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Veröffentlicht am 18.10.2016

Die Tiefen der menschlichen Seele

Die Einsamkeit des Bösen
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Von Herbert Dutzler habe ich bereits alle Salzkammergut-Krimis gelesen, die jedoch auf der eher humorvollen Schiene daherkommen. Mit "Die Einsamkeit des Bösen" hat der Autor nun einen ganz anderen Weg ...

Von Herbert Dutzler habe ich bereits alle Salzkammergut-Krimis gelesen, die jedoch auf der eher humorvollen Schiene daherkommen. Mit "Die Einsamkeit des Bösen" hat der Autor nun einen ganz anderen Weg eingeschlagen und ich bin begeistert! Ich hoffe, dass noch weitere Krimis, die schon etwas von einem Psychothriller haben, vom Autoren erscheinen werden.

In Rückblenden, die sich mit dem Handlungsstrang der Gegenwart abwechseln, erfahren wir mehr aus Alexandras schrecklicher Kindheit. Sie ist in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen: Der Vater ein Tyrann, der zu viel trinkt und schlagkräftig seine Meinung verkündet; eine Mutter, die schon längst alle Hoffnungen begraben hat; Bruder Walter, der die Gewalttätigkeit seines Vaters übernommen hat und der kleinere Bruder Tobi, der etwas zurückgeblieben ist. Als ihr Vater versucht sie sexuell zu belästigen, keimt in Alexandra erstmals der Gedanke auf: Der Vater muss weg!

Die Geschichte in der Gegenwart beginnt ziemlich ruhig und hat anfangs kaum Krimihandlung zu bieten, was sich allerdings im Laufe der Zeit ändert. Zuerst lernen wir die erwachsene Alexandra, eine intelligente und liebenswerte Frau kennen, die mit dem Architekten Anton glücklich verheiratet ist und ihre Kinder, Annika und Max, über alles liebt. In ihrem Job als Übersetzerin/Lektorin geht sie auf und eigentlich könnten die Vier wunschlos glücklich sein, bis Anton beim Euromillionenlotto 24 Millionen gewinnt. Ab diesem Zeitpunkt verändern sich Anton und Alexandra, denn beide gehen unterschiedlich mit dem Gewinn um. Es kommt zu Streitereien, Lügen und Betrug. Auch die Kinder stellen immer höhere Ansprüche. Ein Urlaub in die USA soll die Ehe kitten......

In "Die Einsamkeit des Bösen" tauchen wir in die tiefsten Abgründe eines Menschen ein. Wir erhalten ein Psychogramm einer Frau, deren kindliche Seele zutiefst verletzt wurde und sich in der Folge immer wieder die Realität "schön redet". Beklemmend erzählt, jedoch mit einem ansteigenden Spannungsbogen, kann man das Buch nach einiger Zeit nicht mehr aus der Hand legen. Auch das Thema, das sich der Autor hier vorgenommen hat, ist relativ neu und noch nicht so "ausgelutscht" wie viele andere, denen sich Krimi- und Thrillerautoren widmen. Immer wieder gibt es überraschende Wendungen und Herbert Dutzler hat es wirklich verstanden in seinem neuen Krimi, die Abgründe der menschlichen Seele zu zeigen.

Das Ende kommt ziemlich abrupt und bleibt teilweise offen. Das ist leider etwas, was ich nicht wirklich mag und gerade bei Krimis und Thriller ist es für mich ein absolutes no-go! Aber hier passt es einigermaßen, denn die wichtigsten Ereignisse wurden aufgelöst und die Psyche von Alexandra wird offen gelegt. So kann ich mit dem Ende ganz gut leben. Trotzdem blätterte ich nach der letzten Seite um, saß mit verdutzem Gesicht da und stellte entsetzt fest: WAS? Das Buch ist aus?! Hab nochmals zurückgeblättert...okay, das wars tatsächlich!

