Profilbild von tinstamp

tinstamp

Lesejury Star
offline

tinstamp ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit tinstamp über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.07.2022

Tödliche Heilmittel

Die versteckte Apotheke
0

Ich muss zugeben, dass ich mir mit meiner Rezension sehr schwer tue. Die Geschichte hat mich auf den ersten 200 Seiten richtig geflasht und ich war mir sicher hier ein weiteres 5 Sterne Buch in meinen ...

Ich muss zugeben, dass ich mir mit meiner Rezension sehr schwer tue. Die Geschichte hat mich auf den ersten 200 Seiten richtig geflasht und ich war mir sicher hier ein weiteres 5 Sterne Buch in meinen Händen zu halten. Doch leider konnte die Autorin die Spannung nicht durchgehend aufrecht halten. Ich hatte plötzlich keine Mühe mehr das Buch kurz zur Seite zu legen und das Ende war mir etwas zu konstruiert. Trotzdem lässt sich die Geschichte sehr flüssig lesen und ich habe mich wirklich gut unterhalten. Nur nach dem fulminanten Beginn war ich etwas enttäuscht. Das ist jedoch Meckern auf hohem Niveau, weil man sich ganz einfach wünscht, dass die Geschichte genauso spannenend und interessant weitergeht....

London 1792. Als Leser lernt man zuerst Nella kennen, die Apothekerin aus dem Klappentext, die sich nach dem frühen Tod ihrer Mutter und einer unglücklichen Liebe zwar weiter den geliebten Kräutern widmet, jedoch auf andere Weise. Während ihre Mutter in ihrer Apotheke Arzneien herstellte, um Kranke zu heilen oder deren Leid zu mildern, hat sich Nella auf die dunkle Seite begeben. Wer kennt sie nicht, die Pflanzen, die in der richtigen Dosierung verabreicht, statt hilfreich plötzlich tödlich sind? Genau damit handelt Nella. Hinter einer gut getarnten Adresse bereitet sie genau diese Form von Arzneien zu. Es sind Giftmischungen für Frauen, die sich vor übergriffigen Dienstgebern, untreuen Ehemännern oder geldgierigen Brüdern schützen wollen und diese ins Jenseits befördern. Dabei hält sich Nella an zwei Regeln. Regel Nummer Eins: Einer Frau darf niemals Leid zufügt werden. Regel Nummer Zwei: Jede ihrer Kundinnen wird in ihrem Tagebuch verewigt, um sie für die Nachwelt "unsterblich" werden zu lassen.
Als eines Tages das zwölfjährige Dienstmädchen Eliza in Nellas Apotheke auftaucht, setzt sich ein gefährliche Abfolge von Ereignissen in Gang, in deren Folge Nella gezwungener Maßen gegen ihre eigene Regel verstoßen muss.....und so nimmt das Unglück seinen Lauf.

Zweihundert Jahre später findet die Amerikanerin Caroline bei einem "mudlarking" (im Flussschlamm nach Wertgegenständen suchen) eine Phiole mit einer seltsamen Gravur. Um sich von ihren Eheproblemen abzulenken, stürzt sie sich auf die Recherche zur Herkunft ihres Fundes und stößt auf die Giftmischerin aus dem 18. Jahrhundert. Gemeinsam mit einer Bibliothekarin sucht Caroline hinter das Geheimnis ihres Fundes zu kommen...

Erzählt wird die Story aus drei unterschiedlichen Sichtweisen und zwar aus der von Nella, der zwölfjährigen Eliza und Caroline. Der Perspektivenwechsel treibt das Lesetempo voran. Die Figuren sind nicht vollkommen umd machen Fehler und genau das macht sie auch glaubwürdig und sympathisch.
Zu Nella und Eliza fand ich sofort Zugang. Die Autorin hat die düstere Atmosphäre von London im späten 18. Jahrhundert wunderbar eingefangen. Durch den altertümlichen Stadtplan, der auch in der Geschichte eine wichtige Rolle spielt, können wir den Figuren durchs alte London folgen und der alte Apothekerschwur auf der ersten Seite stimmt den Leser bestens auf die Geschichte ein.

Bei Caroline tat ich mich hingegen etwas schwerer. Fand ich ihre Neugierde anfangs noch spannend, waren mir ihre Nachforschungen teilweise etwas zu weit hergeholt. Mir fiel es schwer zu glauben, dass eine Touristin innerhalb kürzester Zeit die versteckte Location findet, die zweihundert Jahre lang unentdeckt geblieben ist. Ihre Recherche verlief für mich ebenfalls viel zu glatt. Außerdem fragt man sich, ob die Machenschaften der Apothekerin nicht schon viel früher hätte auffliegen müssen. Und zu Ende hin hat die Autorin einen überraschenden Plottwist im Vergangenheitsteil eingebaut, der für mich leider nur unglaubwürdig wirkt.

Am Ende des Romans gibt es interessante Zusatzinformationen zu Nellas Giftapotheke und den unterschiedlichem Gebrauch von Kräutern, Pflanzen oder Käfern.

Noch ein Wort zum Buch hinter dem Umschlag. Das Hardcover ist innen genauso wundervoll bedruckt wie das abnehmbare Cover. Auf lilafarbenen und blauen Untergrund findet man die Blumen vom Cover wieder - ein wahres Schmuckstück!

Fazit:
Der Debütroman von Sarah Penner begann wirklich extrem stark und verfing sich danach leider etwas in Unglaubwürdigkeiten. Wem dies nicht stört, der wird hier einen aufregenden Roman auf zwei Zeitebenen mit einem Hauch Magie vorfinden, der auf jeden Fall in Erinnerung bleiben wird.
Den nächsten Roman der Autorin werde ich auf jeden Fall lesen und ich bin schon gespannt, welchem Thema sie sich widmen wird.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.07.2022

Konnte mich leider nicht ganz überzeugen

Der Duft der Kirschblüten
0

Gerade habe ich mir nochmals die Kurzbeschreibung durchgelesen, bevor ich mit meiner Rezension beginne, und bin gleich auf einige Spoiler und Unwahrheiten gestoßen. Das ist sehr schade! Immer wieder verraten ...

Gerade habe ich mir nochmals die Kurzbeschreibung durchgelesen, bevor ich mit meiner Rezension beginne, und bin gleich auf einige Spoiler und Unwahrheiten gestoßen. Das ist sehr schade! Immer wieder verraten Klappentexte zu viel oder erzählen Ereignisse, die erst sehr spät im Buch vorkommen.

Die junge Clara Winterfeld lebt mit ihrer Familie in Berlin. Das Teehaus, das ihr Vater führt, ist für Clara ein wunderbarer Ort, der ihre Liebe zu Tee und ihre Träume von fernen Ländern erfüllt. Als die Teehandlung nach einem Wasserrohrbruch in finanzielle Schwierigkeiten gerät und ihr Vater immer kränklicher wird, bietet Claras Kinderfreund Franz ihr die Ehe an. Unsicher, ob sie seinem Werben nachgeben soll, verlangt sie von Franz noch Bedenkzeit. Doch der junge ungestüme Mann verbreitet bereits die Nachricht, dass sie heiraten werden und Claras Familie benötigt finanzielle Hilfe, die Franz Familie anbietet. Clara träumt jedoch von Freiheit und dem japanischen Teehändler Akeno, der vor kurzem bei ihrer Familie vorstellig war. Die gemeinsame Liebe zum Tee verbindet sie, doch Akeno geht wieder zurück nach Japan....

Auf den ersten Seiten lernen wir Clara und ihre Familie besser kennen. Ihre Mutter Adele, die von einer gewissen Traurigkeit umgeben ist, ihre lebenslustige und hübsche Schwester Netty, ihr verschwenderischer Bruder August, der als Offizier beim Heer dient und der kränkelnde Vater, der an Demenz leidet.
Clara ist die Einzige in der Familie, die wie ihr Vater die Liebe zum Tee in sich spürt. Doch als Frau kann sie das Teegeschäft nicht übernehmen. Nach der Heirat mit Franz, der sie lieber als präsentative Ehefrau und Mutter sieht, wird Clara immer unglücklicher. Sie sehnt sich nach Akeno und Franz wird immer besitzergreifender....

