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Veröffentlicht am 23.11.2023

Überraschend und unterhaltsam

Das Nachthaus
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Dieses Buch führt einen immer wieder hinterhältig aufs Glatteis.

Anfangs meint man, in einem Jugendbuch gelandet zu sein. Richard ist 13, ein Nerd, ein Außenseiter, der plötzlich Dinge erlebt, die man ...

Dieses Buch führt einen immer wieder hinterhältig aufs Glatteis.

Anfangs meint man, in einem Jugendbuch gelandet zu sein. Richard ist 13, ein Nerd, ein Außenseiter, der plötzlich Dinge erlebt, die man sonst nur in Gruselfilmen sieht. Als sein Freund Tom verschwindet, ist die Wahrheit so absurd, dass Richard sie nicht der Polizei sagen kann. Niemand würde ihm glauben. Aber mit seinen schwammigen Aussagen macht er sich selbst verdächtig.

Das Geschehen ist spooky und noch absonderlicher ist, dass man etwas liest, was man von Jo Nesbø ganz und gar nicht erwartet hat. Über etwa zwei Drittel des Buches meint man, im falschen Film gelandet zu sein, bis das Ganze dann eine unerwartete Wendung nimmt, eigentlich sogar mehrere.

Im Nachhinein betrachtet ist das genial. Jo Nesbø hat hier maximalen Grusel und Verwirrung auf mehreren Ebenen geschaffen, ein fein komponiertes Verwirrspiel, das ich gerne genossen hätte. Leider konzentriert sich das auf den letzten Teil des Buches, während man die meiste Zeit mit einem Jugendbuch beschäftigt war, das man nicht lesen wollte und das ist wirklich schade.

Das Hörbuch dauert 7 Stunden, 5 Minuten und wird von David Nathan gelesen, den man eine Winzigkeit schneller drehen muss.

Alles in allem ist dieses Hörbuch unterhaltsam und wahrlich unerwartet.

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Veröffentlicht am 23.11.2023

Hauptsächlich anstrengend

Die sieben Monde des Maali Almeida
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Anfangs war ich davon überzeugt, ein neues Lieblingsbuch erwischt zu haben. Der Erzählstil ist grandios, frech, witzig, zynisch und dabei doch irgendwie originell poetisch. Dazu ist das Thema unschlagbar ...

Anfangs war ich davon überzeugt, ein neues Lieblingsbuch erwischt zu haben. Der Erzählstil ist grandios, frech, witzig, zynisch und dabei doch irgendwie originell poetisch. Dazu ist das Thema unschlagbar genial.
Maali Almeida, ein Kriegsfotograf aus Colombo, Spieler, Lebenskünstler und Liebhaber eines Ministersöhnchens, ist plötzlich tot und im Dazwischen gelandet. Er hat sieben Monde Zeit, seine Angelegenheiten zu regeln und die Aufnahmeformalitäten zu erledigen, dann wird entschieden, wie es mit ihm weitergeht. Darf er ins Licht gehen? Will er das überhaupt? Erst einmal will er wissen, warum er gestorben ist und dann sind da noch brisante Fotos, die die Welt sehen muss.
Das Geschehen hat Witz und morbiden Charme. Wie es im Dazwischen zugeht, wollten wir doch schon immer mal wissen. Das „Leben“ dort unterliegt Regeln, von denen noch niemand gehört hat und es ist bevölkert von Geistern und Dämonen jeder Art. Maali trifft hilfreiche Geister und auch andere. Im Dazwischen tummeln sich Tote, die eine Rolle in seinem Leben spielten oder auch historische Größen und erzählen aus Maalis Leben, gleichzeitig aber auch von der Geschichte Sri Lankas, einem Land mit Problemen, die gerade in einem brutalen Bürgerkrieg gipfeln.
Die Situation ist kompliziert.
"… such gar nicht erst nach den Guten, denn die gibt´s nicht. Jeder ist stolz und gierig, und keiner kann irgendwas lösen, bevor Geld geflossen ist oder Fäuste erhoben wurden"
Das hilft ein bisschen, macht aber nichts besser. In Sri Lanka leben Tamilen und Singalesen und bekriegen sich in den 80er Jahren aufs Blutigste, warum, scheinen sie selbst nicht genau zu wissen. Als Leser muss man damit leben, dass man oft nur mit höchster Konzentration versteht, wer gerade agiert, wie der ins Bild passt und welchem Lager er angehört. Auch da scheinen die Grenzen fließend zu sein. Jeder ist korrupt, jeder ist verlogen, niemandem geht es um die Sache, weil keiner weiß, was Sache ist.
So etwas zu lesen ist anstrengend. Trotz aller Bewunderung für die Idee und den Erzählstil hat mich das Buch bald mehr geärgert als begeistert. Dieses Buch muss man sich abringen.
Es mag sein, dass so ein Buch in vielerlei Hinsicht preisverdächtig ist, ein Lesevergnügen ist es jedenfalls nicht. Ich bin froh, es hinter mir zu haben.

