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Veröffentlicht am 28.08.2021

Es ist wie Magie

Drei Frauen und ein Sommer
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Die fast 40jährige Isolde, genannt Kiki, ist unsere Hauptprotagonistin in Lucinde Hutzenlaubs neuestem Roman "Drei Frauen und ein Sommer". Kiki scheint kein glückliches Händchen mit den Männern zu haben, ...

Die fast 40jährige Isolde, genannt Kiki, ist unsere Hauptprotagonistin in Lucinde Hutzenlaubs neuestem Roman "Drei Frauen und ein Sommer". Kiki scheint kein glückliches Händchen mit den Männern zu haben, denn ihre momentane Affäre hat ihr verheimlicht, dass er demnächst Verlobung feiert....jedoch nicht mit ihr. Zusätzlich ist er auch noch der Juniorchef im Architekturbüo in dem Kiki arbeitet. Was nun? Bevor sie sich über ihre weitere berufliche Zukunft den Kopf zerbrechen kann, sitzt sie auch schon mit ihrer herrischen Mutter Helga in deren klapprigen Golf Richtung Schwäbisch Alb. Tante Elsie, die ältere Schwester von Helgas verstorbenem Mann Matthias, liegt nämlich mit einem Oberschenkelhalsbruch in einer Rehaklinik in der Schwäbisch Alb. Nach einem etwas besorgniserregenden Anruf der Klinikleiterin will die gelernte Krankenschwester ihre Schwägerin abholen. Doch der alte Golf bleibt auf der Autobahn liegen. Auf der Suche nach Hilfe trifft Kiki auf den Schreiner Jakob, der sie samt Auto und Helga ins nächste Dorf abschleppt. Doch in Ehrenweiler steht das Dorffest vor der Tür und der abgerissene Keilriemen muss warten....

Der Roman erzählt sowohl die Geschichte von Kiki in der Gegenwart und die von Elsie, die in der Vergangenheit spielt. Dieser Part nimmt allerdings einen eher kleinen Teil ein und wird - bis auf den Prolog - eher in Rückblenden erzählt.
Man ist sehr schnell mitten in der Geschichte und fühlt sich davon umhüllt, wie von einer warmen Decke. Der wunderbar lebendige Schreibstil der Autorin nimmt einem sofort gefangen.
Mit Helga und Elsie hat Lucinde Hutzenlaub zwei sehr eigenwillige Charaktere erschaffen. Helga von Betzenstein, die spröde und herrische Mutter von Kiki, die oftmals auf ihre (angeheiratete) Herkunft pocht und Elsie, die Unkonventionelle, die sich der Biologie verschrieben hat und in der weiten Welt herumgereist ist. Auch mit über 90 Jahren vertritt sie resolut ihre Meinung. Einzig Kiki fand ich für ihre fast 40 Jahre noch sehr naiv. Für mich wirkte sie eher wie eine 29jährige, statt 39jährige Frau. Sie fühlt sich unzufrieden, ist antriebslos und ändert doch nichts an ihrer Situation.

Die Figuren sind sehr lebendig und schon bald hat man sie mehr oder weniger ins Herz geschlossen. Auch die Dorfbewohner sind, wenn auch manchmal etwas überspitzt dargestellt, doch teilweise sehr authentisch. Vorallem Roswitha ist ein Unikat. Jakob und seine Tochter Mia und ihr Hund "Little Richard" habe ich sofort ins Herz geschlossen und gehofft, dass Kiki ihren Herzen einen Schubs gibt. Natürlich ist die Liebesgeschichte etwas vorhersehbar, aber das gehört hier dazu und wird auch von den Lesern erwartet. Trotzdem spürte ich
die Gefühle, die zwischen Elsie und ihrem Kurt waren, viel intensiver. Die Beiden wurden durch den Krieg getrennt und konnten einander nie vergessen.
Der Ort Ehrenweiler spielt ebenfalls eine wichtige Rolle im Roman. Dieser hat für Elsie eine ganz besondere Bedeutung. Dessen Magie bekommen auch Kiki und Helga zu spüren.

Den Humor von Lucinde Hutzenlaub fand ich schon in den beiden Sachbüchern "Ich dachte sie ziehen nie aus" und "Ich dachte älter werden dauert länger", die sie gemeinsam mit Heike Abidi geschrieben hat, einfach großartig. Auch in ihrem neuesten Roman mochte ich den unterschwelligen Humor sehr. Schlagfertige Dialoge ließen mich beim Lesen oftmals lauf auflachen. Doch "Drei Frauen und ein Sommer" hat auch tiefgründige Themen, die zum Nachdenken anregen.

Toll fand ich auch den Stammbaum am Anfang des Buches, der mir zu Beginn eine große Hilfe war.

Fazit:
Ein warmherziger und auch humorvoller Roman, der mich sehr gut unterhalten hat. Die Geschichte hat aber auch viele tiefgründige Sequenzen und hat mich teilweise sehr berührt. Der Roman ist wie eine kuschelige Decke zum Wärmen und hat mir gut gefallen. Ich empfehle ihn sehr gerne weiter.

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Veröffentlicht am 23.08.2021

Auf nach Tokio

Goldmädchen
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Ich kann nicht sagen, warum mir dieser Jugendroman ins Auge gefallen ist, aber mich hat die Geschichte dahinter einfach interessiert. Der Roman ist angelehnt an den Missbrauchsskandal im US Team rund um ...

Ich kann nicht sagen, warum mir dieser Jugendroman ins Auge gefallen ist, aber mich hat die Geschichte dahinter einfach interessiert. Der Roman ist angelehnt an den Missbrauchsskandal im US Team rund um Larry Nassar. Dies wusste ich vorab nicht, da ich zwar Kunstturnen toll finde, wir aber kaum Sportübertragungen dazu bei uns im TV haben. Zusätzlich besitze ich auch keinen TV mehr...
Die Sommer-Olympiade in Tokio ist erst seit wenigen Wochen vorbei und da passte diese Lektüre wirklich perfekt, auch wenn wir Österreicher eher Winter-Olympiade Zuseher sind.

Man merkt, dass sich die Autorin sehr gut mit dem Thema Kunstturnen auskennt. Im Autoren Steckbrief steht, dass Jennifer Iacopelli für fangirlish.com über die Olympischen Spiele in Rio 2016 berichtet hat und auch beim Turn-Podcast Gymnastics mehrmals mitgemacht hat. Sie weiß also, wovon sie schreibt.

Mit Audrey Lee hat die Autorin eine sehr sympathische Protagonistn erschaffen, die im Laufe des Romans an großer Stärke gewinnt. Seit ihrer Kindheit trainiert sie gemeinsam mit ihrer Freundin Emma hart, um sich ihren Traum zu erfüllen. Nach einer Verletzungspause und großen Rückenproblemen schafft die erst 17jährige den Sprung zurück ins Elite-Team und steht vor der Qualifikation für die Olympischen Spiele. Es ist ihre letzte Chance sich zu beweisen, denn die Rückenverletzungen sind bereits so groß, dass sie nur mit Kortisonspritzen turnen kann. Eine weitere Saison wird für sie nicht mehr möglich sein. Doch dann kommt es knüppeldick! Der Trainer der Mädchenmannschaft wird wegen Missbrauch festgenommen und die zukünftigen Olympioniken stehen vor dem wichtigsten Event ihres Lebens ohne Trainer da. Die Gruppe spaltet sich in zwei Lager auf. Der Druck wird immer größer und die Olympiade rückt immer näher...

Die Einblicke in den Profisport haben mir sehr gut gefallen. Konkurrenzkampf, aber auch ganz besondere Freundschaften, begleiten Audrey seit dem Beginn ihrer Karriere. Sie ist eine Kämpfernatur und sehr kameradschaftlich. Man spürt aber auch die innere Zerrissenheit der Sportlerin, die vorallem zum Tragen kommt, als sich die Gruppe in zwei Lager spaltet und ihre beste Freundin Emma sich nicht ihr anschließt, sondern dem gegenerischen Team. Auch die anderen Turnerinnen werden sehr gut charakterisiert. Man erlebt die täglichen Trainingseinheiten, die sie oftmals an die Grenze der Belastbarkeit bringen. Schmerzen, Erniedrigungen und Diätzwang sind nur einige wenige Punkte, die für eine Medaille in Kauf genommen werden. Die Geschichte erzählt aber auch von Freundschaft und Loyalität, Kampfgeist und Mut.

