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Veröffentlicht am 11.11.2020

Moderne Lyrik aus dem hohen Norden

Ahoi! Gedanken aus dem Nichtschwimmerbecken
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„Ahoi! Gedanken aus dem Nichtschwimmerbecken“ versammelt 20 Texte/Gedichte der Poetry-Slammerin Selina Seemann. Die thematische Spannweite der Texte und Gedichte ist breit. Einige Texte drehen sich bspw. ...

„Ahoi! Gedanken aus dem Nichtschwimmerbecken“ versammelt 20 Texte/Gedichte der Poetry-Slammerin Selina Seemann. Die thematische Spannweite der Texte und Gedichte ist breit. Einige Texte drehen sich bspw. um das Dorfleben (die Autorin stammt aus einem kleinen Ort in Norddeutschland). So ist „Süderhackenstedt“, verfasst auf Plattdeutsch, gewissermaßen eine Liebeserklärung an die Kindheit auf dem Lande. In „Das höchste Fest“ nimmt Seemann das „Gänseverspielen“ aufs Korn (eines von jenen Brauchtümern, die in irgendeiner Form in jedem Dorf existieren und für Außenstehende ein Buch mit sieben Siegeln sind). Andere Texte sprechen gesellschaftliche Problematiken an. „Beim Frauenarzt“ beschäftigt sich mit einem unverständigen Frauenarzt, der sich wenig um das Wohl der Patientin sorgt; „Oma rettet das Klima“ thematisiert auf humoristische Art Möglichkeiten, wie man sich (auch im kleinen Rahmen) dem Klimawandel entgegensetzen kann. Wieder andere Gedichte schlagen einen melancholisch-ernsten Ton ein („Der Dreck, die Liebe, das Echte“, in dem schlaglichtartig Glücksmomente und traurige Situationen lyrisch verarbeitet werden). Humorvoll sind die fiktiven „Briefe an alle“, die die Autorin u.a. an das Finanzamt, sich selbst, den Weihnachtsmann und Donald Trump richtet. Insgesamt sind die Themen, die in den Texten/Gedichten eine Rolle spielen, vielfältig. Selina Seemanns Worte sind dabei häufig spitz; die Sache, um die es ihr jeweils geht, wird prägnant auf den Punkt gebracht, wobei kein Blatt vor den Mund genommen wird (besonders bei einem Gedicht, dessen Inhalt und Titel nicht ganz jugendfrei ist). Zu jedem Text/Gedicht findet sich eine thematisch passende, blau-weiße Tuschezeichnung aus der Feder von Mona Harry. Insgesamt zeichnet sich „Ahoi! Gedanken aus dem Nichtschwimmerbecken“ durch eine offene Herangehensweise an die jeweilige Thematik aus, wobei die Texte/Gedichte sowohl humorvoll als auch tiefgründig sind.

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Veröffentlicht am 11.11.2020

Eine gelungene Fortsetzung mit britischem Humor

Ein weißer Schwan in Tabernacle Street
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Vorab: Der Inhaltsteaser bleibt etwas vage, weil ich die Handlung der vorherigen Bücher nicht spoilern möchte.

Inhalt: Peter Grant, der Magier-Polizist, hat alle Hände voll zu tun. In seinem neuen Job ...

Vorab: Der Inhaltsteaser bleibt etwas vage, weil ich die Handlung der vorherigen Bücher nicht spoilern möchte.

Inhalt: Peter Grant, der Magier-Polizist, hat alle Hände voll zu tun. In seinem neuen Job als Sicherheitsmann bei der Serious Cybernetics Corporation muss er einen Maulwurf ausfindig machen, der sich die neuste, an Magie grenzende Wundertechnologie des Unternehmens aneignen möchte. Privat erwartet er mit seiner Freundin Zwillinge, was mit Unwägbarkeiten einhergeht.

