

2. Es folgt „Die Blackbury-Pastete“: Blackburys Bürgermeister möchte zum Weihnachtsfest eine große Pastete backen, von der ganz Blackbury satt werden soll – ein nicht unproblematisches Unterfangen.

3. „Drankriegen“, wieder in Blackbury angesiedelt, behandelt ein besonderes Spiel, das immer an Neujahr ausgetragen wird.

4. In der vergleichsweise kurzen Geschichte „Eine sehr kurze Eiszeit“ lernen wir Rasmussen kennen, der in die Arktis auswandern möchte.

5. Die fünfte Erzählung „Der Computer, der dem Weihnachtsmann schrieb“ gehört zu meinen Highlights. Hier möchte ein Computer auch etwas vom Weihnachtsmann geschenkt bekommen, was zu einem lustigen Dialog zwischen Weihnachtsmann und Computer führt.

6. In „Ein König im Schnee“ möchte ein König einem armen Untertan ein Festmahl vorbeibringen, was in einer kleinen Irrfahrt gipfelt.

7. In „Das Wetterkücken“ besuchen die Leser*innen erneut in Blackbury, wo das Wetter verrücktspielt.

8. Die nächste Geschichte „Der Weihnachtsmann vor Gericht“ besitzt wieder den Weihnachtsmann als Protagonisten: Die typischen Verhaltensweisen des Weihnachtsmannes werden hier vor einem bürokratischen Hintergrund gesehen (Fliegen ohne Flugerlaubnis!), wodurch der juristische Apparat gewissermaßen parodiert wird.

9. Blackbury kommt einfach nicht zur Ruhe: In „Das Yeti-Baby“ treiben dort Schneemonster ihr Unwesen. Nur Alberts Oma kann die Stadt retten.

10. Die vorletzte Geschichte „Die zwölf Weihnachtsgeschenke“ ist eine Märchengeschichte. Ein Prinz möchte eine Prinzessin heiraten, muss dafür aber zwölf besondere Geschenke bringen.

11. Frau Weihnachten reicht es. Der Weihnachtsmann arbeitet nur einen Tag im Jahr und faulenzt die restliche Zeit. Daher soll er sich einen Job suchen. Ob das gut geht, kann man in „Der Weihnachtsmann arbeitet im Zoo“ nachlesen.

Vieles läuft in den Geschichten nicht so, wie es eigentlich geplant war, doch besitzen alle ein Happy End. Schön ist auch der Wortwitz, mit dem Pratchett erzählt, sodass man mehrmals schmunzeln muss. Zudem finden sich in „Der falsche Bart des Weihnachtsmanns“ zahlreiche Illustrationen von Mark Beech, die an den Zeichenstil von Quentin Blake erinnern.

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Veröffentlicht am 29.12.2020

Ein grandioser Künstler-/Coming of Age-Roman

Das eiserne Herz des Charlie Berg
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Inhalt: Endlich möchte Charlie seinen Roman schreiben. Damit dies gelingt, hat er fest den Zivildienst in einem einsamen Leuchtturm eingeplant. Ein Ereignis kippt allerdings sein Vorhaben: Gemeinsam mit ...

Inhalt: Endlich möchte Charlie seinen Roman schreiben. Damit dies gelingt, hat er fest den Zivildienst in einem einsamen Leuchtturm eingeplant. Ein Ereignis kippt allerdings sein Vorhaben: Gemeinsam mit seinem Opa, einem Wildhüter, geht er auf die Jagd, wobei ihnen ein Hirsch begegnet. Im letzten Moment entscheidet Charlie sich gegen den todbringenden Schuss. Doch ein anderer Schuss trifft; zuletzt liegt nicht nur der Hirsch auf dem Waldboden, sondern auch ein Wilderer und Opa. Charlie muss umplanen.

