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Veröffentlicht am 21.04.2020

Die letzten 24 Stunden im Leben von Will

Mercy Seat
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Wir sind in den Südstaaten in den 1940iger Jahren. Eine Gleichstellung zwischen Schwarz und Weiß ist Zukunftsmusik. Noch immer verbergen sich weiße Männer hinter spitzen weißen Kapuzen um gegen Schwarze ...

Wir sind in den Südstaaten in den 1940iger Jahren. Eine Gleichstellung zwischen Schwarz und Weiß ist Zukunftsmusik. Noch immer verbergen sich weiße Männer hinter spitzen weißen Kapuzen um gegen Schwarze oder "Niggerfreunde" vorzugehen. Der Klu-Klux-Clan ist allgegenwärtig. Zu dieser Zeit wird ein junger schwarzer Mann wegen Vergwaltigung einer jungen weißen Frau zum Tode verurteilt. Die Beiden sind ein Liebespaar, doch der Vater des Mädchens ist Mitglied im Clan. Während Will festgenommen wird, erschießt sich Claire und kann somit nicht für ihn aussagen...was aber egal ist, denn dass er zum Tode verurteilt wird ist zu dieser Zeit in den USA einfach nur klar...

Die Geschichte erzählt die letzten 24 Stunden vor Wills Hinrichtung aus der Sicht mehrerer Personen. Die kurzen Kapitel und der rasche Perspektivwechsel hat mich zu Beginn etwas verwirrt. Ich konnte nicht alle Figuren sofort zuordnen und die vielen Namen taten ihr Übriges. Doch nach und nach waren diese Probleme vergessen und ich war tief in die Geschichte eingetaucht.

Zuerst begegnen wir Lane und den Captain, die den elektrischen Stuhl nach St. Martinsville kutschieren. Lane ist selbst Häftling und hat seinen ersten Tag Freigang, um den Captain zu begleiten. Als sie an einer Tankstelle kurz halten, lernen wir auch den Tankstellenbesitzer Dale und seine Frau Ora kennen. Ihr gemeinsamer Sohn Tobias ist einberufen worden und kämpft in Japan. Dale und Ora spielen auch in der fortlaufenden Handlung eine Rolle.
Eine weitere Perspektive erhalten wir von Polly, dem Staatsanwalt, der das Strafmaß von Will festgesetzt hat. Seine Frau Nell, die im Norden geboren wurde, findet keinen Gefallen an der Rechtssprechung im Süden. Gabe, ihr gemeinsamer Sohn, erkennt die Zweifel seines Vaters. Frank, der Vater von Will, ist ebenfalls auf dem Weg nach St. Martinsville. Mit seinem altersschwachen Maultier Bess transportiert er den Grabstein für seinen Sohn, den er noch kurz vor der Hinrichtng sehen möchte. Und zu guter Letzt lernen wir noch Hannigan, einen Priester kennen, der Will die letzten Monate begleitet hat und ihm auch kurz vor seinem Tod beizustehen versucht. Er zweifelt am Glauben und an der Gerechtigkeit. Und natürlich Will selbst, der sich dem Urteil ergeben hat und nun seiner Hinrichtung um Mitternacht entgegensieht.

Feinfühlig erzählt Elizabeth H. Winthorp wie die oben genannten Personen mit dem Urteil umgehen und welche Gedanken, Emotionen oder auch Schuldgefühle sie spüren. Dabei gibt uns die Autorin einen schonugslosen Einblick in das letzten Jahrhundert in die Südstaaten der USA. Leider muss man sagen, dass sich in manchen Dingen - trotz der schwarzen Bürgerrechtsbewegung in den 1960igern - noch immer viel zu wenig geändert hat. Schwarze werden noch immer benachteiligt, sowie oftmals willkürlich und ungerecht angegriffen oder sogar getötet.

Die intensive Erzählung hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Man spürt die Emotionen der einzelnen Figuren, die drückende Hitze und das langsame Aufkommen von Zweifel und im Gegenzug den Mob, der der Hinrichtung entgegenfiebert. Manche Antworten überlässt Winthorp dem Leser. Dabei hätte ich bei einem Strang gerne noch etwas mehr erfahren.
Die Autorin hat sich an einem wahren Fall orientiert, die sie zu dieser Geschichte inspiriert hat. Ein Roman, der einem nicht so schnell loslässt und niemand kalt lässt.

