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Veröffentlicht am 02.04.2022

Ein spannender Krimi mit einem beklemmenden Setting

Schneeblind
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Vorab: „Schneeblind“ ist der erste Band der „Dark-Iceland“-Reihe von Ragnar Jónasson. Der Thriller erschien bereits 2011 unter dem Titel „Schneebraut“ im S. Fischer Verlag.

Inhalt: Der junge Polizist ...

Vorab: „Schneeblind“ ist der erste Band der „Dark-Iceland“-Reihe von Ragnar Jónasson. Der Thriller erschien bereits 2011 unter dem Titel „Schneebraut“ im S. Fischer Verlag.

Inhalt: Der junge Polizist Ari lässt sich – sehr zum Leidwesen seiner Freundin – von Reykjavík nach Siglufjörður versetzen. In der abgeschiedenen Kleinstadt erwartet ihn eine verschworene Gemeinschaft, die Auswärtigen gegenüber distanziert ist. Zudem brüstet sich Aris Vorgesetzter damit, dass es in Siglufjörður keine Verbrechen gebe. Einsamkeit und mangelnde polizeiliche Aufgaben belasten Ari sehr. Doch dann überschlagen sich die Ereignisse: Ein landesweit bekannter Schriftsteller wird nach einer Theaterprobe tot aufgefunden; kurze Zeit später entdeckt ein kleiner Junge eine bewusstlose Frau – und Ari ist der Einzige, der beides nicht als Unfall abtut.

Persönliche Meinung: „Schneeblind“ ist ein Thriller von Ragnar Jónasson. Erzählt wird der Thriller aus mehreren unterschiedlichen (personalen) Erzählperspektiven, wobei diejenige Aris die Hauptperspektive ist. Ari ist insgesamt eine interessante Ermittlerfigur: Seine Eltern sind früh verstorben. Eigentlich studiert er Theologie, hat dies aber auf Eis gelegt und eine Polizistenlaufbahn eingeschlagen. Außerdem liest er häufig und macht sich viele Gedanken über sein Handeln. Neben Ari werden die Perspektiven einiger Bewohner Siglufjörðurs eingenommen, sodass man einen anschaulichen Einblick in die innere Struktur des Ortes erhält. Gleichzeitig sorgt die Perspektivierung für Spannung: Jede Figur hat eine andere Beziehung zu dem toten Schriftsteller und macht sich eigene Gedanken zum „Unfall“, wobei man aber nicht weiß, wem man tatsächlich glauben kann. Zusätzliche Spannung entsteht durch einen undatierten Handlungsstrang: Während die Handlung hauptsächlich im Januar 2009 spielt, kann der undatierte Handlungsstrang bis zuletzt nicht genau eingeordnet werden, sodass man sich permanent fragt, wie er in das Gefüge der Handlung passt. Der Beginn des Thrillers ist eher ruhig: Es wird sich Zeit gelassen, die Figuren und den Handlungsort vorzustellen. Je weiter der Thriller voranschreitet, desto fesselnder wird er. Auch die beklemmende Atmosphäre des Handlungsortes nimmt stetig zu. Die Handlung setzt zwei Schwerpunkte: die Ermittlungen Aris und sein Privatleben (durch seinen Umzug nach Siglufjörður kriselt die Beziehung zwischen ihm und seiner Freundin). Beide Schwerpunkte halten sich schön die Waage. Die Auflösung des Thrillers ist sowohl überraschend als auch stimmig. Dabei hat mir – wie schon bei der Hulda/Helgi-Serie – besonders gefallen, dass das Verbrechen nicht von einem kriminellen Mastermind begangen worden ist: Jónasson versteht sich sehr gut darauf, die alltägliche Seite der Kriminalität literarisch zu verarbeiten. Der Schreibstil lässt sich flüssig lesen. Er ist pointiert und deutlich und passt dadurch perfekt zu der kargen Landschaft, in der der Thriller spielt. Insgesamt ist „Schneeblind“ ein düsterer, prägnant geschriebener Thriller, der durch ein beklemmendes Setting und eine sympathische Ermittlerfigur besticht.

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Veröffentlicht am 31.03.2022

Ein sprach- und bildgewaltiger Roman

Singe ich, tanzen die Berge
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Inhalt: Prall gefüllt und unheilschwanger ziehen dunkle Wolken über die Pyrenäen. Erste Blitze brechen sich Bahn. Einer trifft Domènec, einen dichtenden Bauern, der gerade vor dem Gewitter flüchtet. Zurück ...

