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Veröffentlicht am 15.03.2020

Die beiden Seiten der Wehrmacht

Die verdammte Generation
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Christian Hardinghaus ist Historiker und beschäftigt sich besonders mit der Zeit um den Zweiten Weltkrieg. Ich habe bereits zwei seiner Bücher: "Ein Held dunkler Zeit" - ein biografischer Roman und "Die ...

Christian Hardinghaus ist Historiker und beschäftigt sich besonders mit der Zeit um den Zweiten Weltkrieg. Ich habe bereits zwei seiner Bücher: "Ein Held dunkler Zeit" - ein biografischer Roman und "Die Spionin der Charité", ein Roman über Ferdinand Sauerbruch, die Charité und Fritz Kolbe, gelesen.

In "Die verdammte Generation" hat Hardinghaus Gespräche mit den letzte Zeitzeugen geführt, die ihm von ihren Kriegserlebnissen erzählt haben.
Meine Eltern waren selbst im Zweiten Weltkriege dabei. Mein Vater war Fallschirmspringer, meine Mutter musste in den Arbeitsdienst. Beide überlebten, aber der Bruder und der Vater meiner Mutter kamen nicht mehr aus dem Krieg zurück. Gesprochen hat niemand über seine Erlebnisse und das wird auch teilweise in den Berichten der dreizehn Zeitzeugen bestätigt. Während die meisten nicht mehr daran denken wollten und diese Zeit verdrängt haben, haben andere geschwiegen, weil kein Interesse vorhanden war.
Einheitlich berichten alle Männer davon, dass man sich weder in Deutschland, noch in meiner Heimat Österreich, für ihre Geschichte interessiert hat. Im Ausland, vorallem in den USA, war das anders. Ein Zeitzeuge durfte sogar die Hand der Queen und die von Präsident Obama schütteln.

Aber bevor sich der Autor der Geschichte jedes einzelnen Zeitzeugen widmet, geht er generell auf die Wehrmacht ein. Hier habe ich doch einige neue Details erfahren, trotz meiner doch schon zahlreichen Lektüren zu diesem Thema. Zum Beispiel, dass es eine strikte Trennung zwischen NSDAP, SS, SA und der eigentlichen Wehrmacht gab. Wehrmachtsangehörigen war es auch während ihrer Dienstzeit verboten, Mitglied der NSDAP zu sein. Dass nicht nur die obersten, nämlich SS und SA, an Kriegsverbrechen beteiligt waren, leugnet niemand, aber dass der Großteil der einfachen Soldaten keinerlei Einblick hatte, was sich tatsächlich abgespielt hat, wird in den Zeitzeugenberichten mehr als klar.
Deswegen sollte man kein Pauschalurteil abgeben und alle Soldaten, die im Krieg kämpfen mussten, als Nazis oder Mörder verurteilen. Die Maschinerie hinter Hitler hatte ihre eigenen Pläne, die die einfachen Soldaten nie erfuhren und die streng geheim gehalten wurden. Ihnen wurde eingebleut, sie hätten die deutsche Bevölkerung, ihre Familien, vor der russischen Übermacht zu schützen. Ich will jetzt hier keine weiße Fahne für allejene hissen, die im Krieg waren, aber wie diese Männer, die oftmals verheizt und rücksichtlos in den Tod geschickt wurden bis zuletzt behandelt wurden, lässt sehr zu wünschen übrig. Mit dem Wissen von heute ist es wirklich wichtig dies auch der heutigen jungen Generation zu vermitteln und nicht weiterhin voller Scham zu schweigen.

