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Veröffentlicht am 16.10.2017

Moderner Hexenkult?

Luzerner Totentanz
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Es ist kurz vor Weihnachten. Im Luzerner Männliturm wird ein kleines Mädchen gefunden. Sie ist ausstaffiert wie ein Engel mit Flügel und Goldstaub. Bewusstlos liegt es am Boden, rundherum sind an den Mauern ...

Es ist kurz vor Weihnachten. Im Luzerner Männliturm wird ein kleines Mädchen gefunden. Sie ist ausstaffiert wie ein Engel mit Flügel und Goldstaub. Bewusstlos liegt es am Boden, rundherum sind an den Mauern okkulte Zeichen mit Blut aufgemalt. Man beobachtet eine rothaarige Frau auf einem Pferd, einen Hund und Feuer.......wer bedient sich hier der alten Sage von der Sträggle, der Hexe, die Kinder entführt?
Als die Ermittler das Mädchen später im Krankenhaus besuchen, weigert es sich zu sprechen. Kurze Zeit später findet man wieder ein Mädchen als Engel verkleidet, nicht ansprechbar und verwirrt. Die Polizei tappt völlig im Dunkeln bis der ehemalige Auslandskorrespondent Marius Cem auf eine alte Sage rund um die Sträggele und den Türst verweist.

Der Krimi geht gleich spannend los und bleibt auf einem hohen Level, der mich das Buch nicht mehr aus der Hand legen ließ. Man grübelt über die Hintergründe der Taten nach. Die eigenen Kapitel, die Einblicke auf die Täterin geben, hinterlassen anfangs mehr Verwirrung als Aufklärung. Das macht die Geschichte noch spannender.
Die schweizer Ausdrücke spiegeln das Lokalkolorit wieder und die Sage rund um die Sträggle und dem Türst runden dieses perfekt ab. Grandios vermischt die Autorin die alte Legende mit dem aktuellen Kriminalfall.
Leider kannte ich die Vorgängerbände rund um Ermittler Cem Cengiz noch nicht, was ich aber auf jeden Fall nachholen werde. Das Team rund um den türkischstämmigen Cem ist wunderbar authenisch und konnte mich überzeugen. Barbara, Lila und Eva, sowie der charismatische Journalist und Experte für Okkultismus, Marius, haben mein Herz im Sturm erobert, wobei man Marius nicht wirklich zuordnen kann. Weiß er mehr, als er verrät oder ist er tatsächlich eine Hilfe für das Ermittlerteam? Kann Cem Marius trauen?

Besonders zu Beginn gab es einige Hinweise auf die ersten drei Bände, die mir doch einiges verraten haben. Die Anspielungen waren jedoch "diskret" und haben meine Lust die ersten drei Cem Cengiz Krimis zu lesen, nicht abgeschwächt. Im Gegenteil!
Auch das Privatleben der Ermittler bleibt nicht außen vor. Barbara leidet unter dem Tod von Rolf und soll noch dazu seinen Platz einnehmen. Doch dann bekommt das eingespielte Team eine neue Chefin vorgesetzt, die wie ein Feldwebel auftritt. Und Cem steckt in einer gefühlsmäßigen Zwickmühle....obwohl mit Lila zusammen, fühlt er sich immer mehr zu Eva hingezogen....

Monika Mansour zeigt in ihrem neuem Krimi auf, dass Aberglaube und eine vorschnelle Verurteilung immer aktuell ist. Durch Mobbing aller Art werden Menschen auch heute ausgegrenzt und erfahren oftmals sehr viel Leid, das jahrzehntelang anhalten oder zu Selbstmord führen kann.
Durch einen Artikel über eine angebliche Hexe, die Sträggle, die Mädchen entführt, beginnt sehr schnell eine Hatz auf rothaarige Frauen, die an die Zeiten der Hexenverfolgung erinnert. Auch ein konservativer Pfarrer fördert das Misstrauen der Menschen und spielt eine Rolle....

