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Veröffentlicht am 25.05.2023

Ein mörderisches Dorf

Diabolisch
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Wow, was für ein Pageturner! Einmal angefangen konnte ich das Buch nicht mehr aus den Händen legen. Endlich wieder ein Thriller, der mich restlos gefangen genommen hat. Dabei muss ich allerdings gleich ...

Wow, was für ein Pageturner! Einmal angefangen konnte ich das Buch nicht mehr aus den Händen legen. Endlich wieder ein Thriller, der mich restlos gefangen genommen hat. Dabei muss ich allerdings gleich zu Beginn eine Triggerwarnung abgeben! Auch wenn ich das bei Thriller eigentlich "dumm" finde, denn in diesem Genre geht es nun einmal um Gewalt, Mord und Totschlag. Doch diesmal hat es auch mich bei einigen Szenen wirklich mehr als entsetzt, wie grausam Erwachsene Kindern gegenüber sein können. Selten hat mich eine Story so unglaublich aufgeregt. Sämtliche Emotionen wie Wut, Fassungslosigkeit, Agression oder Mitleid haben sich beim Lesen abgewechselt und obwohl ich sonst eine hartgesottene Thrillerleserin bin, gab es eine Szene, die mich an meine Grenzen gebracht hat.

Erzählt wird auf zwei Zeitebenen: 1995 und 2022. Dazwischen gibt es kindliche Tagebucheinträge von Lotte, die unter dem Verlust ihres jüngeren Bruders Alexander leidet.
Zu Beginn werden doch so mehrere Figuren eingeführt, die einiges an Konzentration erfordern. Auch schnelle Orts- und Zweitwechsel irritieren etwas. Nach einigen Seiten bekommt man jedoch mehr Überblick über die Einwohner von Holzhausen. Bald wird der Ort in den Medien "das Killerkaff" genannt, denn fast täglich gibt es einen Toten oder eine Tote. Die meisten Figuren, die man als Leser:innen kennenlernt sind etwas zu überkonstruiert und oberflächlich gezeichnet. Sie sind größtenteils unsympathisch, was aber nicht wirklich stört...sie werden sowieso bald ermordert.

Das ermittelnde Team mietet sich sogar im Ort ein und doch mordet der unbekannte Mörder ungehindert weiter. Oberkommissarin Larissa Flaucher hat einiges zu tun und hat lange Zeit keine Ahnung, wo sie ansetzen soll. Zusätzlich kämpft sie mit dem ewigen schlechten Gewissen einer Alleinerzieherin gegenüber ihrer Tochter, die mehr bei ihrer Nachbarin, als bei der Mutter aufwächst. Larissa ist bald verzweifelt, denn die Morde scheinen kein System zu haben und die Einwohner von Holzhausen etwas zu verheimlichen.
Nicht nachvollziehen konnte ich eine Beziehung innerhalb des Ermittlerteams. Sie kommt aus heiteren Himmel und kommt mir eher so vor, als hätte der Autor noch schnell etwas zum Thema LGBTQ reinschreiben müssen. Hier fehlte mir einfach alles und war für mich überhaupt nicht nachvollziehbar.

In welche Richtung dieser Thriller geht, war mir allerdings bald klar. Täter und Motiv hatte ich ab der Hälfte auf dem Schirm. Trotzdem blieb für mich die Spannung aufrecht, denn ich war gespannt, wer als Nächster oder Nächste in Holzhausen das Zeitliche segnet und warum. Die Mordserie war an Gewalt, kreativen Tötungsmethoden und psychologischen Aspekten kaum zu überbieten.

Der Spannunsgbogen ist und bleibt vom Anfang an hoch. Der Plot ist clever konstruiert, der Schreibstil ist temporeich und die Atmosphäre düster.
Das Cover finde ich gut gewählt. Man erkennt erst auf den zweiten Blick, dass es sich um eine Straße mit einer Bushaltestellt handelt. Somit passt es perfekt zum Inhalt.

Fazit:
Ein richtiger Pageturner, der unter die Haut geht. Brutal, verstörend und sehr böse. Ich habe endlich wieder einen packenden Thriller gelesen, der nicht dem 08/15 Schema folgt, auch wenn ich bald wusste, wohin sich die Geschichte bewegt. Von mir gibt es eine Leseempfehlung für Thrillerfreunde!

