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Veröffentlicht am 03.09.2021

Weder Zeitverschwendung noch Mustread

Im Reich der Schuhe
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Eigentlich ist dieses Buch hoch interessant. Da kennt sich jemand aus und erzählt glaubhaft, wie es ist, in China zu leben.

Es geht um eine Schuhfabrik, um skrupellose Industrielle, die das Volk ausbeuten. ...

Eigentlich ist dieses Buch hoch interessant. Da kennt sich jemand aus und erzählt glaubhaft, wie es ist, in China zu leben.

Es geht um eine Schuhfabrik, um skrupellose Industrielle, die das Volk ausbeuten. So wie Alex Vater, der sein Unternehmen extra in China aufbaute, weil die politischen Strukturen höchst profitable Produktionsbedingungen bieten. Die Arbeiter werden mit gnadenloser Menschenverachtung behandelt, wogegen Alex etwas unternehmen möchte. Im Untergrund brodelt es eh schon.

Hier lernt man beide Seiten kennen. Alex, seinen Vater und familiären Hintergrund, aber auch die Arbeiterin Ivy, die Alex zeigt, wie ihr Leben aussieht, nur leider wird hier niemand lebendig.
Mit einiger Weitschweifigkeit aber nahezu ohne Emotionen berichtet Alex von den Ereignissen, von seiner Vergangenheit und von seinen Gedanken, aufschlussreich aber langweilig. Es ist erstaunlich, wie man ein hoch spannendes Thema so öde präsentieren kann. Der Erzählstil ist schön, aber man hat lange das Gefühl, man kommt gar nicht vom Fleck.

Im letzten Drittel des Buches nimmt die Handlung dann Fahrt auf, verliert aber auch jede Glaubwürdigkeit, wenn Alex trotz sorgfältig angelegter Hilflosigkeit zum Superhelden mutiert und mit einem neuen Schuhmodell die chinesische Politik reformieren will.

Dieses Buch hat gute Anlagen, schafft es aber nicht den Leser zu fesseln und geht zum Ende hin auch noch im Pathos unter. Es ist keine Zeitverschwendung, aber auch kein Mustread, immerhin ein aufschlussreicher Ausflug nach China.

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Veröffentlicht am 31.08.2021

Verstörend, aber auch witzig und genial

Die Anomalie
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Dieses Buch ist kompliziert, verstörend, erlesen komponiert, großartig erzählt und absolut genial. Ich höre es gerade sogar zum zweiten Mal, weil man im ersten Durchgang die vielen Details gar nicht ausreichend ...

Dieses Buch ist kompliziert, verstörend, erlesen komponiert, großartig erzählt und absolut genial. Ich höre es gerade sogar zum zweiten Mal, weil man im ersten Durchgang die vielen Details gar nicht ausreichend würdigen kann.

Es fängt an wie jeder anständige Katastrophenfilm: Wir lernen viele Menschen kennen. Unterschiedlichste Schicksale sind verbunden mit dem Flug einer Air-France Maschine von Paris nach New York. Anfangs meint man fast, eindrucksvolle Kurzgeschichten zu lesen, bis dann doch ein roter Faden sichtbar wird.
Der Stil ist sagenhaft: Wunderbare Beschreibungen, originelle Vergleiche und süffisanter Humor sorgen dafür, dass man jede einzelne Figur plastisch vor Augen hat und sich dabei köstlich amüsiert.

Das Personal ist allerdings umfangreich und vielseitig. Da wären zum Beispiel Joana, die Anwältin, Adrian, der Wahrscheinlichkeitstheoretiker, Slimboy, der Sänger aus Lagos oder Victor Miselle, der Autor, der den Bestseller „Die Anomalie“ schrieb, bevor er im April 2021 Selbstmord beging. Oder nicht?

Als im Juni besagte Air-France Maschine um Landeerlaubnis bittet, ist er quicklebendig an Bord. Wie kann das sein?

Dieses Buch spielt mit einer höchst schrägen Idee und tischt dazu jede Menge wissenschaftlich-philosophische Theorien auf. Es ist kompliziert in Theorie und Ausführung, aber es macht unglaublichen Spaß. Ich habe es voller Ehrfurcht geschlürft.

Das Hörbuch dauert 10 Stunden und 14 Minuten. Camill Jammal liest es sehr sympathisch mit genau der richtigen Mischung aus Souveränität und Humor.

Mit diesem Buch habe ich einen neuen Lieblingsautor entdeckt. Ich bin zutiefst beeindruckt.

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Veröffentlicht am 30.08.2021

This land is not your land

Wie viel von diesen Hügeln ist Gold
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„This land is not your land” steht auf der ersten Seite des Buches, und so ist es wohl.

Sam ist elf und Lucy zwölf, als ihr Ba stirbt und sie allein zurückbleiben in einer heruntergekommenen Unterkunft ...


„This land is not your land” steht auf der ersten Seite des Buches, und so ist es wohl.

Sam ist elf und Lucy zwölf, als ihr Ba stirbt und sie allein zurückbleiben in einer heruntergekommenen Unterkunft mitten in den Hügeln, wo Ba Gold suchen wollte und schließlich Kohle schürfte.

Für eine Beerdigung braucht man nach chinesischer Tradition zwei Silberstücke für die Augen, Wasser und ein Zuhause. Das hat Lucy von Ma gelernt. Ma ist schon lange fort…

Selbst wenn sie Silberstücke hätten, wo mag Bas Zuhause sein? Die beiden Mädchen machen sich auf den Weg mit einem gestohlenen Pferd und der Leiche ihres Vaters.

Hier erlebt man den wilden Westen und den Goldrausch aus ganz ungewöhnlicher Sicht. Mit großen Erwartungen kamen „Die 200“ nach Amerika, um festzustellen, dass sie in Amerika als billige Arbeitskräfte benötigt werden und das Gold nicht auf der Straße liegt.

Traurig und anrührend erzählt Lucy von ihre Geschichte. Sam und sie sind in Amerika geboren, aber man sieht ihnen ihre Abstammung an. Sie wissen, sie werden nie richtig dazugehören und so versucht jede, ihren eigenen Weg zu finden. Sam findet sogar, sie käme als Junge besser zurecht. Aber obwohl die beiden Schwestern so unterschiedlich sind, verbindet sie doch ihre gemeinsame Vergangenheit. Ihre schicksalhafte Kindheit hat sie zusammengeschweißt, ihre Herkunft, die sie anderswo ausgrenzt, verbindet sie auch.

Sie Sprache ist einfach, hat aber einen ganz eigenen Charme, einfache Worte, die Einsamkeit, Armut, Traurigkeit und Fatalismus transportieren und mitten ins Herz gehen. Ein Hauch chinesische Lebensklugheit schwingt mit. Die Mädchen haben in ihrem jungen Leben schon einiges gelernt von Ma und Ba.

Erde, Wasser, Fleisch, Schädel, Salz, Gold, Pflaume, Blut heißen die Kapitel immer wieder und zeigen, dass man sich auf elementare Dinge besinnen muss, wenn das Leben schwierig ist.

Dieses Buch ist besonders, zart und traurig, anrührend, grausam und auch schön, ein historischer Roman, der statt geschichtlicher Fakten ein Zeitgefühl wiedergibt und damit umso eindrucksvoller ist.

Inka Löwendorf liest das Hörbuch 7 Stunden lang und transportiert ganz wunderbar eindringlich diese poetische Schlichtheit der Sprache. Auch gelegentliche chinesische Phrasen liest sie souverän. Dieses Buch ist als Hörbuch ganz besonders zu empfehlen.

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