Der Showdown zum Ende hin ist packend, das Ende schlüssig und es bleiben keinerlei Fragen offen. So sollte Krimi sein!

Schreibstil:
Die Autorin schreibt sehr dialoglastig, temporeich und atmosphärisch. Der schweizer Lokalkolorit mit einigen Dialektwörter macht die Geschichte identisch. Als Österreicherin tat ich mich nicht so schwer, denn viele Wörter haben auch Ähnlichkeiten zu österreichischen Dialektwörtern. Die Schauplätze in Luzern werden sehr lebendig und bildhaft beschrieben.

Fazit :
Ein richtig guter Krimi, der alles beinhaltet was sich ein Krimileser wünscht! Ich werde mir noch die Vorgängerbände kaufen und gebe für "Luzerner Totentanz" eine absolute Leseempfehlung für Freunde der Spannungsliteratur!

Veröffentlicht am 16.10.2017

Eine wunderbare Reihe, die ich jeden empfehlen kann

Heimat meines Herzens
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*****ACHTUNG, KANN SPOILER ENTHALTEN!****

Im Abschlussband der Sturmzeitentetralogie befinden wir uns in der Nachkriegszeit. Wie schon in den Vorgängerbänden schließen die Bücher lückenlos aneinander ...

*****ACHTUNG, KANN SPOILER ENTHALTEN!****

Im Abschlussband der Sturmzeitentetralogie befinden wir uns in der Nachkriegszeit. Wie schon in den Vorgängerbänden schließen die Bücher lückenlos aneinander an.

Alle drei Hayes-Schwestern sind in die USA zurückgekehrt und versuchen ihr Leben wieder aufzunehmen. Blair und Gary leben in Washington, nachdem Gary eine Festanstellung im Pentagon erhalten hat. In ihrem Leben fehlt es an nichts, außer an Kindern. Doch der ersehnte Nachwuchs stellt sich nicht ein.

Cameron feiert ihren ersten Hochzeitstag alleine, ebenso Alex. Ihre Ausreise- bzw. Einreisebewilligungen werden immer wieder abgelehnt. Dazu trägt auch die neue Spannung zwischen den beiden Supermächten bei, die immer größer wird. Die Aussichten auf eine gemeinsame Zukunft sehen düster aus....

Jackie sollte sich langsam wieder nach einem Partner umsehen, ist die Meinung ihrer Mutter und auch ihrer Schwiegermutter. Doch die Amerikaner sehen in den Japanern noch immer ihre Feinde und das fremdländische Aussehen ihrer Tochter ist nicht unbedingt ein Vorteil. Doch Jackie ist auch noch nicht bereit einen neuen Mann in ihr Leben zu lassen und die potentiellen Bewerber tragen auch nicht wirklich dazu bei, sich neu zu verlieben.

Alex erhält in der Zwischenzeit ein verlockendes Angebot, um endlich an eine Ausreisebewilligung zu kommen und lässt sich auf einen Deal mit einem zwielichtigen US-Geheimagent ein. Doch Alex Unternehmungen bleiben nicht unentdeckt und er wird festgenommen. Sein Schicksal ist somit besiegelt....
Als Cameron diese Neuigkeit erfährt, setzt sie alles daran endlich nach Russland zu gelangen und Alex herauszuholen. Das "wie" ist ihr noch ein Rätsel, aber sie muss einfach vor Ort bei ihrem Mann sein. Durch eine unverhoffte Hilfe bekommt sie die langersehnten Papiere und reist sofort nach Moskau. Blair und Gary lassen sich in die Botschaft nach Moskau versetzen, um Cameron beizustehen und auch Jackie hat sich dazu entschieden Cameron zu helfen. Überraschender Weise erhält auch sie eine Einreisebewilligung und geht nach Moskau. Diese "Zufälligkeit", dass plötzlich alle drei Schwestern einreisen dürfen, nachdem Cameron vorher jahrelang erfolglos darum gekämpft hat, war mir etwas zu unrealistisch. Dies stellt aber das einzige Manko am Buch dar.

In Russland treffen wir auf einige alte Bekannte und bangen mit Cameron und ihren Schwestern um das Leben von Alex. Aber auch Semjon kommt wieder ins Spiel und bringt noch mehr Schwung in die Geschichte, genauso wie zwei plötzliche Verehrer von Jackie.

Der Großteil des Romans spielt diesmal in Moskau. Der Autorin gelingt es wieder meisterhaft die Zeit des Kalten Krieges zwischen Amerika und der Sowjetunion darzustellen. Die Hoffnung, dass nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges die Normalität wieder einkehrt, zerschlägt sich sehr rasch. Cameron entdeckt schnell, dass die Spitzeleien und die Überwachung noch härter durchgeführt werden, als bei ihrem letzten Besuch. So sieht sie anfangs auch überhaupt keine Chancen an Alex ranzukommen.

Der Schreibstil ist gewohnt bildhaft. Die Figuren sind mir schon im ersten Band ans Herz gewachsen und sind so real und liebenswert, dass ich nun einen richtigen Abschiedsschmerz verspüre, diese nun gehen zu lassen. Zum Abschluss der Tetralogie rund um die Hayes-Töchter kann ich nur sagen, dass ich diese Reihe jedem empfehle, der Familiensagen, die im Zweiten Weltkrieg spielen, liebt. Die Bücher sollten aber unbedingt der Reihe nach gelesen werden!

Cover:
Wie ein Filmplakat der Fünfziger Jahre....das ist mein erster Gedanke, wenn ich mir das Originalcover so ansehe. Nie würde ich zu diesem Buch greifen! Was natürlich sehr schade wäre...
Allerdings passt es auch genau zu den drei Vorgängerbänden, die ein ähnliches Cover zu bieten haben. Rechts in der Mitte wird Bezug auf den inhaftierten Alex genommen. Warum allerdings ein Dampfer darauf aufgebildet ist, erschließt sich mir nicht wirklich. Die drei Frauen sind mit Flugzeug und der Eisenbahn nach Russland gereist.

Fazit:
Ein krönender Abschluss der Tetralogie rund um die Hayes Töchter, der mich insgesamt total überzeugt hat. Natürlich ist nicht jeder Band der Reihe gleich stark, aber ich habe die 5 Sterne immer sehr gerne vergeben. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge verabschiede ich mich von dieser Reihe, die einen ganz besonderen Platz in meinem Bücherregal einnehmen wird.

Veröffentlicht am 30.09.2017

Die Reihe rund um die Salbenmacherin wird immer besser..

Die Salbenmacherin und die Hure
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Wer gerne historisch liest, dem kann ich diese Reihe von Herzen empfehlen! Aber Achtung: Man merkt, dass Silvia Stolzenburg auch Krimis und Thriller schreibt!

Im Sommer 1409 leiden die Einwohner Nürnbergs ...

Wer gerne historisch liest, dem kann ich diese Reihe von Herzen empfehlen! Aber Achtung: Man merkt, dass Silvia Stolzenburg auch Krimis und Thriller schreibt!

Im Sommer 1409 leiden die Einwohner Nürnbergs nicht nur unter der drückenden Hitze, sondern auch unter einem rätselhaften Fieber. Salbenmacherin Olivera und ihr Mann Götz, der Stadtapotekarius, haben deswegen alle Hände voll zu tun. Die Stimmung ist bereits gereizt, als man an den Ufern der Pegnitz eine ausgeweidete, kopflose Leiche ohne Hände findet. Fortan leben die Bürger der Stadt in Angst und Schrecken. Sie sind der Meinung, dass nur ein Dämon den Toten so grausamen zugerichtet haben kann. Als jemand einen Werwolf im nahen Wald gesehen haben will, kippt die Stimmung völlig. Bald ist ein Opfer gefunden und zum Tode verurteilt. Olivera und Götz sind von der Unschuld des Mannes überzeugt, der Pöbel und die Stadtwache allerdings sind anderer Meinung. Doch auch nach dem Tod des Verurteilten geht das Morden weiter....

Wie schon im Vorgängerband ist der Prolog wieder äußerst grausam. Auch Band 3 der Salbenmacherin ist nicht wirklich etwas für schwache Nerven.
Olivera und Götz haben sich in Nürnberg eingelebt. Als Stadtapothekarius ist Götz ein angesehenes Ratsmitglied. Auch Olivera hilft im Spital aus und bereitet zuhause ihre Salben und Schönheitsmittelchen zu. Das Paar hat außerdem den ehemaligen Betteljungen Jona zu sich genommen, der Götz in der Apotheke hilft. Doch auch in dieser Stadt ist Olivera mit ihren fundierten medizinischen Kenntnissen dem Medicus ein Dorn im Auge. Da sie ein Kind erwartet und ihr nicht alle gutgesinnt sind, tritt sie diesmal ein bisschen in den Hintergrund. Hingegen spielen Jona und sein Freund Casper diesmal eine größere Rolle, denn beide Jungen stürzen sich voller anfänglichem Übermut in die Aufgabe den Werwolf zu fangen. Im Hurenhaus lernen wir die beiden Hübschlerinnen Gerlind und Eva kennen, die ebenfalls eine große Rolle in diesem dritten Band spielen....

Die Handlung ist vielschichtig und kurzweilig. Glaube, Quacksalberei und der aufkommende Aberglaube (Dämonen, Werwölfe, Hexen....) spielen neben der eigentlichen Handlung eine große Rolle. Abwechselnd begleiten wir Olivera, Gerlind oder Jona und erleben hautnah mit, wie "der Werwolf" immer brutaler und gefährlicher wird. Mit überraschenden Wendungen hält die Autorin die Spannungskurve gewohnt hoch. Kaum hat man zu lesen angefangen, kann man das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Aber nicht nur die Spannung, sondern auch die düstere und teilweise sehr raue Stimmung versetzt den Leser einige Male in Furcht und Schrecken...vorallem, wenn man bei diversen Folterungen "direkt mit dabei ist" oder man Jona und Casper in den düsteren Wald folgt...
Das Ende ist schlüssig, aber diesmal hat uns die Autorin zum Abschluss einen Cliffhanger dagelassen...

Mich begeistert die Reihe rund um die Salbenmacherin Olivera immer mehr und mit Silvia Stolzenburg habe ich generell eine Autorin gefunden, deren historischen Romane, Krimis und Thriller ich absolut empfehlen kann!

Schreibstil:
Silvia Stolzenburg schreibt flüssig, spannend und sehr anschaulich. Die sehr bildhafte Beschreibung der mitteralterlichen Stadt Nürnberg und seiner Bürger, sowie die interessanten medizinischen Erklärungen rund um heilende Tinkturen und Mittelchen, sind wieder absolut gelungen. Die Autorin hat wieder perfekt recherchiert. Die Kapitel sind eher kurz gehalten.
Die Charaktere sind Menschen wie du und ich und besitzen Tiefe. Sie sind nicht nur gut oder böse (bis auf den Werwolf natürlich ;)....sondern haben auch menschliche Fehler, Ecken und Kanten.
Und ich muss sagen ich bin froh, dass ich heute beim Friseur für meine Nachblondierung nur zwei Stunden sitze und nicht wie damals ganze zwei Tage (!) mit einem Mittel auf dem Kopf herumlaufen muss :)

Fazit :
Auch der dritte Band rund um die Salbenmacherin Olivera und ihrem Mann Götz konnte mich wieder absolut fesseln. Ein rundum gelungener historischer Roman mit Krimielementen, großartiger bildhafter Beschreibung und Recherche und Spannung von der ersten Seite an. Eine Lesempfehlung! (aber bitte beginnt mit Band 1!)