Den dreizehn Zeitzeugen, die Christian Hardinghaus aus ihrem heutigen Leben und danach aus ihrem Kriegsalltag erzählen lässt, begegnen wir chronologisch nach dem Alter. Dies sind junge Männer aus unterschiedlichen Schichten und Familien. In den letzten Jahren des Krieges eher noch Kinder, die sich plötzlich mitten im Krieg befanden - letztere nicht einmal ausgebildet für die einfachsten Handgriffe und als Kanonenfutter an die Front geschickt. Einzelschicksale, die bewegen und die einem dem Krieg viel näher bringen, als diverse trockene Geschichtsstunden. Autor Christian Hardinghaus entführt uns an verschiedene Kriegsschauplätze und hat sich für seine Zeitzeugen bewusst Soldaten ausgesucht, die verschiedene Spezialausbildungen durchlaufen sind.
Ihre Lebensgeschichten verschmelzen mit dem historischen Kontext zu spannenden und berührenden Erzählungen, die einem viele verschiedene Einblicke gibt.

Am Ende jedes Interviews werden den Männern drei persönliche Fragen gestellt, die sich meistens mit der Kriegsgefangenschaft und dem Wissen um den Holocaust drehen.
Zahlreiche private Fotos bringen dem Leser diese dreizehn Zeitzeugen noch näher. Einige Geschichten werden wohl immer in meinem Gedächtnis bleiben.

Den Titel finde ich absolut treffend. Diese Generation war dazu verdammt zu kämpfen und danach zu schweigen. In den 1970igern wurden sie sogar dafür verdammt am Krieg teilgenommen zu haben. Doch dies war bei nur einem kleinen Teil eine freiwillige Entscheidung. Der Satz "Denk dir es ist Krieg und keiner geht hin" funktioniert leider bis heute nicht....was ich selbst bedaure.
Ich könnte hier noch viel mehr schreiben, sage aber einfach nur: Lest dieses Buch!

Fazit:
Bald werden keine Zeitzeugen mehr berichten können, deswegen lege ich euch dieses Buch sehr ans Herz. Wer keine trockene Geschichtsstunde, sondern Interesse an berührenden Einzelschicksalen, sowie einen Einblick in die damalige Propaganda haben möchte, der ist hier richtig. Bis heute gibt es noch immer so viel Unwissenheit oder Pauschalurteile. Das Gefühl, dass wir alle noch nicht damit abgeschlossen haben ist noch immer allgegenwärtig.
Für mich gibt es eine klare Leseempfehlung für alle Interessierten, aber auch auch für Leser, die sonst nicht in diesem Genre lesen. Denkt an eure Großväter oder Väter und ob ihr nicht doch etwas mehr aus deren Vergangenheit wissen möchtet...

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Veröffentlicht am 13.03.2020

Zurück in Lichterhaven

Die Liebe gibt Pfötchen
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Der neuerste Lichterhaven Roman von Petra Schier ist der vierte aus der Reihe, die aber alle unabhängig voneinander gelesen werden können. Für mich ist es mein dritter Besuch aus Licherhaven.

Diesmal ...

Der neuerste Lichterhaven Roman von Petra Schier ist der vierte aus der Reihe, die aber alle unabhängig voneinander gelesen werden können. Für mich ist es mein dritter Besuch aus Licherhaven.

Diesmal sind unsere Hauptprotagonisten Martina und Thorsten, die ich schon im letzten Band kurz kennenlernen durfte. Thorsten ist der Halbbruder von Lars aus "Strandkörbchen und Wellenfunkeln". Die beiden haben sich erst vor gar nicht langer Zeit kennengelernt, da Thorstens Mutter Deutschland verlassen hat und in die USA gezogen ist. Mittlerweile sind die beiden Brüder gute Freunde und bauen in der gemeinsamen Werft Boote. Schon vor einem Jahr hat Thorsten ein Auge auf Martina, eine kurvige Rothaarige, geworfen, doch jeder hat ihm abgeraten sie zu bedrängen. Die alleinerziehende Mutter von zwei Kindern und Witwe hat gefühlsmäßig eine Mauer um sich herum aufgebaut und fühlt sich ihrem verstorbenen Mann durch ein Verprechen gebunden. Sie hat die Trauer mit einem vollen Arbeitspensum verdrängt und hat auch sechs Jahre nach Axels Tod ein volles Programm neben Haushalt und Kindererziehung. Sie engagiert sich im Stadtradt und möchte ihren großen Traum, die Vollendung des Wellenbades, das ihr damaliger Mann geplant hatte, fertig stellen. Martina funktioniert einfach nur...das echte Leben geht an ihr vorüber...