Schreibstil:
Die Autorin hat einen wahnsinnig eindringlichen und intensiven Schreibstil. Man spürt die beklemmende Stimmung mit jeder Faser beim Lesen, ebenso wie die sengende Hitze und die Emotionen der einzelnen Charaktere. Die kurzen Kapitel mit wechselnden Perspektiven verleiten zum "Ich muss unbedingt noch ein bissche weiterlesen", denn man hat den Wunsch mehr von dieser Figur zu lesen, die wir gerade begleiten, obwohl bereits aus der Sicht der Nächsten erzählt wird. Und so ergeht es einem bei jedem Perspektivwechsel.


Fazit:
Eine beklemmende Geschichte über Rassismus und der Willkür der Menschen, die Menschleben unterschiedlich werten. Eindringlich und schonungslos - eine echte Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 20.04.2020

Spannender Auftakt der neuen Tribute Reihe

Tribut der Sünde
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Tribut der Sünde" ist Teil Eins einer neuen historischen Reihe aus der Feder von Silvia Stolzenburg - jipee! Ich liebe ihre historischen Romane, die meistens sehr grausam und blutig sind und mir oftmals ...

Tribut der Sünde" ist Teil Eins einer neuen historischen Reihe aus der Feder von Silvia Stolzenburg - jipee! Ich liebe ihre historischen Romane, die meistens sehr grausam und blutig sind und mir oftmals mehr Gänsehaut bescheren, als so einige sogenannte Thriller.

Auch diesmal geht es blutig zu, denn gleich zu Beginn der Geschichte erwacht Martin Wengert aus seinem Rausch in der Schankstube und stolpert über eine Leiche. Dummer Weise ist es der Sohn des Bürgermeisters, Moritz Welling, der mit durchschnittener Kehle am Boden liegt und mit dem er letzte Nacht einen Streit hatte. Entsetzt flieht er zum Haus der Familie seiner Verlobten, Franziska Hochperger. Kurze Zeit später wird er verhaftet und des Mordes angeklagt. Zwei Tage später wird auch Franziskas Vater, ein ehrwürdiger Weinhändler und Ratsherr, festgenommen und der Beihilfe angeklagt. Haus und Hof werden beschlagnahmt und Franziksa steht plötzlich auf der Straße und muss sich als Bettlerin durchschlagen. Einzig Jakob, ein Freund von ihr und Martin, bietet ihr Hilfe an, die sie zuerst ausschlägt....

Von Anfang an fiebert man mit Franziska mit, deren Leben von einem Tag auf dem anderen aus den Angeln gehoben wird. Noch gestern Tochter eines angesehenen Mannes und kurz vor der Hochzeit stehend, steht sie nun auf der Straße und hat nichts und niemanden mehr. Eine furchtbare Vorstellung! Franzi ist sich sicher, dass ihr Verlobter und ihr Vater unschuldig sind und versucht alles Mögliche, um ihnen irgendwie Hilfe zukommen zu lassen.Gleichzeitig versucht sie herauszufinden, wer hinter dieser Intrige stecken könnte.

Zur selben Zeit brodelt es bereits unter den Bürgern von Stuttgart. Herzog Ulrich ist ein verschwenderischer Regent, der sich nicht um seine Untertanen schert. Seine Frau Sabina von Bayern hasst ihren Mann und dessen Geliebte und versucht mit allen Mitteln dieser Ehe zu entfliehen. Sie hütet ein Geheimnis, welches Franzi eines Tages zufällig in der Kirche, in der sie Zuflucht sucht, mithört. Ab diesem Zeitpunkt droht ihr auch von dieser Seite Gefahr.
Gewohnt spannend und fesselnd erzählt Silvia Stolzenburg die Geschichte um Franziska, deren Schicksal man mit klopfenden Herzen und unglaubigen Staunen liest. Glaubt man, ihr könnte nichts mehr zustoßen, wird man kurz darauf eines Besseren belehrt.

Das mittelalterliche Setting Stuttgarts wurde sehr bildhaft und detailliert beschrieben. Ich hatte immer das Gefühl mitten drinnen zu sein und mit Franzi durch die Gassen zu laufen.
Zusätzlich spürt man die Unzufriedenheit unter den Bürgern und ich nehme an, dass die Autorin im folgenden oder letzten Band den Aufstand des "Armen Konrad" als Mittelpunkt nehmen wird. Im ersten Band spürt man bereits die Ansätze dazu.