Veröffentlicht am 24.09.2017

Einer meiner Highlights dieses Jahres

Marlenes Geheimnis
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Die Vertreibung der Sudetendeutschen gegen Ende des Zweiten Weltkrieges ist leider auch noch heute ein sehr brisantes Thema. Brigitte Riebe erzählt in ihrem neuen Roman "Marlenes Geheimnis" eine bewegende ...

Die Vertreibung der Sudetendeutschen gegen Ende des Zweiten Weltkrieges ist leider auch noch heute ein sehr brisantes Thema. Brigitte Riebe erzählt in ihrem neuen Roman "Marlenes Geheimnis" eine bewegende Geschichte rund um diese ungewollte Ausbürgerung.
Da meine Verwandten mütterlicherseits ebenfalls aus dem Sudetenland flüchten mussten, hat mich dieser Roman ganz besonders bewegt.

"Marlenes Geheimnis" ist ein Roman in zwei Zeitebenen und erzählt von drei starken und bewunderswerten Frauen einer Familie. Im Gegenwartsstrang lernen wir zuerst Nane kennen, die zum Begräbnis ihrer Großmutter Eva anreist. Nach langer Zeit kommt sie wieder nach Rickenbach am Bodensee, wo sie viele schöne Tage ihrer Kindheit verbracht hat. Ihre Tante Marlene führt dort eine gutgehende Schnapsbrennerei und Obstplantage. Während sich Nane bei Eva und Marlene immer wohlgefühlt hat, gab es zwischen Nane's Mutter Vicky und der Halbschwester Marlene immer wieder Streitereien. Das ändert auch der Tod der Mutter nicht...
Nane, die sich in letzter Zeit krank und in ihrem Job überfordert fühlt, nimmt sich für das Begräbnis und die Tage danach eine kleine Auszeit. Sie steht an einem Scheideweg und weiß nicht wirklich, wie ihr Leben weitergehen soll. Als ihr Marlene einen Brief und das Tagebuch ihrer Großmutter aushändigt, vertieft sich Nane in der Lebensgeschichte von Eva, der Apfelkönigin - einer Frau mit einer sehr bewegenden Lebensgeschichte, die von Not, Hunger, Leid und Vertreibung erzählt und von der Stärke nie aufzugeben...

Mit viel Liebe und Engagement erzählt die Autorin, stellvertretend für viele Sudetendeutsche, im Vergangenheitsstrang die Geschichte von Eva Menzel, Tochter eines Apothekers und einer Opernsängerin, die von Prag nach Reichenberg (heute Liberec) umziehen. Dort auf dem Land fühlt sich Eva im Gegensatz zu ihrer Mutter wohl und schließt schnell Freundschaft mit Molly und Jan, in den sie sich später verliebt. Oft geht sie mit ihrem Vater in die Obstwiese und lernt die Schnapsbrennerei. Doch mit der Übernahme Hitlers ist die unbeschwerte Jugend vorbei. Nach einem Attentat auf einen hochrangigen SS-Mann, kommt es zu einer äußerst grausamen Vergeltungsmaßnahme, die das Verhalten der tschechischen Bevölkerung den Sudetendeutschen gegenüber gänzlich ändert. Auch Eva und Molly spüren die Veränderungen, den Hass und die Wut der Tschechen. Als diese beginnen alle Sudetendeutschen zu enteignen, sie in Lager zu sperren und anschließend auszusiedeln, können auch die beiden Freundinnen und ihre Eltern ihrem Schicksal nicht entgehen...

In zwei Zeitebenen erzählt Brigitte Riebe vom Schicksal der Sudetendeutschen, die in Österreich und Deutschland eine neue Heimat suchen mussten und nicht übereall gerne aufgenommen wurden. Mit nichts als den Kleidern am Leib und den wenigen Habseligkeiten, die man tragen konnte, mussten diese Menschen am Ende des Zweiten Weltkrieges ihre Heimat verlassen. Das Thema Flüchtlinge ist nicht nur eines von heute, das vorallem vor den Wahlkämpfen immer wieder heiß diskutiert wird, denn Heimatvertriebene gibt es schon seit jeher. Man sollte niemals vergesen, dass man selbst ebenso schnell in diese Lage kommen könnte...