Persönliche Meinung: „Ein weißer Schwan in Tabernacle Street“ ist der 8. Band der „Flüsse von London“-Reihe um den Polizisten und Zauberlehrling Peter Grant (Comic- und Novellen-Spin Offs nicht eingerechnet). Bei „Die Flüsse von London“ handelt es sich um eine Urban Fantasy-Reihe, die in London spielt. Im ersten Band der Reihe wird der Polizist Peter Grant vom „Folly“ angeheuert, das sich um Verbrechen kümmert, in denen Magie eine Rolle gespielt hat bzw. die von magischen Wesen begangen worden sind. Eine Besonderheit der Reihe ist, dass die Londoner Flüsse Gött*innen/Schutzgeister besitzen, die als handelnde Figuren auftreten und teilweise gar nicht so anders als die sterblichen Menschen sind. Dementsprechend ist die Reihe eine Mischung aus Fantasy und Krimi, die sich auch wieder in „Ein weißer Schwan in Tabernacle Street“ findet. Der aktuelle Band ist – anders als die vorherigen Bände – ein eher abgeschlossener Fall; die Hauptantagonisten, die von Band 1 bis 7 eine Rolle gespielt haben, treten hier nicht auf. In gewisser Weise handelt es sich somit um einen kleinen Neubeginn innerhalb der Reihe. Dennoch sollte man die Bände chronologisch gelesen haben, da über die Zeit und Bände hinweg viele Figuren aufgetreten sind, die ein komplexes Beziehungsgeflecht besitzen, das ohne Vorkenntnisse schwer zu überblicken ist. Wie schon die vorherigen Bände ist auch der achte Band aus der Ich-Perspektive von Peter Grant verfasst. Dabei ist die Erzählweise gekennzeichnet durch einen typisch britischen Humor (trocken bis schwarz) und unzählige popkulturelle Referenzen. Zu Beginn wird auf zwei Zeitebenen erzählt; dies legt sich allerdings nach dem ersten Teil, sodass die Handlung linearer wird. Thematisch ist der Fall im IT-Bereich bzw. der Technikgeschichte (Computer) angesiedelt, sodass eine neue technische Seite der Magie eingeführt wird. Auch auf eine andere Art vergrößert der Roman das „Die Flüsse von London“-Universum: Es treten us-amerikanische Magier auf, die „Librarians“, die ein anderes Berufsethos und Verhältnis zu ihren Flüssen besitzen als ihre englischen Pendants (hierbei bin ich gespannt, inwiefern dies in Folgebänden noch weiter ausgebreitet wird). Die auftretenden Figuren sind gewohnt skurril und fallen tlw. aus dem Rahmen. Die Auflösung des Falls ist überraschend und mit der ein oder anderen Wendung verbunden, mit der man nicht rechnet. Aus der Retrospektive erscheint der Fall dadurch vertrackter, als zunächst vermutet. Dies hängt vor allem mit dem originellen Antagonisten zusammen, der eher im Hintergrund agiert und der eine besondere Form besitzt (das ist jetzt etwas vage beschrieben, aber mehr kann ich ohne zu spoilern nicht sagen :D). Insgesamt ist „Ein weißer Schwan in Tabernacle Street“ eine gelungene Fortsetzung, die handlungstechnisch überzeugt und mit britischem Humor glänzt. Neulinge im „Die Flüsse von London“-Universum sollten aber zuerst zu Band 1 greifen.

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Veröffentlicht am 31.10.2020

Ein gefühlvoller Jugendroman

Dort, wo die Sterne im Wasser leuchten
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Inhalt: Durch einen Umzug möchte Skyler ihrer Vergangenheit entkommen. Ihr damaliger bester Freund Matthew ist, als beide noch Kinder waren, in einem See ertrunken. Doch Matthew begleitete Skyler weiter, ...

Inhalt: Durch einen Umzug möchte Skyler ihrer Vergangenheit entkommen. Ihr damaliger bester Freund Matthew ist, als beide noch Kinder waren, in einem See ertrunken. Doch Matthew begleitete Skyler weiter, sie sah und redete mit ihm. Als dies auf unschöne Art in ihrer alten Schule publik wurde, begann das Mobbing. Nun, auf der neuen Schule, läuft es insgesamt besser. Doch dann lernt sie Damian kennen, der haargenau so aussieht wie der Matthew in Skylers Träumen. Das Problem: Damian ist unsympathisch und im Verhalten ganz anders als Matthew.

