Ist Recht gleich Gerechtigkeit?
Die Wahrheit der DingeVon Markus Thiele habe ich letztes Jahr "Echo des Schweigens" gelesen und war sehr beeindruckt. Eine Mischung aus Justizkrimi und Spannungsroman. So ähnlich ist es auch bei seinem neuen Buch "Die Wahrheit ...
Von Markus Thiele habe ich letztes Jahr "Echo des Schweigens" gelesen und war sehr beeindruckt. Eine Mischung aus Justizkrimi und Spannungsroman. So ähnlich ist es auch bei seinem neuen Buch "Die Wahrheit der Dinge". Der Autor ist selbst Rechtsanwalt, was man aus seinen Auszügen im Gerichtssaal schnell bemerkt. Die Geschichte ist nie langweilig, sondern entwickelt besonders in der zweiten Hälfte einen enormen Sog.
Der langjährige Strafrichter Frank Petersen steckt in einer tiefen Sinnkrise. Seine Frau Britta hat ihn verlassen und in letzter Zeit häufen sich die Aufhebungen seiner Urteile durch den Bundesgerichtshof. Der überaus korrekte Mann versteht die Welt nicht mehr und beginnt an seiner Urteilsfähigkeit und Objektivität zu zweifeln. "Unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen" soll ein Richterspruch sein und Petersen hält sich rigoros daran. An seiner Unfehlbarkeit sind auch seine Frau und sein Sohn gescheitert. An all dem hat er zu knabbern, als ein Fall, an dem er sich ganz besonders gut erinnern kann, wieder präsent wird. Vor wenigen Jahren, als er bei einer Verhandlung als Strafrichter eingesetzt war, passierte das Unmögliche: Corinna Meier erschießt den Angeklagten im Gerichtssal und wandert daraufhin selbst hinter Gitter. Genau dieser Vorfall lässt Petersen keine Ruhe. Als er erfährt, dass Corinna freigelassen wird, möchte er mit ihr in Kontakt treten und den Vorfall nochmals besprechen....
Der Autor wechselt zwischen der Gegenwart im Jahr 2015 und der Vergangenheit. Diese beginnt 1989 und erzählt die Hintergrundgeschichte von ihrer Zeit als Studentin, Ehefrau, Mutter bis hin zu ihrer Tat. Es ist eine Geschichte, die mit vielen Facetten aufzeigt, was in unserer Gesellschaft schief läuft - bis heute.
Markus Thiele hat diese von vielen verschiedenen Seiten beleuchtet und gibt dem Leser Einblicke in die Gefühlswelten aller Beteiligten. Corinnas Geschichte hat mich erschüttert. Als Leser versteht man sowohl Täter, als auch Richter. Der Autor wertet nicht und hinterfragt Wahrheit und Gerechtigkeit. Können beide Hand in Hand gehen oder muss man sich für eines der beiden entscheiden? Zusätzlich nimmt sich der Autor so einigen Themen an, wie Schuld und Gerechtigkeit, Freundschaft, Selbstjustiz, Diskriminierung und Rassismus - aber vorallem auch die Grenzen des Rechtsstaats.
Warum "nur" vier Sterne? Zu Beginn badete mir der Strafrichter etwas zu viel in Selbstmitleid und es dauerte etwas bis es zum eigentlichen Kern der Geschichte kam bei nur 240 Seiten. Danach aber hatte mich der Autor und ich war gefangen in dieser Welt voller Ungerechtigkeiten, Schuld und Vorurteilen.
Zur Gestaltung des Buches möchte ich auch noch etwas sagen, denn nicht nur das Cover aus hochwertigem Papier ist wunderschön, sondern auch die Innenansicht. Der Buchdeckel ist bedruckt und eine Augenweide.
Der ruhige und eher nüchterne Schreibstil regt zum Nachdenken und Reflektieren an. Die Charaktere sind sehr gut ausgearbeitet und wirken authentisch. Der Autor erwähnt im Nachwort, dass er sich bei seiner Geschichte an zwei reale Figuren orientiert hat. Wer diese beiden Menschen sind, möchte ich hier jetzt nicht preisgeben, da es eventuell mehr über den Inhalt verraten könnte.
Fazit:
Es ist nicht unbedingt ein Buch, das man so nebenbei liest, auch wenn es nur 240 Seiten hat. Die Geschichte ist vielschichtig und fesselnd. Sie hallt wahrlich lange nach und man beginnt selbst vieles zu überbedenken. Deshalb empfehle ich auch den zweiten Roman von Markus Thiele gerne weiter. Wer gerne Ferdinand von Schirach liest, könnte auch mit Markus Thiele Freude haben...