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Veröffentlicht am 23.04.2021

Ist Recht gleich Gerechtigkeit?

Die Wahrheit der Dinge
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Von Markus Thiele habe ich letztes Jahr "Echo des Schweigens" gelesen und war sehr beeindruckt. Eine Mischung aus Justizkrimi und Spannungsroman. So ähnlich ist es auch bei seinem neuen Buch "Die Wahrheit ...

Von Markus Thiele habe ich letztes Jahr "Echo des Schweigens" gelesen und war sehr beeindruckt. Eine Mischung aus Justizkrimi und Spannungsroman. So ähnlich ist es auch bei seinem neuen Buch "Die Wahrheit der Dinge". Der Autor ist selbst Rechtsanwalt, was man aus seinen Auszügen im Gerichtssaal schnell bemerkt. Die Geschichte ist nie langweilig, sondern entwickelt besonders in der zweiten Hälfte einen enormen Sog.

Der langjährige Strafrichter Frank Petersen steckt in einer tiefen Sinnkrise. Seine Frau Britta hat ihn verlassen und in letzter Zeit häufen sich die Aufhebungen seiner Urteile durch den Bundesgerichtshof. Der überaus korrekte Mann versteht die Welt nicht mehr und beginnt an seiner Urteilsfähigkeit und Objektivität zu zweifeln. "Unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen" soll ein Richterspruch sein und Petersen hält sich rigoros daran. An seiner Unfehlbarkeit sind auch seine Frau und sein Sohn gescheitert. An all dem hat er zu knabbern, als ein Fall, an dem er sich ganz besonders gut erinnern kann, wieder präsent wird. Vor wenigen Jahren, als er bei einer Verhandlung als Strafrichter eingesetzt war, passierte das Unmögliche: Corinna Meier erschießt den Angeklagten im Gerichtssal und wandert daraufhin selbst hinter Gitter. Genau dieser Vorfall lässt Petersen keine Ruhe. Als er erfährt, dass Corinna freigelassen wird, möchte er mit ihr in Kontakt treten und den Vorfall nochmals besprechen....

Der Autor wechselt zwischen der Gegenwart im Jahr 2015 und der Vergangenheit. Diese beginnt 1989 und erzählt die Hintergrundgeschichte von ihrer Zeit als Studentin, Ehefrau, Mutter bis hin zu ihrer Tat. Es ist eine Geschichte, die mit vielen Facetten aufzeigt, was in unserer Gesellschaft schief läuft - bis heute.
Markus Thiele hat diese von vielen verschiedenen Seiten beleuchtet und gibt dem Leser Einblicke in die Gefühlswelten aller Beteiligten. Corinnas Geschichte hat mich erschüttert. Als Leser versteht man sowohl Täter, als auch Richter. Der Autor wertet nicht und hinterfragt Wahrheit und Gerechtigkeit. Können beide Hand in Hand gehen oder muss man sich für eines der beiden entscheiden? Zusätzlich nimmt sich der Autor so einigen Themen an, wie Schuld und Gerechtigkeit, Freundschaft, Selbstjustiz, Diskriminierung und Rassismus - aber vorallem auch die Grenzen des Rechtsstaats.

Warum "nur" vier Sterne? Zu Beginn badete mir der Strafrichter etwas zu viel in Selbstmitleid und es dauerte etwas bis es zum eigentlichen Kern der Geschichte kam bei nur 240 Seiten. Danach aber hatte mich der Autor und ich war gefangen in dieser Welt voller Ungerechtigkeiten, Schuld und Vorurteilen.

Zur Gestaltung des Buches möchte ich auch noch etwas sagen, denn nicht nur das Cover aus hochwertigem Papier ist wunderschön, sondern auch die Innenansicht. Der Buchdeckel ist bedruckt und eine Augenweide.

Der ruhige und eher nüchterne Schreibstil regt zum Nachdenken und Reflektieren an. Die Charaktere sind sehr gut ausgearbeitet und wirken authentisch. Der Autor erwähnt im Nachwort, dass er sich bei seiner Geschichte an zwei reale Figuren orientiert hat. Wer diese beiden Menschen sind, möchte ich hier jetzt nicht preisgeben, da es eventuell mehr über den Inhalt verraten könnte.

