Profilbild von sursulapitschi

sursulapitschi

Lesejury Profi
offline

sursulapitschi ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit sursulapitschi über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.02.2024

Ein Thriller der anderen Art

Notizen zu einer Hinrichtung
0

Dies ist ein Thriller der anderen Art.

Anselm Packer ist ein Serienmörder. Er hat Frauen ermordet, weiß, dass das schlecht ist und bereut es trotzdem nicht. Anselm, ein Psychopath aus dem Bilderbuch, ...

Dies ist ein Thriller der anderen Art.

Anselm Packer ist ein Serienmörder. Er hat Frauen ermordet, weiß, dass das schlecht ist und bereut es trotzdem nicht. Anselm, ein Psychopath aus dem Bilderbuch, sitzt in der Todeszelle und schreibt seine Gedanken nieder, die einen das Gruseln lehren.

Es kommen aber auch Frauen zu Wort, die eine Rolle in seinem Leben gespielt haben. Seine Mutter, seine Exfrau, eine Polizistin, seine Nichte, sie alle haben ihn gekannt, erlitten, aber auch beeinflusst.

Anselms Leben wird sehr gründlich beleuchtet von seiner ersten Stunde an. Man bekommt eine Idee davon, was so einen Mörder zum Mörder macht, aber auch davon, wie es sich mit ihm lebt, wie man ihn jagt, fängt und verurteilt.

Und während man all das erfährt, läuft gnadenlos der Countdown zur Hinrichtung, grausig, unaufhaltsam.

Sehr atmosphärisch, spannend und eindringlich, beleuchtet dieses Buch das Für und Wider der Todesstrafe. Es zeigt deutlich, dass niemandem damit geholfen ist, wenn der Mörder getötet wird, bringt elegant und unaufdringlich eine wichtige Botschaft auf den Weg.

Mit lebendigen Figuren und schöner Sprache hat Danya Kukafka hier einen Thriller entworfen, der mehr will und mehr kann als schnöder Thrill. Es ist ein Buch, das gleichzeitig unterhält und unter die Haut geht.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.01.2024

Möhren sind für alle da!

Hilda Hasenherz. Das Abenteuer im Fuchswald
0

Möhren sind für alle da!

Ich hoffe, ich spoilere nicht zu sehr, aber die Zielgruppe liest wahrscheinlich eh keine Rezensionen. Hier passiert Sensationelles. Hilda Hasenherz, ein einfaches Hasenmädchen, ...

Möhren sind für alle da!

Ich hoffe, ich spoilere nicht zu sehr, aber die Zielgruppe liest wahrscheinlich eh keine Rezensionen. Hier passiert Sensationelles. Hilda Hasenherz, ein einfaches Hasenmädchen, entwickelt sich von einer Buddelhäsin zur Abenteuer- und Heldenhäsin und revolutioniert das ganze Hasenreich.

Wie kann es sein, dass die Buddelhasen tagtäglich Möhren ausbuddeln und selbst nie auch nur eine zu mümmeln bekommen? Die Möhren sind für König Mümmel und Prinz Lämpchen. Wirklich?

Hilda kommt tatsächlich üblen Machenschaften auf die Spur und begibt sich auf eine abenteuerliche Reise, um Hilfe zu holen. Dabei trifft sie überall Tiere, die sie noch nie gesehen hat, die ihr dann aber bei ihrer schweren Mission zur Seite stehen.

Das ist so nett und niedlich, wie es klingt und bietet zwischendurch einige Spannung und Abenteuerliches. Ein schönes Buch mit einer tapferen Heldin, die sich immer wieder Gefahren stellt, die bei Licht betrachtet gar nicht so schlimm waren, aber um das festzustellen, muss man sich erst einmal der Gefahr stellen.

Für ganz kleine Kinder hat es wahrscheinlich zu viele gruselige Momente, aber Kinder ab 6 werden es lieben.

Besonders toll finde ich die Hörbuchfassung. Hier wurde mit zahlreichen Sprechern, Musik und Gesang ein mitreißendes Hörspiel inszeniert. Dabei sind die Stimmen sehr passend, lustig und sympathisch. In Hilda Hasenherz verliebt man sich sofort.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.01.2024

Traurig aktuell

Nachbarn
0

Diane Oliver wurde nur 22 Jahre alt. Sie ist 1966 gestorben und hat trotz ihres jungen Alters ein Werk hinterlassen, das mit Preisen bedacht wurde und uns heute noch beeindruckt.

In „Nachbarn“ wurden ...

Diane Oliver wurde nur 22 Jahre alt. Sie ist 1966 gestorben und hat trotz ihres jungen Alters ein Werk hinterlassen, das mit Preisen bedacht wurde und uns heute noch beeindruckt.

In „Nachbarn“ wurden einige ihrer Kurzgeschichten zusammengestellt, die neben plastischem Zeitkolorit der 60er Jahre auch von Misogynie und Rassismus erzählen und leider auch heute noch sehr aktuell wirken.

Die Geschichten lassen uns in die Köpfe der unterschiedlichsten Frauen gucken. Da ist Winifred, das einzige schwarze Mädchen am College, oder Nora, deren Vater seine Familie verlassen hat, Millie wird auf ihrer Reise durch Österreich bestaunt wie ein exotisches Tier und Libby kocht für reiche Leute, während ihre Kinder zu Hause hungern.