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Veröffentlicht am 23.05.2023

Neuanfang in Lichterhaven

Kuschelglück und Gummistiefel
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Wir sind wieder in Lichterhaven und beim siebenten Band der Reihe angelangt, die man auch gut einzeln lesen kann. Wieder war es wunderschön altbekannte Figuren zu treffen, allen voran die "Foodsisters". ...

Wir sind wieder in Lichterhaven und beim siebenten Band der Reihe angelangt, die man auch gut einzeln lesen kann. Wieder war es wunderschön altbekannte Figuren zu treffen, allen voran die "Foodsisters". Und um Hannah, die Dritte im Bunde aus dieser Runde, geht es diesmal.

Die junge Köchin, die immer wieder für zehn Jahre jünger gehalten wird, als sie tatsächlich ist, trifft nach einem sehr unerfreulichen Zusammenstoß vor einem Jahr, wieder auf den erfolgreichen Anwalt Maik Zengler. Doch diesmal kehrt Maik als anderer Mensch von Berlin nach Lichterhaven zurück. Der Mann, für den Geld und Erfolg an erster Stelle stand, ist durch ein Burn out ausgeknockt. Als dann auch noch seine Halbschwester stirbt und ihm das Sorgerecht für ihre Kinder Michelle und Jonas überschreibt, gerät sein bisheriges Leben komplett aus den Fugen. Er entschließt sich komplett neu anzufangen und nimmt das Angebot seines Freundes Jörn an, der ihm ein Haus mit Garten in Lichterhaven vermittelt. Dort zieht er mit dem achtjährigen Jacob, der vierzehnjährigen Michelle und der jungen Airedale-Terrier Hündin Finchen ein, ohne zu wissen, worauf er sich einlässt.
Maik und die Kinder benötigen einige Zeit um sich in Lichterhaven einzuleben. Vorallem Michelle ist alles andere als bereit sich mit den hiesigen "Dorftrotteln" abzugeben und hat nicht vor lange zu bleiben. Jacob fühlt sich schneller wohl, jedoch vermisst der 8-jährige seine Mutter sehr.
Der Neuanfang steht nicht unbedingt unter einem guten Stern, vorallem als Maik - kaum angekommen - wieder mit Hannah zusammenkracht. Fertiggerichte und Konserven sind Hannah ein Dorn im Auge, die Maik in seinem Einkaufswagen geladen hat. Doch Maik kann nicht kochen und so bietet Hannah ihm und den Kindern einen Kochkurs an, damit sie in Zukunft nahrhaftes Essen zu sich nehmen können. Das bringt allerdings Maiks Gefühlswelt ganz gehörig durcheinander....

Das Catering Unternehmen gerät diesmal etwas in den Hintergrund, aber der Zusammenhalt der Einwohner von Lichterhaven und das Dorfleben wird wieder äußerst atmosphärisch dargestellt. Die bildhaften Beschreibungen der Umgebung geben mir immer wieder das Gefühl selbst schon in Lichterhaven gewesen zu sein.
Diesmal fühlt sich der neue Roman von Petra Schier ein bisschen anders an, denn wir haben nicht wie gewohnt ein Pärchen und einen Hund, sondern auch zwei Kinder, die in der Handlung eine große Rolle spielen. Für Michelle und Jakob ändert sich alles, denn nach dem Verlust der Mutter, verlieren sie zusätzlich noch ihre Heimat und ihren Freundeskreis. Vorallem Michelle leidet am Verlust ihrer Berliner Freundinnen.
Petra Schier hat die Gefühlswelt der Kinder sehr authentisch dargestellt. Man kann den Schmerz und den Verlust der Kinder durch die Seiten spüren. Vorallem der achtjährige Jakob ist zum Knuddeln.
Airedale Hündin Finchen lockert die anfangs melancholische Stimmung auf. Wie immer sind die Gedanken der vierbeinigen Protagonisten in kursiver Schrift dargestellt und sehr humorvoll erzählt. Neben dem Thema der Trauerverarbeitung hat Petra Schier auch die Thematik Landwirtschaft und Artenschutz angesprochen.

Natürlich ist auch in diesem siebenten Band der Lichterhaven Reihe klar, dass sich die beiden Zankäpfel am Ende in die Arme fallen. Doch der Weg dahin dauert etwas und wird mit viel Einfühlungsvermögen erzählt.

Fazit:
Auch der neue Band der Lichterhaven Reihe hat mir wieder sehr gefallen. Es fühlt sich an "wie nach Hause kommen", wenn man in die Geschichte um den fiktiven Ort an der Nordsee eintaucht und altbekannte Figuren trifft. Ein weiterer Pluspunkt ist der vierbeinige Protagonist und eine atmosphärische Wohlfühlstory, die diesmal etwas mehr in die Tiefe geht, aber trotzdem das Leichte nicht verliert.

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Veröffentlicht am 21.05.2023

Wunderbarer atmosphärischer Roman

Adas Fest
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Die 74jährige Ada ist auf dem Weg zum Sommerhaus ihrer Familie an der französischen Atlantikküste. Es wird der letzte Sommer in "Les Vagues" sein, denn durch den Klimawandel ist das Wasser an der Küste ...

Die 74jährige Ada ist auf dem Weg zum Sommerhaus ihrer Familie an der französischen Atlantikküste. Es wird der letzte Sommer in "Les Vagues" sein, denn durch den Klimawandel ist das Wasser an der Küste gestiegen und die Gefahr, dass das Haus beim nächsten Unwetter ins Meer abrutscht, wird immer größer. Wehmütig denkt Ada an die fünfzig Jahre zurück, die sie hier verbracht hat und lädt zu einem letzten Fest in Erinnerung an ihren Mann, dem berühmten Maler Leo Kwant. Damals waren die Feste ihres Mannes legendär. Ada möchte noch einmal diese Zeit auferstehen lassen, nachdem Leo vor einigen Jahren verstorben ist. Gleichzeitig soll es auch ein Abschied für immer sein. Zusammen mit ihren Kindern, Freunden von früher und Vincent, dem Restaurantbesitzer aus dem Ort, beginnt sie die Vorbereitungen. Doch dann brechen nach und nach alte Geheimnisse auf und rütteln an den Grundfesten der gesamten Familie.

In diversen Rückblicken erfahren wir mehr über Ada und ihre Familie und blicken in die Vergangenheit. Man bekommt Einblicke in die schwierige Ehe mit Leo und über die Beziehung zu ihren langjährigen Freund Vincent und dessen Frau Mathilde. Die drei Töchter Imme, Esther und Kiki, spielen ebenfalls eine große Rolle. Sie sind charakterlich sehr unterschiedlich und ihre Beziehung untereinander gestaltet sich nicht immer reibungslos. Jede von ihnen bringt ihre Probleme mit. Der Rückblick in die Ehe von Ada mit dem Künstler Leo Kwant zeigt eine typische Künstlerbeziehung. Der egozentrische Mann wird von der Frau unterstützt, die sich zurücknimmt und ihre eigenen Träume und Ziele aufgibt, sowie über etwaige Affären hinwegsieht. Doch auch Ada hat ihre Geheimnisse....
Während Stück für Stück die Fassade bröckelt, erhält der Leser immer tiefere Einblicke in die Vergangenheit und erhält einen schonungslosen Blick auf die jahrelangen Geheimnisse, die nach und nach an die Öffentlichkeit kommen. Besonders im letzten Drittel überschlagen sich dann die Geschehnisse und haben meine vorher bereits in Kopf gefertigte 5 Sterne Bewertung wieder revidieren lassen. Es waren mir zu viele Geheimnisse, die aufeinmal in sehr kurzer Zeit auf den Leser einprasseln und dadurch manches unglaubwürdig wirken lässt, auch wenn die Auflösung durchdacht und interessant verwebt wurde.

Die Geschichte ist leicht melancholisch erzählt und enthält viel Tiefe. Schon in ihrem Roman "Unter dem Schnee" hat mir der Schreibstil der Autorin sehr gut gefallen. Sie erzählt atmospärisch, feinfühlig und lebendig. Von Beginn an konnte ich die Atmosphäre im Sommerhaus spüren. Man riecht das Meer, spürt das Prickeln der Sonnenstrahlen auf der Haut und genießt die französischen Spezialitäten. Man lernt die Figuren näher kennen und findet manche sympathisch und manche weniger. Die Charaktere sind sehr unterschiedlich gezeichnet und haben Ecken und Kanten. Ich konnte sie mir wunderbar vorstellen und hatte Bilder im Kopf. Die zwischenmenschlichen Gefühle werden sehr lebendig und bildhaft, sowie empfindsam erzählt.

