Mehr Roman als Krimi
In tiefen Schluchten"In tiefen Schluchten" soll der Beginn einer neuen Krimreihe von Anne Chaplet werden. Leider finde ich die Genrebezeichnung "Krimi" für den Roman nicht wirklich gelungen. Es gibt zwar Tote, aber die Geschichte ...
"In tiefen Schluchten" soll der Beginn einer neuen Krimreihe von Anne Chaplet werden. Leider finde ich die Genrebezeichnung "Krimi" für den Roman nicht wirklich gelungen. Es gibt zwar Tote, aber die Geschichte besteht hauptsächlich aus Landschafts- und Charakterbeschreibungen und behandelt die Verfolgung der Hugenotten im 17. Jahrhundert.
Die Cevennen - ein malerischer Landstrich im Südosten von Frankreich. Hier hat sich die deutsche Anwältin Tori Godon mit ihrem Mann Carl niedergelassen. Carl stammt aus der Gegend und möchte seine Familiengeschichte erforschen. Seine Vorfahren sollen eine der letzten Widerstandskämpfer gegen die Katholiken gewesen sein. Doch seine Krankheit lässt ihm nicht viel Zeit und Tori bleibt als 42-jährige Witwe allein zurück. Sie wird von den Einheimischen akzeptiert und gut aufgenommen, bis sie anfängt mehr über das Haus in dem sie wohnt nachzuforschen. Hinter einer Mauer hat sie einen Hohlraum entdeckt, der anscheinend als Versteck für die Hugenotten gedient hat. Außerdem ist seit ein paar Tagen ein holländischer Tourist verschollen, der bei ihrer Freundin Eva im Ferienhaus einquartiert war. Sein Verschwinden scheint niemanden zu interessieren. Adriaan aus Rotterdam hat sich ebenfalls sehr für die Geschichte der Hugenotten interessiert. Als der alte Didier, den Adriaan besucht hat und der am Vortag im Gasthaus kryptische Sätze von sich gibt, die Kellertreppe hinunterstürzt, ist sich Tori sicher, dass hier jemand nachgeholfen hat. Umso mehr Tori fragt, um so unzugänglicher werden die Einwohner von Belleville und bald hat sie eine Mauer aus Schweigen vor sich...
Der Fokus des Romans liegt eindeutig bei der Geschichte der Hugenotten und dem kleinen Dorf, wo sich auch noch heute Fuchs und Henne "Gute Nacht" sagen. Hier gelten noch andere Regeln und die Verschwiegenheit der alteingessenenen Dörfler ist eines der Hauptthemen. Alte Fehden sind allgegenwärtig und weiterhin ein Thema, denn im Laufe der Jahrhunderte hat sich in Belleville jede Familie schuldig gemacht. Die Story ist sehr ruhig, kompakt und greift einige Themen auf. Trotzdem fehlt es an Spannung und durch die Genre-Bezeichung "Krimi" erwartet man sich einfach etwas anderes.
Es überwiegen eindeutig die Beschreibungen der wunderschönen Landschaft und die Eigenheiten der Dorfbewohner, welche absolut gelungen ist. Schon nach den ersten Sätzen des Buches war ich verzaubert vom bildhaften Schreibstil der Autorin. Der Leser hat wunderschöne Bilder der Landschaft im Kopf.
Die Charaktere sind ebenso gelungen und authentisch. Jedoch verliert sich der Spannunsgbogen hin und wieder in den einzelnen Handlungssträngen.
Tori kam mir allerdings in der ganzen Geschichte weit älter vor als ihre 42 Jahre. Sie arbeitet nicht mehr und führt eher das Leben einer Pensionisten, die sich mehr oder weniger langweilt. Sie trauert noch um ihren Mann, jedoch ist auch gegen eine neue Liason nicht abgeneigt. Hier stehen gleich zwei Kandidaten zur Verfügung: Nico, ein ehemaliger Kriminalbeamter der Drogenfahndung und Jan, der deutsche Restaurateur, der die örtliche Kirche restauriert. Außerdem ist mir Tori zu oft alkoholisiert mit dem Auto gefahren! Eindeutiger Liebling der Geschichte war aber July, der Pitbull im Nachbarhaus, den Tori vom lieblosen Herrchen "errettet" hat. Eigentlich ist die Hündin die Heldin des Romans....
Fazit:
Wer einen "richtigen" Krimi mit Ermittlern und Todesfällen samt Aufklärung lesen möchte, der sollte zu einem anderen Buch greifen. Wer aber Frankreich liebt und sich in Romanen wohlfühlt, bei denen es um Geheimnisse und historische Hintergrundinformationen geht, dem kann ich den Roman empfehlen. Schreibstil und Atmosphäre sind in "In tiefen Schluchten" großartig, die Spannung eher lauwarm und einige Handlungsstränge verlaufen leider im Sand.