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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.06.2024

Zwischen zwei Welten

Das Jahr ohne Sommer
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Constanze Neumann erzählt in "Das Jahr ohne Sommer" von ihrem Leben in der DDR und im Westen. Aufgewachsen in den 1970er Jahren in Leipzig, ist ihr Vater in Dresden an einer Musikschule tätig, ihre Mutter ...

Constanze Neumann erzählt in "Das Jahr ohne Sommer" von ihrem Leben in der DDR und im Westen. Aufgewachsen in den 1970er Jahren in Leipzig, ist ihr Vater in Dresden an einer Musikschule tätig, ihre Mutter ist Geigerin. als Constanze drei Jahre alt ist, beschließen ihre Eltern, in den Westen zu fliehen. Doch sie fliegen auf, ihre Eltern werden inhaftiert und Constanze kommt zunächst in ein Kinderheim und dann zu ihrer Großmutter nach Leipzig. Eineinhalb Jahre später werden ihre Eltern entlassen, weil sie vom Westen freigekauft wurden. Mit sechs Jahren holen sie Constanze zu sich in den Westen. Mittlerweile wohnen sie in Aachen, ihr Vater ist Direktor einer Musikschule und ihre Mutter kämpft mit den Nachwirkungen einer schweren Krankheit, die sie sich im Gefängnis zugezogen hat.

Constanze Neumann schreibt sehr flüssig und wortgewandt, indem sie vor allem die Zerrissenheit Constanzes zwischen ihrem Leben bei der Großmutter in Leipzig und ihrer Schulzeit in Aachen sowie ihres Auslandssemesters sehr nachvollziehbar darstellt. Während ihre Eltern im Westen angekommen sind und sich entfalten, kämpft Constanze noch immer um ihren Platz und ist auf der Suche, da sie sich nicht zugehörig fühlt. Auch nach dem Fall der Mauer weiß Constanze noch nicht, ob sie sich eher Leipzig oder Aachen zugehörig fühlen soll.
Eine sehr anschauliche Erzählung über das Leben in der DDR und den Wechsel in den Westen, die innere Zerrissenheit und das Hängen zwischen zwei Welten.

Veröffentlicht am 14.06.2024

Sommerlicher Familienroman

Nostalgia Siciliana
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Tita lebt in Berlin und arbeitet als Grafikerin, als sie einen Anruf aus Sizilien bekommt: Ihr Onkel, der Bruder ihres Vaters, ist verstorben und hat ihr das Landgut Magni hinterlassen. Also macht sich ...

Tita lebt in Berlin und arbeitet als Grafikerin, als sie einen Anruf aus Sizilien bekommt: Ihr Onkel, der Bruder ihres Vaters, ist verstorben und hat ihr das Landgut Magni hinterlassen. Also macht sich Tita auf den Weg nach Sizilien und wird mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Denn ihr Vater ist damals aus Sizilien als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen und hat dort die Tiefkühlpizza etabliert. Allerdings ist er früh verstorben, weshalb sich Tita nicht mehr allzu gut an ihn erinnern kann. Auch an die Sommer in Sizilien erinnert sie sich daher nur bruchstückhaft. Als sie nun, 26 Jahre später, dorthin zurückkehrt, kommen die Erinnerungen hoch.

Der Klappentext hat mich angesprochen und ließ mich einen Roman erwarten, der mich in das sommerliche Sizilien bringt und wurde nicht enttäuscht. Patrizia Di Stefano erzählt auf verschiedenen Zeitebenen sowohl von Titas gegenwärtigen Leben in Berlin als auch von ihrer Kindheit in den sizilianischen Sommern als auch von Titas Vater - seiner Jugend, seinen Träumen und seinem Weg nach Deutschland, wo er zunächst auf sich allein gestellt war. Der Grundton ist dabei eher melancholisch und einige Stellen habe ich als Längen empfunden.
Alles in allem gefiel mir "Nostalgia Siciliana" als Sommerlektüre sehr gut.

Veröffentlicht am 01.06.2024

Gut durchdachtes Katz-und-Maus-Spiel

Wer zuerst lügt
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Lucca Marino startete ihre berufliche Karriere als Trickbetrügerin - damals aus finanzieller Not wegen ihres Lebens im Wohnwagenpark - und gerät in eine brenzlige Situation. Daraus wird sie von ...

Lucca Marino startete ihre berufliche Karriere als Trickbetrügerin - damals aus finanzieller Not wegen ihres Lebens im Wohnwagenpark - und gerät in eine brenzlige Situation. Daraus wird sie von Mr. Smith gerettet, der ihre neuer Boss wird und für den sie immer krassere Aufträge erledigen muss. Derzeit ist sie als Evie Porter in einer Beziehung mit Ryan, über den sie Informationen sammeln und weitergeben soll. Alles scheint schön zu sein, sie zieht in Ryans Villa und lernt seine Freundinnen kennen. Auf einer Party stellt sich die Begleiung einer seiner Freunde als Lucca Mariono vor und Evie ist klar: Das ist eine Warnung, offenbar hat es jemand auf sie abgesehen. Als die angebliche Lucca stirbt und Evie auch noch wegen Mordes angeklagt wird, ist klar: Sie muss schneller sein als ihre Gegnerinnen.

