Leichte historische Kost, die mich nicht ganz überzeugen konnte
Der Offizier der KaiserinIch habe mich sehr gefreut wieder einen Roman einer für mich neuen österreichischen Autorin lesen zu dürfen. Schon zu Beginn glaubt man einen dieser alten Filme aus den Fünfziger Jahren mit Hans Moser, ...
Ich habe mich sehr gefreut wieder einen Roman einer für mich neuen österreichischen Autorin lesen zu dürfen. Schon zu Beginn glaubt man einen dieser alten Filme aus den Fünfziger Jahren mit Hans Moser, Paula Wessely oder Magda Schneider in Buchform zu lesen, auch wenn die Zeit eine ganz andere ist, nämlich 1898. Der Altwiener Dialekt, die Kaisertreue und die Standesunterschiede sind sehr authentisch wiedergegeben.
Der Schauplatz ist Schloss Hof in Niederösterreich, das Größte der sechs Marchfeldschlösser. Vor Jahren war die Sommerresidenz der Habsburger oft besucht und ein Schmuckstück, doch mittlerweile hausen die Ratten im Gebäude. Der Glanz der k.u.k. Zeit beginnt allerdings nicht nur im Schloss zu bröckeln, denn der Kaiser ist alt, Kronprinz Rudolf hat Selbstmord begangen, Kaiserin Sisi wird noch im selben Jahr ermordet und Thronfolger Franz Ferdinand ist nicht sonderlich beliebt bei den Bürgern.
Nun steht das 50. Jubiläum des Kaiser an und man überlegt, ob die ehemalige Sommerresidenz weiter benutzt werden soll. Im umliegenden Dorf Groißenbrunn herrscht Aufruhr, denn endlich scheint wieder etwas Leben in die Region zu kommen und wieder Geld zu fließen. Eine Dragonereinheit ist die Vorhut, auch Kaiserin Sisi soll demnächst auf einen Kurzbesuch vorbeikommen.
Irmi, die Tochter eine Näherin und eines Kommunisten, wird ins Schloss geholt um zu putzen und die Ratten zu vernichten und zu entsorgen. Ihre beste Freundin Rosi ist die Tochter eines Wirtsehepaares, die das einzige Gasthaus im Ort führen. Während Rosi mit beiden Beinen auf dem Boden steht, träumt Irmi von den schmucken Dragonern in ihren Uniformen und himmelt Kaiserin Sisi an. Als ihr dessen Hauptmann, Tomas Andic, schöne Augen macht, ist sie ihre Jungfräulichkeit schneller los, als sie bis drei zählen kann. Der Schock ist groß, als am nächsten Morgen der Geliebte mit einer Kugel im Körper im anliegenden Wald liegt.
Daraufhin kommt Polizeiagent Johann Pospischil und sein Assistent Frisch von Wien nach Großenbrunn, um den Mord aufzuklären....
Die Autorin hat einen sehr leichten Schreibstil und erzählt mit viel Lokalkolorit. Allerdings hat sie mir etwas zu viel künstlerische Freiheit in ihre historischen Begebenheiten eingebaut.
Die Auflösung des Kriminalfalles erfolgt durch Fingerabdruckvergleiche. Diese Methode, die Daktyloskopie, gab es 1898 noch nicht und wurde erstmals 1902 eingeführt, war noch in den Kinderschuhehn und wurde 1911 patentiert.
Zusätzlich irrt eine Frau mit Kopftuch im Präsidium herum, die angeblich die Beweisstücke aus der Aservatenkammer stiehlt. Wie kommt diese in die Aservatenkammer? Und wer war sie? Das konnte mir auch die Autorin auf meine Frage hin nicht erklären. Es hieß nur: Das bleibt ein Geheimnis (O-Ton Christine Neumeyer bei der Leserunde und meiner Nachfrage) Wow! Sehr aufschlussreich! Gingen alle Krimis und Thriller so zu Ende würde ich keinen mehr lesen! Eine logische Erklärung ist wohl das Mindeste!
Bei der elektrischen Klingel drücke ich hingegen ein Auge zu, die bei der Autorin hinter einem Löwenkopf versteckt ist, denn es gab schon "elektrische" Klingeln...als Glockenzug oder ähnlichem. Privathaushalte nutzen Strom allerdings erst ab 1920 und dann auch nur die Menschen, die sich das leisten konnten. Für mich ein weiterer Teil schlechter Recherche. Insgesamt gesehen sind das nicht nur einer, sondern mehrere Faux-pas!
Aber es gibt auch Positives zu vermerken. Atmosphäre, Lokalkolorit und Charaktere sind gelungen und führen den Leser direkt in die alte k.u.k. Monarchie der damaligen Zeit. Man wandert durch Wien und erlebt die langsame Unzufriedenheit der Bevölkerung mit. Manche müssen sogenannte Bettgänger aufnehmen, um die Miete und ihr Essen bezahlen zu können. Die Standesunterschiede sind sehr authentisch wiedergegeben.
Deswegen vergebe ich noch 3 Sterne, denn atmosphärisch fand ich dieseZeit sehr gut dargestellt.
Am Ende gibt es noch ein Glossar des Wiener und Alt-Wiener Dialektes, sowie ein Aufzeichnung der historisch belegten Figuren.
Fazit:
Für Leserinnen, die eher leichte Kost mögen und sich nicht daran stören, dass Geschichte nicht immer historisch korrekt wiedergegeben wird. Sonst sehr atmosphärisch und mit viel Lokalkolorit.