Katrin Burseg hat auf jeden Fall einen neuen Fan gewonnen, denn auch mit ihren zweiten Roman, den ich gelesen habe, konnte sie mich überzeugen. Ich freue mich schon auf weitere Bücher der Autorin!

Fazit:
Ein sehr atmosphärischer und wunderbar erzählter Roman, der in die Tiefe geht und so einige Familiengeheimnisse an die Oberfläche bringt, aber auch aktuelle Themen, wie den Klimawandel anspricht. Ich kann "Adas Fest" sehr empfehlen und freue mich schon auf weitere Romane der Autorin.

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Veröffentlicht am 19.05.2023

Großartiger Roman

Sehnsuchtsjahre (Band 1)
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Wow, das ist mein erstes Buch der Autorin und ich muss sagen, dass mir "Was wir im Dunkeln sehen - Sehnsuchtsjahre" wirklich sehr gut gefallen hat.

Bonn 1938. Helene, Daniel und Ulrich sind zusammen aufgewachsen ...

Wow, das ist mein erstes Buch der Autorin und ich muss sagen, dass mir "Was wir im Dunkeln sehen - Sehnsuchtsjahre" wirklich sehr gut gefallen hat.

Bonn 1938. Helene, Daniel und Ulrich sind zusammen aufgewachsen und seit ihrer Kindheit beste Freunde. Doch nachdem Ulrich sich begeistert bei der HJ betätigt, hat er Daniel die Freundschaft gekündigt. Helene nimmt daraufhin von Ulrich Abstand, denn sie kann nicht verstehen, dass ihm die Überzeugung der Nazis wichtiger ist, als die enge Verbindung zwischen den drei Freunden. Ulrich wird ein stolzer Soldat, der endlich seinem Vater beweisen kann, was in ihm steckt. Dieser ist ein bekennender Nazi, bei dem sein Sohn keine liebevolle Kindheit erlebte. Bisher musste er immer hinter seinem Bruder Georg zurückstecken, mit dem er in den Augen seines Vaters nicht mithalten kann. Doch dann passiert etwas Schlimmes.....
Auch für Daniel werden die Zeiten immer schlechter. Als die Repressalien gegen die Juden immer schlimmer werden und Daniel und seine Familie eines Tages verschwunden sind, erhofft sich Helene trotzdem Hilfe von Ulrich. Doch dieser hat ganz andere Pläne und fordert von Helene Unmögliches...

Was für eine emotionale Geschichte! Ich habe diesen Roman verschlungen, der abwechselnd aus der Sicht der drei Protagonisten erzählt wird. Ich habe mitgezittert, gebangt und gehofft, aber auch voller Entsetzen über die Unmenschlichkeit vieler Menschen gelesen. Natürlich ist dies nicht mein erstes Buch über den Zweiten Weltkrieg und doch kann ich immer wieder Neues aus allen Geschichten zum Thema #gegendasvergessen ziehen.
Es ist erschreckend, wie schnell Menschen andere verurteilen, denunzieren oder sogar eigene Familienmitglieder an die Gestapo verraten. Plötzlich stehen sich Freunde als Feinde gegenüber. Man braucht nur aktuell einen Blick auf die Ukraine zu werfen....

Claudia Meimbergs Schreibstil hat mich mitgerissen und die Handlung völlig gefangen genommen. Alle drei Hauptcharaktere sind sehr lebendig und tiefgründig beschrieben. Ich konnte mich in die Figuren hineinversetzen und mit ihnen mitfühlen.
Helene ist eine sehr starke und mutige junge Frau, die an das Gute glaubt. Doch immer wieder muss sie Tatsachen ins Auge blicken, die ihren Glauben an die Menschheit erschüttert.
Daniel muss nur aufgrund seiner Abstammung sehr viel Leid erleben und kämpft ums nackte Überleben. Manchmal hatte ich auch Mitgefühl mit Ulrich, der im Herzen kein schlechter Mensch ist - ganz im Gegensatz zu seinem Bruder Georg, der das Abbild eines perfekten SS-Mannes ist.
Die weitere Entwicklung der ehemaligen Freunde hat mir sehr gefallen und hat mir spannende und emotionale Lesestunden gebracht.
Nun bin ich gespannt auf den nächsten Band. Für alle zukünftigen Leser: Dieser Band ist für sich abgeschlosen und endet nicht, wie so viele Romane, die ich in letzter Zeit gelesen habe, mit einem Cliffhanger. Ein weiteres sehr positives Detail!