Es geht um kleinere oder größere Dramen des Alltags. Dabei schafft es die Autorin, sofort zu fesseln, eine Situation auf kleinstem Raum so auszubreiten, dass man ihren Figuren nahekommt.

Der Höhepunkt ist für mich die Geschichte von Jenny, die als Spielball verschiedener Männer ins Unglück getrieben wird. Hier bekommt der Erzählstil nochmal eine ganz eigene Note, wird eher intuitiv, bekommt einen Rhythmus und klingt fast wie ein Lied oder ein Gedicht.

„ Willst du tanzen, Jenny? - Komm schon Jenny! - Du liebst mich nicht genug. - Und dann war sie tot.“

Diese Sätze sind der Refrain einer Tragödie, ziehen sich wie ein Mantra durchs Geschehen, ganz schlicht und doch schrecklich.

Und spätestens an dieser Stelle muss man auch die Sprecherin des Hörbuchs bewundern. Maya Alban-Zapata trägt ganz wunderbar vor, einfühlsam aber ohne Pathos, und setzt so ein I-Tüpfelchen auf ein sehr beeindruckendes Buch.

Es dauert 7 Stunden, 55 Minuten.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.01.2024

Spannend und unfreiwillig komisch

Schneesturm
0

Bei der Bewertung dieses Buches ringe ich ein bisschen mit mir selbst.

Die Geschichte an sich hat was. Sie sind zu sechst, alte Schulfreunde, die sich zum Jahrestag des Todes des Siebten im Bunde auf ...

Bei der Bewertung dieses Buches ringe ich ein bisschen mit mir selbst.

Die Geschichte an sich hat was. Sie sind zu sechst, alte Schulfreunde, die sich zum Jahrestag des Todes des Siebten im Bunde auf der Insel Inishmore treffen, auf der sie gemeinsam aufgewachsen sind. In der Silvesternacht vor 10 Jahren ist Cilian gestorben und jetzt wollten sie sich wieder treffen, an ihn denken und feiern. Leider durchkreuzt ein Schneesturm und eine Leiche ihre Pläne. Polizistin Cara muss Ermittlungen anstellen statt zu feiern und je mehr sie entdeckt, desto fragwürdiger findet sie ihre Kindheitsfreunde.

Wir haben eine gruselige Situation, irische Originale und ein Rätsel zu lösen. Die Vergangenheit holt Cara wieder ein. Es liegt Tragik in der eisigen Luft, Gefahr und einige Spannung, so weit könnte es ein super Thriller sein, wäre es sprachlich nicht so durchwachsen.

Es ist nahezu lächerlich, wie man sich hier noch in den schlimmsten Situationen ein besorgtes „Alles okay?“ zuruft, wenn doch ganz offensichtlich gar nichts okay ist. „Es wird alles gut.“ ist eine weitere stark strapazierte Plattitüde, die überflüssiger nicht sein könnte. Gekrönt wird das Fest der Floskeln durch poetische Entgleisungen: „Es strömte eine enorme Traurigkeit in ihre Glieder.“

Also, dieses Buch bietet eine gute Portion unfreiwillige Komik, aber das ist ja auch irgendwie unterhaltsam. Ich habe es auf jeden Fall bis zum Ende gehört und war sehr gespannt auf die Auflösung. Das Hörbuch liest Christiane Marx sehr engagiert. Es dauert 10 Stunden und 59 Minuten.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.01.2024

Erschreckend plausibler Weltuntergang

Und dann verschwand die Zeit
0

Ganz genau so kann man sich das vorstellen. Während um mich herum Sandsäcke gefüllt werden, kommt mir die Geschichte in diesem Buch vor wie der logische nächste Schritt.

Hier steht England unter Wasser. ...

Ganz genau so kann man sich das vorstellen. Während um mich herum Sandsäcke gefüllt werden, kommt mir die Geschichte in diesem Buch vor wie der logische nächste Schritt.

Hier steht England unter Wasser. Im „High House“ am Rande eines kleinen englischen Küstenorts leben ein paar Menschen weiter, während alle anderen geflohen sind. Als Caro mit ihrem kleinen Bruder Pauly mit letzter Kraft dort ankam, wurden sie von Sally begrüßt. Sally und ihr Großvater hatten die beiden schon erwartet. Alles war gut für sie vorbereitet.

Wie es dazu kam und wie allmählich die Welt untergeht, erzählt dieses Buch plausibel und anschaulich. Ganz allmählich nimmt es einen mit in die Katastrophe. Dabei erzählen Sally, Caro und Pauly abwechselnd die Ereignisse aus ihrer Sicht.

Mir hat dieses Buch sehr gut gefallen, auch wenn es ab und an etwas ausführlich geraten ist. Der Fokus liegt mehr auf der Gefühlswelt der Figuren als auf Action. Dadurch zieht die Erzählweise aus verschiedenen Perspektiven das Ganze eher in die Länge, als dass es die Geschichte ergänzen würde. Besonders Paulys Gedanken aus Kleinkindersicht wirken ein wenig wie überflüssige Dekoration.

Dieses Buch lässt uns jetzt schon mal erleben wie es sein wird, wenn die Menschen weniger werden und das Wasser mehr, wenn die Insekten und sogar die Vögel verschwinden und die Dorfkirche ein allerletztes Mal läutet. Es erzählt die Geschichte einer Katastrophe, die sich anschleicht, vom trotzdem Weiterleben, nahezu melancholischer Grusel mit einem sehr bitteren Kern.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere