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Veröffentlicht am 17.07.2020

Drei Frauen, drei Generationen, drei Schicksale

Nebelkinder
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Nebelkinder" - die Kinder von Kriegskindern aus dem Zweiten Weltkrieg. Ein Begriff, den ich noch nicht kannte und mich trotzdem beschreibt, auch wenn ich kein Kriegsenkel bin. Meine Eltern erlebten als ...

Nebelkinder" - die Kinder von Kriegskindern aus dem Zweiten Weltkrieg. Ein Begriff, den ich noch nicht kannte und mich trotzdem beschreibt, auch wenn ich kein Kriegsenkel bin. Meine Eltern erlebten als junge Menschen den Krieg und mein Vater wurde mit 17 Jahren eingezogen. Sie heirateten 1945, als mein Bruder geboren wurde, der ganze 21 Jahre älter ist als ich. Da ich ein großer Nachzügler bin, wusste ich nun nicht, ob ich ebenfalls ein "Nebelkind" bin oder nicht... Umso mehr interessierte mich der Roman von Stefanie Gregg, der sich mit diesem Thema beschäftigt und einige Verhaltensweisen dieser Generation aufzeigt, die sie an ihre Nachkommen unbewusst weitergegeben haben. Mein Dank gilt der Autorin, die mir ihr Buch als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat.

Anhand der Geschichte von Käthe und ihren Töchtern Anastasia und Helene, die aus Breslau flüchten müssen, als die Russen bereits auf Vormarsch sind, erleben wir die letzten Monate des Krieges mit. Doch der Roman erzählt nicht nur von dieser Flucht, sondern von Käthes Leben zuvor, von Ana, die in München ansäßig wird und von ihrer Tochter Lillth, die vor einer großen Entscheidung steht.
In vielen Sätzen und Handlungsweisen erkannte ich in Ana auch meine Mutter wieder. Eine Generation, für die nach dem Krieg Sicherheit vor Liebe kam und die den Wunsch hatten, dass es ihren Kindern einmal besser gehen sollte...allerdings zu ihren eigenen Bedingungen.
Großes Thema ist ebenfalls das Schweigen über die Zeit während des Krieges und die Unfähigkeit Gefühle weiterzugeben...einem zu umarmen oder zu sagen, dass man sein Kind liebt. Auch Lilith leidet darunter und ist beziehungsunfähig geworden. Als sie vor einer wichtigen Entscheidung steht, versucht ihre Mutter Ana(stasia) ihr endlich mehr über die Zeit der Flucht und des Wiederaufbaus zu erzählen. Gemeinsam fahren sie nach Breslau und als Leser erfährt man durch nicht immer chronologischen Rückblicke in die Vergangenheit was damals passierte....

Drei Frauen, drei Generartionen und drei Schicksale. Käthe kommt aus guten Haus und wird früh verheiratet. Doch sie hasst ihren um Jahre älteren Mann und verliebt sich in Ludwig. Sie setzt alles daran eine Scheidung durchzubekommen, was zu dieser Zeit gleichbleibend mit Verlust des Ansehens und dem Ausschluss aus der Gesellschaft einherging. Mit Ludwig hat sie den Mann ihres Lebens gefunden, der allerdings auch anderen Frauen nicht abgeneigt ist. Als der Krieg beginnt und er eingezogen wird, versucht Käthe mit Ana und Lenchen über die Runden zu kommen, muss aber kurz vor Kriegsende fliehen. Auf dieser Reise passiert so einiges, was Käthe und ihre Töchter für immer verändern wird.

Die Erzählungen darüber sind grausam und doch Teil dieser schrecklichen Zeit und jeden Krieges. Ganz besonders erschüttert hat mich ein Brief an Käthe von ihrer Freundin Agnes, die in Breslau geblieben ist und durch die Rote Armee Schreckliches erdulden musste. Man fragt sich, wie ein Mensch jemals über diese Grausamkeiten hinwegkommen kann... ich denke gar nicht. Auch Käthe erlebt ein Trauma, das besonders Anas Leben nachhaltig verändert, denn auch in der Nachkriegszeit in München liegt die ganze Verantwortung auf ihren Schultern. Die depressive Käthe kümmert sich um nichts und Ana muss sich nicht nur um Lebensmittelmarken kümmern, sondern auch um Leni, die zu rebellieren beginnt.
Erst durch den Besuch in Breslau und Anas Erzählungen beginnt sich die Mutter-Tochter Beziehung etwas zu lockern und die Zusammenhänge zwischen den Generationen werden sichtbar. Ein Roman, der uns Kriegskinder und Kriegsenkel einiges zum Nachdenken aufgibt.