Fazit:
Es ist nicht unbedingt ein Buch, das man so nebenbei liest, auch wenn es nur 240 Seiten hat. Die Geschichte ist vielschichtig und fesselnd. Sie hallt wahrlich lange nach und man beginnt selbst vieles zu überbedenken. Deshalb empfehle ich auch den zweiten Roman von Markus Thiele gerne weiter. Wer gerne Ferdinand von Schirach liest, könnte auch mit Markus Thiele Freude haben...

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Veröffentlicht am 10.04.2021

Mord auf der Thalia

Dampfer ab Triest
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Günter Neuwirth entführt uns mit seinem neuen historischen Roman zurück ins Jahr 1907. Österreich-Ungarn unter Kaiser Franz Josef hat mit Triest seinen Zugang zum Meer und die Hafenstadt erlebt einen großen ...

Günter Neuwirth entführt uns mit seinem neuen historischen Roman zurück ins Jahr 1907. Österreich-Ungarn unter Kaiser Franz Josef hat mit Triest seinen Zugang zum Meer und die Hafenstadt erlebt einen großen Aufschwung. Im Hafen liegt die "Thalia", das erste Dampfvergnügungsschiff. Das umgebaute Linienschiff soll erstmals zu einer Mittelmeer-Kreuzfahrt aufbrechen. Nachdem im Hafen ein Attentat auf Graf Maximilian von Urbanau verübt wurde, dessen Leben aber verschont geblieben ist, soll der 1. Polizeikommandant Bruno Zabini als Schiffsbauingenieur der Lloyd aufs Schiff geschleust werden. Er soll für den Schutz des Grafen und seiner Tochter, Komtess Carolina Sylvia von Urbanau, sorgen. Unter den gut betuchten und illustren Passagieren aus den gehobenen Gesellschaftsschichten muss sich auch der Täter befinden....

Günter Neuwirth hat mit "Dampfer ab Triest" ein perfektes historischen Sittengemälde geschaffen. Zu Beginn findet man ein Personenregister, das den Einstieg etwas erleichtert.
Die der Zeit angepasste und detaillierte Sprache führt den Leser direkt zurück in die k.und k. Zeit der Donaumonarchie. Eine ähnlich "leicht antiquierte Schreibweise" habe ich zuletzt bei Uta Seeburgs historischen Roman "Der falsche Preuße" genossen. Dadurch wirkt der Roman noch authentischer und sehr atmosphärisch.
Die illustren Gäste auf dem Dampfer machen es Bruno Zabini nicht unbedingt leichter. Das Leben an Bord ist ein Spiegelbild der damaligen Gesellschaft und er fühlt sich reichlich fehl am Platz. Einzig sein Charme, der bei den Frauen überaus gut ankommt, lässt ihn gesellschaftlich nicht deplaziert wirken. Die zahlreichen Figuren sind vielschichtig und bieten jede Menge Unterhaltungswert.
Da ist zum Beispiel die überaus neugierige Reiseschriftstellerin Theres Wundrak, eine bereits sehr emanzipierte Frau, die alles hinterfragt und ihm ziemlich bald auf die Schliche kommt. Die Komtess macht es ihm ebenfalls nicht leicht sie zu überwachen. Carolina hat ihren Liebhaber ein Schiffsticket bezahlt, damit er ebenfalls an Bord gehen kann. Der arme Theatherkünstler wäre wohl nicht wirklich im Sinne des Herrn Papa. Aber auch der Graf selbst ist nicht erfreut über die Bespitzelung durch einen Inspector. Er ist sich der Gefahr in der er schwebt nicht bewusst...