Ich hatte ein paar Probleme mit der Liebesgeschichte zwischen Clara und Akeno, die doch viel Raum einnimmt. Der Briefkontakt zwischen den Beiden wird zwar erwähnt, jedoch erfährt man als Leser kaum etwas darüber. Auch die Verliebtheit oder Liebe zwischen den Beiden konnte ich überhaupt nicht spüren. Das Ganze wirkte für mich deshalb etwas unrealistisch.
In der Mitte empfand ich so einige Längen und zum Ende hin wurde manches immer konstruierter. Natürlich bleiben auch einige Dinge offen, denn es handelt sich hier um eine Saga (was ich vorher nicht wirklich bemerkt hatte). Zum Schluss gibt es noch eine kleine Leseprobe der Fortsetzung "Im Land der Kirschblüten".

Gut gelungen ist der Autorin hingegen die Darstellung der Charaktere. Clara hat eine erfrischende unkonventionelle Art an sich und macht im Laufe der Handlung noch eine tolle Entwicklung durch. Franz wird im Laufe des Buches immer unsympathischer und meine Abneigung gegen ihn wuchs und wuchs. Auch Adele wandelt sich zu einer stärkeren Frau und steht immer mehr zu ihrem vorher gut gehüteten Geheimnis.
Die anschauliche Beschreibung der verschiedenen Teesorten, der Gerüche und Geschmacksrichtungen, sowie Einblicke in die japanische Teekultur, haben mir ebenfalls gut gefallen.

Im Großen und Ganzen hat mich der Roman aber nur teilweise gut unterhalten und ich bin mir nicht sicher, ob ich die Fortsetzung lesen werde.

Fazit:
Der erste Band dieser Saga konnte mich nicht ganz überzeugen - vorallem die Liebesgeschichte zwischen Clara und Akeno konnte ich überhaupt nicht fühlen. Dagegen sind die Beschreibungen der verschiedenen Teesorten gelungen, wie auch die Charakterdarstellung. Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Fortsetzung lesen werde und denke eher nicht...

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.07.2022

Sommer der Veränderung

Hard Land
0

Ich liebe Bücher, die in den Achziger Jahren spielen und mich an meine eigene Jugend erinnern. Benedict Wells hat dieses Gefühl, mich in dieser Zeit wiederzufinden, sehr gut umgesetzt, obwohl die Geschichte ...

Ich liebe Bücher, die in den Achziger Jahren spielen und mich an meine eigene Jugend erinnern. Benedict Wells hat dieses Gefühl, mich in dieser Zeit wiederzufinden, sehr gut umgesetzt, obwohl die Geschichte in den USA spielt und er selbst erst 1984 geboren wurde.
Letztes Jahr habe ich von Ewald Arenz "Ein großer Sommer" gelesen, das ebenfalls ein Comining-of-Age Roman ist und in den Achzigern spielt. Für mich ebenfalls ein 5 Sterne Buch.

Sam ist ein schüchterner 15jähriger Junge, dessen bester Freund vor kurzem mit seiner Familie aus der aussterbenden Kleinstadt Grady weggezogen ist. Seit der größte Arbeitgeber die Produktionsstätte verlegt hat, verlassen die Einwohner nach und nach den Ort in Missouri. Durch die Schließung der Firma ist auch Sam's Vater arbeitslos geworden. Seine schwerkranke Mutter arbeitet weiterhin in ihrer Buchhandlung. Die Ferien soll Sam bei seinen Kousins verbringen, was dieser ablehnt. In der Not sucht er sich einen Ferialjob im einzigen Kino, wo er auf Kristie, die Tochter des Kinobesitzers, Cameron und "Hightower" trifft. Alle drei sind älter als Sam und haben die Schule beendet. Im Herbst wechseln sie aufs College und werden Grady verlassen.
Sam ahnt noch nicht, dass dieser Sommer für ihn immer in Erinnerung bleiben wird und das nicht nur, weil seine Mutter sterben wird. Das ist kein Spoiler, denn diese Tatsache wird bereits im ersten Satz des Buches erzählt.

