Absolut fantastisch!
Die Stadt ohne WindReview enthält leichte Spoiler. Ich vermeide Details über relevante Handlungsteile, aber vereinzelt können Andeutungen über die Welt, die Charaktere oder die Handlung auftreten.
Bin zufällig im Laden ...
Review enthält leichte Spoiler. Ich vermeide Details über relevante Handlungsteile, aber vereinzelt können Andeutungen über die Welt, die Charaktere oder die Handlung auftreten.
Bin zufällig im Laden über das Buch gestolpert und fand das Cover toll, also hab ich mal den Klappentext gelesen und spontan zugeschlagen. Große Hoffnungen hatte ich eigentlich nicht - aber was wurde ich überrascht ^^
Das Buch hat es ganz schnell in das Regal meiner Lieblinge geschafft. Es besitzt die gleiche Art von Zauber, wie viele Kinderbücher - ein Zauber, der einen in eine Welt hineinsaugt, die so unglaublich magisch ist, dass man alles um sich herum vergisst. Aber in diesem Fall für Erwachsene.
Die Handlung folgt zwei verschiedenen Hauptcharakteren.
Arka ist ein 13-jähriges Mädchen, die, nur begleitet von ihrem Pferd, in die sagenumwobene Stadt Hyperborea reist. Dort leben die Magier dieser Welt und Arka hofft darauf, darunter ihren Vater zu finden. Als junges Mädchen ohne jegliche Kontakte oder Besitztümer ist es aber schwierig, sich in der großen Stadt zurecht zu finden.
Lastyanax ist einer dieser Magier und trotz seines jungen Alters hat er es zum Minister geschafft. Anstatt sich aber mit voller Kraft darauf konzentrieren zu können, die Zustände der Stadt zu verbessern, muss er sich auf die Suche nach einem Mörder machen, der sein Unwesen treibt und seinen ehemaligen Mentor ermordet hat.
Als Arka und Last aufeinander treffen, müssen sie zusammen arbeiten, um ihre jeweiligen Ziele erreichen zu können.
Die Handlung erscheint relativ simpel. Arka will ihren Vater finden, Last sucht einen Mörder und währenddessen erleben die beiden einige spannende Abenteuer. Gerade diese Abenteuer machen das Buch aber so interessant und - auch wenn es ein Fantasy-Buch ist - erstaunlich realistisch. Die beiden stoßen auf Sackgassen, werden auf falsche Fährten gelockt und müssen sich nebenher um einen Haufen nebensächlicher Sachen kümmern. Es geht eben nicht immer nur darum die Welt zu retten. Erst nach und nach finden die Fäden zusammen und man merkt, was eigentlich auf dem Spiel steht. Genau diese Art von Buch liebe ich.
Das Worldbuilding hat mir sehr gut gefallen, vor allem, weil es nur wenig Erklärungen dafür gibt, warum etwas so ist, wie es ist. In vielen Fantasy-Büchern wird versucht, die Welt auf einer naturwissenschaftlichen und gesellschaftlichen Ebene zu erklären. Alles, was anders als in unserer Welt ist, benötigt irgendeine sinnvolle Erklärung. Manchmal sind diese Erklärungen wirklich gut durchdacht, interessant und haben einen Einfluss auf die Handlung. Manchmal ist es einfach nur unnötig und man hat den Eindruck, dass der Autor unbedingt seine tollen Ideen teilen wollte, egal, ob sie zur Geschichte passen, oder nicht.
Dieses Buch bietet keine unnötigen Erklärungen. Wenn etwas relevant ist, natürlich schon, aber ich würde doch auch keiner anderen Person erklären, warum man eine Katze als Haustier haben kann, oder? Manche Sachen sind einfach so wie sie sind und man wird nicht mit Erklärungen überladen. Gerade das sorgt aber für diese magische Atmosphäre eines Kinderbuches.
Hyperborea eine Stadt unter einer Kuppel und dort in verschiedene Ebenen aufgeteilt. Auf der untersten wohnen die Ärmsten der Stadt, ganz oben thronen die Magier. Die unterschiedlichen Ebenen werden sehr realistisch beschrieben und es gibt ein paar sehr nette Extras. Wie reist man am besten auf den Kanälen durch die Stadt? Riesige Schildkröten? Warum nicht? Auch die Magie dieser Welt fand ich sehr schön strukturiert.