Der Autor amüsierte mich des öfteren mit interessanten Tischgesellschaften und sehr eigenwilligen Damen. Bruno ist ein sehr moderner Mann, der sich den neuesten Kriminaltechniken widmet. Er hat stets sein Köfferchen dabei, mit dem er Fingerabdrücke nehmen kann. Damals eine Revolution! Ebenso setzt er sich dafür ein, dass am Tatort fotografiert und keine handschriftliche Skizze angefertigt wird. Auch der Emanzipation der Frau steht er offen gegenüber, doch selbst heiraten möchte er nicht. Er liebt seine "Gspusi's" mit verheirateten Frauen.
Die farbenprächtigen Beschreibungen der Schauplätze und die unbekannten Ortsnamen haben mich neugierig gemacht. Nur bei Pola und Konstantinopel wusste ich, dass sich das istrische Pula und das türkische Istanbul dahinter verbirgt. Bei Smyrna, Mykene und Argos musste ich googeln...
Auch die politischen Hintergründe des damaligen Vielvölkerstaates und die bereits leicht brodelnde Stimmung unter den Menschen ist spürbar.

Durch die sehr detaillierten Personen- und Landschaftsbeschreibungen, den politischen Hintergründen und die Probleme des Vielvölkerstaates, kam der eigentliche Krimi ein bisschen zu kurz. Ihm fehlte es in der Mitte ein bisschen an Spannung, was der Autor jedoch mit einem überraschenden Finale wettgemacht hat.

Am Ende schreibt Günter Neuwirth in einem längeren Nachwort über die historischen Hintergründe, über die Bedeutung Triests, der Schifffahrt und dem Begründer der Kriminalistik, Hans Gross.

Fazit:
Ein sehr atmosphärischer historischer Krimi, der das Flair der Donaumonarchie und der gesellschaftlichen Standesdünkel perfekt übermittelt. Durch den sehr detaillierten Schreibstil hat der Krimi kleine Längen, hat mich aber trotzdem sehr gut unterhalten. Ich hoffe, es wird noch weitere Fälle für Inspector Bruno Zabini geben.

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Veröffentlicht am 28.03.2021

Roman einer Familie

Dresden
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Mit Fabian lernen wir einen sehr sympathischen Protagonisten kennen, der 1975 das erste Mal auf die andere Seite des eisernen Vorhanges fährt. Seine Mutter Laura und Gabi Gersberger sind beide begeisterte ...

Mit Fabian lernen wir einen sehr sympathischen Protagonisten kennen, der 1975 das erste Mal auf die andere Seite des eisernen Vorhanges fährt. Seine Mutter Laura und Gabi Gersberger sind beide begeisterte Chorsängerinnen und schreiben sich seit Jahren Briefe. Fabian ist neugierig auf die Deutschen auf der anderen Seite und möchte auch wissen, wie sich das Leben wirklich in der DDR abspielt. Gemeinsam mit seinem Freund Till machen sich die beiden Studenten mit jeder Menge Bekleidung, Waschpulver, Kaffee und Schokolade Richtung Dresden auf. Während Fabian zuhause Probleme mit seinem Vater hat, begeistert er sich schnell für die Gersbergers. Gabi und Ekkhard nehmen die beiden Jungs gerne für ein paar Tage auf. Er fühlt sich sofort wohl und erfährt erstmal, was Familie wirklich bedeutet. Gabis und Ekkehards Tochter Anne und ihr Sohn Kai sind etwa im selben Alter bzw. jünger. Vorallem Anne gefällt Fabian sehr, doch die junge Frau ist bereits mit einem Jungen, genannt TK, verlobt.
Was als "Abenteuerurlaub" für Fabian beginnt, wird zu einem jährlichen Besuch bei den Gersbergers.

Als Leser lernt man die einzelnen Figuren sehr gut kennen. Während Gabi und Ekki darauf hoffen, dass sich in den Jahren in der DDR etwas verändert und die Wirtschaft ebenso einen Aufschwung nimmt, lehnt sich Kai gegen die Politik auf. Mit der Zeit verliert aber auch der Rest der Familie Gersberger die Hoffnung, obwohl sie sich an die Regeln des Regime halten. Doch vorallem Kai stößt sich immer wieder an der Politik und die Reaktion bekommt nicht nur er, sondern auch der Rest der Familie zu spüren.

Ich bin zwar kein Freund von zu viel Liebesgeschichten in einem Buch, wo es eigentlich um andere Themen geht, aber hier kam sie eindeutig zu kurz. Wenn man als Leser nicht ganz mitbekommt, ob jetzt etwas zwischen zwei Menschen "gelaufen" ist oder nicht, dann ist es meiner Meinung zu wenig. Erst im letzten Drittel wird dieses Rätsel im Laufe der Handlung aufgelöst. Das hätte man anders lösen können...

Der Roman endet mit dem 1. Oktober 1989, also zwei Monate vor dem Mauerfall. Der Autor wechselt immer wieder zwischen diesem Tag im Oktober 1989 und der Vergangenheit ab 1975. Manchmal war ich dadurch etwas verwirrt, obwohl ich sehr viele Bücher auf zwei und drei Zeitebenen lese.

Im Endeffekt passiert nicht wirklich viel mehr, als im Klappentext beschrieben wird. Jedoch gelingt es dem Autor perfekt, die Gefühle und Gedanken seiner Protagonisten zu vermitteln. Es gibt viele Dialoge und Streitgespräche. Es werden beide Seiten von Deutschland beleuchtet. Dabei gelingt es Michael Göring den erhobenen Zeigefinger wegzulassen. Er zeigt die Facetten beider Staaten auf - Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Geschichtliche Eckdaten zieht er dabei genauso heran, wie kleine persönliche Tragödien.
Gefallen haben mir die vielen Ausflüge durch Dresden. Da ich die wunderschöne Stadt vor einigen Jahren selbst besucht habe, konnte ich einige bekannte Plätze und Ecken wiedererkennen.

Vorallem die Figuren des Romans sind sehr lebendig und detailiert gezeichnet. Man fühlt sich mitten drin und von Freunden umgeben. Natürlich kommt die Politik und auch die Umwelt nicht zu kurz. Alle Jüngeren, die denken unsere Generation hat sich keine Gedanken um die Umwelt in den 1980igern gemacht, erfährt hier das Gegenteil. Doch auch schon damals hat die Wirtschaft und die Politik zu ihren Vorteil gehandelt....nicht anders als heute.

Fazit:
Ein ruhiger Familienroman, der beide Seiten des ehemals geteilten Deutschlands aufzeigt. Dem Autor gelingt es besonders gut die Gefühle und Gedanken seiner Protagonisten zu transportieren, sowie die Orte zu beschreiben. Gerne empfehle ich den Roman weiter.

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Veröffentlicht am 05.03.2021

Spilezeuggeschichthe anno dazumals

Wo wir Kinder waren
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Vor 2 Jahren war Kati Naumanns Debütroman "Was uns erinnern lässt" eines meiner Jahres-Highlights und erhielt auch den "Lieblingsbuch-Status". Deshalb habe ich mich auf ihren neuen Roman sehr gefreut. ...

Vor 2 Jahren war Kati Naumanns Debütroman "Was uns erinnern lässt" eines meiner Jahres-Highlights und erhielt auch den "Lieblingsbuch-Status". Deshalb habe ich mich auf ihren neuen Roman sehr gefreut. Leider kann er nicht ganz mit ihrem Vorgänger mithalten. Trotzallem hat mir auch dieses Buch gut gefallen.

In "Wo wir Kinder waren" habe ich endlich einen historischen Roman mit einem neuem Thema in diesem Genre gefunden. Kati Naumann erzählt in Anlehnung an ihre eigenen Vorfahren über die Spielzeugherstellung. Sie beschreibt das Leben der Familie Langbein, die seit Generationen Puppen und Plüschtiere erzeugen. Gegründet wurde sie 1910 von Albrecht Langbein, der damit das Ein- und Auskommen von drei Generationen gesichert hat.

