Hab ein Lied auf den Lippen und verliere nie den Mut in der Düsternis der Welt!
Das Lied der NachtWährend die Bardin Caer, der Wanderer Weyd, die Seebärin Bahr, der Vagabund Jori und der weiße Fuchs Bellitas um ein warmes Feuer sitzend die Nacht in einer ehemaligen Poststation verbringen, ziehen die ...
Während die Bardin Caer, der Wanderer Weyd, die Seebärin Bahr, der Vagabund Jori und der weiße Fuchs Bellitas um ein warmes Feuer sitzend die Nacht in einer ehemaligen Poststation verbringen, ziehen die Schatten durch das Dorf Festra und ermorden jede lebende Seele, die ihnen begegnet. Nur zwei Geschwistern gelingt die Flucht, die sich aufteilen, um den Baron des Landes und die Gefährten in der ehemaligen Poststation vor dieser Gefahr zu warnen. Denn die Schatten ziehen unablässig weiter und schon bald befinden sie sich vor den Toren der Stadt Colmstat. Nur ein Lied scheint sie davon abzubringen, jede lebende Seele hinter den Mauern von Colmstat zu vernichten. Doch der Baron verbietet die Musik und bestraft jeden, der sich den sündigen Melodien hingibt. Welchen Preis sind die Gefährten bereit zu zahlen, um die Menschen von Colmstat zu retten?
Es gibt, glaube ich, nur ein Wort, das dieses Buch beschreibt: ungewöhnlich. Dieses Buch ist nicht wie andere Bücher. Ab der ersten Seite wird der Leser in eine Welt von Poesie und Musik entführt, auf die man sich ganz bewusst einlassen muss. Während des Lesens hat mich das Buch oftmals von der Art der Erzählung an ein Lied erinnert. Viele Beschreibungen wiederholen sich öfters hintereinander und die Handlung wird mal laut, mal leise, spitzt sich zu einem wirklich gelungenen Finale zu und flacht dann noch einmal ab. Aus diesem Grund erinnerte mich das Buch an ein klassisches Musikstück wie z.B. die 4 Jahreszeiten von Joseph Haydn. Die Stücke beginnen auch immer leise und unschuldig, aber auch mit einer gewissen Bedrohung im Hintergrund, die immer mehr in den Vordergrund tritt. Für mich waren die Schatten diese Bedrohung, die sich langsam in die Erzählung einschleichen und sich durch ihre kräftige Präsenz immer weiter in den Vordergrund drängen. Wenn das Buch ein klassisches Lied wäre, dann wären die Schatten wohl mit dem Instrument Fagott vergleichbar.
Aber auch andere Elemente haben mich immer wieder an ein Lied erinnert. So kann z.B. Jori mit vielen Tieren sprechen, weil er ihre Sprache gelernt hat. Dieses Element passt auch sehr gut zur klassischen Musik, weil es auch da gewisse Stücke gibt, die jedem Tier ein Musikinstrument zuordnen. Allerdings kann man nicht nur mit Tieren sprechen, sondern man kann auch die Sprache des Wassers, der Berge, der Töne etc. lernen, um sie zu einer Handlung aufzufordern. Stellt man sich diese Sprachen als Melodien vor, hat man ein wunderschönes Klangbild, dass dem Buch einen gewissen Zauber gibt.
Zwar hatte ich am Anfang auch meine Probleme, mich auf die Geschichte einzulassen, aber danach wurde ich locker und leicht durch die Handlung getragen. Jedoch ist es keine einfach zu verdauende Geschichte. Während des Buches passieren viele unschöne Dinge wie z.B. ein Pogrom, Fremdenhass, Vergewaltigungen und Verstümmelungen, sodass man sich unweigerlich fragen muss, wer die schlimmeren Wesen sind: die Menschen innerhalb der Mauer oder die Schatten. Das Buch spart nicht an Grausamkeit, aber zeigt auch gut die Hoffnungslosigkeit und Trostlosigkeit, wenn man Licht und Musik wegsperrt und verbietet.
Dabei empfand ich am schlimmsten den Eisernen Baron. Obwohl sein Volk Not leidet und die umliegenden Dörfer dringend eine Zuflucht vor den Schatten brauchen, sieht er sie nur als „Entwurzelte“, die nichts zu dem Erhalt seiner Stadt beigetragen haben und dadurch kein Anrecht auf diese Privilegien haben. Zudem behandelt er Frauen wie Gegenstände und benutzt sie aufs Widerwärtigste. Er hat mich auf so viele Arten wütend gemacht, dass ich mir öfters gewünscht habe, die Schatten hätten sich seiner angenommen.
Positiv empfand ich dagegen den Zusammenhalt der Gruppe rund um den Wanderer Weyd. Obwohl alle Mitglieder dieser Gruppe grundverschieden sind und jeder seine eigenen Probleme hat, sind sie füreinander da und unterstützen sich gegenseitig. Von daher haben sie mich schon ein wenig an die Gruppe rund um den Hexer Geralt aus den Witcher-Büchern erinnert.
Aus diesem Grund kann ich jedem Fantasy-Liebhaber dieses Buch empfehlen, der einfach auf der Suche nach einer etwas anderen Geschichte mit einem ungewöhnlichen Schreibstil ist.