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Veröffentlicht am 09.10.2022

Nicht perfekt, aber lesenswert

Dschinns
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Ja, was sagt man jetzt dazu? Am Ende hatte ich doch eine Träne im Knopfloch, obwohl ich zu großen Teilen mit diesem Buch gerungen habe.

Hier stirbt ein Vater. Er tut das sehr eindrucksvoll und überraschend ...

Ja, was sagt man jetzt dazu? Am Ende hatte ich doch eine Träne im Knopfloch, obwohl ich zu großen Teilen mit diesem Buch gerungen habe.

Hier stirbt ein Vater. Er tut das sehr eindrucksvoll und überraschend gleich im ersten Kapitel und lässt uns, während er in den letzten Zügen liegt, ein klein wenig in seinen Kopf gucken. Er ist ein Türke, der mit seiner türkischen Familie in Deutschland gelebt hat. Jetzt wollte er eigentlich zurückkehren.

Zu seiner Beerdigung reist dann seine Familie an. Jedes einzelne Familienmitglied stellt sich persönlich vor, erzählt uns die Geschichte einer Gastarbeiterfamilie aus unterschiedlichsten Perspektiven.

Das ist zu großen Teilen spannend und großartig erzählt. Fatma Aydemir bringt einem eloquent und einfühlsam die unterschiedlichsten Typen nahe. Allerdings ist die Dramaturgie des Ganzen so planvoll angelegt, dass es die Individualität der Figuren doch wieder relativiert. Wir hätten ganz wunderbar mit Ümit leiden können, der den plötzlichen Tod seines Vaters verdauen muss und dazu verdammt ist, die Leiche herzurichten wie es die Tradition verlangt. Seine Homosexualität ist natürlich auch ein Problem, in dieser Situation aber ein unnötiges Topping. Es drängt sich der Eindruck auf, dass man möglichst vielfältige Probleme in einem Roman unterbringen wollte und das nimmt der eigentlich guten Geschichte mehr als es ihr gibt.

Da geht es um Türken, Deutsche und auch Kurden, unterschiedliche Kulturen, die aufeinanderprallen, aber auch um Traditionen, Familiensinn, das Patriarchat, Selbstbestimmung, Männer, Frauen und ihr Rollenverständnis im Wandel der Zeiten, Selbstverwirklichung, Identität und vieles mehr. Das ist viel Stoff für ein nicht allzu dickes Buch, ich war lange Zeit unsicher, ob es mir gefällt.

Am Ende mausert es sich aber doch noch zu einem wirklich anrührenden Aufruf zu Toleranz und Offenheit, eine tolle Botschaft, die berührt, kein perfektes Buch, aber ein sehr lesenswertes.

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Veröffentlicht am 24.08.2022

Originell, mit einer winzigen Prise Pathos

Die Köchinnen von Fenley
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„Ein Buch wie eine Umarmung“ steht auf der Rückseite dieses Buches. Da ist was dran, ein wenig jedenfalls. Ich hätte vielleicht gesagt: „Ein Buch wie eine warme Decke“, eine Patchworkdecke, englisch, geblümt, ...