Auch der zweite Roman der Autorin spielt im Sperrgebiet des Thüringer Waldes, in der ehemaligen DDR, wo sie den Großteil ihrer Kindheit verbracht hat. Auf zwei Zeitebenen, die sich gegeneinander annähern, erfahren wir sehr eindringlich über diese Region, die für die Spielzeugherstellung bekannt war. In Sonneberg und Umgebung lebt die ganze Gegend von diesem Wirtschaftszweig. So auch die Familie Langbein, deren Puppenerzeugung um die Jahrundertwende aufgebaut wird. Der Familienbesitz wurde immer wieder an die Nachfahren vererbt, bis die Politik der DDR die Fabrik und selbst das Wohnhaus verstaatlichte. Nach der Wende sind die Billigprodukte der DDR ebenfalls nicht mehr gefragt und Sonneberg verliert einen ganzen Wirtschaftszweig.
Im Strang der Gegegenwart stehen die Urenkel Eva, Jan und Iris vor den Scherben des ehemals florierenden Betriebes. Sie sind zusammengekommen, um das Wohnhaus asuszuräumen, das vermietet werden soll. Nach anfänglichen Streitereien durchleben sie nochmals ihre Kindheit und setzen sich mit ihren Erinnerungen auseinander. Die große Enthüllung, die zwar nirgends angekündigt wurde, die ich aber durch die Geschichte doch irgendwie erwartet habe, blieb am Ende aus.
Im Gegensatz dazu, legt die Autorin sehr viel Liebe in ihren Vergangenheitsstrang, der die Puppenherstellung im Wandel der Zeit äußerst lebendig und detailliert beschreibt.
Für mich war es tatsächlich neu, dass in der ehemaligen DDR bereits Puppen produziert wurden, die ich selbst zu dieser Zeit bei uns in Österreich nicht finden konnte oder nicht besaß. Als ich ein Kind war gab es weder Puppen, die bewegliche Arme hatten, noch welche, die man aufs Töpfchen setzten konnte. Ich muss aber auch sagen, dass ich ein Mädchen war, das nicht gerne mit Puppen spielte...erst als die Barbies immer bekannter wurden, fand ich mehr gefallen daran, war damals aber schon fast zu alt dafür. Ich habe lieber Indianer gespielt oder Spiele im Freien, wenn endlich Ferien waren und die Nachbarin Besuch von ihren Enkelkinder hatte.
Umso gespannter habe ich die Erzählung über die Anfänge der Puppenerzeugung gelesen und auf Instagram die Fotos der Autorin bestaunt, die Förmchen und Formen zeigte, in denen die Einzelteile einer Puppe hergestellt wurden
Zwei Kriege, die Hyperinflation, die Teilung Deutschlands und die Planwirtschaft haben die Familie Langbein nicht unterkriegen lassen - erst die Verstaatlichung und später der Fall der Mauer war ihr Untergang.

Schreibstil:
Der Schreibstil der Autorin ist lebendig und bildhaft. Mit viel Liebe zum Detail und toller Recherchearbeit erzählt Kati Naumann über eine Familie, deren Motto "Das Herz ist die Fabrik" und die Puppenherstellung ist. Die Charaktere in der Gegenwart blieben allerdings etwas blass und an der Oberflläche. Sie waren für mich nur schwer greifbar. Das kann die Autorin besser!
Im Gegensatz dazu sind die Figuren im Vergangenheitsstrang lebendig und authentisch. Besonders Flora ist mir ans Herz gewachsen, die vom armen Taglöhnerkind zur Firmenchefin aufsteigt und dennoch nie vergisst, woher sie kommt.
Zu Beginn des Buches gibt es einen Stammbaum der Familie, der einen tollen Überblick gibt und am Ende gibt es noch ein informatives Interview mit der Autorin.

Fazit:
Kati Naumann hat wieder eine besondere Geschichte erzählt, die einen Rückblick in die Spielzeugherstellung in der ehemaligen DDR gibt. Leider kommt ihr zweiter Roman nicht ganz an ihr Debüt heran, das mich damals begeisterten konnte. Trotzdem hat mich dieser Generationenroman gut unterhalten und ich habe viel Neues erfahren dürfen.

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Veröffentlicht am 03.03.2021

Eine duftige Geschichte

Die Douglas-Schwestern
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Das Autoren-Duo Eva-Maria Bast und Jørn Precht, die unter dem Pseudonym Charlotte Jacobi schreiben, haben sich der Geschichte rund um die Parfümerei Douglas, der größten Parfümerie-Kette Europas, angenommen. ...