Charaktere:
Für Käthe empfand ich nicht wirklich Sympathie, auch wenn sie vor der Flucht eine starke Frau war, die Durchsetzungsvermögen hatte und bereits ihrer Zeit voraus war. Doch mit Kriegsende hat sie sich in Depressionen verloren und alles auf die Schultern ihrer Tochter geladen.Ich mag es nicht, wenn Erwachsene Kinder zwingen die Verantwortung zu übernehmen, die eigentlich ihnen zusteht.

Ana(stasia) wird durch die Flucht und das Verhalten ihrer Mutter schneller erwachsen, als ihr lieb ist. Sie trägt das Gewicht der traumatisierten Käthe auf ihren Schultern und muss die Versorgung ihrer kleinen, rebellischen Schwester übernehmen. Für Ana steht fortan Sicherheit an erster Stelle, was sich auch auf ihre Männerwahl auswirkt, aber auch in der Beziehung zu ihrer Tochter Lilith, die kaum von Wärme geprägt ist.

Robert ist Lilith's große Liebe, doch der kann sich nicht binden und heiratet später eine andere. Trotzdem kommt er immer wieder zu Lilith zurück und bittet sie eines Tages seinen unehelichen Sohn aufzunehmen. Die Mutter sei gestorben und seine Frau weigert sich Aaron ein Zuhause zu geben. Lilith ist vor den Kopf gestoßen. Ihre Mutter, die ihr nie große Gefühle gezeigt hat, bittet sie dem Kind eine Chance zu geben...

Schreibstil:
Stefanie Gregg erzählt sehr einfühlsam und eindringlich, aber auch teilweise sehr poetisch - trotz des schwierigen Themas. Der Roman ist Teil ihrer eigenen Familengeschichte.
Ich habe mit den Frauen mitgelitten, trotzdem kam ich ihnen nicht immer wirklich nahe. Obwohl ich bei der erwachsenen Ana viele Ähnlichkeiten zu meiner eigenen Mutter fand, waren mir alle drei Frauen nicht so wirklich sympathisch, was man bei der Charakterdarstellung oben auch rauslesen kann.

In einem erklärenden Nachwort erzählt die Autorin mehr über den Begriff "Nebelkinder" und warum dieses Buch entstand.

Fazit:
Ein berührendes Portrait einer Generation von Frauen, die Schlimmes durchmachen mussten und deren Erlebnisse bis heute in ihren Nachkommen nachhallen, den sogenannten "Nebelkindern". Ein Buch für ein besseres Verständnis, das noch lange nachwirkt. Von mir gibt es eine Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 15.07.2020

Ich träume vom Malen und dann male ich meinen Traum

Wie sagt man ich liebe dich
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Letztes Jahr im Mai war ich für ein paar Tage in Lissabon - eine wunderschöne und vorallem sehr vielfältige Stadt. Da wir dieses Jahr nur sehr beschränkt reisen dürfen, habe ich mich umso mehr gefreut, ...

Letztes Jahr im Mai war ich für ein paar Tage in Lissabon - eine wunderschöne und vorallem sehr vielfältige Stadt. Da wir dieses Jahr nur sehr beschränkt reisen dürfen, habe ich mich umso mehr gefreut, buchtechnisch wieder nach Lissabon zu reisen.

Claudia Winter hat mit ihrem neuen Roman "Wie sagt man ich liebe dich" eine wunderschöne Geschichte rund um die gehörlose Maelys und ihre Tante Valérie geschrieben, die gemeinsam in Paris leben. Maelys kommt aus der Bretagne und studiert Kunst an der École nationale supérieure des beaux-arts de Paris. Zurzeit hat sie ihr Studium unterbrochen, um auf dem Montmarte Touristen zu portraitieren. Sie benötigt ein Einkommen, da sich ihre Tante den Arm gebrochen hat und sich die Mietforderungen und die unbezahlten Rechnungen bereits stapeln. Eines Tages spricht sie ein Mann an und bittet sie von seinem Großvater ein Portrait zu malen. Dieser wohnt allerdings in Lissabon. Maelys ahnt nicht, dass dieser besagte Großvater seinen Enkel António extra nach Paris geschickt hat, um Maelys anzuwerben. Er hat die junge Frau bei seinem Weihnachtseinkäufen in Paris gesehen. Der senfgelbe Mantel und die Ähnlichkeit mit seiner großen Liebe haben ihn nicht ruhen lassen. Obwohl Maelys anfangs zögert, greift sie doch auf das Angebot zurück, da sie dringend Geld braucht. Sie fordert jedoch, dass sie ihre Tante Valérie in die portugiesische Hauptstadt mitnehmen darf und ahnt nicht, welche Folgen dies haben wird....