Ashley Elston hat mit Evie eine bodenständige und clevere Protagonistin geschaffen. Auch wenn sie moralisch nicht einwandfrei handelt und sich sicherlich strafbar gemacht hat während ihrer Aufträge, mochte ich sie gern. Erzählt wird einerseits in der Gegenwart, in der Evie und Ryan ihr Glück feiern und Evie gegen ihre Widersacher antritt. Andererseits wird in Rückblenden auch aus Luccas früherem Leben und ihren bisherigen Aufträgen unter Mr. Smith erzählt. Mit jedem Kapitel kommen neue Erkenntnisse über die Zusammenhänge und die Verbindungen der einzelnen Figuren ans Licht.
Ashley Elston schreibt flüssig, konnte mich mit dem Plot und den immer temporeicheren Geschehnissen fesseln und mich durch die Wendungen und Offenbarungen überraschen und begeistern.

„Wer zuerst lügt“ ist ein spannender Thriller um eine clevere Protagonistin, die für sich selbst einsteht und um ihre Identität kämpfen muss.

Veröffentlicht am 27.05.2024

Drei Schicksale und die Suche nach Glück

Die Halbwertszeit von Glück
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In "Die Halbwertszeit von Glück" erzählt Louise Pelt von drei verschiedenen Frauen zu unterschiedlichen Zeiten, die jeweils ein eigenes Schicksal erleben. Alle sind jedoch auf der Suche nach dem großen ...

In "Die Halbwertszeit von Glück" erzählt Louise Pelt von drei verschiedenen Frauen zu unterschiedlichen Zeiten, die jeweils ein eigenes Schicksal erleben. Alle sind jedoch auf der Suche nach dem großen Glück und bewegen sich auf eigenen Wegen dorthin.
Mylène lebt 2019 in Paris und heiratet bald ihre große Liebe. Doch dann findet sie einen Brief mit einer Enthüllung, die alles auf den Kopf stellt.
Johanna lebt 1987 im Grenzgebiet der DDR und findet dort im Wald, in der Nähre ihrer Hütte, ein 17-jähriges Mädchen, das sie vor den Grenztruppen versteckt und dadurch mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert wird und sich die Fragen nach Schuld und verpasstes Glück stellen muss.
Die dritte Frau ist Holly, für die in Los Angeles im Jahr 2003 die Kollegin Jay einspringt, verunglückt und stirbt. Aus Schuldgefühlen nähert sie sich Jays Freund und ihrem Sohn an, um ihnen etwas zurückzugeben und mit ihrem schlechten Gewissen klarzukommen.

Während ich den Strang um Johanna sehr gebannt gelesen habe, war ich von Mylènes und Hollys Erzählstrang weniger begeistert. Die beiden Stories haben mich nicht so sehr gepackt, waren oft konstruiert und beinhalteten für meinen Geschmack sehr viele Klischées. Johannas Vergangenheit, ihre Gedanken, Emotionen und Handlungen fand ich hingegen sehr interessant.
Lange habe ich mich gefragt, wie Johanna, Holly und Mylène zueinander in Beziehung stehen. Die Auflösung folgte recht spät, war für mich jedoch schlüssig.

Veröffentlicht am 27.05.2024

Absolut berechtigter Hype

Yellowface
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June Hayward und Athena Liu sind Autorinnen, die sich ihren Platz in der Literaturszene suchen und beide auf einen guten Treffer hoffen. Athena, die ihre chinesisch-amerikanischen Wurzeln in ihren Büchern ...

June Hayward und Athena Liu sind Autorinnen, die sich ihren Platz in der Literaturszene suchen und beide auf einen guten Treffer hoffen. Athena, die ihre chinesisch-amerikanischen Wurzeln in ihren Büchern thematisiert, ist dabei erfolgreicher als June, die eher im Schatten agiert. Während die beiden einen gemeinsamen Abend in Athenas Wohnung ausklingen lassen, erstickt Athena und stirbt. Kurzentschlossen stiehlt June Athenas gerade fertig gewordene Manuskript, auf das sie angestoßen hatten. Es ist ein Roman über chinesische Arbeiter während des Ersten Weltkriegs. Kurzerhand ändert June einige Stellen und veröffentlich es unter einem neuen Pseudonym: Juniper Song. Ihrer Meinung nach ist es nicht wichtig, von wem die Geschichte erzählt oder veröffentlicht wird - die Leserschaft sieht das allerdings teilweise anders und erste kritische Stimmen gegen Juniper Song werden laut, was immer größere Kreise zieht.

Ich hatte bereits die Leseprobe zu "Yellowface" gelesen und war daher sehr gespannt auf die Lektüre.
Rebecca F. Kuang hat einen eindrucksvollen Blick hinter die Kulissen des Verlagswesen gewährt - die Konkurrenz, den Druck, die Missgunst untereinander, die Kriterien und Auswahlmöglichkeiten von Autor*innen, PR-Aktionen etc.
Weder Athena noch Juniper waren für mich sympathische Figuren, was die fesselnde Wirkung auf mich jedoch nicht beeinflusst hat. Ganz im Gegenteil: Ich wollte unbedingt erwahren, wie lange Juniper mit ihrem Geheimnis durchkommt, wie Rebecca F. Kuang den Diebstahl der Story über die chinesischen Arbeiter, zu denen Juniper überhaupt keinen Bezug hat, bewertet und Reaktionen darauf laut werden lässt.
Ich möchte zur Handlung gar nichts sagen, um nicht zu spoiler, kann jedoch den Hype um das Buch absolut nachvollziehen.
Ich wurde überrascht, der Spannungsbogen war durchgehend gestrafft und mir gefiel das Ende ebenfalls sehr gut.