Trotz des ernstes Themas hat mich dieser Roman wunderbar unterhalten. Die Schilderungen, die abwechselnd in der Gegenwart und der Vergangenheit spielen, empfand ich als stimmig, wobei mich aber der Vergangeheitsstrang aus persönlichen Gründen noch mehr interessierte und einnehmen konnte. Interessant fand ich auch die Beschreibungen des Schnapsbrennens und ich mochte die Ausflüge „ins Obst“.
Von der ersten Seite an fesselte mich diese Familiengeschichte, die berührt, aber auch ermahnt - jedoch nie mit dem erhobenen Zeigefinger! Ein wahrer Lesegenuss!

Schreibstil:
Brigitte Riebe hat einen sehr flüssigen, einfühlsamen und ausdrucksstarken Schreibstil. Man ist sofort mitten in der Geschichte und taucht erst wieder auf, wenn man die letzte Seite gelesen hat. Die Autorin hat sehr gut recherchiert. Auch die Charaktere sind sehr lebhaft beschrieben und gut gezeichnet. Sie alle haben Ecken und Kanten und sind mitten aus dem Leben gegriffen.

Fazit:
Eine absolute Leseempfehlung für diesen wundervollen Roman. Hier erlebt man Geschichte, die zu Unrecht nahezu vergessen ist. Ein Buch, das berührt und bewegt. Ich kann nur sagen: Lest selbst!

Veröffentlicht am 14.09.2017

Roadtrip to Hell

Vintage
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Ein Buch über Musik und ein Musikinstrument - da musste ich mich einfach für den Roman des französischen Autors Grégoire Hervier bei Lovelybooks bewerben. Ich freue mich sehr, dass ich Glück hatte und ...

Ein Buch über Musik und ein Musikinstrument - da musste ich mich einfach für den Roman des französischen Autors Grégoire Hervier bei Lovelybooks bewerben. Ich freue mich sehr, dass ich Glück hatte und einen wirklich tollen Roman kennenlernen durfte!

Thomas ist Musiker und Journalist und leider in beiden Berufen ziemlich erfolglos. Deshalb arbeitet er noch in einem Musikladen, der sich "Prestige Guitars" nennt und sich auf ganz besonder Gitarrenmodelle spezialisiert hat. Als ein anonymer Anrufer das teuerste Modell des Ladens kaufen möchte, sind Alain, der Inhaber, und Thomas außer sich vor Freude. Jedoch fordert der Käufer eine persönliche Lieferung des Instrumentes direkt in sein Landhaus in Schottland. Die Kosten der Reise werden übernommen. Daraufhin schickt Alain Thomas mit der berühmten Gold top, eine Les Paul aus dem Jahre 1954, los. Der geheimnisvolle Anrufer entpuppt sich als ein Lord, der das ehemalige Anwesen von Jimmy Paige, dem Gitarristen von Led Zeppelin, gekauft hat und dort eine erstaunliche Sammlung an wertvollen alten Gitarren sein Eigen nennt. Nur eine ganz bestimmte Gitarre fehlt ihm: die Gibson Moderne. Diese wurde ihm angeblich gestohlen und nun benötigt er für die Versicherung den Beweis, dass es die Moderne tatsächlich gibt. Doch diese Gitarre ist ein Mythos! Niemand weiß, ob es sie je gegeben hat. Es gibt nur den Beweis, dass Gibson Mitte der 50-iger Jahre einige neue Modelle in einem völlig neuem Design entwerfen wollte. Es entstanden die Entwürfe für völlig neuartige Modelle, wie die Explorer, die Moderne und die Flying V. Da die Serie anfangs nicht angenommen wurde, ist bis heute ungeklärt, ob die Moderne überhaupt je gebaut wurde oder es nur den Entwurf und einige Prototypen dazu gab. Für eine äußerst großzügige Belohnung soll sich Thomas auf die Suche nach Beweisen der Existenz der Gibson Moderne machen. Für ihn beginnt eine spannende und abenteuerliche Reise, die ihn von Schottland in den Süden der USA führt - der Geburtsstätte des Blues.