Die Geschichte wird in zwei Zeitsträngen erzählt. Im Vergangenheitsstrang befinden wir uns im Jahr 1966. Die junge Valérie Durant hatte schon immer den Traum eines Tages nach Paris zu gehen und die schillernde Hauptstadt Frankreichs kennenzulernen. Sie will nicht in der Bretagne versauern und auch keinen Ehemann, den ihr Vater bereits eifrig auszusuchen scheint. Nur mit einem kleinen Koffer bricht sie nach Paris auf. Sie heuert als Zimmermädchen in einem Hotel an und setzt sich für die Frauenrechte in den 1960igern ein....
Während ihrer Zeit in Lissabon beginnt Maely die Notzhefte ihrer Tante zu lesen und lernt eine ganz andere Frau kennen, als diejenige, die sie heute kennt.

Liest man den Inhalt der Geschichte hat man doch so einige Vorahnungen, wie es in diesem Genre eben der Fall ist. Doch Claudia Winter gelingt es mehrere überraschende Wendungen einzubauen und auch die Spannung immer auf hohem Level zu halten. Besonders gefallen hat mir jedoch der wundervolle bildhafte Schreibstil. Ich hatte den Montmarte vor Augen mit den vielen Künstlern, hörte den Fado in den engen Gässchen Lissabons und hatte Lust auf die leckeren Blätterteigtörtchen mit Vanillecreme, die ich letztes Jahr genossen habe.
Zusätzlich war ich von der sehr selbstbewussten und flotten Valérie fasziniert, die nicht so schnell aufgibt - komme, was wolle. Sie sezte sich für Frauenrechte ein und spielte gleichzeitig mit ihrer Erotik und ihrem Charme.

Maelys hingegen ist eher ruhig und sagt, was sie sich denkt. Sie ist eine gute Beobachterin, liebt die Welt der Farben und die Schönheit in der Kunst. Von ihr war ich von Beginn an verzaubert.
Wunderbar fand ich, dass die Autorin diesmal eine gehörlose Protagonistin gewählt hat. Sie ist selbst Tochter von gehörlosen Eltern und hat all ihre Kenntnis in ihrem Roman miteingebracht. Die Beeinträchtigung steht allerdings nicht im Mittelpunkt des Romans, sondern ist Teil von Maely Welt.

António ist ein sympathischer Geschäftsmann, der sich allerdings als Hotelbesitzer nicht wirklich wohl fühlt. Mit seinem Charme bezirzt er die Frauen und hat eine Affäre mit seiner Rezeptionistin. Er liebt seinen Großvater und führt ohne Bedenken seinen Plan aus Maelys nach Lissabon zu holen...die bald darauf sein Herz stiehlt.

Jeder dieser drei Protagonisten erzählt abwechselnd aus seiner Perspektive. Als Leser kann man sich somit ausgezeichnet in die Gedanken- und Gefühlswelt hineinfühlen. Die Autorin verknüpft die beiden Handlungsstränge aus der Vergangenheit und der Gegenwart perfekt. Ich konnte nicht wirklich sagen, welche Lebensgeschichte mir besser gefallen hat. Es sind zwei sehr unterschiedliche Frauen und zwei sehr unterschiedliche Liebesgeschichten, die mich jede auf ihre Art bezaubern konnte.

Im Anhang gibt es einige landestypischen Rezepte und ein Glossar mit portugiesischen Begriffen.

Fazit:
Eine wunderschöne Geschichte über zwei sehr unterschiedliche Frauen, die auf zwei Zeitebenen erzählt wird. Besonders gefallen haben mir die bildhaften Orts- und Landschaftsbeschreibungen. Leicht und doch intensiv, verspielt und verträumt, aber auch mit Tiefe. Ich empfehle diesen Roman sehr gerne weiter.

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Veröffentlicht am 14.07.2020

Konnte mich nicht erreichen

Rückkehr nach Birkenau
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Eigentlich fällt es mir immer sehr schwer Lebensgeschichten zu bewerten, vorallem wenn es sich um eigene Erzählungen während des Krieges und Aufenthalte im KZ handelt. Oftmals bewerte ich sie gar nicht ...

Eigentlich fällt es mir immer sehr schwer Lebensgeschichten zu bewerten, vorallem wenn es sich um eigene Erzählungen während des Krieges und Aufenthalte im KZ handelt. Oftmals bewerte ich sie gar nicht oder wenn ich es besonders lesenswert finde mit 5 Sternen (wie zum Beispiel "Überleben - Der Gürtel des Walter Fantl)
Hier möchte ich nicht die schlimme Zeit, die Ginette Kolinka in Birkenau verbringen musste beurteilen, sondern generell den Aufbau und die Vermarktung der Geschichte - deshalb gibt es auch nur 2 Sterne von mir.

Es beginnt mit dem Preis/Leistungsverhältnis und das ist schon mal mein größter Kritikpunkt! Das Hardcover kostet 18,50 Euro und hat ganze 124 Seiten. Diese Seiten sind in großer Schrift. Die Anfänge und Enden der Kapitel sind oftmals nur eine halbe Seite beschrieben! Wenn man das zusammenzählt kommt man auf höchstens 90 Seiten in eher kleinerem Format mit großer Schrift.

Zusätzlich hatte ich das Gefühl, dass die Geschichte im Schnelldurchlauf erzählt wird und am Ende nicht viel in Erinnerung bleibt.

Die Sprache ist sehr einfach und der Rückblicke wird nicht in der richtigen zeitlichen Reihenfolge erzählt. Liegt es rein an der Übersetzung? Ich weiß es nicht, denke allerdings, dass die Sprache generell sehr einfach gehalten wurde, da Ginette Kolinka immer wieder betont, dass sie nicht besonders sei. Dies soll jetzt keinerlei Kritikpunkt sein, aber etwas Überarbeitung wäre gut gewesen.
Die Geschichte ist sachlich gehalten, was wenig Emotionen zulässt. Jedoch ist es oftmals bei biografischen Erzählungen dieser Art besser die schrecklichen Erlebnisse sachlicher zu übermitteln.

Ginette Kolinka lässt mit ihrer Rückkehr nach Birkenau kaum Einblicke in ihre Gefühlswelt. Durch den emotionslosen und hölzernen Schreibstil, sowie der Kürze des Romans, konnte die Erzählung kaum Emotionen bei mir wecken. Er hinterließ bei mir den Eindruck einer nüchternen geschichtlichen Erzählung, was ich sehr, sehr schade finde. Ich habe bereits viele Bücher dieser Art gelesen und konnte mich bisher noch nie so schlecht in die Erzählung einfinden.


Fazit:
Eine wichtige Lektüre #gegendasvergessen, jedoch kamen bei mir durch die Kürze der Erzählung und dem hölzernen sachlichen Schreibstil nur sehr wenige Emotionen auf. Die Geschichte einer Zeitzeugin, die bei mir bisher die wenigsten Emotionen hinterlassen hat. Sehr, sehr schade!

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Veröffentlicht am 14.07.2020

Konnte mich nicht ganz überzeugen, aber tolles Setting

Die schönste und die traurigste aller Nächte
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Ein Zeitreiseroman, der mich leider nur teilweise erreichen konnte, ist "Die schönste und die traurigste aller Nächte" von Mauricio Gomyde. Irgendwo habe ich eine ganz begeisterte Rezension dazu gelesen, ...

Ein Zeitreiseroman, der mich leider nur teilweise erreichen konnte, ist "Die schönste und die traurigste aller Nächte" von Mauricio Gomyde. Irgendwo habe ich eine ganz begeisterte Rezension dazu gelesen, die mich veranlasst hat diesen Roman aus der Bücherei mitzunehmen.

Der Prolog hat mich sofort in den Bann gezogen, der aus der Sicht von Amanda erzählt wird und den wichtigsten Moment in ihrem Leben festhält - eine Tragödie, die ihr Leben für immer verändert. Danach springen wir zurück ins Jahr 1997, wo sich Amanada auf ihren Abschlussball befindet und sie endlich mit Victor, für den sie schwärmt, tanzen kann. Auch Victor ist seit einiger Zeit hingerissen von Amanda und so küsst er sie voller Glück...und findet sich plötzlich zuhause in seinem Zimmer wieder - nur wenige Stunden VOR dem Abschlussball. Was Victor noch nicht weiß: Er kann in der Zeit hin- und herspringen und dies war sein erster Zeitsprung - ein wahrer Schock! Bis er merkt, dass Glücksgefühle ihn für einige Stunden zurück in die Vergangenheit und Trauer ihn in die nahe Zukunft bringen, dauert es einige Zeit. Für ihn und Amanda aber zu spät, denn sie verlässt Brasilien am nächsten Tag nach dem Abschlussball. Ihre Eltern sind Diplomaten und werden die nächste Zeit in Kenia verbringen. Für Beide ein einschneidendes Erlebnis und eine Liebe, die sie nie vergessen können....

So beginnt der Roman von Mauricio Gomyde in dem wir Victor kennenlernen dürfen. Mittlerweile sind zwei Jahrzehnte vergangen. Victor ist ein angesehener Winzer, der Champagner herstellt. Da er keinerlei Einfluss auf seine Zeitsprünge hat, hat er sich in ein kleines Dorf im Süden Brasiliens zurückgezogen. Sein Weingut führt der "Schaumwein-Prinz" mit wenig Personal. Doch dann soll ein Klassentreffen der Abschlussklasse in Brasilia stattfinden und Amanda und Victor sehen sich wieder. Was dies für beide Hauptprotagonisten bedeutet, erfahren wir auf den weiteren Seiten des Romans.....

Durch die vielen Zeitsprünge bekommt man auch als Leser erst nach und nach mit, was passiert ist und wie die Fäden alle zusammenlaufen. Man leidet auch mit Victor mit, dem es unmöglich scheint Amanda länger als einen Augenblick wiederzusehen. Seine Glücksgefühle werfen ihn sofort einige Stunden zurück und er erlebt alles noch einmal. Erst mit der Zeit erkennt er, dass er einige Momente dadurch beeinflussen und ändern kann.

Die tiefe Zuneigung und die Liebe zwischen Victor und Amanda ist durch den Zeilen spürbar. Die Gedanken- und Gefühlswelt der beiden steht im Mittelpunkt des Romans. Beide können ihre erste große Liebe nicht vergessen. Es gibt immer wieder überraschende Wendungen, die man nicht erwartet. Trotzdem konnte mich die Geschichte gefühlsmäßig nicht richtig abholen. Der Zeitreiseeffekt, den ich bei Büchern liebe, hätte in diesem Buch auch weggelassen werden können. Vielleicht hätte ich den Roman dadurch etwas mehr gemocht... Trotz dieser Schwächen kann ich den Roman trotzdem weiterempfehlen. Vorallem das Setting und die Gedanken zum Thema Glück mochte ich sehr.

Schreibstil:
Der Schreibstil von Mauricio Gomyde ist einfühlsam, teilweise poetisch und liest sich leicht. Er ist außerdem sehr dialoglastig.

Die Geschichte wird hauptsächlich aus der Sicht von Victor, aber auch von Amanda jeweils aus der Ich-Perspektive erzählt. Die Kapitel sind eher kurz und es wird oftmals in der Zeit hin- und hergesprungen. Wir befinden und größtenteils in Brasilien, aber auch in Argentinien und sind kurz in Kenia zu Gast. Die Beschreibungen der Umgebung und Landschaften sind sehr bildhaft.

Die Innenseiten des Romans sind wunderschön gestaltet. Vor einem neuem Kapitel sind oftmals Sprüche über das Glück eingefügt und im Anhang findet man weitere "literarische Glückskekse".

Fazit:
"Die schönste und die traurigste aller Nächte" ist ein melancholischer Zeitreiseroman mit kleinen Schwächen. Die südamerikanische Kulisse ist traumhaft, gefühlsmäßig konnte mich die Geschichte allerdings nicht ganz abholen. Für zwischendurch aber lesenwert...

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Veröffentlicht am 09.07.2020

Im 4. Teil wird es politischer

Das schwarze Band
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Voller Vorfreude habe ich auf den neuen historischen Krimi von Alex Beer um August Emmerich und seinen Kollegen Ferdinand Winter gewartet.
Wien im Sommer 1921. Die Stadt wird von einer schlimmen Hitzewelle ...