Der Roman wird aus der Sicht von Audrey erzählt. Der Schreibstil von Jennifer Iacopelli lässt sich sehr gut lesen und wer keinerlei Kenntnisse vom Kunstturnen hat, dem wird vieles so erklärt, dass es jedermann versteht. Dabei denke ich aber auch, dass vorallem Leserinnen zu diesen Buch greifen werden, die sich wenigstens ein bisschen dafür interessieren oder selbst Kunstturnen betreiben. Die Spannung in der Halle während der Wettkämpfen ist durch die Seiten hinweg greifbar. Großes Lob muss ich der Autorin mit dem Umgang zum Thema Missbrauch machen. Mit sehr viel Einfühlungsvermögen hat sie dieses schweirige Thema aufgegriffen, aber nicht zu sehr ausgedehnt. Zusätzlich hat sie noch eine zarte Liebesgeschichte eingebaut, die aber eher am Rande bleibt, was ich sehr begrüße...liegt doch der Fokus bei den Olympischen Spielen.


Fazit:
Einmal ein etwas anderes Jugendbuch zum Thema Profisport, das mir das Kunstturnen näher gebracht hat. Ein interessantes Thema, facettenreiche Charaktere und ein Autorin, die weiß wovon sie erzählt. Ich empfehle dieses Buch gerne als All-Age Roman weiter.

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Veröffentlicht am 30.07.2021

Der Kaiser ist tot, es lebe der Kaiser

Kaiserjagd
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Bad Ischl, die Sommerresidenz des ehemaligen Kaisers Franz Josef war eines meiner ersten Urlaubsziele als junges Mädchen...lang, lang ist's her.
Bei Lovelybooks ist mir das Cover ins Auge gestochen und ...

Bad Ischl, die Sommerresidenz des ehemaligen Kaisers Franz Josef war eines meiner ersten Urlaubsziele als junges Mädchen...lang, lang ist's her.
Bei Lovelybooks ist mir das Cover ins Auge gestochen und da ich heuer vermehrt österreichische Autoren lesen möchte, habe ich mich beworben und hatte Glück. Es war kein Problem im dritten Teil einzusteigen, auch wenn ich Reihen bevorzugt mit Band Eins beginne. Zusätzliche Hilfe bot ein Personenregister am Anfang des Buches.

In Bad Ischl soll ein Film über Sissis Lieblingstochter Marie Valerie gedreht werden. Doch nach den ersten Drehtagen findet man den Darsteller von Kaiser Franz Josef, Wolfgang Jarisch, tot vor dem Kaiserdenkmal. Der Frauenliebling war ein bekannter und erfolgreicher Schauspieler und hat sich erst vor kurzem ein Haus in Bad Ischl gekauft.

Verdächtige gibt es mehr als genug: die Filmcrew, ehemalige Geliebte, Neider usw. Man rätselt als Leser intensiv mit und findet schnell Figuren, denen man den Mord zutraut. Doch die Autorin streut geschickt falsche Fährten aus und überrascht mit Wendungen, die man nicht voraus gesehen hat. Materna ist ein überlegter und ruhiger Ermittler, der immer wieder von seiner Lebensgefährtin Josi, einer Psychologin, Mithilfe erhält. Darüber ist er allerdings weniger erfreut, denn diese haben Josi bereits einmal in Lebensgefahr gebracht. Der Leser erhält ebenfalls einige persönliche Einblicke in Maternas Privatleben, in dem auch noch seine bereits erwachsene Tochter Isabel eine Rolle spielt.