Mein einziger Kritikpunkt ist das Ende. Es gibt im ersten Band noch keine Auflösung und einen Cliffhanger. Ich hatte das Gefühl mitten aus demLesefluss gerissen zu werden. Das kommt leider nun immer öfters vor und ist nicht wirklich nach meinem Geschmack.
Außerdem bin ich von den anderen Bänden der Autorin gewohnt, dass eine Geschichte abgeschlossen isr, bevor es zum nächsten Band geht. Deswegen kann ich auch keine 5 Sterne vergeben, obwohl mich die Geschichte mitgerissen hat. Ich möchte aber nicht Monate warten und drei Bücher lesen, um endlich zu wissen, wer hinter der Intrige steckt, die Martin und Franzis Vater ins Gefängnis brachten.

Fazit:
Ein spannender Triologieauftakt, der mich ins mittelalterliche Stuttgart entführt und mit der Hauptprotagonistin mitleiden hat lassen. Einen Stern Abzug gibt es für das abrupte Ende mit dem Cliffhanger. Ich hatte das Gefühl mitten in der Geschichte rausgerissen worden zu sein....nun kann ich es gar nicht abwarten, den nächsten Band in den Händen zu halten.

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Veröffentlicht am 18.04.2020

Ein Haus mit vielen Gesichtern

Ein Lied für die Vermissten
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Der Einstieg in diesen Roman von Pierre Jarawan ist mir nicht leicht gefallen. Man braucht vorallem Zeit, Konzentration und sollte nicht parallel lesen, wenn man sein neues Buch "Ein Lied für die Vergessenen" ...

Der Einstieg in diesen Roman von Pierre Jarawan ist mir nicht leicht gefallen. Man braucht vorallem Zeit, Konzentration und sollte nicht parallel lesen, wenn man sein neues Buch "Ein Lied für die Vergessenen" zur Hand nimmt.
Pierre Jarawan erzählt in seiner wundervollen poetischen Sprache vom Schicksal des heranwachsenden Amin, der nach dem Tod seiner Eltern bei seiner Großmutter in Deutschland aufwächst. 1994 kehrt sie mit ihm in den Libanon zurück und eröffnet in Beirut ein Café. Er streift zuerst alleine durch die Straßen und Gassen der Stadt, bis er in Jafar einen Freund findet. Amin sieht sich einer Kultur und Herkunft gegenüber, die er in Europa nur teilweise kennengelernt hat. Vorallem aber fehlt ihm der Bezug zum Bürgerkrieg und der Geschichte der Besetzung des Libanons durch die Syrier. Eines weiß er aber mit der Zeit, nämlich dass es in diesem Land nie eine Gewissheit gibt - weder über die Geschichte seiner Familie, noch über die Vergangenheit seines Freundes Jafar....

Man taucht ein in die orientalische Atmosphäre und den teilweise märchenhaften Erzählungen, die oftmals an 1001 Nacht erinnern...wäre da nicht der Krieg und die andauerne Furcht der Menschen. Amins Großmutter hat fast täglich Besuch von Personen, die Amin, mit Ausnahme von Abbas, dem Raupenzüchter, nicht kennt und denen sie mehr Zeit widmet, als ihren Enkelsohn. Ganz anders als in Deutschland, wo sie ein zurückgezogenese Leben führten - die Wohnung nur spärlich eingerichtet, wie eben erst angekommen - und kaum Besuch hatten, lernt Amin eine andere Seite seiner Großmutter kennen, die einmals eine gefeierte Malerin war. Sie schickt ihn ins Nationalmuseum, wo er mehr über die Geschichte des Libanons erfahren und bei den Aufräumarbeiten des zerstörten Gebäudes helfen soll. Dort lernt er Saber Mounir kennen, dem ehemaligen Verantwortlichen der Bibliothek. Von seinen Büchern blieb nur Staub übrig....doch auch darin kann er Geschichten lesen. Amin lernt die Kunst der Hakawati, der Straßenkünstler, die Geschichten erzählen, kennen. Diese Gabe des Geschichten erzählens hat auch Jafar, der damit am Flohmarkt seine Waren verkauft.