Die Gefühle, die sich zwischen den beiden langsam entwickeln wurden sehr authentisch und glaubhaft beschrieben. Hier passiert nichts überstürzt, auch wenn die Autorin zum Ende hin wieder ein paar prickelnde Szenen eingebaut hat. Thorsten gibt sich auch redlich Mühe und ist ein sehr geduldiger Mann, der sich auch Martinas Kindern, Annika und Basti, liebevoll widmet, sie ernst nimmt und miteinschließt.
Zu den Lichterhaven Romanen gehört natürlich auch wieder ein süßes Fellknäuel. Der Mudi (ungarischer Hirtehund) Capone, den Martina aus dem Tierheim geholt hat, hält sie und ihre Kinder ganz schön auf Trab. Capone liebt es seine eigenen Willen durchzusetzen und macht so einige verrückte Dinge. Die Hundegedanken sind wieder in kursiver Schrift eingeblendet. Mir kamen sie diesmal nicht so präsent wie in den Vorgängerromanen vor. Trotzdem spielt Capone eine wichtige Rolle und versucht natürlich alles Martina und Thorsten zusammenzubringen...

Immer abwechselnd begleiten wir Martina oder Thorsten auf ihren Weg. Dadurch hat der Leser den Zugang zu ihren Gedanken und Gefühlen, spürt aber auch ihre Unsicherheiten und Ängste.
Die liebevoll ausgearbeiteten Figuren schließt man sehr schnell ins Herz. Viele Lichterhavener Einwohner kannte ich bereits, aber es gibt auch wieder ein paar neue Charaktere und ich denke ich weiß auch schon, wer im nächsten Band seine große Liebe treffen wird...

Schreibstil:
Ich liebe Petra Schiers Schreibstil, egal ob sie historische Romane, ihre Weihnachts-/Hunde- oder Lichterhaven Romane schreibt. Es gibt immer humorvolle Dialoge, der Schreibstil ist spritzig und in den Licherhaven-Romanen schätze ich auch immer die sehr bildhafte Beschreibung der Umgebung.

Fazit:
Wieder eine bezaubernde "Liebesgeschichte mit Hund " aus Lichterhaven, die ich gerne gelesen habe. Das Setting und die süßen Hunde alleine sind schon ein Pluspunkt, aber Petra Schier versteht es auch die Liebesgeschichte mit Humor und Gefühl zu erzählen. Ich freue mich schon auf den nächsten Roman aus ihrer Feder!

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Veröffentlicht am 11.03.2020

Reise ins Ungewisse

Vor uns das Meer
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Dieser Jugendroman aus dem Hanser Verlag erzählt über drei unterschiedliche Schicksale, die jedoch das gleiche Thema haben: Flucht aus dem Heimatland - egal ob selbst gewählt, weil keine andere Option ...

Dieser Jugendroman aus dem Hanser Verlag erzählt über drei unterschiedliche Schicksale, die jedoch das gleiche Thema haben: Flucht aus dem Heimatland - egal ob selbst gewählt, weil keine andere Option mehr möglich ist oder durch Vertreibung.
Obwohl die drei Geschichten der Kinder Josef, Isabel und Mahmoud 1939, 1994 und 2015 spielen, erleiden alle daselbe Schicksal. Sie landen auf der Suche nach Frieden und Freiheit auf dem Meer. Alle wünschen sich nur ein Leben in Sicherheit und Hoffnung auf eine normale Zukunft.