Inhalt: Prall gefüllt und unheilschwanger ziehen dunkle Wolken über die Pyrenäen. Erste Blitze brechen sich Bahn. Einer trifft Domènec, einen dichtenden Bauern, der gerade vor dem Gewitter flüchtet. Zurück bleiben seine Frau Sió und die beiden Kinder Mia und Hilari. Doch der Tod Domènecs wird nicht das einzige Unglück bleiben, das die Familie ereilt.

Persönliche Meinung: „Singe ich, tanzen die Berge“ ist ein Roman der katalanischen Schriftstellerin Irene Solà. Erzählt wird der Roman episodenartig aus einer Vielzahl von Ich-Perspektiven. Hierbei kommen nicht nur menschliche Figuren (wie Sió oder Mia) zu Wort, sondern auch ein Rehbock, ein Geist, Pilze und die Pyrenäen selbst. Das Besondere ist, dass jede Perspektive eine unverwechselbare Erzählstimme und Sichtweise besitzt, die sich von den anderen Perspektiven unterscheiden. Die Episoden erscheinen auf den ersten Blick als eher unzusammenhängende Sequenzen. Allerdings ergeben sie, je weiter man liest, – einem Mosaik gleich – ein Gesamtbild. Die Lektüre von „Singe ich, tanzen die Berge“ ist insgesamt sehr intensiv. Dies hängt einerseits mit der sprachlichen Seite des Romans zusammen: Solà schreibt sehr bildhaft, metaphorisch und lyrisch; Wortwahl und Satzbau sind ungezähmt, stellenweise urwüchsig (Petra Zickmanns Übersetzung aus dem Katalanischen fängt dies großartig ein). Die beeindruckende Sprachgewandtheit und Bildgewalt spürt man auf jeder Seite: Während der Lektüre wird man auf eine angenehme Art mit Worten und Bildern gesättigt, sodass man nach jedem der 18 Kapitel – ähnlich wie die Wolken zu Beginn des Romans, aber in einem positiven Sinne – prall gefüllt ist. Durch diese sprachliche Intensität ist „Singe ich, tanzen die Berge“ umfassender, als seine etwas mehr als 200 Seiten annehmen lassen. Der zweite Aspekt, der die Lektüre so intensiv macht, ist die Handlung des Romans: Auf der einen Seite fängt Solà Einzelschicksale wie in einem Brennglas ein: Diese sind selten bruchlos, oft tragisch, teilweise aber auch ungemein lebensbejahend. Auf der anderen Seite werden diese Einzelschicksale durch die Perspektiven der mystischen Wesen oder der Pyrenäen – quasi im Weitwinkel – relativiert. So tragisch oder erfüllend sie auch sind: Im Fluss der Zeit verlieren sie ein Stück weit an Bedeutung. Insgesamt ist „Singe ich, tanzen die Berge“ ein vielstimmiger, sprachgewaltiger, ja stellenweise ungestümer Roman, dessen Lektüre intensiv ist.

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Veröffentlicht am 27.03.2022

Ein humorvoller Krimi mit tollen Figuren

Freeman und Co. II
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Inhalt: New Orleans. Unerwartet stattet Colonel, der alte Alligator, der Detektei Freeman und Co. einen Besuch ab. Sein Anliegen: Der Sumpf nahe der Stadt scheint verseucht zu sein, sodass er Spencer und ...

Inhalt: New Orleans. Unerwartet stattet Colonel, der alte Alligator, der Detektei Freeman und Co. einen Besuch ab. Sein Anliegen: Der Sumpf nahe der Stadt scheint verseucht zu sein, sodass er Spencer und den Waschbären Big-Boy bittet, der Sache auf den Grund zu gehen. Unverzüglich machen sich die beiden auf den Weg. Doch illegal entsorgte Chemikalien sind nicht das Einzige, was Spencer und Big-Boy entdecken…