Schreibstil:
Der Schreibstil des Autors ist sehr flüssig und lebt von vielen Dialogen. Die Geschichte wird abwechselnd aus der Kinder- und Jugendzeit Alexandras und aus der Gegenwart erzählt. Die Passagen in der Vergangenheit sind mit römischen Ziffern, die in Gegenwart mit arabischen gekenntzeichnet.
Der Roman beginnt ruhig und wird mit der Zeit immer beklemmender. Der Spannungsbogen steigt stetig an und hält den Leser "an der Stange". Die Charaktere sind allesamt sehr lebendig beschrieben. Man erlebt ihre Veränderungen durch den Lottogewinn und Alexandra und Anton könnten genauso ein befreundetes Paar im eigenen Bekanntenkreis zu finden sein.

Cover:
Zum Aussehen des Buches muss ich noch unbedingt ein Wort verlieren. Der lilafarbene Buchschnitt sieht einfach toll aus und als ich die Klappbroschüre in den Händen hielt, war ich richtig begeistert. Auch die Qualität des Covers wirkt sehr edel und der Haymon Verlag hat sich hier wirklich etwas einfallen lassen! Wunderschön!

Fazit :
Ein richtig guter psychologischer Krimi, der den Leser in die Abgründe der menschlichen Seele blicken lässt. Wegen des abrupten und teils offenen Endes muss ich leider einen halben Stern abziehen und geben gute 4 1/2 Sterne.

Veröffentlicht am 18.10.2016

Spannender Justizkrimi

Eisenberg
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Andreas Föhr ist einigen Lesern bereits bekannt, denn er schreibt äußerst erfolgreich Regionalkrimis. Mit "Eisenberg" bleibt er dem Krimi-Genre erhalten, nutzt allerdings sein Studium und seinen früheren ...

Andreas Föhr ist einigen Lesern bereits bekannt, denn er schreibt äußerst erfolgreich Regionalkrimis. Mit "Eisenberg" bleibt er dem Krimi-Genre erhalten, nutzt allerdings sein Studium und seinen früheren Job als Jurist. Mit der Anwältin Dr. Rachel Eisenberg hat er eine neue Figur geschaffen, die ihm äußerst gelungen ist. Frisch geschieden von Exmann Sascha, mit dem sie jedoch weiterhin die gemeinsame Kanzlei für Strafverteidigung führt, nimmt die Top-Anwältin nur mehr Prestigefälle an. Als sie jedoch eher zufällig das Mandat eines Obdachlosen bekommt, der einen brutalen Frauenmord begangen haben soll, schlägt die Vergangenheit zu. Der Angeklagte ist ihr ehemaliger Jugendfreund, den sie fast geheiratet hätte: Physiker Heiko Gerlach. Die Chancen stehen für ihn nicht sehr gut, nachdem er vor Jahren geschieden wurde und seinen Job verloren hat und seitdem auf der Straße lebt. Auch die Aussagen belasten Gerlach schwer. Rachel findet jedoch sehr schnell einige Ungereimtheiten in der Anklageschrift und setzt alles daran ihren damaligen Freund zu helfen.
Die Tote ist eine junge Frau, die erst kürzlich für ihr Studium nach München gezogen ist. Sie hatte kaum Kontakt zu ihren Mitstudenten und auch nicht zur WG-Mitbewohnerin. Erst der Hinweis, dass sie der Spur einer Albanierin gefolgt ist, die illegal in Deutschland einreisen wollte und deren Spur sich kurz nach der bayrischen Grenze verliert, gibt neue Ansatzpunkte.