"Unser Land ist wie ein Haus mit vielen Gesichtern" - Zitat von Amins Großmutter, Seite 200

Pierre Jarawan erzählt nicht chronologisch, sondern springt in den Zeiten hin und her. Dies macht den Roman vorallem im ersten Teil etwas schwierig zu lesen, denn die Zeitensprünge sind nicht gekenntzeichnet und erfolgen oft wie spontan. Diese Erzählweise hatte ich erst vor kurzem auch bei Saša Stanišić in seinem Roman "Herkunft", wo es mir ebensolche Probleme bereitete. Ich lese zwar viele Romane mit verschiedenen Zeit- und Handlungsebenen und habe damit überhaupt keine Probleme, aber in diesen Geschichten sind sie immer gekenntzeichnet und die Zeitspannen sind länger. Hier wird oftmals auf wenigen Seiten in den Zeiten gewechselt, was ich mühsam fand.
Die Handlung entfaltet sich sehr langsam. Es werden Symbole eingeflochten und Themen angesprochen, die später wiederum aufgegrffen werden.

Wie ein roter Faden zieht sich auch ein besonderes Gemälde, das Amins Mutter während ihres Studiums in Paris gemalt hat, durch die gesamte Geschichte.
Thema ist ebenfalls immer wieder die politische Willkür, die noch immer herrscht. Das Land ist nach wie vor nicht zur Ruhe gekommen. Trotz der düsteren Grundstimmung findet man sich in einer eher märchenhaften Erzählung, die über Freundschaft, Familie und Geheimnisse erzählt.

Eine besondere Stimme gibt der Autor den tausenden Vermissten, dessen Verschwinden nie aufgeklärt wurde. Seit dem Bürgerkrieg sind 17.000 Menschen bis heute spurlos verschunden.

Schreibstil:
Der Schreibstil ist poetisch, erfordert aber höchste Konzentration. Trotz der etwas düsteren Grundstimmung ist die Geschichte vorallem durch ihre märchenhaften Erzählungen stimmig und voller Geheimnisse. Die Freundschaft zwischen Jafar und Amin gibt den Rahmen rund um die Geschichte.
Der Roman ist in drei Teile geteilt, die der Autor bezugnehmend auf den Titel "Ein Lied für die Vermissten" in die erste, zweite und dritte Strophe nennt.

Noch ein Wort zum wunderschönen Cover. Klappt man das Buch auf, kann man erahnen, dass das Gesicht auf dem Titelbild ein Gemälde auf einem Haus ist, das in Beirut steht.

Fazit:
Ein anspruchsvoller Roman über das Finden seiner eigenen Herkunft, von Geheimnissen, Freundschaft und ein Erinnern an die vergessenen Menschen des Bürgerkrieges im Libanon. Man benötigt Zeit und Konzentration für diese Geschichte, damit sie sich richtig entfalten kann. Auch wenn ich ab und zu meine Schwierigkeiten hatte, ist es ein Roman, der durch seine Besonderheit im Gedächtnis bleibt und den ich gerne gelesen habe.

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Veröffentlicht am 15.04.2020

Spuren der Kindheit

Ein halbes Herz
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Elin ist eine erfolgreiche Starfotografin, die mit Ehemann Sam und Tochter Alice in New York lebt. Sie ist ein Workaholic und lebt für ihre Arbeit. High-Society, Wohlstand und Karriere sind ihre einzigen ...

Elin ist eine erfolgreiche Starfotografin, die mit Ehemann Sam und Tochter Alice in New York lebt. Sie ist ein Workaholic und lebt für ihre Arbeit. High-Society, Wohlstand und Karriere sind ihre einzigen Lebensinhalte. Dabei distanziert sie sich von ihrer Familie und entfremdet sich schlussendlich völlig. Eines Tages erhält sie einen Brief aus Schweden. Darin befindet sich eine Sternenkarte mit der Botschaft: Heute wurde ein Stern auf den Namen Elin getauft. Diese kommt aus Visby in Gotland und von ihrem damaligen besten Freund Fredrik. Lange verdrängte Erinnerungen brechen auf und Elin kann sich immer weniger hinter ihrer Kamera verstecken. Sie vergisst Termine, ist mit den Gedanken in Gotland und macht Fehler. Erst als sie ihrer Tochter verrät, dass sie eigentlich in Schweden geboren wurde, fasst sie den Mut sich ihrer Vergangenheit zu stellen.

