Kein 08/15 Spannungsroman
Die Farbe des VergessensJulia Senninger ist Präparatorin in der Gerichtsmedizin und erlebt den Schock ihres Lebens, als sie bei einer Leichensektion vor Studenten plötzlich in ihr eigenes, jedoch jüngeres Gesicht blickt. Nur ...
Julia Senninger ist Präparatorin in der Gerichtsmedizin und erlebt den Schock ihres Lebens, als sie bei einer Leichensektion vor Studenten plötzlich in ihr eigenes, jedoch jüngeres Gesicht blickt. Nur mit Mühe kann sie die Obduktion zu Ende bringen und gerät in einem Strudel von Emotionen. Vor achzehn Jahren hat sie ein Kind zur Welt gebracht und dieses im Drogenrausch auf einer Toilette liegen gelassen. Als sie kurz darauf zurückkehrt, ist das Baby verschwunden. Ist die Tote auf dem Sektionstisch ihre Tochter?
Der Beginn von "Die Farbe des Vergessens" hat es in sich und erinnert eher an einem Thriller, als an einem Spannungsroman. Ich würde die Geschichte auch eher in die Richtung des psychologischen Thrillers einordnen, auch wenn in der Mitte die Thrilleraspekte weniger werden und erst am Ende wieder aufkommen.
Der Aufbau des Spannungsromans erscheint zunächst etwas strukturlos. Die Zeitebenen verschwimmen, auch wenn diese als Tage und Jahre am Kapitelanfang angegeben werden. Dieses konturlose scheint jedoch gezielt so eingesetzt worden zu sein, denn wir befinden uns viele Zeit in Julis Kopf. Seit dem Tod ihrer Eltern geriet ihr Leben in eine Abwärtsspirale. Ihre Erinnerungen erscheinen ebenso wirr, wie die beschriebenen Erinnerungsfetzen. Damit muss man sich als Leser erst zurechtfinden, denn mit den zeitlich verschiedenen Rückblicken in die Vergangenheit verliert man leicht den Überblick. Gleichzeitig erhöht sich jedoch die Spannung und man beginnt selbst zu überlegen, was die Wahrheit sein könnte und was sich als falsche Erinnerungen in Julis Kopf eingenistet hat. Das hört sich jetzt vielleicht kompliziert an, ist es aber nicht wirklich, denn die Geschichte hat mich von Beginn an gefangen genommen und ich konnte das Buch nur schwer aus der Hand legen.
Die Gedanken und Gefühle der Protagonistin sind wanhnsinnig greifbar und bildhaft dargestellt. Die Autorin hat diese gekonnt vermittelt. Raffiniert vermischt sie dabei Wahn und Realität. Menschliche Abgründe werden aufgezeigt und enthüllen am Ende Unglaubliches. Über der ganzen Geschichte liegt eine erdrückende und schwere Stimmung, die jedoch beim Lesen nicht runterzieht.
Es gibt zahlreiche Wendungen und Überraschungen. Auch die Figuren sind individuell und
Kinder- und Jugendfreund Ömer Tak spielt für Juli dabei eine ganz besondere Rolle und bringt etwas türkischen Charme in die Geschichte. Zum Ende hin zieht das Tempo noch an und endet in einem furiosen Finale.
Kein 08/15 Spannungsroman/Thriller, sondern endlich wieder eine neue Idee, die mich begeistern konnte. Wegen den doch oftmals verwirrenden Gedankengängen und Zeitverschiebungen, sowie klitzekleinen Längen nach dem fulminaten Auftakt, reicht es nicht ganz für fünf Sterne, sondern für 4 1/2. Auf Plattformen, wo keine halbe Sterne möglich sind, runde ich hingegen gerne auf.
Fazit:
Ein ungewöhnlicher Roman, der mehr einem Thriller gleicht und sich komplett von anderen Büchern abhebt, die ich bisher in diesem Genre gelesen habe. Großartig! Es geht also doch und man kann noch neue innovative Ideen im Thriller/Spannungsroman Genre erleben. Nach "Finsterdorf" ist dies ein weiteres Buch, das mich in seiner Art überraschen konnte. Ich gebe gerne eine Leseempfehlung!