Josef und seine Familie ergattern noch als eine der Letzten ein Ticket für die Schiffspassage auf der St. Louis. Das Ziel, der von den Nazis vertriebenen Juden, ist die Karibikinsel Kuba, die die vertriebenen Menschen aufnehmen sollen.
Isabel flüchtet 1994 genau von dieser Insel und dem Regime. Unter der Diktatur von Fidel Castro leidet die gesamte Bevölkerung. Es gibt laufend Aufstände, die brutal zurückgeschlagen werden. Die Menschen leiden Hunger. Gemeinsam mit ihrer Familie und den Nachbarn wollen sie über das Meer nach Florida flüchten und endlich frei sein.
Mahmoud wohnt mit seinen Eltern und kleinen Bruder im syrischen Aleppo. Nachdem die ganze Stadt total zerbombt ist macht er sich, wie viele andere Syrer 2015 auf, um über das Meer nach Deutschland zu flüchten.

"Vor uns das Meer" ist eine bewegende Geschichte, die mitten aus dem Leben gegriffen ist. Überall auf der Welt sind Menschen auf der Flucht. Jeder von ihnen hat furchtbare Dinge erlebt, um überhaupt den Entschluss zu fassen seine Heimat zu verlassen. Mich haben viele der Erlebnisse, die die Kinder durchleben wirklich mitgenommen und berührt. Manche Ereignisse sind einfach unglaublich und zeigen wie oftmals Menschen die Notsituation anderer noch zu ihren Gunsten ausnutzen.

Alan Gratz berichtet realitätsnah, aber nicht belehrend. Das Schicksal dieser drei Kinder kann jederzeit und überall auf der Welt passieren. Als Leser fühlt man mit ihnen und hofft auf einen positiven Ausgang.
Der Autor zeigt mit diesen drei Schicksalen auf, wie unmenschlich wir oftmals handeln und ohne groß nachzudenken über Tod oder Leben entscheiden. Aber es gibt auch Geschichten von Menschen voller Herzensgüte, die den Flüchtlingen Hoffnung geben und durch die sie neuen Mut schöpfen.

Schreibstil:
Der Roman ist aus der Sicht der Kinder geschrieben, die nicht verstehen, warum sie flüchten müssen oder verfolgt werden. Die Kapitel wechseln zwischen den Erzählungen von Josef, Isabel und Mahmoud. Die Kapitel sind dabei kurz gehalten und man fiebert bereits beim beenden eines Kapitels dem nächsten entgegen. Der Autor erzählt unsentimental und gerade dadurch ergreifend.

Ein ganz besonderes Schmankerl sind die drei Landkarten, die die Wege von Josef, Isabel und Mahmoud aufzeigen. Am Ende gibt es noch ein Nachwort des Autors und ein kleines zeitliches update.


Fazit:
Ein Roman, der in den Schulen als Schullektüre Pflicht sein sollte. Drei packende und berührende Geschichten mit authentischen Erlebnissen und einer Botschaft, die nicht mit dem erhobenen Zeigefinger daherkommt, aber sehr nachdenklich macht. Von mir gibt es eine große Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 10.03.2020

Geisterbeschwörung im steirischen Sausal

Steirerrausch
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Im 9. Fall werden Sandra Mohr und Sascha Bergmann zu einem Tatort im steirischen Sausal gerufen. Wir haben Ende Oktober. Es ist nebelig und nasskalt. Die Sicht auf der kurvenreichen Straße ist sehr schlecht, ...

Im 9. Fall werden Sandra Mohr und Sascha Bergmann zu einem Tatort im steirischen Sausal gerufen. Wir haben Ende Oktober. Es ist nebelig und nasskalt. Die Sicht auf der kurvenreichen Straße ist sehr schlecht, als Sandra plötzlich ein junges Mädchen in einem weißen blutigen Kleid vor sich sieht. Bevor sie Sascha darauf aufmerksam machen kann, der neben ihr eingenickt ist, ist die junge Frau wieder verschwunden. Sandra denkt an eine Verkettung mit dem aktuellen Mordfall, doch das Mädchen, das sie gesehen hat, kennt niemand. Spukt es etwa in der Gegend?