Wir begleiten Sam durch den Sommer. Es sind elf Wochen, die er mit seinen neuen Freunden verbringt, seinen ersten Ferialjob hat und sich zum ersten Mal verliebt.
Sam ist ein Außenseiter und seit sein einziger Freund Grady verlassen hat, ziemlich einsam. Zu seinem arbeitslosen Vater hat er keinen wirklichen Zugang, seine ältere Schwester hat die Kleinstadt schon als junges Mädchen verlassen und seine Mutter ist schwerkrank. Sam war mir von Beginn an sympathisch. Er steht genau an der Schwelle zum Erwachsen werden und erlebt einen unvergesslichen Sommer, der nicht nur positives für ihn bringt, ihn aber reifen lässt. Durch den Zuspruch seiner neu gewonnen Freunde findet er etwas Abwechslung und kommt mehr aus sich heraus. Seine Gedanken kreisen nicht immer nur um seine kranke Mutter, sondern auch um Freundschaft, erste Liebe und Abenteuer. Die Entwicklung von Sam ist wunderbar beschrieben und spannend zu lesen. Trotz einiger schwerer Themen schimmert in Wells Roman immer wieder Lebensfreude, Hoffnung und Optimismus durch.

Für mich sind Kirstie, Cameron und "Hightower" doch etwas klischeehaft geworden. Kirstie ist ein etwas ausgeflipptes junges Mädchen, das immer wieder ihre Grenzen austestet. Film-Nerd Cameron hat Angst vor seinem Coming-out und "Hightower" ist zwar der lokale Sport-Star, aber schwarz. Somit hat Wells auch das momentan vielbesprochene Thema LGBTQ in seinen Roman mit eingebaut.
Hier kommt neben dieser etwas kleinen negativ angehauchten Einschätzung auch mein einziger Kritikpunkt. Das Ende. Ich fand es etwas zu unglaubwürdig und kitschig und wäre mit einem anderen Schlusspunkt besser zurechtgekommen. Aber das ist natürlich Ansichtssache und verändert auch meine Bewertung nicht.

Interessant fand ich, wie Wells das Spiel mit dem Roman im Roman verwendet hat. In der Kleinstadt gibt es einen berühmten Autor, dessen Buch „Hard Land“ regelmäßig alle Schüler lesen müssen und trotzdem nicht verstehen. Es ist eine Geschichte über das Erwachsenwerden und der Begriff Coming-of-Age wird direkt im Buch erklärt.

Besonders gefreut habe ich mich natürlich auf das Achziger Jahre Feeling und das Kino. Ich bin selbst ein Kino-Fan und habe meine Jugend in diesem Jahrzehnt verbracht. Die Musik von Billy Idol, INXS und ELO begleiteten auch mich durch diese Zeit, genauso wie Marty McFly aus "Zurück in die Zukunft".

Fazit:
Ein wundervoller Roman über das Erwachsenwerden, authentisch und ruhig erzählt. Benedict Wells lässt die Achziger Jahre wieder auferstehen und den Leser elf Wochen lang Sam während eines wichtigen Lebensabschnittes begleiten. Von mir gibt es eine Leseempfehlung!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.07.2022

Frauenrechte, Gift, Menschenhandel - alles vereint

Die Hafenärztin. Ein Leben für das Glück der Kinder (Hafenärztin 2)
0

Nachdem mich der erste Band der Hafenärztin Anne Fitzpatrick sehr positiv überrascht hat, wartete ich schon gespannt auf Teil zwei. Der Mix aus historischen Roman und Krimi hat es mir nämlich angetan.

Zu ...

Nachdem mich der erste Band der Hafenärztin Anne Fitzpatrick sehr positiv überrascht hat, wartete ich schon gespannt auf Teil zwei. Der Mix aus historischen Roman und Krimi hat es mir nämlich angetan.

Zu Beginn der Geschichte befinden wir uns im Jahre 1911. Der Generaldirektor der Hapag, Albert Ballin, hat zur Jahrhundertwende Massenunterkünfte für Auswanderer erschaffen.
Ich war 2019 im Auswanderer-Museum in Hamburg und hatte dadurch diese Szenen lebhaft vor Augen. Anne Fitzpatrick kümmert sich als Vertretung von Doktor Tergit in den Auswandererhallen um die Menschen, ihre Bekannte Helene Curtius ist als Praktikantin während ihrer Lehrerinnenausbildung ebenfalls vor Ort. Als es unter den Kindern zu ungewöhnlichen Todesfällen kommt, versucht Anne herauszufinden, was hinter den plötzlichen Erkrankungen und Todesfällen stecken könnte....