Das Autoren-Duo Eva-Maria Bast und Jørn Precht, die unter dem Pseudonym Charlotte Jacobi schreiben, haben sich der Geschichte rund um die Parfümerei Douglas, der größten Parfümerie-Kette Europas, angenommen. Daraus ist eine mehr oder weniger spannende Geschichte entstanden, die sich interessanten Themen widmet: Der Welt der Düfte und Frauen, die nach der Jahrhundertwende nach Unabhängigkeit streben - Pionierinnen der damaligen Zeit.

Die Geschichte des Unternehmens Douglas, bis hin zur Eröffnung der Parfümerie am Neuen Wall im Herzen Hamburgs, ist hervorragend erzählt. Über die Schwestern Carsten selbst ist allerdings sehr wenig bekannt. Die wenigen historischen Fakten haben die Autoren nach längerer Recherche in Hamburg und Paris deswegen mit einer fiktiven Geschichte verwoben.
Der Roman spielt von 1909 bis 1920 in Hamburg. Marie Carstens ist schon als Kind verzaubert von der Welt der Düfte. Ihr Traum ist es später ein ein eigens Geschäft gemeinsam mit ihrer Schwester Anna zu gründen. Das damalige Frauenbild und die damit verbundenen Schwierigeiten der Carstens Schwestern diesen Traum zu erfüllen, wurde sehr authentisch beschrieben. In einer zeit, wo Frauen nur Beiwerk eines Mannes sind und noch keinerlei Rechte haben, war es für Marie und Anna alles andere als leicht sich zu behaupten. Eine große Hilfe war ihnen Beate Kolbe, die sich mit den Schwestern zusammen getan hat und auch den Namen Douglas
beisteuerte.
Sehr schnell taucht man in die Welt der Düfte ein und verfolgt wie Maries und Annas Traum wahr wird. Dabei werden den beiden Frauen allerlei Hürden in den Weg gelegt, schließlich sind nur Männer Geschäftsmänner.
Wir begleiten Marie nach Grasse in Frankreich, wo sie die Grundlagen der Parfümherstellung kennenlernt. In der berühmten Stadt der Düfte oder bei der Weltausstellung in Brüssel trifft sie einige historische Persönlichkeiten, wie Coco Chanel oder Helena Rubinstein. Auch die Zarenfamilien oder Gertrude Stein spielen eine Rolle und geben der Geschichte einen zusätzlichen Reiz.

Die Charaktere sind facettenreich und lebendig gezeichnet. Sie entwickeln sich im Laufe des Romans weiter. Marie ist eine selbstbewusste und impulsive Frau, während ihre jümngere Schwester Anna eher zurückhaltend ist, aber oftmals die richtigen Entscheidungen trifft.

Ein bisschen wehmütig wird mir, wenn ich daran denke, dass die beiden Schwestern im wahren Leben kein Liebesglück finden konnten. Dafür ist die Parfümerie Douglas auch noch 100 Jahre später eine der führenden Marken der Welt.

Schreibstil:
Der Schreibstil des Autorenduos ist sehr lebendig, flüssig und bildhaft. Die Charaktere sind allesamt bis hin zu den kleinsten Nebenfiguren sehr lebendig und authentisch beschrieben.
Die Hansestadt Hamburg hatte ich sehr bildhaft vor Augen. Obwohl der Roman vor hundert Jahren spielt, habe ich einige Plätze wiedererkannt, die ich vor fast 2 Jahren besucht habe.

Im Nachwort erklären die Autoren, was ihren Ideenreichtum entsprungen und was historisch belegt ist. Ein sehr interessanter Nachtrag, der mich noch weiter mit der Parfümerie Douglas beschäftigt hat.

Fazit:
Ein unterhaltsamer Roman über die Gründungsgeschichte der Parfümerei Douglas. Das Autorenduo hat dabei fiktive Geschichten mit historischen Begebenheiten vermischt und daraus eine spannende, leicht zu lesende Lektüre geschrieben, bei der man den Duft von Parfüm in der Nase hat.

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