Die Nebenfiguren sind sehr bildhaft gezeichnet. Jenna Theiss spielt hier gerne mit einigen Klischees. Manche Charaktere sind etwas überzeichnet, wie Rechtsanwalt Ronacher, genannt Graf Bobby, der gerne seine Leidenschaft für den Adel auslebt und glaubt ein illegitimer Nachfahre eines Habsburgers zu sein. Rosie, Ehefrau von Inspektor Heininger, die im Haushalt von Wolfgang Jarisch hilft, entgeht hingegen nichts. Sie tratscht sehr gerne, ziert sich aber oftmals gegenüber der Polizei auzusagen. Klatschreporterin Tanja Moll hingegen jagt jeder noch so kleinen Spur hinterher. Die Eigenheiten von uns Österreichern werden oft sehr plastisch dargestellt und haben mich öfters zum Schmunzeln gebracht.
Neben dem Humor ist auch das Lokalkolorit immer vorhanden. Der klassische Kurort und ehemalige Sommerresidenz des Kaisers wird liebevoll und bildhaft beschrieben. Die Bergwelt rundherum lockt Wanderbegeisterte in hohe Lagen oder Naschkatzen wie ich, begleiten Materna zum berühmten Café Zauner, um einen großen Braunen zu trinken und einen Zaunerstollen zu schnabulieren.

Die Auflösung ist gelungen, wobei die Autorin noch eine kleine Überraschung in petto hat. Wer dem österreichiscen Dialekt nicht mächtig ist, findet hinten noch ein Glossar.

Fazit:
Ein spannender und unterhaltsamer Regionalkrimi mit viel österreichischem Lokalkolorit und einem kleinen, aber vergnüglichen Blick zurück in die Kaiserzeit. Ich habe den Krimi sehr gerne gelesen und empfehle ihn für Regional-Krimiliebhaber weiter.

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Veröffentlicht am 25.07.2021

Tolles Debüt mit überraschenden Ende

Ich will dir nah sein
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Schon der Klappentext dieses Psychothrillers hat meine Neugierde geweckt. Zusätzlich finde ich Geschichten um Stalker relativ gruselig, wo mir schon der Gedanke daran Gänsehaut bereitet.

Lester Sharp ...

Schon der Klappentext dieses Psychothrillers hat meine Neugierde geweckt. Zusätzlich finde ich Geschichten um Stalker relativ gruselig, wo mir schon der Gedanke daran Gänsehaut bereitet.

Lester Sharp arbeitet im Fundbüro in London und katalogisiert verloren gegangene Gegenstände. Er hat kaum Freunde und ist ein Einzelgänger, aber er interessiert sich für seine Fundstücke und für die Menschen dahinter. Seine neue Nachbarin Erin erweckt in ihm den Wunsch sie näher kennenzulernen. Die Profitänzerin erinnert ihn an Shannon, eine andere Frau, die er kannte und die nicht mehr lebt. Erin fühlt sich zunehmend von ihrem Nachbar bedroht und ahnt nicht, wie nah ihr Lester bereits ist.....

Die Geschichte baut sich langsam und unterschwellig auf. Es dauert einige Zeit bis ich empfand einen Psychothriller zu lesen, obwohl ich immer öfter das Gefühl hatte, dass auf den nächsten Seiten etwas Schlimmes passieren muss. Die krankhafte Fixierung auf Erin und die gestörte Wahrnehmung von Lester hat mir sehr schnell die zu erwartende Gänsehaut beschert. Wie jeder Stalker interpretiert er jede Geste falsch und steigert sich in sein abartiges Denken immer mehr hinein. Seine Gedanken, die der Leser verfolgt, haben mich abgestoßen. Man merkt sehr schnell, dass von Lester eine Gefahr ausgeht, die sehr realistisch dargestellt wird. Damit steigert sich die bedrohliche Atmosphäre immer mehr. Zusätzlich gibt es Rückblenden in Lesters Vergangenheit, die mehr aus seinem Leben aufdecken.

Wir erleben aber auch die Gedankenwelt von Erin mit und die eines Wohnungsmaklers, der Erin die Wohnung vermittelt hat. Das komplette Zusammenspiel dieser Komponenten lassen den Psychothriller zu einem gelungenem Ganzen verschmelzen.

Am Ende hält die Autorin eine große Überraschung für den Leser bereit. Ich hatte zwar einen Showdown erwartet, aber in einer völlig anderen Richtung. Es passiert mir nur noch selten, dass mich ein Thrillerautor:in überraschen kann, aber Sarah Nisi ist es gelungen! Chapeau!

Fazit:
Ein Psychothriller, der sich langsam aufbaut, eine bedrohliche Atmosphäre in sich birgt und mit einem wirklich überraschenden Ende punkten kann. Ich habe die Geschichte gerne gelesen und werde die Autorin weiterhin im Auge behalten.