"Vintage" ist eine Geschichte so ganz anders, als ich sie bis jetzt gelesen habe. Eine Mischung aus Musikgeschichte, Roadmovie und Krimi - absolut kultig erzählt. Als Leser begibt man sich gemeinsam mit Thomas auf die Spuren der Gibson Moderne. Man begegnet einigen merkwüdigen Gestalten und erlebt gefährliche Situationen. Denn wer würde schon von sich aus verraten, dass er ein so wertvolles Instrument tatsächlich besitzt? Schreckt man sogar vor Mord nicht zurück, um sein Geheimnis zu wahren?
Bis Thomas schlussendlich auf den geheimnisvollen Musiker Li Grand Zombie Robertson stößt, dauert es einige Zeit. Doch der unbekannte Musiker hat - wie die berühmte Gitarre - kaum Spuren hinterlassen.

Die Charaktere sind facettenreich und sehr interessant gezeichnet. Neben dem äußerst sympathischen Thomas begegnen wir einigen ziemlich merkwürdigen Figuren, wie dem mysteriösen Auftraggeber Lord Winsley oder dem verschlagenen Elvis-Imitator Bruce. Zur interessantesten Figur wird aber schlussendlich der charismatische und geheimnisvolle Li Grand Zombi Robertson....

Der Autor hat hier Fakten (ob es die Moderne je gab oder nicht, ist bis heute nicht geklärt!) und Fiktion zu einer wahnsinnig tollen Geschichte verwoben, die die Musikszene ab den 50er Jahren widerspiegelt. Die Begeisterung für Musik und Vintage Gitarren, die er seinem Protagonisten in die Wiege gelegt hat, ist von Anfang an und in jeder Zeile spürbar. Sie steckt auch augenblicklich an - bei mir hat es auf jeden Fall funktioniert. Grégoire Havier spielt aber auch mit der grundlegenden Frage, wie weit Leidenschaft und Begeisterung gehen können und wo diese ihre Grenzen haben sollten....

Am Ende legt der Autor noch eine Spur Spannung nach und driftet damit fast ein bisschen ins Unglaubliche bzw. ins Action-Genre ab. Dadurch, dass mich allerdings die Geschichte bis dahin wirklich absolut begeistern konnte, bleibe ich den 5 Sternen, die ich bereits im Gedanken vergeben habe, treu.

Schreibstil:
Begeistern konnte mich auch der Schreibstil des Autors. Er ist nicht nur flüssig und punktet mit humorvollen Passagen, sondern Grégoire Harvier hat in seinem Roman Musikgeschichte mit Literatur verbunden.
Auf allen 400 Seiten erfährt man mehr über die Geschichte des Blues, des Rock und auch des Heavy Metal. Man darf auch ein kleines bisschen in die Welt der Gitarrenbaukunst hineinschnuppern und trotzdem ist das Buch auf keiner Seite langweilig. Die vielen Fachbegriffe wurden so grandios in die Handlung eingebaut, dass man sich auch als Laie auskennt.
Seine Geschichte hat der Autor nicht in Kapitel, sondern in Abschnitte gegliedert, die er Intro, erste, zweite und dritte Strophe, Refrain, Bridge, Solo und Outro genannt hat.

Fazit:
Ein musikalischer Leckerbissen, der auch Nichtmusikinteressierte in den Bann ziehen kann. Vielschichtig, kultig und eine Mischung aus Roadmovie und Krimi; eine Musikgeschichte mit Literatur verbunden. Für Musikfans ein Leseempfehlung und für alle anderen Leser ebenso ;)