Sascha hat mit Spuk-Geschichten nichts am Hut. Doch was steckt wirklich hinter dem Todesfall, der nur einer von vielen in derselben Familie ist? Alle von ihnen starben unnatürliche Tode und auch diesmal kommen die Menschen der Gegend wieder auf den "Spuk von Trebian" und Mutter Silbert, einem Medium, zu sprechen. Über diese schreibt Claudia Rossbacher in eingebauten Rückblenden. Dazu gibt es die Geschichte der vom Vater ermordeten Jägerstochther, die noch herumspuken und Rache an der Familie üben soll. Auch Sandra verspürt eine Beklemmung und ein gewisses Angstgefühl in der Nähe des Tatorts. Sie bekommt sogar körperliche Beschwerden wie Herzrasen.
Beim Lesen fragt man sich, was diese Geschichten mit dem eigentlichen und aktuellen Mordfall am Weinbauer Hermann Schneider wohl zu tun haben. Die Tatwaffe aus grauer Vorzeit, ein alter Vorderlader, der noch zur Zeit der Franzosenkriege benutzt wurde, erscheint ebenso mysteriös.....

Claudia Rossbacher hat in ihrem neunten Fall mystische Sequenzen eingebaut und diese mit dem aktuellen Mordfall verbunden. Leider ist ihr das meiner Meinung nicht ganz gelungen. Einzig die düstere Atmosphäre ist beim Lesen spürbar, macht den Fall aber nicht wirklich interessanter und spannender.
Die gewohnten Sticheleien zwischen Sascha und Sandra geben der Geschichte hingegen wieder etwas Lockeres und Humorvolles, jedoch gefiel mir diesmal das Gesamtpaket nicht richtig. Der Mordfall blieb mir zu viel im Hintergrund und ich hatte das Gefühl die Seiten wurden mit Belanglosigkeiten gefüllt, die nicht zur Aufklärung des Mordes führen.

Schreibstil:
Der Schreibstil ist wieder flüssig und mit viel Lokalkolorit gewürzt. Die bildhaften Beschreibungen des steirischen Sausals und dem Weinanbaugebiet wurden trotz der Zeit rund um Allerheiligen, wo es eher kahl und nebellig ist, gut eingefangen
Zu den verwendeten Dialektwörter gibt es wieder ein Glossar am Ende des Buches. Das Cover ist wieder absolut gelungen und mit dem Herz sofort erkennbar.

Fazit:
Dieser neunte Fall ist in meinen Augen leider nicht wirklich gelungen. Die Verbindung der Geistergeschichten mit dem aktuellen Mordfall war mir zu langweilig und zu weit her geholt. Auch die Beziehung zwischen Sandra und Sascha könnte langsam in irgendeine Richtung gehen. Mit Abstand die bisher schwächste Geschichte aus der Reihe.

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Veröffentlicht am 08.03.2020

Zwischen Angst und Hoffnung

Tage des Lichts
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Ulrike Renk meinte ihr dritter Teil der Seidenstadt-Saga um die jüdische Familie Meyer sei ihr ruhigster. Dem kann ich nicht ganz zustimmen, denn ich hatte den 576 Seiten dicken Schmöker wirklich schnell ...

Ulrike Renk meinte ihr dritter Teil der Seidenstadt-Saga um die jüdische Familie Meyer sei ihr ruhigster. Dem kann ich nicht ganz zustimmen, denn ich hatte den 576 Seiten dicken Schmöker wirklich schnell durch. Die Geschichte ist fesselnd erzählt. Es mag zwar stimmen, dass es nicht viele große Spannungsmomente gibt, aber man durchlebt mit Ruth und ihrer Familie all die Ängste und Gefühle in dieser schrecklichen Zeit. Zusätzlich erfährt man mehr über die politische Lage und die Entwicklung aus der Sicht von Großbritannien bis es zum Kriegseintritt kommt.

