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Veröffentlicht am 15.02.2022

Mordsfreunde

In ewiger Freundschaft (Ein Bodenstein-Kirchhoff-Krimi 10)
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Nach etwas längerer Zeit ist endlich wieder ein Taunus-Krimi von Nele Neuhaus erschienen. Es ist der bereits zehnte Fall von Pia Sander, ehemalige Kirchhoff, und Oliver von Bodenstein. Ehrlich gesagt habe ...

Nach etwas längerer Zeit ist endlich wieder ein Taunus-Krimi von Nele Neuhaus erschienen. Es ist der bereits zehnte Fall von Pia Sander, ehemalige Kirchhoff, und Oliver von Bodenstein. Ehrlich gesagt habe ich das sympathische Team schon sehr vermisst.

Vermisst wird auch die bekannte Agentin Heike Wersch, die seit Jahrzehnten beim Winterscheid Verlag arbeitet. Als Pia sich zum Haus von Heike Wersch begibt, findet sie einen alten angeketteten Mann im Obergeschoß und Blutspuren in der Küche. Die Frau bleibt allerdings zuerst verschwunden und Pia und Oliver suchen verzweifelt nach der Gefangenen oder ihrer Leiche.
Heike Wersch war keine sehr beliebte Zeitgenossin. Als die langjährige Mitarbeiterin des Verlages gekündigt wird, wirft sie ihrem Autor Severin Velten ein Plagiatsvergehen vor. Somit fällt der erste Verdacht auf den Erfolgsautor, der untergetaucht zu sein scheint. Er war jedoch nicht der Einzige, den sie beleidigt oder Steine vor die Füße geworfen hat. Daher gibt es mehr als genug Verdächtige, die Heike Wersch am liebsten eine Lektion erteilt hätten. Als die Leiche der Frau gefunden wird und ein weiterer Mord geschieht, stoßen Pia und Oliver auf ein gut gehütetes Geheimnis...

Auch diesmal haben wir wieder einen Strang aus der Vergangenheit, der in den Achziger Jahren spielt. Carl Winterscheid, der neue Chef des Verlages, wird ein Manuskript zugespielt, das angeblich seine verstorbene Mutter geschrieben hat. Dieses ist allerdings unvollständig und scheint eine wahre Geschichte zu erzählen - eine, bei der es um Mord geht. Eine fest verbandelte Jugend-Clique verbringt jedes Jahr die Sommerferien in einem Haus in Frankreich. 1983 kommt jedoch einer von ihnen, Götz Winterscheid, zu Tode. Einige wenige Seiten dieses Manuskriptes, das wie ein Tagebuch geschrieben ist, erhalten auch andere Verlagsmitarbeiter, die Mitglieder dieser Freundesclique waren. Doch warum? Und wer hatte dieses Manuskript jahrelang bei sich?

Nele Neuhaus lässt den Leser mit ihrem neuen Kriminalfall etwas tiefer in die Verlagsbranche blicken. Vergeistigte Autoren, deren Zenit schon lange überschritten ist und die denken ohne sie geht der Verlag zugrunde, werden ebenso thematisiert, wie der Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und Anspruch. Das fand ich ziemlich spannend. Außerdem greift die Autorin eine witzige Idee auf. Sie lässt Henning Kirchhoff, Pias Exmann und Pathologe, als neuen Stern am Autorenhimmel aufsteigen. Er veröffentlicht im Winterfeld Verlag gerade seinen zweiten Krimi, der denselben Titel trägt wie das Buch aus der Taunusreihe der Autorin. Eine witzige Idee.

Während sich die Ermittlungen zuerst mangels Anhaltspunkten schwierig gestalten, werden sie zum Ende hin richtig spannend. Ab der Mitte werden die familiären Verwicklungen immer komplizierter und gehen langsam in die Richtung, die uns aufzeigt, worum es hier eigentlich geht. Liebe, Neid und Enttäuschungen sind zentrale Themen im Buch. Der Spruch "Der Feind meines Feindes ist mein Freund " gewinnt zunehmend an Bedeutung.
Besonders gut gefallen haben mir Carl Winterscheid, der neue Verlagschef, der aber auch durchaus zu den Verdächtigen zählt, sowie Hennings Lektorin, Julia Bremora. Sie teilt so manche Erkenntnisse mit dem Leser, auf die die Ermittler erst noch kommen müssen. Nele Neuhaus erzählt nämlich nicht nur aus der Sicht von Pia und Oliver, sondern auch aus der Julias, was die Spannung deutlich erhöht.
Allerdings greift die Autorin auch auf einen alten Fehler zurück, der besonders in ihren ersten Werken auftritt: zu viele Figuren. Trotzdem hatte ich diesmal kaum Probleme die Charaktere zuzuordnen. Das Personenverzeichnis zu Beginn des Romans ist ebenfalls hilfreich.

Es gibt auch wieder viele Einblicke ins Privatleben der Ermittler, wobei es diesmal fast ausschließlich um Oliver von Bodenstein geht. Seine zweite Ehe scheint ebenfalls zu scheitern und seine erste Frau Cosima ist schwer erkrankt.

Der Schreibstil war wie gewohnt flüssig und detailliert. Der Fall ist ziemlich komplex. Man spürt die vielen Seiten kaum, auch wenn in der Mitte einige Längen aufkommen. Das äußerst rasante Ende hat mich an die Seiten gefesselt und gipfelt in einem Showdown, der mir sehr gut gefallen hat.

Fazit:
Der komplexe Jubiläumskrimi spielt diesmal in der Verlagsbranche. Als langjährige Leserin der Autorin hatte ich wieder viel Freude mit ihrem neuen Krimi und den sympathischen Ermitllern. Trotz kleiner Längen in der Mitte ist die Geschichte allen Pia Sander und Oliver von Bodenstein Fans zu empfehlen - und allen, die es noch werden wollen.

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Veröffentlicht am 12.02.2022

Anfänge der Klinik Waldfriede

Sternstunde
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Nachdem ich die letzte Reihe von Corina Bomann noch nicht gelesen habe, freute ich mich sehr auf ihre neue Tetralogie rund um die Waldfriede Klinik in Berlin. Inspiriert von ihrem eigenem Aufenthalt und ...

Nachdem ich die letzte Reihe von Corina Bomann noch nicht gelesen habe, freute ich mich sehr auf ihre neue Tetralogie rund um die Waldfriede Klinik in Berlin. Inspiriert von ihrem eigenem Aufenthalt und den teilweise sehr gut erhaltenen und großzügigen Niederschriften über die Anfänge der Klinik, hat Carina Bomann sich das Waldfriede als Setting für ihre Reihe vorgenommen.

Die junge Adventistin Hanna arbeitet als Krankenschwester im Sanatorium Friedensau. Erst vor kurzem hat sie ihren Verlobten Martin an den Krieg verloren und leidet seitdem an einem Trauma. Bei jedem schwerverletzten Mann bekommt sie Panikattacken und sieht wieder Martin vor sich, was für eine Krankenschwester nicht wirklich hilfreich ist. Doch dann bekommt Hanna ein Angebot von Doktor Conradi, der in Zehlendorf eine neue Klinik aufbauen möchte. Er bietet ihr einen Platz im Klinikum Waldfriede und einen Kurs zur Röntgenassistentin an. Sie käme nicht mit schwerverletzten Männern zusammen und Doktor Conradi hätte eine fähige Schwester in seiner neuen Klinik. Doch als Hanna nach Waldfriede kommt, ist das ehemalige Kriegslazarett in einem schlimmen Zustand. Schimmel und Dreck, sowie verfallene Gemäuer sind nicht gerade einladend. Es gibt noch jede Menge zu tun bis das Haus überhaupt eröffnen kann. Hanna muss Böden und Schränke schrubben und Betten reparieren. Zusätzlich muss Dr. Conradi gegen so einige Intrigen ankämpfen und der Gemeinde innerhalb von zwei Jahren einen gut laufenden Betrieb prasentieren. Trotz der harten Arbeit und den kärglichen Mahlzeiten, strengen moralischen Regeln und kaum Freizeit fühlt sich Hanna in Waldfriede wie zuhause. Sie wird Sprechstundenhilfe von Doktor Conradi und Röntgenschwester auf den neuen Röntgengeräten, die damals erst in wenigen Kliniken vorhanden sind. Beiden liegt das Wohl der Patienten sehr am Herzen, beide leben für ihre Arbeit und für das Krankenhaus. Hanna genießt das gute Verhältnis und Vertrauen zu ihrem Chef, das ihr allerdings nicht nur Sympathie bei den Kolleginnen einbringt.
Mit der Zeit verblasst das Bild ihres Verlobten immer mehr. Als der sympathische neue Arzt Alexander im Haus Waldfriede anfängt, steht Hanna bald vor der Wahl: Beruf oder Liebe. Als Adventistin gibt es nur die Möglichkeit Oberschwester und unverheiratet zu sein oder durch die Heirat den Beruf aufzugeben. Aber Hannas Herz hängt auch noch am attraktiven, aber verheirateten Dr. Conradi.....

Der erste Band spielt von 1916 bis 1929. Corina Bomann erzählt ihre Geschichte aus zwei Perspektiven und zwar aus der von Hanna und der von Dr. Louis Conradi, den tatsächlichen Gründer der Waldfriede Klinik. Die beiden Erzählperspektiven geben einen guten Einblick auf die Sicht des Arztes und seinen Bestrebungen eine Klinik zu betreiben, die ihresgleichen sucht. Zusätzlich erfahren wir mehr aus der Perspektive von Hanna Richter, die zwar eine fiktive Figur ist, aber an die Krankenschwester Hanna Rinder angelehnt ist. Diese hat in ihren Aufzeichnungen viele Informationen hinterlassen, die den Alltag und den Ablauf in der Klinik beschreiben.

Corina Bomann hat diese schwere Zeit des Aufbaus sehr gut dargestellt. Durch die Inflation verschwand der Wert des Geldes in Rekordtempo und die Adventisten waren oftmals auf die Hilfe ihres "Mutterhauses" angwiesen. Die Schwestern bekamen als Bezahlung Kost und Logis und konnten sich nicht einmal neue Schuhe oder Kleider kaufen. Gegessen und geschlafen wurde ebenfalls in der Klinik. Der medizinische Fortschritt dieser Zeit zeigt sich besonders durch einen Aufenthalt von Dr. Conradi in Amerika.

Der Schreibstil lässt sich wie immer flüssig und angenehm lesen. Man fliegt nur so durch die 600 Seiten. Die Charaktere sind sehr lebendig dargestellt und ich hatte von allen ein richtiges Bild im Kopf. An manchen Stellen hätte ich mir allerdings noch ein bisschen mehr Spannung gewünscht. Der Klappentext erwähnt viele Hindernisse, die Dr. Conradi beim Aufbau der Klinik bewältigen muss. Die gibt es auch, doch lösten sich diese für meine Begriffe zu schnell auf oder verliefen im Sand. Erst direkt durch die Nachfrage bei der Autorin bei der Leserunde habe ich dann erfahren, dass es dazu noch einige weiterführende Handlungen in den kommenden Teilen geben wird. Wenn man das nicht weiß, fehlen einem einige Informationen....

Noch heute ist der Träger der Klinik die evangelische Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten. Mir war diese Glaubensgemeinschaft bis heute unbekannt, die in Amerika von einer Frau gegründet wurde. Die Mitglieder sind sehr gläubig und halten wie die Juden am Samstag Sabbat ab.

Fazit:
Vier Sterne für diesen interessanten Auftaktband. Das Datum der Veröffentlichung des zweiten Bandes habe ich mir bereits notiert, denn ich möchte natürlich auch über die Kinderschwester Lilly, sowie über die weiteren Jahre im Haus Waldfriede erfahren.

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Veröffentlicht am 09.02.2022

Wer ist der Feuerteufel?

Feuer im Alten Land
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"Feuer im Alten Land" ist mein zweiter Krimi von Hanna Paulsen, der mich wieder großartig unterhalten und spannende Lesestunden gebracht hat.

Polizeireporterin Gesa Jansen ist gerade bei einem kleinen ...

"Feuer im Alten Land" ist mein zweiter Krimi von Hanna Paulsen, der mich wieder großartig unterhalten und spannende Lesestunden gebracht hat.

Polizeireporterin Gesa Jansen ist gerade bei einem kleinen Brandeinsatz um für die Hamburger Abendpost zu berichten. Seit einiger Zeit versetzt ein Feuerteufel die Gegend in Angst und Schrecken. Kaum hat sie ihre Fotos geschossen, geht der Alarm wieder los. Die Ortsangabe des nächsten Einsatzes lässt Gesas Atem stocken. Es ist die Straße, in der sich das Hotel ihrer Eltern befindet. Kurze Zeit später steht sie fassungslos vor ihrem brennenden Elternhaus, dessen Besitzer ihr Bruder Gunnar ist. Schon bald steht Gunnar, der Feuerwehrmitglied ist, unter Verdacht des Versicherungsbetruges. Gesa lässt diese Verdächtigungen nicht auf ihn sitzten und beginnt auf eigene Faust nachzuforschen. Wäre sie nicht zu klein für den Polizeidienst gewesen, könnte sie jetzt offiziell ermitteln.
Björn Dalmann aus dem Kulturressort, der ihr schon beim letzten Mal als Partner zugewiesen wurde, hilft ihr auch diesmal wieder aus. Das ist gut so, denn Gesa gerät immer mehr ins Visier der Polizei. Ihre Chefin Maike Thomsen versucht hingegen aus der familiären Tragödie mehr für die Hamburger Abendpost herauszuschlagen. Sie verlangt von Gesa den Fall noch vor der Polizei aufzuklären und die Titelstory zu liefern. Als Gunnar jedoch immer mehr ins Visier der Ermittler gerät, wird Gesa von der Berichterstattung abgezogen. Sie soll stattdessen über das große Apfelblütenfest in Cranz und die Wahl der Apfelblütenkönigin berichten. Gesa ist davon genervt und findet es furchtbar langweilig. Als jedoch die noch regierende Apfelblütenkönigin Caroline, die im Hotel von Gunnar arbeitet, nicht zur Übergabe des Titels auftaucht und die Sirene wieder erschallt, ist die Hölle los...

Auch diesmal hat mir das Zusammenspiel der beiden Reporter sehr gut gefallen. Björn ist der Ruhepol der Beiden und ein sehr sympathischer Mann. Gemeinsam sind sie ein kleines Dream-Team, das immer besser zusammenarbeitet, auch wenn Gesa ihm noch immer nichts über ihre schlimmen Erfahrungen als Kriegsreporterin in Syrien und die Folgen daraus, erzählt hat. Der Fokus in diesem Teil liegt aber eindeutig bei der Familie von Gesa.
Die Figuren sind sehr lebendig und facettenreich gezeichnet - bis hin zum kleinsten Nebencharakter. Auch das Lokalkolorit kommt nicht zu kurz. Besonders das Apfelblütenfest und die Verbundenheit zum Alten Land wurden sehr bildhaft dargestellt.

Der Fall ist wieder super spannend. Der langsame und raffinierte Aufbau der Geschichte ist absolut gelungen. Ich habe mit Gesa und Björn mitgefiebert und um Gunnar gebangt, der als mutmaßlicher Feuerteufel den Zorn der Einwohner von Cranz und Umgebung zu spüren bekommt. Die dörfliche Neidgesellschaft, sowie die üblen Verleumdungen, die sich sehr schnell bilden, sind hervorragend dargestellt. Ich komme selbst aus einem kleinen Dorf und weiß, wie schnell sich Gerüchte verbreiten. Ich habe mitgerätselt und versucht unter all den Verdächtigen, den Brandstifter zu finden. Immer wieder musste ich meine Mutmaßungen ändern, denn Hanna Paulsen legt so einige falsche Fährten.
Ich bin wieder begeistert von diesem weiteren Fall und freue mich sehr eine tolle neue Krimiautorin entdeckt zu haben.

Fazit:
Ein spannender Krimi mit facettenreichen Charakteren. Die Autorin konnte mich auch ein zweites Mal richtig überzeugen und ich freue mich schon auf weitere fesselnde Krimiabenteuer. Von mir gibt es eine Leseempfehlung für beide Teile der Reihe!

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Veröffentlicht am 08.02.2022

Schuld und ein Geheimnis

Das Geheimnis
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Die Rezension zu Ellen Sandbergs neuem Roman fällt mir diesmal etwas schwer. Bisher hat mir von ihren Romanen, die sie unter Pseudonym schreibt, ihr erstes Buch "Die Vergessenen" am besten gefallen. Dieser ...

Die Rezension zu Ellen Sandbergs neuem Roman fällt mir diesmal etwas schwer. Bisher hat mir von ihren Romanen, die sie unter Pseudonym schreibt, ihr erstes Buch "Die Vergessenen" am besten gefallen. Dieser beschäftigt sich mit dem Thema der Euthanesie im Zweiten Weltkrieg.

Diesmal haben wir in "Das Geheimnis" drei verschiedene Zeitebenen: 1945, 1975 und 2020. Zuerst sind wir in der Gegenwart bei Ulla, einer Frau Ende Fünfzig, mit der ich mich - trotz ähnlichem Alters - kaum identifizieren konnte. Frisch geschieden und ohne Existenzängste begibt sie sich an den Platz ihrer Kindheit, den sie als Neunjährige verlassen musste. Als sich ihre Eltern scheiden ließen, zog ihre Mutter Helga in eine Kommune auf einem Hof in Moosleiten am Chiemsee. Ulla liebte das freie Leben in der Natur und hatte gleichaltrige Freunde, als ihre Mutter sie von einem Tag auf den anderen zu ihrem Vater schickte und sie nicht mehr sehen wollte, was Ulla natürlich sehr verstörte. Die Beziehung zwischen Mutter und Tochter wurde dadurch sehr schwierig und bis heute leidet Ulla an dieser Zurückweisung. In Moosleiten erhofft sie sich Antworten auf einige ihrer Fragen und findet im Nachlass besprochene Kassetten, die an sie gerichtet sind.
Helga litt unter einem schweren Trauma. Die damalige Flucht aus Schlesien hat ihr Leben zerstört und ließ sie zerbrochen zurück. Sie war voller Selbsthass und selbstzerstörerisch, bis sie dann eines Tages ihrem Leben ein Ende setzte. Ulla beginnt daraufhin einige Seiten ihrer Mutter zu verstehen. Bald überfallen sie Zweifel, ob Helga wirklich Selbstmord begangen hat, da sie erst wieder eine neue Liebe gefunden hat.
Ulla kommt seit kurzem ebenfalls nicht mehr mit ihrer Tochter klar. Sandra möchte Abstand von ihrer "Helikopter-Mutter", als die sich Ulla aber keineswegs sieht.
Als dritte Frau kommt Luise ins Spiel, die schon am Mossleiten Hof wohnte, als auch Helga sich der Künstlerkommune angeschlossen hatte. Durch Luise erhofft sich Ulla ebenfalls Antworten betreffend ihrer Mutter.

Der Roman von Ellen Sandberg behandelt vorallem ein Mutter-Tochter-Problem, welches sich über drei Generationen zieht. Gestört hat mich, dass alle wohlhabend sind und keinerlei Existenzprobleme haben. Selbst Helga schien sich nie Sorgen machen zu müssen, wie sie die kommenden Wochen und Monate am Chiemsee verbringen kann. Einzig Luise muss jeden Euro umdrehen. Doch sie ist voller Neid und schwelgt noch immer in ihren Erinnerungen aus der Vorkriegszeit, wo sie ein luxuriöses Leben führte. Durch die Flucht aus Schlesien hat sie alles verloren. Sie sieht jedoch bis heute nicht ein, dass ihr kein Leben in Luxus mehr zustehen soll. Keine der drei Frauen war mir sonderlich sympathisch, denn jede von ihnen sucht die Schuld bei den anderen und nicht bei sich selbst. Sie sind zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um miteinander zu reden und kleine Probleme auszudiskutieren. Schlussendlich werden dieser immer größer bis es zur Eskalation kommt.
Die Atmosphäre im Roman wirkt dadurch manchmal etwas düster, vorallem wenn es um die etwas entartete Kunst von Helga geht.
Teilweise tritt die Handlung auf der Stelle und es gibt doch auch einige Längen. Der Schreibstil lässt sich wie gewohnt sehr gut lesen, ist bildhaft und detailliert. Die Charaktere sind lebendig, bleiben aber diesmal etwas eindimensional.
Das Ende war für mich nicht ganz schlüssig. Ich kann aber nicht näher darauf eingehen, ohne zu Spoilern. Sagen wir so...ich kann die Handlungsweise nicht ganz nachvollziehen....wer das Buch gelesen hat, weiß hoffentlich, was ich meine.

Fazit:
"Das Geheimnis" ist ein Familienroman voller psychologischer Abgründe, der für mich allerdings nicht ganz an die anderen Romane der Autorin anschließen kann. Zusätzlich sind mir alle Figuren nicht wirklich sympathisch, was aber die Bewertung deswegen nicht beeinträchtigt.

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Veröffentlicht am 06.02.2022

Starkes erstes Drittel, aber danach lässt es leider sehr nach

Die Klänge der Freiheit
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Von der Autorin Tessa Harding alias Tara Haigh habe ich bereits einige Romane gelesen, die eher in die Richtung Landscape Roman gehen. Mit "Die Klänge der Freiheit" hat sie nun andere Töne angeschlagen, ...

Von der Autorin Tessa Harding alias Tara Haigh habe ich bereits einige Romane gelesen, die eher in die Richtung Landscape Roman gehen. Mit "Die Klänge der Freiheit" hat sie nun andere Töne angeschlagen, die mir sehr gut gefallen haben. Allerdings nur bis sich wieder eine Liebesgeschichte in den Roman geschlichen hat. Warum? Das möchte ich euch erzählen....

Wir begegnen 1943 der jungen Inge, die mit ihrem Vater in Nürnberg wohnt. Gemeinsam mit ihrer Freundin Annemarie hat sie soeben die Ausbildung zur DRK-Schwester abgeschlossen. Während ihr Vater bereits die drohende Niederlage der Deutschen sieht, ist Inge davon überzeugt, dass der Sieg an Deutschland geht. Als Einsatzort wünscht sie sich Afrika und ihre Freundin Frankreich, denn während des Kurses wurde ihnen versprochen, dass die Rotkreuz-Schwestern nicht an die Front geschickt werden. Doch ihr Einberufungsbefehl sieht ganz anders aus: Das Ziel ist Charkow in Russland, direkt an der Ostfront.
Im Lazarett angekommen muss Inge feststellen, dass ihr Vater mit vielen seiner skeptischen Anmerkungen zu ofiziellen Propaganda recht hatte. Vom Endsieg ist weit und breit nichts zu sehen, die Rote Armee rückt immer näher und im Lazarett herrscht Chaos und furchtbares Leid. Die Verwundeten werden bei ihrer Ankunft je nach Verletztung "sortiert", Ärzte und Schwestern arbeiten ohne Unterlass und zusätzlich fehlt es an allen Ecken und Enden an medizinischen Material. Inge kommt sehr schnell an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Nur ihre Violine gibt ihr für kurze Zeit Hoffnung. Als sie im Musikzimmer der ehemaligen Schule spielt, hören die verletzten Soldaten im Keller ihre Musik. Ab diesen Zeitpunkt soll sie zweimal täglich für die Verletzten spielen. Als Oberstleutnant Heinrich Preuss mit einem Streifschuss ins Lazarett eingeliefert wird, möchte dieser nur von Inge gepflegt werden. Kurz vor seiner Genesung bietet ihr der Oberstleutnant an, sie zu seinem nächsten Einsatzort in Italien mitzunehmen. Er erklärt ihr direkt, dass die Rote Armee kurz vor Charkow steht und sie im Lazarett nicht mehr sicher sein wird. Inge nimmt trotz großer Gewissenskonflikte sein Angebot an....

Und genau hier hat sich leider die Geschichte für mich total geändert. Der Abschnitt in Russland wurde von Tara Haigh absolut fesselnd erzählt und das Grauen des Krieges hat mich von der ersten Seite an gepackt. Die Einsätze an der Front und im provisorischen Lazarett hat die Autorin sehr realitätsnah und glaubhaft dargestellt. Unvorstellbare Situationen und menschliches Leid haben mich tief berührt. Als Leser erkennt man sehr schnell, dass nicht nur die Soldaten an der Ostfront von Hitler und seinen Schergen verheizt wurden, sondern auch die RDK-Schwestern, die der Wehrmacht unterstellt sind. Sie wurden eingezogen wie Soldaten und bereits im Unterricht auf die Rassenideologie eingeschworen. Im Gegensatz zu den Versprechungen bei der Ausbildung landete fast die Hälfte von ihnen in der Hölle der Ostfront. Bis hierhin hätte ich 5 Sterne vergeben.
Doch angekommen in Italien spürt man vom Krieg kaum mehr etwas und die Geschichte ändert sich vollkommen. Während die Deutschen an der engsten Stelle des Stiefels Schutzwälle errichten, lebt Inge mit Oberstleutnant Heirnich Preuss und der deutschen Dolmetscherin Maria im Ort Cassino unterhalb des Klosters Montecassino, das Mutterkloster aller Benediktinerklöster, in dem sich unermessliche Kunstschätze befinden.
Dort lernt Inge den Italiener und Widerstandskämpfer Lorezo kennen und ab diesen Zeitpunkt steht die Liebesgeschichte im Vordergrund. Obwohl aus der naiven und verträumten Inge in Russland eine starke verantwortungsbewusste und hilfsbereite Frau geworden ist, steht sie mit ihrer Liebe zu Lorenzo nun zwischen den Mächten, denn die Italiener wenden sich von Hitler ab und wechseln die Seiten. Eine Liebe zum Feind im Hause eines deutschen Nationalsozialisten erscheint unmöglich.....
Leider hat mich hier die Geschichte dann verloren. Während das erste Drittel an der Ostfront sehr anschaulich und realitätsnah geschildert wird, hätte man auf die Liebesgeschichte gut verzichten können. Wirklich sehr schade!

Fazit:
Der Roman beginnt sehr stark mit realitätsnahen Schilderungen an der Ostfront, die mich sehr berührt haben. Doch ab dem Zeitpunkt, als die Handlung nach Italien wechselt, die fast 2/3 des Buches einnimmt, hat mich die Geschichte verloren, die zu einer Liebesgeschichte mutiert und der Krieg nur mehr zum Randschauplatz wird. Sehr schade nach diesem wirklich starken Beginn....

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