Voller Vorfreude habe ich auf den neuen historischen Krimi von Alex Beer um August Emmerich und seinen Kollegen Ferdinand Winter gewartet.
Wien im Sommer 1921. Die Stadt wird von einer schlimmen Hitzewelle heimgesucht. August Emmerich wird zu einem Doppelmord in einem Wiener Wohnhaus gerufen. Zwei junge Frauen, die als Tänzerinnen in einer Bar arbeiten, wurden bestialisch ermordet. Von der dritten Mitbewohnerin fehlt jede Spur. Doch bevor er mit seinen Kollegen Winter den Fall weiter verfolgen kann, wird Emmerich verpflichtend zu einem Art Benimmkurs in der Schwarzenberg-Kaserne verdonnert, nachdem er bei einer Feier den neuen Bundeskanzler Schober beleidigt hat. Winter muss im Milieu alleine ermitteln, was August Bauchschmerzen bereitet. Er ist außer sich, als auch noch sein Erzfeind und Widersacher in der Abteilung, Peter Brühl, als sein Ausbilder im Kurs ist. Zusätzlich kommen ihm die wenigen Teilnehmer sehr suspekt vor. Als in der Kaserne ein Mord passiert, steckt er in der Zwickmühle. Soll er die Regeln brechen und eine Suspendierung riskieren oder ermitteln? Wer Emmerich kennt, weiß wie er sich entscheidet....

Alex Beer hat wieder ein sehr stimmungsvolles Zeitbild von Wien Anfang der Zwanziger Jahre geschaffen. Diesmal quält den Protagonisten nicht die Kälte, sondern die sengende Hitze. Hunger und Wohnungsnot sind jedoch noch immer allgegenwärtig, die Moral verfällt. Die junge Republik kämpft ums Überleben. Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer. Die Inflation treibt die Preise in ungeahnte Höhen. Emmerich macht sich zusätzlich Sorgen um die drei Kinder von Luise, die er bei sich aufgenommen hat.

Der Autorin gelingt es wieder hervorragend das Wiener Lokalkolorit einzufangen, Diesmal wird es allerdings politischer. Der neue Bundeskanzler hat einen schweren Stand und die Monarchisten versuchen alles, um wieder an die Macht zu kommen. Zusätzlich gibt es noch immer Verzögerungen betreffend des Vertrages von Trianon. Das Königreich Ungarn hat diesen noch nicht erfüllt und das damalige Deutsch-Westungarn, das heutige Burgenland, an Österreich abgetreten. So kommt es immer wieder zu politischen Unruhen, während Ferdinand in die Unterwelt abtaucht, wo der ehemalige Adelspross wie ein Elefant im Porzellanladen agiert. Erst durch Augusts Satz: "Machen sie genau das Gegenteil von dem, was sie normaler Weise tun würden" klappt es etwas besser. Doch so ohne Emmerichs Hilfe scheint es wirklich schwierig zu werden und der zusätzliche Mord in der Kaserne beunruhigt die beiden Ermittler sehr.....

Wie alles zusammenhängt und was dahinter steckt, müsst ihr allerdings selbst herausfinden. Am Ende gibt es noch einen kleinen Cliffhanger privater Natur, der auf einen weiteren Teil hoffen lässt.

Schreibstil:
Alex Beer alias Daniela Larcher schreibt wunderbar atmosphärisch. Diesmal tritt allerdings die Politik und ihre Machenschaften mehr in den Vordergrund, ebenso wie den Versuch Kaiser Karl I. und die Monarchie wieder einzuführen. Die Autorin hat hervorragend recherchiert. Das eine oder andere kleine Ereignis hat die Alex Beer zeitlich angepasst und dies in ihrem Nachwort geschildert. Die Charaktere entwickeln sich weiter, wobei eher Ferdinand Winter langsam zum perfekten Assistenten von Emmerich aufsteigt. Bei August Emmerich ist trotz "Benimmkurs" weiterhin Hopfen und Malz verloren...aber gerade so lieben ihn die Leser!

Fazit:
Ein atemberaubender vierter Teil der historischen Wien-Krimireihe, bei dem diesmal der politische Part mehr Raum einnimmt und das Düstere zurücktritt. Spannend von der ersten Seite an, gewohnt hervorragend recherchiert...nur war ich diesmal viel zu schnell durch!

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