Ich war wieder sehr schnell mitten im Geschehen und habe das Buch kaum aus der Hand legen können. Abwechselnd wird aus der Sicht von Anne, Helene und Kommissar Berthold Rheydt erzählt. Alle drei Hauptfiguren sind interessante Charaktere und wunderbar gezeichnet. Durch den Perspektivenwechsel fühlt und fiebert man als Leser mit ihnen mit.
Der Zeitgeist wurde von der Autorin ganz wunderbar eingefangen. Henrike Engel schreibt temporeich, atmosphärisch und bildhaft. Neben dem Krimianteil steht wieder die Frauenbewegung im Vordergrund. Als Leser dürfen wir sogar hautnah beim ersten Frauentag am 19. März 1911 in Hamburg mit dabei sein.

Anne Fitzpatrick betreibt in der Zwischenzeit eine eigene kleine Praxis nahe des Gängeviertels. Noch immer schlägt ihr Argwohn entgegen, vorallem vom medizinischen Personal in den Auswandererhallen. Doch auch von anderer Seite weht ihr ein starker Gegenwind entgegen....
Helene ist bereits im letzten Drittel ihrer Lehrerinnenausbildung angekommen. Sie plagen jedoch plötzlich Zweifel, ob sie den richtigen Beruf gewählt hat. Zu Herzen geht ihr auch die baldige Verlobung ihrer besten Freundin Paulina. Sie kann den zukünftigen Mann ihrer Freundin nicht ausstehen und befürchtet Paulina dadurch zu verlieren. Helene rückt in diesem zweiten Teil noch mehr in den Vordergrund und sticht dabei Anne fast aus. Aus der verwöhnten, aber widerspenstigen Pastorentochter ist eine engagierte und willenstarke Frau geworden. Sie steht an einem Scheideweg und versucht herauszufinden, wer sie in Zukunft sein möchte.
Auch Berthold Rheydt hat seine Dämonen noch nicht abgelegt. Er sieht noch immer seine verstorbene Frau und seinen Sohn in einigen Situationen vor sich. Doch es scheint sich ein neues Glück für ihn anzubahnen...in der Liebe und im Fußballspiel. Erstmals darf er im Hauptkader von St.Pauli mitspielen.

In "Ein Leben für das Glück der Kinder" hat Rheydt es gleich mit zwei Mordfällen zu tun, die einen gemeinsamen Schnittpunkt haben. Bis dieser gefunden wird, dauert es jeodch einige Zeit.
Die Kriminaltechnik dieser Zeit ist richtig spannend. Rheydt ist einer der ersten, der die Finderabdrücke, die damals noch auf Karteikarten verglichen werden, analysiert.
Mord, Gift, Frauenhandel und skrupellose Zuhälter, militante Frauen, sowie eine alte Fehde beherrschen diesen zweiten Teil. Das Finale ist an Dramatik kaum zu überbieten und gipfelt in einem Showdown, der fast an heute Actionsthriller erinnert.

Fazit:
Auch der zweite Band um die Hafenärztin Anne Fitzpatrick lässt es nicht an Spannung mangeln. Neben den Morden und anderen kriminellen Machenschaften steht auch wieder die Frauenbewegung im Vordergrund. Atmosphärisch dicht und dem Zeitgeist hervorragend angepasst, ist diese Reihe wirklich gelungen. Ich freue mich schon auf den finalen Band im November.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.07.2022

Frauenpower mit Tiefgang und subtiler Ironie

Eine Frage der Chemie
0

Der Roman von Bonnie Garmus ist endlich wieder einmal etwas ganz anderes, als der Einheitsbrei, der oftmals in den Buchhandlungen aufliegt. Chemie - ein Thema, das viele weniger anspricht...doch hier stimmt ...

Der Roman von Bonnie Garmus ist endlich wieder einmal etwas ganz anderes, als der Einheitsbrei, der oftmals in den Buchhandlungen aufliegt. Chemie - ein Thema, das viele weniger anspricht...doch hier stimmt ganz einfach die Chemie!

