Ergreifende Fortsetzung - hat mir besser als teil 1 gefallen
Zeit aus GlasDer zweite Teil der Seidenstadt Reihe, in der Ulrike Renk die Familiengeschichte der jüdischen Familie Meyer erzählt, beginnt wo Teil 1 endete: bei der Reichskristallnacht.
Diese bringt für Ruth, ihre ...
Der zweite Teil der Seidenstadt Reihe, in der Ulrike Renk die Familiengeschichte der jüdischen Familie Meyer erzählt, beginnt wo Teil 1 endete: bei der Reichskristallnacht.
Diese bringt für Ruth, ihre Eltern und ihre kleine Schhwester Irene große Veränderungen mit sich. Ihr Haus und sämtliches Mobilar ist mutwillig zerstört worden, sodass es unbewohnbar geworden ist und sie auf die Hilfe ihrer Freunde angewiesen sind. Nach diesen schweren Angriffen auf die jüdische Bevölkerung haben die Wände Ohren und niemand kann sich mehr sicher fühlen. Viele Juden glauben noch daran, dass sich trotzallem Hitler und seine Schergen nicht durchsetzen können, während andere versuchen das Land zu verlassen. Ruth und ihre Eltern haben bereits eine Ausreiseerlaubnis in die USA, doch die Nummer auf der Warteliste ist so hoch, dass dies frühestens in 2-3 Jahren möglich wäre. Der allwissende Leser weiß bereits, dass dies zu diesem Zeitpunkt nicht mehr machbar sein wird und auch die Meyers fühlen, dass sie sobald wie möglich das Land verlassen sollten. Martha, Ruths Mutter, ist dieser Situation nicht gewachsen und verfällt in Depressionen. Vater Karl kommt ins Gefängnis. Die Verantwortung liegt nun großteils auf Ruth's Schultern. Sie erhält Hilfe von der befreundeten arischen Familie Achatz, sowie von Ruths Tante Hermine. Letztere hat jedoch ähnliche Sorgen nachdem ihr Mann nach Palästina ausgewandert ist und nur für Sohn Hermann ein weiteres Visa erhalten hat. Hermann bleibt jedoch bei seiner Mutter in Deutschland.....
Der Einstieg in Band 2 ist mir leicht gefallen und sehr schnell hatte ich wieder den Inhalt aus "Jahre aus Seide" im Kopf. Der Titel den aktuellen zweiten Bandes "Zeit aus Glas" ist perfekt gewählt, denn auf den fast 500 Seiten ist man sich als Leser der Ungewissheit und der Angst dieser Zeitepoche immer bewusst. Ulrike Renk hat diese sehr ausführlich dargestellt und das beklemmende Gefühl hervorragend transportiert. War Ruth im ersten Band noch Kind und wurde auch ihre Sichtweise von der Autorin noch kindlich dargestellt, ist sie nun knapp 18 Jahre alt und trägt fast die ganze Verwantwortung der Familie auf ihren Schultern. Oft hatte ich das Gefühl, dass einzig Ruth das Unheil kommen sieht, während der Rest der Familie in Depression verfällt oder aus Unglauben die Augen verschließt.
Die Wandlung von Martha, Ruth's Mutter, die im ersten Band eine starke und moderne Frau war, fand ich erschreckend. Statt für ihre Kinder da zu sein, bürdet sie der Ältesten, noch zusätzlich zu den vielen Einschränkungen durch die Nazis, die volle Verantwortung über die Familie auf. Für Ruth endet damit ihre Kindheit und sie muss sehr schnell erwachsen werden. Auch Vater Karl kam mir in diesem Teil ziemlich hilflos vor, bevor er ins Gefängnis wandert. Ruth hingegen gewinnt an Stärke, lässt aber immer wieder in liebevollen Dialogen mit ihrer Schwester Irene durchblicken, dass sie am Ende ihrer Kräfte ist, aber stark bleiben muss. Ruth beginnt einen Plan zu schmieden, indem sie ihrer Familie helfen möchte Deutschland früher zu verlassen....
Mit viel Einfühlungsvermögen erzählt Ulrike Renk über die Repressalien, denen die Juden ausgesetzt wurden. Dabei ist dies erst der Beginn der gewollten Auslöschung der jüdischen Bevölkerung durch die Nazis. Mir hat dieser zweite Teil der Reihe um einiges besser gefallen als Band Eins und ich freue mich schon auf die weiteren Bände.
Schreibstil:
Der Schreibstil der Autorin ist bildhaft und atmosphärisch. In diesem Band ist er der nun fast erwachsenen Ruth angepasst, während er im ersten Teil noch kindlich war. Die Charaktere sind sehr authentisch und detailliert beschrieben. Jeder von ihnen macht eine Entwicklung durch - ob zum Besseren oder Schlechteren.
Zu Beginn gibt es wieder ein Personenregister. Im Nachwort erzählt Ulrike Renk mehr über die Tagebücher von Ruth Meyer, die für sie die Quelle zu dieser Reihe sind. Die Autorin zeigt auf, was Wahrheit ist und was ihrer Fantasie entsprang - aber auch wie schwer es ihr oft fiel die Tagebuchaufzeichnungen von Ruth zu lesen.
Fazit:
Eine ergreifende und wunderbare Fortsetzung der Familiengeschichte um die jüdische Familie Meyer. Ulrike Renk hat die die Atmosphäre nach der Reichskristallnacht besonders authentisch eingefangen. Für Band 2 hat mir wesentlich besser gefallen als der erste Teil der Reihe und ich freue mich schon auf die Fortsetzung.