Rachel Eisenberg, die neue Hauptprotagonistin, war mir zu Beginn des Krimis etwas unsympathisch. Ihre anfangs hochnäsige und arrogante Art und die Attitüden einer "Staranwältin", die nur für gutes Geld arbeitet, kamen erschreckend durch. Doch mit der Zeit wurde sie immer "normaler" und kämpfte nebenbei ihre eigenen Kämpfe mit ihrer pubertierenden Tochter und dem Exmann, an dem sie doch noch hängt. Beruflich möchte sie alles geben und schreckt auch vor illegalen Mitteln nicht zurück.
Die Geschichte rund um den Heiko Gerlach und der parallel laufenden Handlung um eine junge Albanerin, die sich auf der Flucht befand und die spurlos verschwunden ist, wird packend erzählt. Als Leser rätselt man die ganze Zeit mit, wie der Mord an der jungen Frau und der Erzählstrang der illegal eingereisten Albanierin zusammenhängen könnten.
Da der Autor eine juristische Ausbildung vorweisen kann und jahrelang als Rechtsanwalt praktizierte, gibt es auch spannende Einblicke in die Welt der Staatsanwälte und der Verteidigung. Erst zum Ende hin laufen die beiden Handlungsstränge ineinander und ergeben ein sinnvolles Ganzes. Dazwischen gibt es einige überraschende Wendungen und ganz am Ende hin ein sehr überraschendes und actionreiches Finale, das eher an einen Thriller erinnerte.
Ich würde mich sehr über eine Reihe rund um Strafverteidigerin Dr. Rachel Eisenberg freuen!

Schreibstil:
Andreas Föhr schreibt äußerst spannend und flüssig, ansprechend und setzt in diesem Krimi sein Wissen als ehemaliger Jurist gekonnt ein.
Die Charaktere sind sehr gelungen beschrieben, lebendig und authentisch. Die Story entwickelt sich eher langsam und der Spannunsgbogen steigt kontinuierlich an. Ein klein bisschen kommt auch der Humor durch, den wir aus seinen Regionalkrimis kennen.

Fazit :
Ein überaus spannender Justizkrimi, der hoffentlich der Beginn einer Reihe rund um Strafverteidigerin Dr. Rachel Eisenberg sein wird. Kontinuierlicher Spannungsaufbau zweier parallel laufenden Handlungsstränge, die mit einem überraschend explosiven Finale enden! Gefällt mir!

Veröffentlicht am 11.10.2016

Pilgern nach Jerusalem

Unter dem Banner des Kreuzes
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Im Mittelalter hatten viele Herrscher die Ansicht durch Kreuzzüge die "Ungläubigen" von der "richtigen Religion" zu überzeugen und den heiligen Gral zu finden. Viele Romane berichten uns auch heute noch ...

Im Mittelalter hatten viele Herrscher die Ansicht durch Kreuzzüge die "Ungläubigen" von der "richtigen Religion" zu überzeugen und den heiligen Gral zu finden. Viele Romane berichten uns auch heute noch davon. Doch kaum jemand ist bekannt, dass sich im 13. Jahrhundert Kinder und Jugendliche auf einen religiösen Feldzug nach Jerusalem begaben. Diese sammelten sich um den einfach Hirtenjungen Nikolaus, der von einem Engel den Befehl erhielt, dass Heilige Grab ohne Waffengewalt von den ungläubigen Sarazenen zu befreien.

