„Die klare und messbare Sprache der Phänomene – das ist es, was ich brauche. Eine Sprache die unerschütterliche Tatsachen schafft.“ [14]
Gøhril Gabrielsen schickt in ihrem Roman „Die Einsamkeit der Seevögel“ eine namenlose Protagonistin mitten im Winter in den äußersten Zipfel Norwegens. Und während die Wissenschaftlerin, am Ende der Welt, dabei ist, die Vögel zu erforschen, sieht sie sich in der Einsamkeit mit ihren Ängsten, Fragen, Problemen konfrontiert und muss sich mit eben diesen auseinandersetzen.
„Beweggründe für meinen Rückzug in die Einsamkeit. Gründe, ebenso verborgen wie das Leben in den Meerestiefen da draußen.“ [37]
Gabrielsen schreibt sehr pointiert, spannend und atmosphärisch. Man spürt förmlich die raue Natur, die vorherrschende Stille der Einsamkeit und ist von der Sprache ganz eingefangen. Die Autorin zeichnet ein faszinierendes Setting und lässt die Protagonistin einiges durchleben. Was dabei der Wirklichkeit entspricht oder der Phantasie der Wissenschaftlerin lässt sich nicht genau klären. Vieles verschwimmt fließend im Laufe der Zeit.
Die am Anfang vorherrschende positive Stimmung wandelt sich zusehends. „Im Einklang mit der mich umgebenden Natur werde ich mich entfalten, regelrecht aufblühen.“ [8] Mehr und mehr nimmt die Spannung zu und die Gedankenwelt wird beständig düster, wirkt bedrohlich, gar zerstörend. "So löscht es (Natur) mich nach und nach aus". Je länger die Hauptfigur in der Einsamkeit verweilt, umso mehr sieht sie sich bedroht. „Mein Status hat sich von gefährdet zu ernsthaft bedroht verschoben.“ [118]
„Die Einsamkeit der Seevögel“ ist ein sprachlich exzellenter Roman, den man langsam lesen sollte, um tief in die Gedankenwelt abzutauchen. Das im Insel Verlag erschienene Buch wirft viele Fragen bei den Leser*innen auf, beantwortet diese leider aber nicht, was dem offenen Ende geschuldet ist. Und wieder einmal steht man vor der Frage: Realität oder Phantasie? Ist alles nur ihrer eigenen Wahnwelt geschuldet? Sind die Wahrnehmungen der Protagonistin nur Phantasiebilder, die sich mit der Realität decken?
„Ich frage mich, ob wirklich ich es bin, die ich da sehe.“ [137]
Die Autorin liefert ein packendes Buch, in dem nichts so ist, wie es scheint. Bei all den Fragen ist eines sicher: Man bleibt auch Tage nach dem Lesen mit seinen Gedanken bei diesem Roman hängen.