Inhalt: „Dort, wo die Sterne im Wasser leuchten“ ist ein New Adult-Roman/Jugendbuch mit Mystery-Elementen. Es thematisiert eine Vielzahl von unterschiedlichen und aktuellen Themen. Ohne zu viel von der Handlung wegnehmen zu wollen: Es geht um Freundschaft, Liebe, psychische Erkrankungen, Mobbing, Trauer, Vertrauen und Vergebung. Die Handlung spielt in zwei amerikanischen Kleinstädten, wobei in einem Fall auch das Destruktive des Kleinstädtischen, wo jeder jeden kennt, beleuchtet wird. Erzählt wird „Dort, wo die Sterne im Wasser leuchten“ aus der Perspektive Skylers, die, wie auch die anderen handelnden Figuren, plastisch und authentisch charakterisiert ist. Generell ist kaum eine Figur ist eindimensional, stereotyp oder entwicklungsarm gezeichnet. Im Gegenteil: Fast jede Figur hat eine sensible Seite, die sich zwar zunächst versteckt, sich irgendwann aber zeigt, wodurch die Figuren eine große Tiefe erhalten. Der Erzählstil ist außerordentlich flüssig, einfühlsam und gefühlvoll und lässt sich daher kurzweilig lesen. „Dort, wo die Sterne im Wasser leuchten“ war mein erster New Adult-Roman und ich wusste ehrlich gesagt gar nicht, was auf mich zukommt und ob mir das Genre überhaupt gefallen wird. Die Sorge legte sich allerdings schnell. Nach kurzer Zeit ertappte ich mich dabei, wie ich mit Skyler und ihren Freund*innen mitfieberte und mitfühlte. Auch die Liebesgeschichte, die sich zwischen zwei der Figuren langsam entwickelt, war authentisch und gefühlvoll aufgebaut. Insgesamt ist „Dort, wo die Sterne im Wasser leuchten“ ein emotionsgeladenes Jugendbuch mit tollen Charakteren, das viele wichtige Themen beinhaltet und sprachlich schön geschrieben ist.

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Veröffentlicht am 31.10.2020

Ein komplexer Artusroman

Parzival I und II
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Inhalt: Parzival und seine Mutter Herzeloyde leben fernab der Ritterwelt in der Waldeinöde, da Herzeloyde nicht möchte, dass Parzival das Schicksal seines Vaters ereilt. Doch als Parzival zufällig einer ...

Inhalt: Parzival und seine Mutter Herzeloyde leben fernab der Ritterwelt in der Waldeinöde, da Herzeloyde nicht möchte, dass Parzival das Schicksal seines Vaters ereilt. Doch als Parzival zufällig einer Gruppe von Rittern begegnet, ist es um ihn geschehen: Sie zunächst für himmlische Wesen haltend, erwächst in ihm der Wunsch, selbst in die Welt auszuziehen und Ritter zu werden. Höfische Tugenden sind dem isoliert aufgewachsenen Parzival fern, sodass sein Weg in die Artusgesellschaft und (später) in die Gralsgemeinschaft steinig wird.