Die Handlung wird abwechselnd auf zwei Zeitebenen erzählt. Über den Kapiteln aus der Vergangenheit steht "Damals", Ort und Datum zur besseren Zuordnung. Die Elin, die wir als Kind und Teenager kennen lernen, ist so ganz anders als die heutige Elin. Diese lebte in Armut, die Mutter ist völlig überfordert und depressiv, der Vater Alkoholiker, der schlussendlich im Gefängnis landet. Elin kümmert sich um ihre beiden kleinen Brüder und versucht es ihrer Mutter immer recht machen, die sich jdoch kaum um ihre Kinder kümmert und völlig lieblos agiert. Die einzigen Lichtblicke in Elins Leben sind die Treffen mit Fredrik, der für sie wie ein großer Bruder ist und bei dem sie sich geborgen und behütet fühlt oder die Besuche bei der alten Aina, die immer Kekse für die Kinder übrig hat und sich ihre Sorgen anhört.
Wir erfahren nach und nach, wie sich dieses verängstigte Mädchen, das sich verzweifelt nach Liebe sehnt und sich zum Ziel setzt eines Tages reich und berühmt zu werden, wandelt und zur heutigen kühlen Elin wird, die noch immer einsam, aber erfolgreich ist. Von ihrer Vergangenheit hat sie ihrem Mann und ihrer Tochter nie erzählt. Die Beiden wissen nicht einmal, dass sie Schwedin ist...ein Umstand, der mich kurz sprachlos gemacht hat.

Die Erzählungen aus Elins Kindheit in Visby fand ich sehr interessant. Sie konnten mich mitnehmen und ich fühlte die tiefe Sehnsucht und den Schmerz in ihrem Inneren. Sie sind mitreißend und gefühlvoll. Die erwachsene Elin hat mein Herz allerdings nicht wirklich berührt. Sie ist unnahbar und hat eine wahrlich dicke Mauer um sich herum aufgebaut, die keiner einzureißen vermag. Niemand dringt richtig zu ihr durch, doch am Härtesten geht sie mit sich selbst ins Gericht.
Erst die Reise mit ihrer Tochter Alice in die Vergangenheit - zurück nach Gotland - lässt Elins Herz langsam auftauen und Dinge erkennen, die sie lange in sich verschlossen hatte.

Die einzelnenen Charaktere sind gut gezeichnet und lassen dem Leser auch hinter die Fassade blicken. Oberflächlich bleiben nur die Figuren, die in New York Elins Leben begleiten - ein Leben, das genauso oberflächlich ist, wie es auch Elin lebt. So kann man auch bei den Figuren einen guten Vergleich ziehen.
Für mich war die Geschichte spannend zu lesen, auch wenn mich der Teil, der in Schweden spielt, mehr interessiert und mitgenommen hat. Die schwedischen Landschaftsbeschreibungen sind authentisch und bildhaft. Ich konnte mir die weite Ebene, die Wälder und das Meer wunderbar vorstellen.
Die melancholische Grundstimmung passt perfekt zum Inhalt und spiegelt das Gefühlsleben der Protagonistin wider.

Ein Roman, der nachdenklich stimmt und aufzeigt, wie sehr unsere Kindheit unser Leben bestimmen kann.


Fazit:
Eine Geschichte über das Leben, seine Wurzeln und welche Spuren die Kindheit hinterlassen kann. Trotz der melancholischen Grundstimmung habe ich den Roman gerne gelesen und mochte vorallem die Erzählung in der Vergangenheit.

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Veröffentlicht am 13.04.2020

Überzeugende Familiensaga mit italienischem Flair

Belmonte
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Zuerst eine Warnung in eigener Sache:
Wenn ihr das Buch lesen möchtet, seht euch NICHT den Stammbaum am Beginn des Buches an!! Er verrät zu viel und spoilert ungemein!

Simona, deutsch-italienisches Gastarbeiterkind ...

Zuerst eine Warnung in eigener Sache:
Wenn ihr das Buch lesen möchtet, seht euch NICHT den Stammbaum am Beginn des Buches an!! Er verrät zu viel und spoilert ungemein!