Persönliche Meinung: „Die giftigen Sümpfe“ ist der zweite Band der „Freeman und Co.“-Reihe von Tamás Darabánt. Die Reihe dreht sich um Spencer Freeman, der nach einem Unfall die besondere Gabe besitzt, mit Tieren sprechen zu können. Nach anfänglichen Schwierigkeiten macht er sich die Gabe zunutze und eröffnet gemeinsam mit dem Waschbären Big-Boy eine Detektei. Man kann „Die giftigen Sümpfe“ auch ohne Kenntnis des ersten Bandes „Der Teufel von New Orleans“ lesen, allerdings ist es sinnvoll, zunächst mit dem „Teufel“ zu beginnen, da man so die Beziehungen der Figuren besser verstehen kann. Erzählt wird der Krimi temporeich in meist kurzen Kapiteln aus unterschiedlichen Perspektiven. Die Handlung setzt zwei Schwerpunkte: Einerseits spielen die Ermittlungen im Fall der illegalen Entsorgung der Chemikalien eine Rolle. Hierbei fand ich etwas schade, dass der Täter für die Lesenden schon recht früh bekannt ist. Dadurch ging für mich ein Stück weit Spannung verloren. Dies wird aber durch die zweite Schwerpunktsetzung, der Ausgestaltung der Figuren bzw. ihrer Entwicklung, ausgeglichen. So ändern sich die Beziehungen einzelner Figuren, neue, z.T. schräge Figuren treten hinzu und auch alte Bekannte, mit denen man nicht unbedingt gerechnet hat, spielen wieder eine Rolle. Was mir an den Protagonisten am besten gefällt, ist, dass sie durchweg liebenswürdig sind. Ebenfalls gefallen hat mir, dass der Krimi humorvoll erzählt wird: Mehrfach kommt es zu lustigen und teilweise absurden Szenen, in deren Mittelpunkt häufig – aber nicht nur – Big-Boy steht (auch zwei neue Figuren sorgen für einige Schmunzler). Der Krimi lässt sich außerdem sehr angenehm lesen. Insgesamt ist „Die giftigen Sümpfe“ ein humorvoll erzählter Krimi, der besonders durch liebenswürdig gestaltete Figuren besticht.

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Veröffentlicht am 27.03.2022

Ein sehr flüssig zu lesender Krimi mit einer spannenden Handlung

Vertraute Qualen
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Inhalt: Würzburg. Nach einer Partynacht verschwindet Leon, ein Schüler einer örtlichen Realschule, spurlos. Handelt es sich um eine Straftat oder ist er von sich aus weggelaufen? Um den Fall zu klären, ...

Inhalt: Würzburg. Nach einer Partynacht verschwindet Leon, ein Schüler einer örtlichen Realschule, spurlos. Handelt es sich um eine Straftat oder ist er von sich aus weggelaufen? Um den Fall zu klären, kehrt die Oberkommissarin Victoria Stahl frühzeitig in den Dienst zurück. Denn: Leon ist der Freund ihrer Tochter Marie. Als ein weiterer Schüler aus Leons Klasse verschwindet, beginnt ein Rennen gegen die Zeit.

Persönliche Meinung: „Vertraute Qualen“ ist ein Krimi mit Thrillerelementen von Kirsten Nähle. Nach „Zwölf Sünden“ ist es der zweite Krimi, der sich um das Ermittlerduo Victoria Stahl und Daniel Freund dreht. Der Fall von „Vertraute Qualen“ ist in sich abgeschlossen, sodass man nicht zwangsläufig den Vorgänger gelesen haben muss. Um die Figuren und ihre Beziehungen besser verstehen zu können, ist es aber sinnvoll, zunächst mit „Zwölf Sünden“ zu starten. Erzählt wird „Vertraute Qualen“ aus mehreren unterschiedlichen Perspektiven, sodass die Handlung ein schönes Tempo gewinnt. So werden neben den Perspektiven von Victoria Stahl und Daniel Freund auch die Sichtweisen von Marie und eines weiteren Schülers eingenommen (den Namen nenne ich zur Spoilervermeidung bewusst nicht). Zum Inhalt des Krimis möchte ich gar nicht zu viel vorwegnehmen. Nur: Kern des Plots ist Mobbing an der Schule. Die Handlung selbst besitzt eine schöne Spannungskurve und ist stimmig. Auch werden mehrere falsche Fährten gelegt, sodass die Täteridentität überraschend ist. Die Handlungen des Täters werden teilweise detailliert und explizit beschrieben, sodass man stellenweise „hartgesottener“ Thrillerleserin sein muss. Der Schreibstil von Kirsten Nähle lässt sich sehr flüssig und angenehm lesen, sodass „Vertraute Qualen“ insgesamt ein richtiger Pageturner ist. Sehr gut an dem Krimi hat mir auch gefallen, wie die emotionale Seite des Falles thematisiert wird. Dadurch, dass der Verschwundene der Freund von Marie ist, sind Victoria und Marie direkt in den Fall involviert, was Folgen für die Handlung hat: Der Fall wird nicht „einfach“ nach einem bestimmten Schema geklärt, sondern die Protagonisten leiden während der Aufklärung mit und reiben sich emotional auf. Insgesamt ist „Vertraute Qualen“ ein flüssig zu lesender Krimi mit einer spannenden Handlung und schön ausgearbeiteten Figuren.