„Ein Buch wie eine Umarmung“ steht auf der Rückseite dieses Buches. Da ist was dran, ein wenig jedenfalls. Ich hätte vielleicht gesagt: „Ein Buch wie eine warme Decke“, eine Patchworkdecke, englisch, geblümt, kuschelig, nicht ganz neu, aber angenehm.

Hier geht es wieder um die tapferen Frauen, die im Zweiten Weltkrieg jenseits der Front ums Überleben kämpfen. 1942 sind Lebensmittel in England stark rationiert. Da muss man erfinderisch sein, wenn man trotz allem leckere Gerichte servieren möchte, deshalb ruft die BBC einen Wettbewerb ins Leben: Die Köchin, die aus ihrer Ration das beste Menü zaubern kann, darf Comoderatorin einer bekannten Kochsendung werden. Ein sicherer Job in schwierigen Zeiten lockt die unterschiedlichsten Küchenfeen an den Herd.

Audrey, Zelda, Nell und Gwendoline haben alle ganz eigene Sorgen und einen guten Grund, diesen Wettbewerb gewinnen zu wollen. Man lernt sie gut kennen, sie sind alles taffe Frauen, aber nicht jede weckt auf Anhieb Sympathien. Trotzdem raufen sie sich zusammen. Das ist schön und macht ein Buch über Krieg und Entbehrungen doch irgendwie kuschelig.

Als Zugabe bekommen wir noch zu jeder Situation das passende Kochrezept nebst Entstehungsgeschichte. Das ist hoch interessant und auch witzig. Manche davon sind gewöhnungsbedürftig, manche aber auch sehr spannend. Nells scharf angebratener Hase mit Holunderweinsauce oder Audreys Pilzsuppe muss ich unbedingt mal ausprobieren, oder auch Mrs. Quince‘ Kuchen für besondere Anlässe, den liebt einfach jeder.

Dieses Buch ist ein wunderbarer Schmöker, der mal eine etwas andere Kriegsgeschichte erzählt, unterhaltsam, anrührend, originell und in schöner Sprache dargeboten. Die kleine Prise Pathos verzeihe ich ihm gerne.

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Veröffentlicht am 25.07.2022

Unterhaltsam, ohne größeren Anspruch

Das siebte Mädchen
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Dieses Hörbuch muss man auf jeden Fall erstmal schneller einstellen, sonst ist es nur schwer erträglich. Die getragene Lesung von Julia Nachtmann transportiert Betroffenheit und Schwermut, was an mancher ...

Dieses Hörbuch muss man auf jeden Fall erstmal schneller einstellen, sonst ist es nur schwer erträglich. Die getragene Lesung von Julia Nachtmann transportiert Betroffenheit und Schwermut, was an mancher Stelle ganz sicher gut passt, konsequent über knapp 13 Stunden hinweg aber bald an den Nerven nagt.

Hier erzählt eine frustrierte Psychologin aus ihrem verkorksten Leben. Seitdem Chloës Vater als Serienmörder verhaftet wurde, nagt an ihr alles Mögliche. So ein Schlag trifft auch die Familie des Täters hart und heißt es nicht gemeinhin, dass man Psychologie studiert, um mit den eigenen Problemen fertig zu werden?

Das ist ein weiteres Problem, das ich mit diesem Buch hatte. Es arbeitet mit einem sehr simplen Strickmuster und scheut sich auch nicht auf Tränendrüsen zu drücken oder gängige Klischees zu bedienen. Die Auflösung ahnt man schon nach den ersten Seiten, wird durch ein paar Schlenker und falsche Fährten mit Drama angereichert, aber am Ende war es doch – sag ich nicht.

Die Sprache ist eigentlich ganz schön. Vermutlich könnte man dieses Buch gut lesen als unterhaltsamen Krimi ohne größeren Anspruch, wenn nicht die Sprecherin so bemüht wäre, der Sache noch einen Schuss Extradramatik zu verpassen. Manchmal ist eben doch weniger mehr.

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