Simona, deutsch-italienisches Gastarbeiterkind in 3. Generation, wuchs bei ihrer Großmutter Franca im Allgäu auf. Als diese stirbt, erbt sie das Elternhaus ihrer Nonna im verschlafenden Dorf Belmonte bei Ancona in Italien. Eine Überraschung für Simona, die keine Ahnung von diesem Besitz hatte und eben erst ihren Job als Landschaftsgärtnerin verloren hat. Auch die Beziehung zu ihrem langjährigen Freund fühlt sich nicht mehr so an, wie es sein sollte. Dieser Umstand und die Kündigung lässt Simona Richtung Süden nach Belmonte in die italienische Marken in Mittelitalien aufbrechen. Im kleinen mittelalterlichen Dorf wartet aber nicht nur ein altes Haus mit einem großen Garten, der ihr Gärtnerherz höher schlagen lässt, sondern auch ihre unbekannte italienische Familie. Eines Tages hat sie eine von Franca besprochene Kassette im Briefkasten, auf der sie ihre Lebensgeschichte erzählt....

Antonia Riepp erzählt in diesem bezaubernden Roman über vier Generationen von Frauen einer Familie. Auf unterschiedlichen Zeitebenen berichten Teresa und Franca in der 3. Person aus der Vergangenheit, sowie Simona in der Gegenwart aus der Ich-Perspektive aus ihren Leben.
Das hört sich kompliziert an - ist es aber nicht. Während man im ersten Kapitel mit Teresa im Jahr 1944 in die Berge geht, um Partisanen zu unterstützen, lernen wir später ihre Tochter Franca kennen, die als Gastarbeiterin in Deutschlandein neues Leben beginnen möchte.
Die Lebensgeschichten von Simona und ihren Vorfahren wird abwechselnd erzählt. Über jedem Kapitel steht der Name der Protagonistin, die wir begleiten. Normaler Weise begeistert mich der Handlungsstrang in der Vergangenheit immer mehr, doch dieser Roman hat mich auf allen Ebenen gleichermaßen überzeugt. Ich zitterte mit Teresa, die an ihrer erzwungenen Ehe zerbricht, hoffte mit Franca, dem "Bastard", auf eine bessere Zukunft, schüttelte den Kopf über die verzogene Marina und erlebte mit Simona die Herzlichkeit ihrer italienischen Familie. Sie lernt die fast hundertjährige Marta kennen, die Teresas beste Freundin und Francas Ersatzmutter war und die noch immer ein Geheimnis hütet, sowie Irma, Francas Freundin und Ersatzschwester.

Während Simona auf der Suche nach ihren Wurzeln ist und sich in Belmonte auf die Spuren ihrer Ur- und Großmutter macht, erzählt Antonia Riepp in wunderbar lebendigen und sehr bildhaften Beschreibungen über diese Gegend in Italien und lässt uns teilhaben am Leben im beschaulichen Dorf und ihren temperamentvollen Bewohnern. Die Geschichte ist nicht vorhersehbar und beinhaltet einige überraschende Wendungen.
Die Charaktere sind vielschichtig und lebendig. Einige wachsen uns ans Herz, andere haben mich aufgeregt und wiederum ein Teil blieb zuerst undurchschaubar. Alle haben Ecken und Kanten und sind Menschen, wie du und ich.
Wir erfahren mehr über den Kampf der Partisanen während des zweiten Weltkrieges, schütteln den Kopf über die streng konservatibven Moralvorstellungen dieser Zeit im erzkatholischen Italien, erleben die Wirtschaftskrise und Not der Nachkriegszeit, die viele Italiener als Gastarbeiter nach Deutschland führten und Simonas Sinnkrise, die durch die Suche nach ihre Wurzeln ein Ende findet. Besonders die Schicksale von Teresa und Franka haben mich sehr berührt.

Schreibstil:
Der Schreibstil von Antonia Riepp ist einfühlsam und mitreißend. Ich habe mit allen drei Frauenfiguren mitgefiebert und mitgelitten.
Die Landschaftsbeschreibungen der italienischen Marken ist lebendig und sehr bildhaft und auch die typischen italienischen Lebensgewohnheiten werden wunderbar vermittelt. Belmonte ist ein fiktiver Ort. Die Autorin hat sich das Dorf Castiglioni di Arcevia in den Marken als Vorbild genommen.

Fazit:
Eine großartige und bezaubernde Familiengeschichte, die mich auf allen Zeitebenen begeistern konnte. Hätte ich diesen bewegenden Roman nicht bei Lovelybooks gewonnen, wäre mir eine wunderbare Geschichte entgangen. Den Roman kann ich zu 100% weiterempfehlen!

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