Fazit:
Eine großartig erzählte Geschichte, die von einer dunklen Zeit berichtet, in der man sich die Frage stellt, was Freundschaft wirklich ausmacht und in der sich Hass und Liebe die Hand geben. Ein Roman voller spannenden und emotionalen Momenten. Von mir gibt es eine absolute Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 16.05.2023

Gelobtes Land?

Polnischer Abgang
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Jarek Sobota und seine Eltern leben im oberschlesischen Dorf Salesche. Nach dem Mauerfall will die Familie auf ins "gelobte Land" Deutschland. Vor acht Jahren ist Jareks Großmutter Agnieszka still und ...

Jarek Sobota und seine Eltern leben im oberschlesischen Dorf Salesche. Nach dem Mauerfall will die Familie auf ins "gelobte Land" Deutschland. Vor acht Jahren ist Jareks Großmutter Agnieszka still und leise in die damalige Bundesrepublik geflohen. Ohne es ihrem Mann oder ihren Söhnen mitzuteilen, war sie eines Tages verschwunden. Getarnt mit einem Touristenvisa und der Einladung der Großmutter fahren die Sobotas mit dem Schlepper Hübner Richtung Grenze. Zuhause wurde alles verschenkt und verkauft.
Im Zwischenlager Unna-Massen leben sie auf engstem Raum mit anderen Flüchtlingen. Dort lernt Jarek Monika kennen, mir der er sich anfreundet.
Vom Aussiedlerlager geht es weiter in Notquartiere und Jarek fragt sich, wann er endlich seine Großmutter Agnieszka treffen wird. Doch das Geheimnis um ihre Flucht halten die Eltern selbst am Weihnachtstag aufrecht...

Die Geschichte spielt 1990 nach dem Fallen des eisernen Vorhangs. In vierzig kurzen Kapiteln erzählt der Autor von der Flucht und der ersten Zeit in Deutschland. Dazu gibt es immer wieder Rückblicke in die nahe Vergangenheit, in die damals sehr unruhige Zeit in Polen. Mariusz Hoffmann wechselt dabei zwischen verschiedenen zeitlichen Ebenen, die nicht wirklich gekenntzeichnet sind. Das hat mich manchmal in meinem Lesefluss gebremst.

Die erste Hälfte hat mir sehr gut gefallen. Der Schreibstil ist humorvoll. Besonders geschmunzelt habe ich über die Episode mit dem Gartenzwerg. Es gibt jedoch auch einige kritische Töne.
Die Zeit in Polen und die Flucht wurde sehr bildhaft und emotional dargestellt. Ich habe mit Jarek und seinen Eltern an der Grenze mitgezittert und die Anspannung gespürt, war entsetzt von den Auffanglagern, in die sie untergebracht wurden und neugierig auf die verschiedenen Menschen, die sie getroffen haben. Die pfiffige Monika nimmt dabei einen größeren Teil ein. Jarek und seine Familie erkennen bald, dass die Bürokratie in Deutschland eine größere Hürde ist, als sie dachten. Die Behördenwege sind lange und aufreibend, die Aufnahme durch die Bewohner nicht immer herzlich. Ihnen schlagen viele Vorurteile und typische Klischees entgegen. Wir begleiten Jarek und seine Familie in eine ungewisse Zukunft, die nicht ganz so rosig aussieht, wie sie dachten.

Die zweite Hälfte konnte mich hingegen nicht mehr so mitreißen. Die Figuren werden nicht greifbarer und bleiben eher blass. Von den Gefühlen und Ängsten der Eltern hat man kaum etwas erfahren. Einzig Jarek konnte ich durch die Ich-Perspektive besser kennen lernen. Der Aufenthalt in Deutschland war zeitweise auch etwas langatmig. Das Ende bleibt leider auch etwas offen.

Fazit:
Das Buch hat mir in der ersten Hälfte sehr gut gefallen, jedoch fand ich die zweite Hälfte leider nicht mehr so stark. Mir fehlte etwas die Tiefe der Figuren und die emotionale Erzählweise, die bis zur Ausreise vorhanden war. Dennoch finde ich die Thematik - besonders für Jugendliche - sehr interessant und aufschlussreich und empfehle den Roman für diese Altersgruppe gerne weiter.

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