Astrid Fritz hat die wenigen bekannten Fakten dieses Kinderkreuzzuges als Rahmenhandlung für ihren Roman "Unter dem Banner des Kreuzes" verwendet und mit einer fiktiven Geschichte verbunden. In dieser geht es um die siebzehnjährige Anna, die sich nach einem weiteren Streit mit ihrem strengen Vater unverstanden fühlt und flüchtet. Sie schließt sich der Gruppe rund umden Knappen Gottschalk von Ortenburg an, einem Werber für den Pilgerzug nach Jerusalem. Gemeinsam mit dem Straßenjungen Jecki, den schüchternen Christian und zwei kleinen Mädchen befindez Anna sich ich im Zug der Freiburger, der großteils aus Kinder und Jugendlichen aus ärmlichen Verhältnissen besteht. Diese ahnen nicht, wie weit und beschwerlich sich der Weg bis Jerusalem gestalten wird. Zu Beginn sind noch alle voller Vorfreude und den festen Glauben an Gott. Sie erhalten anfangs auch noch Wegzehrung von der Bevölkerung und werden teilweise sogar wie Helden gefeiert. Doch je weiter sie in den Süden kommen, umso unerwünschter ist der „Bettelzug“. Selbst durch Missernten am Hungertuch nagend, will die Bevölkerung keine Nahrungsmittel mit Tausenden von Fremden teilen. Und auch nicht alle Bischöfe sind dem Kreuzzug positiv gestimmt. Mit Konrad, einem angehenden Priester, hat die Freiburger Gruppe einen Beschützer gefunden, der sein Herz auf den rechten Fleck hat. Und während die Kinder im Laufe der Wanderung beginnen, wie die Fliegen zu sterben, hat er immer ein Auge auf Christian, Anna und Jecki. Doch gegen manche Ereignisse ist auch Konrad machtlos....
Der Zug der Pilger, der Richtung Süden wandert, durchlebt Himmel und Hölle. Leider gab es für mich in der Mitte ein paar kleine Längen und einen richtigen Höhepunkt habe ich auch vermisst.

Charaktere:
Die Figuren sind sehr lebendig und liebevoll dargestellt. Astrid Fritz vermittelt die anfängliche Euphorie plausibel. Die Visionen der Gläubigen und der Aberglaube spielen ebenfalls eine große Rolle.
Anna ist anfangs ein sehr naives junges Mädchen, die sich den Gefahren, die sie sich ausgesetzt hat, nicht bewusst ist. Sie ist sehr behütet und streng aufgewachsen. Mit Konrad hat sie einen Beschützer, der nicht nur ein Auge auf Anna, sondern auch auf Jecki und Christian geworfen hat und diese vor einigen Bedrohungen und Schwierigkeiten schützt. Jecki ist ein sehr aufgeweckter Junge, der seine Zunge nicht im Zaum halten kann. Als ehemaliges Straßenkind, weiß er sich zu wehren. Christian ist dagegen ein sehr schüchterner Junge, der zuhause in Freiburg wegen seiner schmächtigen Figur und den roten Haaren gehänselt wurde.
Die meisten Figuren sind allerdings etwas zu schwarz/weiß gezeichnet.

Schreibstil:
Ich kenne den Schreibstil der Autorin schon aus ihrer Reihe um die Begine Serafina. Bei ihr fühlt sich das Eintauchen in eine ferne Zeit sehr real an, da sie diese dem Leser richtig gut vermitteln kann. Astrid Fritz verwendet wie immer in ihren historischen Romanen die typischen altertümlichen Ausdrücke und Stilmittel und trotzdem lässt sich die Geschichte wunderbar lesen. Die Autorin hat wie immer sehr gut recherchiert und verknüpft Historie mit Fiktion.
Am Anfang des Buches, hinter dem Schutzumschlag, ist eine Karte mit der Reiseroute der Kinder festgehalten und am Ende befindet sich ein Glossar und ein Nachwort zum Kinderkreuzzug.

Fazit :
Ein sehr interessanter und eher ruhiger historischer Roman, der Historie und Fiktion verbindet. Sehr gut recherchiert und feinfühlig erzählt. Gleichzeitig eine Mahnung nicht jedem religiösen Fanatismus mitzumachen.

Veröffentlicht am 09.10.2016

Ein Lese-Highlight!

Die Nachtigall
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Warnung: Wer mit diesem Roman zu lesen beginnt, sollte wissen, dass er die nächsten Stunden und Tage kaum mehr aus der Welt von Vianne und Isabelle auftauchen wird! Zu packend ist diese Geschichte um zwei ...

Warnung: Wer mit diesem Roman zu lesen beginnt, sollte wissen, dass er die nächsten Stunden und Tage kaum mehr aus der Welt von Vianne und Isabelle auftauchen wird! Zu packend ist diese Geschichte um zwei Schwestern und ihr Leben, dass man das Buch nicht wieder aus der Hand legen möchte...

Die Romane, die ich bereits von der Autorin gelesen habe, haben mich alle sehr bewegt und emotional berührt. Es gab zwar auch den einen oder anderen, den ich nur mittelmäßig fand, aber im Großen und Ganzen sind Kristina Hannah's Bücher wirklich sehr gut. Üblicher Weise sind ihre Geschichten in der Gegenwart angesiedelt, während "Die Nachtigall" von zwei Schwestern erzählt, die während des Zweiten Weltkrieges versuchen zu überleben - jede auf ihre Weise. Zwei Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein könnten, die jedoch ihr Lebensumstand zwingt, sich so zu verhalten, wie sie es schlussendlich tun. Und jeder Leser, der meinen Blog verfolgt, weiß auch, dass ich Geschichten aus der Zeit der Weltkriege verschlinge. So war dieses Buch natürlich ein absolutes MUST-HAVE....

Der Prolog führt den Leser allerdings zuerst in die Gegenwart und in die USA, wo eine ältere und schwerkranke Frau ihre Habseligkeiten zusammenpackt. Ihr Haus steht zum Verkauf und sie wird die kommenden Tage in eine Seniorenresidenz umziehen. Doch ein alter Koffer voller Erinnerungen und eine Einladung nach Paris bringen sie noch einnmal zurück in die Vergangenheit des Jahres 1939.

Die beiden Schwestern Vianne und Isabelle sind schon sehr früh auf sich alleine gestellt und erfahren, was der Krieg anrichten kann. Der Vater kam völlig verändert aus dem ersten Weltkrieg zurück und als die Mutter viel zu früh stirbt, fühlt er sich nicht stark genug, um für seine Töchter zu sorgen. Er gibt sie einfach ab.......
Trotzalledem kämpfen die beiden Frauen ihr ganzes Leben lang um seine Liebe und um Anerkennung. Während Vianne früh heiratet und eine Familie gründet, rebelliert Isabelle. Sie flieht immer wieder aus den Internaten, in die sie gesteckt wird und lehnt sich auf.
Als der Krieg ausbricht wird auch Viannes Mann Antoine eingezogen und sie bleibt mit der kleinen Tochter Sophie zurück. Gemeinsam mit Rachel, ihrer besten Freundin, und ihren Kindern, versuchen sie ihr Leben ohne ihre Männer weiterzuleben. Doch viel zu früh sind die deutschen Soldaten auch in ihrem kleinen Dorf angekommen. Frankreich wird geteilt und Vianne lebt nun in der besetzten Zone. Nahrungsmittel werden knapp und in ihrem Haus wird ein deutscher Hauptmann einquartiert. Als ihre Freundin Rachel mitsamt ihren Kindern abtransportiert wird, muss sich Vianne der Realität stellen. Aus der anfangs eher schüchternen und naiven jungen Mutter, wird eine stille Kämpferin, die nicht nur ihre Tochter beschützen will, sondern beginnt sich auch für andere Kinder einzusetzen....
Die ungestüme Isabelle hingegen hasst die Deutschen und geht in den Untergrund. Sie schließt sich der Résistance an und überbringt geheime Nachrichten. Das ist ihr aber bald nicht mehr genug und sie nimmt einen neuen gefährlichen Auftrag an. Sie bringt abgeschossene Piloten der Allierten über die Pyrenäen nach Spanien. Unter dem Decknamen "Die Nachtigall" wird Isabelle zu einem der meistgesuchten Feinde der Deutschen.

