Leider enttäuschend nach den guten Rezensionen
Die Liebenden von LeningradWas habe ich mich auf dieses Buch gefreut, über das ich schon im Vorfeld soo viele begeisterte Meinungen gelesent hatte. Der Roman wurde Anfang der 2000er Jahre bereits bei Weltbild veröffentlicht und ...
Was habe ich mich auf dieses Buch gefreut, über das ich schon im Vorfeld soo viele begeisterte Meinungen gelesent hatte. Der Roman wurde Anfang der 2000er Jahre bereits bei Weltbild veröffentlicht und ist nun als Taschenbuch bei Heyne neu aufgelegt worden.
Ich muss zugeben, dass mir das Schreiben meiner Rezension zum Buch sehr schwer gefallen ist und ich Tage daran gesessen bin. Ich hatte sehr große Erwartungen, was vielleicht falsch war.
"Die Liebenden von Leningrad" ist der Auftakt einer Trilogie.
Die ersten Leseabschnitte ließen sich gut lesen und ich war bald mitten in der Geschichte. Wir schreiben das Jahr 1941. Die Deutschen erobern Landstrich um Landstrich und stehen vor den Toren Leningrads. Noch geht in der Stadt alles seinen gewohnten Weg. Es ist ein Tag vor Tatiana Metanowas 17. Geburtstag, als ihr Vater sie zum Einkaufen von Lebensmittelvorräten schickt. Dabei begegnet sie dem jungen Offizier Alexander Below. Für Beide ist es Liebe auf den ersten Blick. Ich war überrascht, dass sich Tatiana und Alexander bereits auf den ersten 50 Seiten trafen. Die Liebesgeschichte nimmt bereits sehr früh viel Raum ein. Das hat mich etwas enttäuscht, da ich mir mehr Kriegserlebnisse erwartet hatte.
Tatiana wohnt gemeinsam mit ihren Eltern, der älteren Schwester Dascha, Zwillingsbruder Pavel (Pascha) und den Großeltern auf kleinem Raum. Als Dascha ihr von ihrer neuen Liebe erzählt, ahnt Tatiana nicht, dass sie ebenfalls von Alexander spricht. Tatiana bittet Alexander Dascha nicht das Herz zu brechen, denn ihre Schwester bliebe immer ihre Schwester und kein Mann sollte diese geschwisterliche Beziehung zerstören. Um weiterhin in Tatianas Nähe sein zu können, stimmt Alexander ihren Vorschlag zu. Doch bald bricht der Krieg auch über die Stadt herein....
Rund 300 Seiten liest man nun über eine Dreiecksgeschichte zwischen Tatiana, Dasha und Alexander, was mich mit der Zeit zu nerven begann. Das ewige Hin und Her und Tatianas Selbstaufopferung begannen mich immer mehr zu stören.
Wahnsinnig beeindruckend fand ich allerdings die cirka 200 Seiten der Beschreibung der Belagerung von Leningrad und das fürchterliche Ausmaß für die Bewohner der Stadt. Der bittere Kampf ums Überleben, der Hunger und das Leid beschrieb die Autorin so wahnsinnig authentisch, dass ich während des Lesens sogar beim Kaffee trinken Schuldgefühle bekam. Ich litt mit Tatiana und ihrer Familie, während die Menschen wie die Fliegen starben. Einfach grandios erzählt. Bis jetzt habe ich noch keinen Roman gelesen, der diese Szenen besser umsetzen konnte und mir gleichzeitig die Tränen die Augen trieb. Wahnsinng gut recherchiert!
Doch danach beginnt der zweite Teil des Buches, der anfangs in Lazarewo spielt, und der mich den Roman fast abbrechen ließ! Ich hatte das Gefühl, hier schreibt eine andere Autorin! Plumpe Sexszenen und derbe Wörter beherrschten die nächsten 100 Seiten. Der Stil einfach nur furchtbar flach! Jegliche Romantik fehlte und ich hatte das Gefühl im falschen Buch gelandet zu sein.
Das Weiterlesen bereitete mir große Schwierigkeiten. Auch der Kitsch hielt hier Einzug und ich musste mich wirklich überwinden die letzten 200 Seiten zu lesen. Diese waren dann relativ spannend und konnten mich teilweise zurück in die Geschichte holen....der fahle Nachgeschmack blieb jedoch!
Neben der Dreiecksgeschichte, die mich nicht wirklich überzeugen konnte, fand ich auch Tatiana und Alexander nicht unbedingt liebenswert. Tatiana ist anfangs sehr naiv, was man allerdings ihrem Alter zuschreiben kann. Ihre Selbstaufopferung und ihr Talent sich von allen Menschen ausnutzen zu lassen, ließen mich immer wieder den Kopf schütteln. Während ihre Familie teilweise überhaupt nichts arbeitete und sich von vorne bis hinten bedienen ließ, stemmte sie als Jüngste und Schmächtigste alles auf ihren schmalen Schultern. Sie entwickelt zwar bis zum Ende hin eine unglaubliche innerliche Stärke, aber diese Selbstaufopferung blieb ihr erhalten.
Alexander ist oft unbeherrscht und jähzornig. Was mich aber am meisten an ihm störte, war seine Unzuverlässigkeit und sein Verhalten Tatiana gegenüber. Wenn man im Nebenzimmer sitzen muss, während er mit ihrer Schwester im Schlafzimmer zugange ist...das geht bei mir gar nicht!!!!
Ich denke, ich werde den zweiten Teil wohl nicht mehr lesen.
Und nun mein Dilemma mit der Bewertung.... So empfand ich die Teile des Buches:
Einstieg 3-4/5
Aushungerung Leningrads 5/5
Teil 3: Lazarewo 1/5
Teil 4: 3 von 5
Im Endeffekt gebe ich nun doch 3 statt 3 1/2 Sterne, da 200 sehr gute Seiten von 800 einfach zu wenig sind.
Schreibstil:
Der Roman lässt sich flüssig lesen, jedoch sind einige Dialoge öfters etwas holprig. In einigen Rezensionen las ich, dass dies der Übersetzung geschuldet sei, die bei der Neuauflage nicht verbessert wurde. Das ist sehr schade!
Die Geschichte ist in vier Teile mit den Überschriften: Weiße Nächte, Die grimmige Umarmung des Winters, Lazarewo und Todesmutig, geteilt. Die Schrift ist sehr klein und die Seiten sind dicht beschrieben.
Fazit:
Der Roman lässt mich sehr zwiegespalten zurück. Die erste Hälfte ist großteils gelungen, auch wenn ich auch hier einige Kritikpunkte habe. Die Belagerung Leningrads und der bittere Kampf ums Überleben wurden von der Autorin allerdings wirklich grandios und authentisch beschrieben. Doch die zweite Hälfte des Buches ist schlicht und einfach schlecht. Vielleicht hatte ich mir nach den guten Bewertungen einfach zu viel erhofft. Für mich leider eine Enttäuschung. Die Folgebände werde ich nicht mehr lesen.