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Veröffentlicht am 24.07.2021

SwingTime in Sankt Pauli

Letzter Tanz auf Sankt Pauli
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"Letzter Tanz auf Sankt Pauli" ist ein Genre-Mix aus historischem Krimi und Roman. Die Handlung spielt größtenteils in den Hamburger Stadtteilen Altona und St. Pauli im Kriegsjahr 1941. Damals war Altona ...

"Letzter Tanz auf Sankt Pauli" ist ein Genre-Mix aus historischem Krimi und Roman. Die Handlung spielt größtenteils in den Hamburger Stadtteilen Altona und St. Pauli im Kriegsjahr 1941. Damals war Altona noch eine eigenständige Stadt. Im Stadthaus waren sowohl die Kriminalpolizei, die Gestapo und die SS untergebracht, jedoch getrennte Behörden, die nicht zusammen gearbeitet haben.
Kriminalkommissar Hannes Krell hat alle Hände voll zu tun, als er einen Todesfall in St. Pauli untersuchen muss. Kurze Zeit später bekommt er von seinem Vorgesetzten den Befehl den Mordfall nicht weiterzuverfolgen. Krell nimmt dies anfangs nicht wirklich ernst, denn für ihn muss ein Mord aufgeklärt werden. Doch nach einer gröberen Verwarnung erkennt er, dass mehr dahinterstecken muss. Doch so schnell gibt Krell nicht auf....

In zwei verschiedenen Handlungssträngen erfahren wir jeweils mehr über Hannes Krell, wie auch über seine Tochter Jette. Beide lehnen sich gegen das System auf - jeder auf seine Weise. Man spürt die angespannte Atmosphäre dieser Zeit durch die Zeilen. Auch Krells Gewissensbisse und der Wunsch nach Gerechtigkeit, der durch das System behindert wird, ist jederzeit greifbar.
Der Kriminalfall erscheint mir trotzdem mehr als Rahmenhandlung, denn das Familienleben von Krell nimmt sehr viel von der Handlung ein. Vorallem begleiten wir seine Tochter Jette durch ihren Alltag: Schulleben, BDM Nachmittage, die erste große Liebe: ihr neuer Schulkollege Christian. Durch ihn lernt sie die neuartige Swing-Musik kennen und lieben. Doch diese ist verboten und wird als entartete Musik beschimpft. Selbst die Gestapo wird auf die Jugendlichen in Tanzbars angesetzt - dabei wollen die jungen Leute einfach nur Spaß haben und tanzen. Auch Jette kommt dadurch in größere Schwierigkeiten. Der linientreue Nazilehrer in Jettes Klasse ahndet jedes kleinste Detail gegen das Deutschtum und bringt Christian und Georg in große Schwierigkeiten. Krells Chef Tessow lässt ihn hingegen bespitzeln...

Die Figuren sind sehr lebendig gezeichnet, wobei mir Jette, Christian und Georg näher kamen, als Krell. Trotz seiner Zweifel am System und seinem Tun, das sehr gut vermittelt wird, konnte ich mich erst zum Ende hin richtig für ihn erwärmen. Der Autor stellt diese schwierige Zeit während des Krieges sehr authentisch dar. Als Leser reflektiert man sehr genau, wie eingeschränkt man damals in seinem Tun und Handeln war, auch wenn man gegen das Nazitum rebellierte. Man spürt Hoffnungslosigkeit, aber trotzdem auch Optimismus. Claudius Grönert hat mit viel Lokalkolorit das Hamburg aus den 1940iger Jahren dargestellt, was ihm äußert gut gelungen ist.

Das Ende lässt noch einige Fragen für eine Fortsetzung offen. Der Roman ist jedoch trotzdem so abgeschlossen, dass es auch für mich passt, die offene Enden nicht mag.

Fazit:
Ein Mix aus historischen Krimi und Roman, der die Zeit während des Weltkrieges sehr authentisch und mit viel Atmosphäre wiedergibt. Swing-Musik und die Ermitllungen in St.Pauli bleiben als roter Faden vom Anfang bis zum Ende erhalten. Ich empfehle dieses Werk sehr gern weiter!

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