Von der Welt außerhalb der Kuppel erfährt man zunächst leider nur wenig - es gibt aber Hinweise darauf, dass sich dies in weiteren Büchern ändern wird und was man bisher davon erfahren hat, deutet auf eine farbenfrohe, vielseitige Welt hin.
Auch die Charakterisierungen haben mir wirklich sehr gut gefallen, nicht zu letzt dadurch, dass sie sehr realistisch gehalten sind.
Arka ist 13 Jahre alt. In einem Buch für junge Erwachsene finde ich Kinder selten realistisch. Entweder sind sie zu erwachsen gehalten, oder zu kindisch. Ein 13-jähriges Kind ist nicht dumm, ihm fehlt lediglich die Lebenserfahrung einer erwachsenen Person und es fällt ihm vielleicht schwerer, rational zu handeln, aber auch ein Kind kann schon kritisch denken. In diesem Buch ist genau dieses Mittelding hervorragend getroffen.
Arka ist noch ein Kind und genau das merkt man genau. Sie ist sturköpfig, leichtsinnig, geht unnötige Risiken ein und hat schlechte Ideen. Sie denkt nicht immer für voraus und ist zugleich sehr stolz, weshalb Kritik dafür sorgt, dass sie auch mal schmollt, wie, naja, eben ein Kind. Gleichzeitig ist sie aber wirklich nicht dumm, oder besonders naiv, wie man denken könnte. Sie kann gut kombinieren, lässt sich nicht von ihrem Ziel abbringen und ist ganz einfach intelligent. Trotz ihres Hitzkopfes war sie mir sehr sympathisch und auch wenn ich vielleicht anders gehandelt hätte, waren ihre Handlungen und Reaktionen sehr nachvollziehbar.
Auch Last hat mir sehr gut gefallen. Auch er ist sehr intelligent und bemüht sich wirklich, sowohl seinem Ministeramt als auch der Suche nach dem Mörder gerecht zu werden. Aber er ist noch jung und lernt erst langsam, wie die Politik in ihren Feinheiten funktioniert. Gleichzeitig ist er etwas arrogant und von sich selbst überzeugt. Arka regt ihn regelmäßig auf und es ist offensichtlich, dass er einfach nicht wirklich weiß, wie er mit ihr umgehen soll.
Beide Hauptcharaktere sind nicht perfekt. Beide haben mich hin und wieder sehr frustriert, aber auf eine sehr realistische Art und Weise und nie so sehr, dass ich mich wirklich geärgert habe.
Auch sämtliche Nebencharaktere finde ich schön gestaltet. Über manche erfährt man mehr, über manche weniger, aber alle erscheinen wie wirkliche Personen und nicht nur ein Mittel zum Zweck. Das Buch ist auch nicht komplett schwarz-weiß gehalten - alle Charaktere haben irgendwo ihre Stärken und Schwächen.
Wenn das Buch jetzt aber wie ein wirkliches Kinderbuch erscheint, dann ist das falsch.
Die Sprache ist nicht übermäßig kompliziert, aber doch so anspruchsvoll, dass ein Kind wahrscheinlich Schwierigkeiten damit hätte.
Und abgesehen von dem Mörder-Handlungsstrang ist auch die Geschichte selbst nicht ganz kindergeeignet. Eléonore Devillepoix arbeitet beim Europäischen Parlament Brüssel und das merkt man. Teilweise wird das Buch sehr politisch und juristisch, aber nicht auf die übliche Fantasy-Art mit Messerstechereien und Hochverrat, sondern auf eine beängstigend realistische Art und Weise.
Die Stadt ohne Wind ist wunderschön geschrieben, gut durchdacht und spannend. Ich konnte das Buch nicht aus der Hand legen und ich kann es kaum abwarten, dass Teil 2 erscheint.
Wer den Zauber von Cornelia Funke vermisst, sich aber nicht mehr mit ihren Kinderbüchern identifizieren kann, wird in diesem Buch vielleicht eine wundervolle Alternative finden.