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Veröffentlicht am 24.03.2022

Ein spannender Reihenauftakt

Talberg 1935
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Inhalt: Talberg 1935. Fast schon manisch hat der Dorflehrer Wilhelm Steiner einen Turm in der Nähe des kleinen Dorfes im Bayerischen Wald bauen lassen. Doch: Kurz vor Vollendung des Bauwerkes findet man ...

Inhalt: Talberg 1935. Fast schon manisch hat der Dorflehrer Wilhelm Steiner einen Turm in der Nähe des kleinen Dorfes im Bayerischen Wald bauen lassen. Doch: Kurz vor Vollendung des Bauwerkes findet man den Lehrer tot am Fuße des Turmes. Schnell stellt sich heraus, dass es sich keineswegs um einen Unfall handelt: Steiner wurde von dem Turm gestoßen. Für die Dorfgemeinschaft steht fest, dass diese Tat nur Elisabeth Steiner ausgeführt haben kann. Die nunmehrige Witwe stand ohnehin unter Verdacht, eine Hexe zu sein. Der aus München herbeigerufene Polizist Karl Leiner ist sich in der Täterfrage nicht so sicher. Die Ermittlungen gestalten sich allerdings schwierig: Jeder Dorfbewohner scheint ein Geheimnis zu haben – und plötzlich wird zweite Leiche gefunden.

Persönliche Meinung: „Talberg 1935“ ist ein Thriller/Spannungsroman von Max Korn. Es handelt sich um den ersten Band der „Talberg“-Trilogie. Erzählt wird der Roman aus drei verschiedenen Hauptperspektiven, die jeweils in personaler Erzählform verfasst sind: Elisabeth Steiner, Karl Leiner und Johannes Steiner (der Bruder von Wilhelm). Alle drei Figuren versuchen auf ihre Art herauszufinden, wer für die Morde verantwortlich ist. Die „Hauptermittlungsarbeit“ wird aber in der Perspektive Karl Leiners geleistet. In den Perspektiven von Elisabeth Steiner und Johannes Steiner geht es – neben den Ermittlungen – auch verstärkt um die Vergangenheit der beiden Figuren (warum das so ist, wird am Ende des Romans in Form einer überraschenden Wendung offenbart). Besonders Elisabeth und Johannes sind interessant ausgestaltete Figuren: Während Elisabeth eine starke, fortschrittliche Figur ist, die mit den im dörflichen Mikrokosmos verbreiteten Vorurteilen zu kämpfen hat, ist Johannes – spoilerfrei formuliert – psychisch und physisch vom vergangenen Weltkrieg gezeichnet. Handlungs- bzw. ermittlungstechnisch passiert im ersten Drittel des Romans noch nicht so viel. Hier wird der Fokus auf die erzählerische Ausgestaltung des Handlungsortes gelegt. Die Topografie des Dorfes wird dabei ausführlich vorgestellt. Auch lernt man die Dorfbewohner und das Dorfleben detailliert kennen, sodass der Handlungsort insgesamt eine schöne Tiefe und eine dichte, beklemmende Atmosphäre erhält. Denn: Sowohl das Dorf als auch seine Bewohner wirken aus der Zeit gefallen, irgendwie verschroben. Das Dorfleben selbst ist geprägt von (offenen) Geheimnissen, Kontrolle und einem Buckeln vor denjenigen, die im Dorf das Sagen haben. Dinge und Personen, die von außen in das Dorf dringen, lehnt man in Talberg konsequent ab. Mit dem Auftritt Karl Leiners entwickelt sich die Handlung stärker in Richtung Krimi/Thriller und gewinnt an genretypischer Spannung: Wer ist für die Morde verantwortlich? Wer trägt welches Geheimnis mit sich? Wem kann man trauen? Durch diese lange Zeit offenen Fragen entsteht ein schöner Spannungsbogen. Das Ende des Romans, bei dem es einige unerwartete Aufdeckungen gibt, ist schlüssig. Auch der Schreibstil hat mir sehr gut gefallen. Er lässt sich flüssig lesen, orientiert sich an der Handlungszeit und ist stellenweise dialektgefärbt. Insgesamt ist „Talberg 1935“ ein spannender Reihenauftakt mit einem dichten Setting und einer stimmigen Handlung.

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