Persönliche Meinung: Lasst euch von dem kurzen Inhaltsteaser nicht abschrecken: Ich habe mich – um Spoiler zu vermeiden – nur auf die ersten Seiten beschränkt. Die Handlung von „Das eiserne Herz des Charlie Berg“ geht weit über die Jagdszene hinaus und ist thematisch höchst vielschichtig. Erzählt wird der Roman aus der Ich-Perspektive des 19-jährigen Charlie Berg, dessen olfaktorische Wahrnehmung sogar noch Süskinds Jean-Baptiste Grenouille übertrifft. Trotz seines Talents möchte Charlie allerdings nicht Parfümeur, sondern Schriftsteller werden. Dementsprechend ist „Das eiserne Herz des Charlie Berg“ (unter anderem) ein Künstlerroman, der den Literaturbetrieb auf einer Metabene diskutiert. Insgesamt steht allerdings weniger das tatsächliche schriftstellerische Schaffen Charlies im Vordergrund. Stärker werden die häufigen Rückschläge und Zweifel Charlies fokussiert, die ihn vom Schreiben abhalten. Dabei spielt besonders die defekte Familie Berg eine große Rolle, deren Funktionieren nur auf dem Verantwortungsbewusstsein Charlies beruht. Charlie ist somit zudem ein (Über-)Lebenskünstler. Auch viele der Nebenfiguren sind (in irgendeiner Form) Künstler: Charlies Vater ist Musiker, seine Mutter schreibt Theaterstücke, sein Großvater fertigt maßgeschneiderte Anzüge an, seine Großmutter zimmert Möbel. Fast jede Figur besitzt einen skurrilen Zug, wodurch sie einmalig wird. Gegliedert ist das ca. 700 Seiten starke Werk in fünf Teile. Teil 1, 3 und 5 spielen dabei im September 1993, Teil 2 im Jahr 1985 und Teil 4 im Jahr 1989. Der Roman zeichnet sich durch eine analytische Erzählweise aus. Nebenfiguren, die Charlie zu Beginn trifft, werden im ersten Teil häufig nur angeschnitten. Zwar werden Andeutungen zur Beziehung der Figuren untereinander gemacht, doch die tatsächliche Konstellation ist zu Beginn (zunächst) für die Leserinnen noch unklar. Die gemeinsame Vergangenheit (oder: Vergangenheiten) der Figuren wird dann in den 1985/1989 spielenden Teilen beleuchtet und aufgefächert. Durch diesen geschickten, Spannung erzeugenden Aufbau lernen die Leserinnen sukzessiv das gesamte Figurenrepertoire kennen. Teil 2 und 4 sind dabei Coming of Age in schönster Form. In Teil 2 ist Charlie noch mehr Kind; Liebe ist ein noch nicht wirklich bestimmbarer Hauch, Sexualität in der Ferne. Lebenslange Freundschaften beginnen, aber auch Mobbing spielt eine Rolle. Teil 4 dreht sich stärker um die Selbstfindung, die erste Liebesbeziehung und dem Bewusstwerden der eigenen Sexualität. Die Handlung ist insgesamt vielschichtig, wendungsreich und überraschend, was vor allem daran liegt, dass immer Mal wieder Krimielemente anklopfen. Oftmals nimmt „Das eiserne Herz des Charlie Berg“ mit seinen seltsamen Figuren, der Situationskomik und den Kommentaren Charlies tragikomödienhafte – teilweise: aberwitzige - Züge an. Lange Rede, kurzer Sinn: „Das eiserne Herz des Charlie Berg“ ist ein interessanter und vielschichtiger Roman, dem es grandios auf allen Ebenen gelingt zu unterhalten.

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Veröffentlicht am 23.12.2020

Ein außergewöhnlicher Thriller

Sterbewohl
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Inhalt: Deutschland in naher Zukunft. Wirtschaftskrise und Inflation brachten die „Bürgerpartei“ an die Macht, die die demokratischen Strukturen Deutschlands aushöhlte. Das neueste Sparprogramm der BP: ...

Inhalt: Deutschland in naher Zukunft. Wirtschaftskrise und Inflation brachten die „Bürgerpartei“ an die Macht, die die demokratischen Strukturen Deutschlands aushöhlte. Das neueste Sparprogramm der BP: Rentner werden zu Sterbeseminaren nach Fehmarn eingeladen, wo ihnen geraten wird, das Medikament „Sterbewohl“ einzunehmen. Dadurch könne man, so die Idee der BP, Einsparungen in der Rentenkasse vornehmen. Zwar wird betont, die Einnahme von „Sterbewohl“ sei völlig freiwillig, doch Nadja, die gemeinsam mit ihren Freunden zu einem Sterbeseminar eingeladen worden ist, befürchtet Schlimmes.