In "Eine Frage der Chemie" befinden wir uns in den späten 50iger und frühen 60iger Jahre in den Vereingten Staaten. Elisabeth Zott hat ihr Chemiestudium mit Auszeichnung beendet, doch der Doktortitel bleibt ihr verwehrt. Die Männer sind der Ansicht, dass Frauen an den Herd oder höchstens hinter die Schreibmaschine im Vorzimmer gehören, aber nicht als Wissenschaftlerin arbeiten sollen. Doch Elisabeth ist damit nicht zufrieden und auch nicht auf den Mund gefallen. Ihr Fachgebiet ist die Abiogenese (Mechanismen, die die Entstehung von Lebenwesen aus anorganischen und organischen Stoffen aufgrund naturwissenschaflitcher Hypothesen erklären). Ihre Arbeit wird jedoch nicht ernstgenommen und statt einen Arbeitsplatz als Chemikerin, bekommt sie im Forschungsinstitut Hasting den der Laborassistentin - obwohl sie viel klüger als ihre männlichen Kollegen ist. Immer wieder ist Elisabeth den Intrigen und Übergriffen ihrer männlichen Kollegen ausgesetzt. Einzig der für den Nobelpreis vorgeschlagene Chemiker Calvon Evans erkennt ihre Fähigkeiten. Die Chemie zwischen den beiden Außenseitern stimmt perfekt und die beiden Wissenschaftler werden ein Paar. Doch das Glück endet jäh und Elisabeth muss sich als Alleinerzieherin durchs Leben schlagen....

Bonnie Garmus hat einen ganz besonderen Erzählstil. Ihre subtile Ironie mochte ich sehr. Der Roman ist eine gelungene Mischung aus schwarzem Humor und Tiefgang. Dazu kommt etwas märchenhaftes und skurrilles. Das große Thema ist aber die Diskriminierung der Frauen. Trotzdem ist es kein Emanzenroman.
Elisabeth kämpft gegen diese Benachteiligung und gibt den Frauen durch ihre TV-Präsenz in "Essen um sechs" Mut und Selbstvertrauen. Dabei greift sie zu Mittel, die sie kennt: chemische Reaktionen. Kochen ist für Elisabeth eine dieser Reaktionen, denn Chemie bedeutet Veränderung der Zustände. Durch die Blume fordert Elisabeth ihre Geschlechtsgenossinnen auf ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Ich musste mich immer wieder selbst fragen, wie weit die Emanzipation in diesen siebzig Jahren fortgeschritten ist und sehe leider noch immer so einige Parallelen zu damals. Wenn man sich in der Weltgeschichte umsieht, hat man sogar das Gefühl, dass sich vieles wieder rückwärts bewegt....

Elisabeth Zott ist eine Realistin und Atheistin. Sie will nicht verstehen, warum es Frauen nicht möglich gemacht wird, in denselben Berufen wie Männer zu arbeiten oder sich bestimmten Rollenbildern unterzuordnen. Sie stellt Strukturen und Machtverhältnisse in Frage. Sie ist eine ungewöhnliche, starke und inspirierende Frau, die jedoch auch manchmal etwas eigenartig wirkt. Sie lässt sich nicht unterkriegen und verliert nie den Mut für ihre Ideale zu kämpfen.
Ganz besonders habe ich aber Halbsieben ins Herz geschlossen - der etwas andere vierbeinige Begleiter.
Einige Handlungen sollte man vielleicht nicht wirklich hinterfragen, wie die etwas andere Kochshow, die Elisabeth Erfolg bringt. Hierzulande hätte diese wohl keinen großen Erfolg gehabt..... Auch die Beziehung zu Halbsieben oder ihrer hochbegabten Tochter Mad(eleine) fand ich oftmals fragwürdig. Vieles ist überzeichnet und wirkt skurrill.
Einige kleine Längen im Mittelteil werden durch den insgesamt charmanten Schreibstil wieder schnell vergessen.....Ich empfehle "Eine Frage der Chemie" sehr gerne weiter.


Fazit:
Ein etwas anderer Roman mit einer starken und inspirierenden Protagonistin. Die Geschichte hat Tiefgang, beinhaltet aber auch eine subtile Ironie, die man selten findet. Märchenhafte oder überzeichnete Passagen werden durch den ganz besonderen Erzählstil der Autorin und dem Thema Gleichberechtigung abgeschwächt. Ich empfehle diese vielschichtige Geschichte gerne weiter!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere