Völlig überzogen
Als wir uns die Welt versprachen"Als wir uns die Welt versprachen" hat mich, als ich es in den Vorschauen gesehen habe, sofort angesprochen. Das Thema der Schwabenkinder und Südtirol sind zwei Themen, die mich interessieren. Leider hat ...
"Als wir uns die Welt versprachen" hat mich, als ich es in den Vorschauen gesehen habe, sofort angesprochen. Das Thema der Schwabenkinder und Südtirol sind zwei Themen, die mich interessieren. Leider hat der Roman von Romina Casagrande meine Erwartungen so gar nicht erfüllt.
Die Geschichte basiert auf zwei Zeitebenen, wobei der Gegenwartsstrang dominiert. Genau mit diesem hatte ich aber arge Probleme. Die über neunzig jährige Edna lebt mit ihrem Papagei Emil in einem Dorf in Südtirol, dem heutigen Italien. Wie die meisten Menschen in ihrem Alter ist sie deutschstämmig und wurde in ihrer Kindheit als billige Arbeitskraft über die Berge nach Schwaben geschickt. Die Eltern der Bergbauernkinder konnten sich oftmals ein zusätzliches Kind gar nicht mehr leisten und haben ihre Kinder an reiche Bauern verkauft, in der Hoffnung, dass es ihnen dort besser geht. Auch Edna erlitt dieses Schicksal und erlebte eine schlimme Zeit, wo sie oftmals schlechter als die Hoftiere behandelt wurde. Ihr einziger Freund war damals Jacob mit dem sie die Flucht vom Hof vorbereitete. Doch dann kam der Krieg dazwischen....
Als Edna in einer deutschen Zeitschrift das Foto von Jacob sieht, beschließt sie ihn aufzusuchen. Vergessen hat sie den Jungen von damals nie und so sieht sie die Entdeckung als Zeichen des Schicksals an. Anhand einer alten Karte möchte sie dieselbe Strecke, die sie vor 75 Jahren schon einmal gegangen ist, nochmals gehen....quer über die Alpen bis nach Ravensburg, wo Jacob heute lebt. Denn Edna muss noch ein Versprechen einlösen...
Romina Casagrande erzählt abwechselnd in zwei Zeitsträngen. Die Erzählung über die Erlebnisse der Schwabenkinder war herzzerreißend, der Gegenwartsstrang hingegen völlig unglaubwürdig. Die Reise über die Alpen, die die über neunzig Jährige zu Fuß (!) unternimmt, hätte sie schon nach den ersten 50 Kilometern nicht mehr erlebt. Mit einem kleinen Rucksack und einer schweren Kiste, wo sie ihren Papagei untergebracht hat, wandert sie über die Berge und gerät nicht nur an lauter Gutmenschen, sondern verliert ihre Geldbörse, kämpft gegen die Naturgewalten und wehrt sich gegen Raubvögel, die ihren Emil schaden wollen. Völlig durchnässt läuft sie zwei Tage und Nächte in den Bergen herum....da wären wohl auch schon Jüngere an einer schweren Erkältung oder Lungenentzündung gestorben. Edna aber bleibt frisch und munter. Die bereits vorhandenen körperlichen Beschwerden in ihrem Alter werden ausgeblendet und lassen oftmals jeden fitten Alpinisten vor Neid erblassen. Ihre Naivität und Planlosigkeit passt außerdem so überhaupt nicht zu ihrem Alter. Als Figur blieb mir Edna völlig fremd.
Ihr merkt schon ich bin mit der Geschichte im Gegenwartsstrang überhaupt nicht klar gekommen und konnte nur immer wieder den Kopf schütteln. Schade um die eigentliche ernste Thematik, die die Autorin mit der Geschichte um die Schwabenkinder schreiben wollte. Sie verliert sich völlig in der klamaukhaft geschriebenen Gegenwart, statt die Vergangenheit in den Vordergrund zu stellen. Diese erzählt sie berührend und voller Emotionen. Zusätzlich verliert sich die Autorin in Details und unwichtigen Nebenhandlungen.
Als Deutschlehrer würde ich jetzt sagen: Thema verfehlt und nicht genügend. Als Leserin sage ich ...schade um den guten Plot und die Erzählung in der Vergangenheit, die mich überzeugen konnte. Leider muss ich aber das Gesamtwerk betrachten und gebe daher 2 Sterne (für die Geschichte in der Vergangenheit und den flüssigen Schreibstil)...das war's aber auch schon.
Fazit:
Das war leider gar nicht meins! Eine völlig an den Haaren herbei gezogene Geschichte in der Gegenwart, die den berührenden Vergangenheitsstrang über das Leiden der Schwabenkinder völlig ruiniert. Schade um die eigentliche ernste Thematik, die die Autorin schreiben wollte. Leider total am Thema vorbei! Ich gebe hier keine Leseempfehlung!