Persönliche Meinung: „Sterbewohl“ kündigt sich auf dem Cover bescheiden als „Kriminalroman“ an, doch das Buch geht weit über die Grenzen dieser Gattung heraus. Einerseits finden sich besonders im Luxushotel auf Fehmarn Aspekte eines Thrillers: Der Leiter der Sterbeseminare ist suspekt bis offen bedrohlich, mehrmals verschwinden Seminarteilnehmer, das Hotelpersonal nuschelt Seltsames vor sich hin und das Luxushotel ist abgeschottet. Andererseits ist „Sterbewohl“ auch eine Dystopie: Es spielt in naher Zukunft in einem Deutschland, das mit seinen Methoden und Denkweisen an das nationalsozialistische Deutschland erinnert. Dabei ist die Welt glaubhaft und potenziell durchaus möglich, wodurch „Sterbewohl“ auch parabelhafte Strukturen erhält. Auch das Figurenpersonal ist besonders: Die Figuren, die auftreten, sind hauptsächlich bereits im Rentenalter. Erzählt wird der Roman aus der Ich-Perspektive Nadjas, einer 65-jährigen Grundschullehrerin in Rente. Dabei werden häufig Themen angesprochen, die man bei jüngeren Protagonist*innen nicht so häufig findet. Nadja reflektiert über ihr Leben, was sie hätte anders machen können/sollen/wollen, was sie überhaupt noch erwartet und wie das Alter ihr zusetzt. Der Tod ist somit auch in den Gedanken der Protagonistin allgegenwärtig. Der Erzählstil lässt sich aufgrund seiner eher kurzen Sätze flüssig und zügig lesen. „Sterbewohl“ ist insgesamt ein außergewöhnlicher, dystopischer Thriller mit einem ungewöhnlichen Figurenpersonal.

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Veröffentlicht am 22.12.2020

Ein außergewöhnlicher Roman

Die wunderbare Kälte
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Inhalt: Kai stalkt Menschen. Sie verfolgt sie, beobachtet sie, steckt ihnen Zettelchen zu, chattet mit ihnen, gibt sich als jemand anderes aus und verkuppelt sie – allein zur eigenen Befriedigung. Immer ...

Inhalt: Kai stalkt Menschen. Sie verfolgt sie, beobachtet sie, steckt ihnen Zettelchen zu, chattet mit ihnen, gibt sich als jemand anderes aus und verkuppelt sie – allein zur eigenen Befriedigung. Immer ist sie dabei, wenn ein von ihr verkuppeltes Pärchen sich im echten Leben das erste Mal trifft, jedes Mal ist sie verkleidet. Als sie spontan zwei Menschen trifft, die mal ein Paar waren, fokussiert Kai sich auf die beiden, sodass sich die Obsession verstärkt.

Persönliche Meinung: „Die wunderbare Kälte“ lässt sich schwer einem spezifischen Genre zuordnen. Erzählt wird die Handlung aus der Ich-Perspektive Kais, was dazu führt, dass die Leser*innen (genau so wie Kais „Opfer“) allein ihrem Gutdünken ausgeliefert sind. Denn: Kai ist keine einfache Protagonistin. In „Die wunderbare Kälte“ wird die Grenze ausgetestet, inwiefern man zwangsläufig mit den ProtagonistInnen sympathisieren muss. Kai ist kompliziert, ihre Gedanken sprunghaft, ihre Handlungen moralisch fragwürdig, ihre Wahrnehmung oftmals gestört. Mehrmals hat man beim Lesen den Eindruck, Kai leide unter einer (nicht näher benannten) psychischen Störung. Nur in einzelnen, wachen Momenten sieht man die Person, die in Kai steckt. Kai ist der Filter der Handlung: Allein das, was sie wahrnimmt (oder besser: wahrnehmen will), erfahren auch die Leser_innen. Aufgrund ihrer Persönlichkeit ist Kai allerdings hochgradig unzuverlässig, sodass sie auch als „unzuverlässiger Erzähler“ auftritt. Anders formuliert: Letztlich weiß man beim Lesen gar nicht sicher, ob die Handlung tatsächlich so geschehen ist, wie Kai sie erzählt. Passend zu diesem Umstand wird häufig die Erzählform des inneren Monologs genutzt, der teilweise in einen ungeordneten Bewusstseinsstrom abdriftet. So wird insgesamt das Sprunghafte und Verwirrte Kais treffend wiedergegeben. Der Handlung ist dementsprechend nicht immer einfach zu folgen; öfter musste ich innehalten, weil Kais Taten und Gedanken vergleichsweise fremd sind und einen teilweise auch sprachlos zurücklassen. „Die wunderbare Kälte“ ist keine einfache Lektüre; nichts, was man mal eben zwischendurch „runterliest“, sondern literarisch vergleichsweise anspruchsvoll. Aber dies zeichnet die Besonderheit und Andersheit von „Die wunderbare Kälte“ aus, wodurch der Roman sich vom Mainstream abhebt.

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