Gefallen hat mir, dass dieses Buch einmal aus der Sicht der Frauen während des Krieges erzählt wird. Romane über heldenhafte Soldaten oder verfolgte Juden gibt es jede Menge, doch selten wird über die Frauen berichtet, die zuhause versuchen müssen ihre Kinder, Haus und Hof zu schützen und vorallem genug Essen auf den Tisch zu bringen. Man erlebt hautnah mit, wie sie zuerst um den Ehemann oder Liebsten bangen, bald aber schon die Sorge ums eigene Überleben an erster Stelle tritt. Man liest von Hunger und Kälte und wie die Menschen alles verheizen, was ihnen in die Hände fällt. Bald bekam man für eine Lebensmittelmarke nicht einmal mehr Mehl oder Kartoffel, während die Deutschen Fleisch horteten.

„In der Liebe finden wir heraus, wer wir sein wollen; im Krieg finden wir heraus, wer wir sind.“

Kristin Hannah beschreibt, wie sich die Menschen während des Krieges verändern. Man taucht in die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele. Manche gehen den geringsten Widerstand und werden zu Verräter, andere kämpfen ums nackte Überleben und wieder andere werden stärker und finden den Mut etwas zu bewegen. Bis man sich nicht selbst in so einer Situation befindet, weiß man meist selbst nicht, wie man tatsächlich reagieren würde, auch wenn natürlich jeder von uns annimt, dass er zu den Gutmenschen gehören wird.
Ein Roman, der mich sehr beeindruckt hat und der herausragt aus den Geschichten rund um den Zweiten Weltkrieg. Nur wenige Bücher kann ich nennen, die mich zu diesem Thema ebenso sehr berührt haben wie "Die Nachtigall".

Charaktere:
Die Charaktere wurden sehr authentisch dargestellt. Die Gefühlswelt der einzelnen Personen wurde hervorragend ausgearbeitet. Jede im Roman dargestellte Figur konnte ich mir bildlich vorstellen. War mir Vianne anfangs zu untätig und naiv, entdeckt sie im Laufe des Krieges ihre eigene Stärke und setzt diese gekonnt ein. Isabelle bewunderte ich zuerst für ihren Mut und Einsatz, doch dabei ist sie viel zu unüberlegt und bringt andere in Gefahr oder setzt ohne Nachzudenken ihr Leben aufs Spiel. Ihre Schönheit ist ihr dabei eine große Hilfe, doch die Gefahren, denen sie sich aussetzt, werden immer gewagter. Isabelle ist eine Art Adrenalinjunkie und die Risiken, die sie manchmal ohne Nachzudenken eingeht, ließen mich dann doch öfters den Kopf schütteln. Im Inneren sucht sie jedoch Anerkennung und Liebe, die ihr als Kind immer verwehrt blieb.

Schreibstil:
Den Schreibstil der Autorin fand ich schon in ihren anderen Romanen fesselnd und unglaublich emotional. Kristin Hannah lässt die Schwestern abwechselnd aus ihrer Sicht erzählen. Man durchlebt so die Ängste, die Wut und die Verzweiflung aus nächster Nähe und fühlt mit Vianne und Isabelle mit. Die fikitve Geschichte rund um Vianne und Isabelle, die stellvertretend für das Schicksal vieler Frauen während des Zweiten Weltkrieges steht, wird gekonnt mit den historischen Fakten verflochten.

Fazit :
Ein Buch, das mich beeindruckt hat und heraussticht aus den Romanen zu diesem Thema. Nur wenige Bücher kann ich in einem Atemzug gemeinsam mit "Die Nachtigall" nennen, die mich ebenso emotional berührt haben und die auf meiner Liste der TOP Bücher zum Thema Zweiter Weltkrieg aufscheinen. "Die Nachtigall" darf sich nun dazu einreihen und von mir gibt es eine ganz klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 03.10.2016

Ein düsteres Familiengeheimnis

Die Kirschvilla
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Auf zwei Zeitebenen erfahren wir mehr über die Geschichte der Familie Korte.

In der Gegenwart begegnen wir Isabell, die ihre 88-jährige Großmutter Pauline bei einer Erbschaftangelegenheit unterstützt. ...

