Die beiden Seiten der Wehrmacht
Die verdammte GenerationChristian Hardinghaus ist Historiker und beschäftigt sich besonders mit der Zeit um den Zweiten Weltkrieg. Ich habe bereits zwei seiner Bücher: "Ein Held dunkler Zeit" - ein biografischer Roman und "Die ...
Christian Hardinghaus ist Historiker und beschäftigt sich besonders mit der Zeit um den Zweiten Weltkrieg. Ich habe bereits zwei seiner Bücher: "Ein Held dunkler Zeit" - ein biografischer Roman und "Die Spionin der Charité", ein Roman über Ferdinand Sauerbruch, die Charité und Fritz Kolbe, gelesen.
In "Die verdammte Generation" hat Hardinghaus Gespräche mit den letzte Zeitzeugen geführt, die ihm von ihren Kriegserlebnissen erzählt haben.
Meine Eltern waren selbst im Zweiten Weltkriege dabei. Mein Vater war Fallschirmspringer, meine Mutter musste in den Arbeitsdienst. Beide überlebten, aber der Bruder und der Vater meiner Mutter kamen nicht mehr aus dem Krieg zurück. Gesprochen hat niemand über seine Erlebnisse und das wird auch teilweise in den Berichten der dreizehn Zeitzeugen bestätigt. Während die meisten nicht mehr daran denken wollten und diese Zeit verdrängt haben, haben andere geschwiegen, weil kein Interesse vorhanden war.
Einheitlich berichten alle Männer davon, dass man sich weder in Deutschland, noch in meiner Heimat Österreich, für ihre Geschichte interessiert hat. Im Ausland, vorallem in den USA, war das anders. Ein Zeitzeuge durfte sogar die Hand der Queen und die von Präsident Obama schütteln.
Aber bevor sich der Autor der Geschichte jedes einzelnen Zeitzeugen widmet, geht er generell auf die Wehrmacht ein. Hier habe ich doch einige neue Details erfahren, trotz meiner doch schon zahlreichen Lektüren zu diesem Thema. Zum Beispiel, dass es eine strikte Trennung zwischen NSDAP, SS, SA und der eigentlichen Wehrmacht gab. Wehrmachtsangehörigen war es auch während ihrer Dienstzeit verboten, Mitglied der NSDAP zu sein. Dass nicht nur die obersten, nämlich SS und SA, an Kriegsverbrechen beteiligt waren, leugnet niemand, aber dass der Großteil der einfachen Soldaten keinerlei Einblick hatte, was sich tatsächlich abgespielt hat, wird in den Zeitzeugenberichten mehr als klar.
Deswegen sollte man kein Pauschalurteil abgeben und alle Soldaten, die im Krieg kämpfen mussten, als Nazis oder Mörder verurteilen. Die Maschinerie hinter Hitler hatte ihre eigenen Pläne, die die einfachen Soldaten nie erfuhren und die streng geheim gehalten wurden. Ihnen wurde eingebleut, sie hätten die deutsche Bevölkerung, ihre Familien, vor der russischen Übermacht zu schützen. Ich will jetzt hier keine weiße Fahne für allejene hissen, die im Krieg waren, aber wie diese Männer, die oftmals verheizt und rücksichtlos in den Tod geschickt wurden bis zuletzt behandelt wurden, lässt sehr zu wünschen übrig. Mit dem Wissen von heute ist es wirklich wichtig dies auch der heutigen jungen Generation zu vermitteln und nicht weiterhin voller Scham zu schweigen.
Den dreizehn Zeitzeugen, die Christian Hardinghaus aus ihrem heutigen Leben und danach aus ihrem Kriegsalltag erzählen lässt, begegnen wir chronologisch nach dem Alter. Dies sind junge Männer aus unterschiedlichen Schichten und Familien. In den letzten Jahren des Krieges eher noch Kinder, die sich plötzlich mitten im Krieg befanden - letztere nicht einmal ausgebildet für die einfachsten Handgriffe und als Kanonenfutter an die Front geschickt. Einzelschicksale, die bewegen und die einem dem Krieg viel näher bringen, als diverse trockene Geschichtsstunden. Autor Christian Hardinghaus entführt uns an verschiedene Kriegsschauplätze und hat sich für seine Zeitzeugen bewusst Soldaten ausgesucht, die verschiedene Spezialausbildungen durchlaufen sind.
Ihre Lebensgeschichten verschmelzen mit dem historischen Kontext zu spannenden und berührenden Erzählungen, die einem viele verschiedene Einblicke gibt.
Am Ende jedes Interviews werden den Männern drei persönliche Fragen gestellt, die sich meistens mit der Kriegsgefangenschaft und dem Wissen um den Holocaust drehen.
Zahlreiche private Fotos bringen dem Leser diese dreizehn Zeitzeugen noch näher. Einige Geschichten werden wohl immer in meinem Gedächtnis bleiben.
Den Titel finde ich absolut treffend. Diese Generation war dazu verdammt zu kämpfen und danach zu schweigen. In den 1970igern wurden sie sogar dafür verdammt am Krieg teilgenommen zu haben. Doch dies war bei nur einem kleinen Teil eine freiwillige Entscheidung. Der Satz "Denk dir es ist Krieg und keiner geht hin" funktioniert leider bis heute nicht....was ich selbst bedaure.
Ich könnte hier noch viel mehr schreiben, sage aber einfach nur: Lest dieses Buch!
Fazit:
Bald werden keine Zeitzeugen mehr berichten können, deswegen lege ich euch dieses Buch sehr ans Herz. Wer keine trockene Geschichtsstunde, sondern Interesse an berührenden Einzelschicksalen, sowie einen Einblick in die damalige Propaganda haben möchte, der ist hier richtig. Bis heute gibt es noch immer so viel Unwissenheit oder Pauschalurteile. Das Gefühl, dass wir alle noch nicht damit abgeschlossen haben ist noch immer allgegenwärtig.
Für mich gibt es eine klare Leseempfehlung für alle Interessierten, aber auch auch für Leser, die sonst nicht in diesem Genre lesen. Denkt an eure Großväter oder Väter und ob ihr nicht doch etwas mehr aus deren Vergangenheit wissen möchtet...