Persönliche Meinung: Der „Parzival“ von Wolfram von Eschenbach ist ein komplexer mittelhochdeutscher Versroman. Dies liegt einerseits daran, dass er anders als andere Versromane („Iwein“ oder „Erec“) nicht nur einen Ritter-Protagonisten besitzt, sondern neben dem titelgebenden Parzival noch zwei weitere: 1. Gahmuret, den Vater Parzivals, durch den die Herkunft Parzivals erzählt wird; 2. Gawan, der Höfischste aller Artusritter, dessen Handlungsbogen in seiner Breite mit dem von Parzivals vergleichbar ist und der (in Abgrenzung zu Parzival) keinen religiösen, sondern einen weltlichen Weg geht. Andererseits bricht „Parzival“ mit zeitgenössischen Erzählmustern. Als Strukturmerkmal des höfischen Artusromans wird in der germanistischen Forschung häufig der Doppelweg genannt (verkürzt gesagt: Der Ritter zieht aus, bestreitet episodische Aventiuren (=ritterliche Bewährungsproben), gewinnt so Frau und ére/Ehre, kehrt beim Artushof als scheinbar ehrenvoll ein, gerät dort aber in eine Krise und erkennt seine Verfehlungen im 1. Aventiureweg, sodass er erneut auszieht, bestreitet parallele Aventiuren und erhält so die immerwährende ére, was einem Happy End gleichkommt). „Parzival“ macht das bedingt anders: Zwar existieren einzelne Hinweise auf einen Doppelweg (episodische Aventiuren; Krise am Höhepunkt, bedingt parallele Konstruktion der beiden Wege), doch besitzt „Parzival“ kein direktes Happy End, seine Verfehlung wird nicht 100%ig deutlich, der doppelte Cursus ist komplexer und neben Parzival gesellt sich Gawan als ebenbürtiger Protagonist. Auch die Handlung ist vergleichsweise komplex: Sie ist in einem hohen Grad durchkomponiert und – was mich besonders überrascht hat – beinhaltet einzelne Aufdeckungen, die an ein modernes anachronistisches Erzählen erinnern. Man muss den „Parzival“ also mindestens zweimal lesen, um ihn in voller Gänze verstehen zu können (tatsächlich ist es so, dass man ihn, je öfter man ihn liest, umso mehr liebt). Mich hat an „Parzival“ besonders das Hervortreten des Erzählers begeistert. Dieser stellt sich in einzelnen Episoden in den Fokus und erläutert selbstbewusst, wieso er die gerade gelesene Szene so und nicht anders erzählt hat. Ich möchte in diesem Kontext nur kurz auf den Prolog eingehen, in dem der Erzähler ein recht modernes und (für das Mittelalter) progressives Selbstverständnis offenbar: Metaphernreich führt er dort aus, dass eine Geschichte nicht schwarz-weiß sein könne, sondern auch immer Grautöne vorhanden seien (was sich übrigens in den Protagonisten von „Parzival“ widerspiegelt). Die Vergleiche, die er im Prolog nennt, um diese These bildhaft zu untermauern, seien für „tumbe liute“ (salopp: für Einfältige) zu schwer. Wie diese Vergleiche werde auch seine Erzählung zwischendurch ausweichen, sich umkehren. Mit anderen Worten: hakenschlagen. Das hakenschlagende Erzählen ist im „Parzival“ Programm: Am Ende bleiben einzelne Fragen offen; es wird anachronistisch erzählt, bestimmte Handlungen erscheinen unmotiviert, bisweilen scheint die Handlung wirr, der Gawan-Parzival-Wechsel ist abrupt. Der Interpretationsspielraum ist dementsprechend groß, sodass Generationen von Germanisten am „Parzival“ herumgedeutet haben, nach Sinn suchten und ihre Deutungsansätze erklärten. Die Ausgabe vom Deutschen Klassiker Verlag umfasst zwei Bände, in der sich sowohl der mittelhochdeutsche Text als auch eine neuhochdeutsche Übersetzung finden. Der zweite Band besteht aus einem Stellenkommentar (360 Seiten!), einem Personenverzeichnis und einem kurzen wissenschaftlichen Beitrag, der in Autor, Werk, Interpretationsansätze und Rezeption einführt.

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Veröffentlicht am 31.10.2020

Eine schöne Gedichtsammlung

Weihnachtsgedichte
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„Weihnachtsgedichte“ ist eine Anthologie von 59 Gedichten, die von Stephan Koranyi zusammengestellt worden ist. Inhaltlich drehen sich die Gedichte – wie der Titel schon sagt - um die Advents- und Weihnachtszeit ...

„Weihnachtsgedichte“ ist eine Anthologie von 59 Gedichten, die von Stephan Koranyi zusammengestellt worden ist. Inhaltlich drehen sich die Gedichte – wie der Titel schon sagt - um die Advents- und Weihnachtszeit (Christi Geburt, das (Be-)Schenken, Weihnachtsmänner, Weihnachtsbäume etc.). Die Zusammenstellung der Gedichte ist dabei bunt: Neben Klassikern wie J. v. Eichendorffs „Weihnachten“ (für mich das ultimative Weihnachtsgedicht), J. W. Goethes „Epiphaniasfest“, in dem er die Heiligen Drei Könige aufs Korn nimmt und T. Storm („Knecht Ruprecht“) finden sich z.B. mit Kurt Martis puristischem Gedicht „weihnacht“ oder Rose Ausländer („New Yorker Weihnachten“) auch moderne Autoren und Gedichte. Einige der Gedichte sind dementsprechend altbekannt; andere eher Geheimtipps. Die Bandbreite der Gefühle, die die Gedichte hervorrufen und ansprechen, ist daher groß: Neben besinnlich-christlichen Gedichten (E. Mörike: „Die heilige Nacht“) und bürgerlich-heimeligen Texten (Eichendorff; Storm) finden sich tragische (G. Keller: „Weihnachtsmarkt“), humorvolle (T. Schirmer: „Tag der Gans“, in dem der obligatorische Weihnachtsbesuch bei Verwandten ironisiert wird; Hägni: „Brief ans Christkind“, in dem die Schreiberin schräg begründet, warum sie sich bestimmte Dinge vom Christkind wünscht) und experimentelle Gedichte (K. Marti). Insgesamt ist „Weihnachtsgedichte“ eine abwechslungsreiche und vielfältige Gedichtsammlung, die sich sehr gut dafür eignet, Weihnachten einzuläuten.

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