Ruth hat im Vorgängerband alles daran gesetzt, dass sie ihre Familienangehörigen nach England nachholen kann. Nun wartet sie noch immer am Bauernhof der Sanderson auf eine positive Nachricht. Die Lage in Deutschland spitzt sich immer mehr zu und es kommt zum Krieg. Ruth erlebt diese Zeit unter größter Anspannung. Zusätzlich zu ihrer Furcht, die Eltern und ihre Schwester nicht schützen zu können, arbeitet sie jeden Tag bis zur totalen Erschöpfung am Hof mit. Olivia Sanderson behandelt sie wie ein Sklavin, doch Ruth benötigt das Arbeitsvisum, damit sie in England bleiben kann. Als ihre Elterne und kleine Schwester noch rechtzeitig, bevor England Deutschland den Krieg erklärt, in London ankommen, ist sie erstmals erleichtert und erleidet die Schikanen von Olivia mit noch größerer Geduld als zuvor. Sie weiß, nach einem Jahr kann sie gehen und Amerika ist noch immer das Ziel der Meyers.
Doch nicht nur Olivia Sanderson macht ihr das Leben schwer. Als Großbritannien in den Krieg einsteigt, erlebt sie von einigen Engländern Anfeindungen, die sie nur als Deutsche sehen und nichts von den Verhaftungen und Schikanen an den Juden wissen. Für sie ist nun auch Ruth der Feind, obwohl sie eigentlich denselben haben...
Eine große Hilfe ist Edith Nebel, die den Juden in Großbritannien und auch noch in Deutschland zu helfen versucht. Ihr Mann hat als deutscher Botschafter einige wenige Möglichkeiten, die Edith für die Geflüchteten einsetzt.

Ulrike Renk blendet in ihrer Geschichte einige Mal nach Deutschland zurück, wo sich die Lage immer mehr zuspitzt. Ihre Großeltern, Tante Hedwig und vorallem Kusin Hans, sowie auch die Familie Aretz erleben mehr oder weniger die Übergriffe der NSDAP-Anhänger und der Gestapo, die sie überwachen und schikanieren. Die beiden Familien schreiben sich zwar regelmäßig, doch die Briefe kommen nie bei den Empfängern an. Die quälende Unsicherheit, was mit den Meyers in England und auf der anderen Seite dem Rest der Familie in Krefeld passiert, macht allen schwer zu schaffen.

„...Warum tut niemand etwas dagegen? Die Welt müsste doch aufstehen, müsste sich erheben gegen Hitler und seine Schergen...“

Sehr interessant ist auch die Sichtweise Großbritanniens, die zuerst die Hinhaltetaktik benutzen, bis dies nicht mehr möglich ist und es auch zu einem Wechsel an der Spitze des Premierministerpostens kommt. Die Ängste, die Ruth zu dieser Zeit durchmacht, werden äußerst gefühlvoll und plastisch beschrieben. Zuerst die Furcht um ihre Eltern, danach die Angst von der deutschen Wehrmacht und dazu die körperliche sehr anstrengende Arbeit im Haus und auf dem Feld. Aus dem etwas verwöhnten Mädchen aus der Oberschicht, ist eine zupackende und zu schnell erwachsen gewordene junge Frau geworden, die nicht so schnell aufgibt.

Wie bereits oben erwähnt, lebt dieser dritte Band vorallem von der Atmosphäre und der Gefühlswelt der Protagonisten, sowie vom geschichtlichen Hintergrund dieser grausamen und schlimmen Zeit.
Ulrike Renk erzählt sehr eindringlich, wie es der Familie Meyer weiter ergangen ist.
Im Nachwort erfährt der Leser weitere Fakten über ihre Nachforschungen, über Wahrheit und Fiktion.
Ich freue mich schon auf den abschließenden vierten Band, der voraussichtlich auf See und in den USA spielen wird.

Fazit:
Obwohl dieser Teil der Familiensaga um die jüdische Familie Meyer ruhiger als die beiden Vorgänger ist, finde ich die Reihe von Band zu Band interessanter und spannender. Ich freue mich schon auf den Abschlussband im August.

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