Auf zwei Zeitebenen erfahren wir mehr über die Geschichte der Familie Korte.

In der Gegenwart begegnen wir Isabell, die ihre 88-jährige Großmutter Pauline bei einer Erbschaftangelegenheit unterstützt. Die alte Dame hat von ihrem Bruder Oskar, der vor 50 Jahren in die USA ausgewandert ist, die Familienvilla samt Brauerei vererbt bekommen. Das ehemalige Geburtshaus von Pauline steht schon seit Jahren leer und birgt ein sehr düsteres Geheimnis. Als Isabell Tagebücher von Paulines älterer Schwester Clementine findet, entdeckt sie eine schreckliche Wahrheit.....

In der Vergangenheit befinden wir uns in den Zwanziger- und Dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts. Die Familie Korte, August und Sofia, sowie die Kinder Clementine, Josefine, Magnus, Gustav und Oskar, ziehen in die Villa am Rheinufer, nachdem August diese beim Kartenspiel gewonnen hat. August ist ein äußerst herrischer und brutaler Mann, der Frau und Kinder schlägt und seine Geschäfte größtenteils am Schwarzmarkt abwickelt. Seine große Liebe gilt der Brauerei, mit der er sich besonders während der Prohibitation in den USA Geldsegen erwartet. Als er den Kriegsflüchtling Viktor als Arbeitskraft aufnimmt, kommt erstmals ein bisschen Lebensfreude in die Villa am Rhein. Doch diese währt nicht lange.....

Beide Handlungsstränge verknüpfen sich perfekt miteinander und so erfährt man stückchenweise immer mehr über die schreckliche Vergangenheit, bis sich zum Ende hin ein vollendetes Bild ergibt. Wie größtenteils bei Büchern auf zwei Zeitebenen, konnte mich der Strang in der Vergangenheit mehr überzeugen. Trotz der wirklich düsteren Stimmung, die auf den ganzen fast 500 Seiten präsent bleibt, konnte mich die Geschichte richtig packen.
Auch die Figuren sind bis zum letzten Nebencharakter äußerst lebendig gezeichnet, so dass man die Familie Korte und ihre Angestellen und Geschäftspartner bildhaft vor Augen hat. Besonders die Gefühle von Sofia und den Kindern, die Angst und der Schmerz, wurde so ausdrucksvoll beschrieben, dass man mit ihnen einfach mitleiden muss. Nur die Zeitsprünge sind leider nicht ganz chronologisch und verwirrten manchmal ein bisschen.

In der Gegenwart haderte mir Isabell zu oft mit ihrer Ruhelosigkeit und verliebte sich relativ schnell in den jungen Anwalt Julius, der die Erbschaftssache regelt. Dies war erstens sehr vorhersehbar und zweitens konnte ich mich nicht immer mit Isabell identifizieren. Sie ist zwar eine sehr liebevolle Enkelin, die sich um Oma Pauline kümmert, aber etwas flatterhaft. Durch einige große Verluste hat sie Beziehungsängste und unter diesem Thema steht auch immer wieder die Beziehung zu Julius und zieht sich durch das ganze Buch. Hier wäre etwas weniger mehr gewesen....

Schreibstil:
Der Schreibstil der Autorin ist sehr bildhaft, lebendig und lässt sich flüssig und angenehm lesen. Durch die dramatischen Ereignisse ist natürlich auch die sehr düstere Stimmung im Buch allgegenwärtig. Sie zieht den Leser allerdings nicht wirklich runter, wie es des öfteren bei solchen Themen passieren kann.

Fazit:
Trotz der sehr melancholischen und düsteren Stimmung hat mir diese Familiensaga auf zwei Zeitebenen sehr gut gefallen. Der Vergangenheitsstrang war einfach großartig umgesetzt. Leider war mir aber der zweite Zeitebene in der Gegenwart etwas zu vorhersehbar und konnte mich nicht gänzlich packen.