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Veröffentlicht am 07.11.2018

Survivaltraining im australischen Busch

Ins Dunkel
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Anfang des letzten Jahres habe ich den ersten Band "The Dry", der nun nochmals unter dem Titel "Die Hitze" erschienen ist, gelesen. Die mir damals unbekannte australische Autorin Jane Harper konnte mich ...

Anfang des letzten Jahres habe ich den ersten Band "The Dry", der nun nochmals unter dem Titel "Die Hitze" erschienen ist, gelesen. Die mir damals unbekannte australische Autorin Jane Harper konnte mich mit ihrem Debüt überzeugen, deswegen war ich schon sehr neugierig auf den zweiten Band in dem Aaron Falk ermittelt.

Zur Teambildung schickt die Firma Bailey Tennants jedes Jahr ihre Mitarbeiter und Führungskräfte zu Survival-Trails in den australischen Busch. Zwei Teams werden gebildet und diesmal sind diese geschlechterspezifisch getrennt. Es gibt ein Herren- und ein Damenteam, das in drei Tagen den Mirror Falls Trail auf unterschiedlichen Routen bezwingen und die Tage im Busch zur Teambildung beitragen sollen. Das Herrenteam erscheint pünktlich nach drei Tagen wieder an der Ausgangsposition, doch das Damenteam lässt auf sich warten. Als sie verspätet, total erschöpft und teilweise verletzt eintreffen, fehlt jedoch eine der fünf Frauen: Alice Russel.

Aaron Falk und seine Kollegin Carmen leiten die Ermittlungen, weil die verschwundene Alice eine Informantin zu einem Fall ist, den die Beiden gerade bearbeiten und in dem es um Geldwäsche geht. Umso interessierter sind Aaron und Carmen Alice lebend zu finden, damit diese ihre Zeugenaussage tätigen kann. In zwei abwechselnden Handlungssträngen begleiten wir Jill, Bree, Beth, Alice und Lauren bei ihrer Wanderung durch den australischen Busch. Und schon bald erkennt man, dass sich die fünf Frauen gegenseitig nichts schenken. Keine davon war mir wirklich sympathisch. Nach dem ersten Tag bemerken sie, dass sie sich verlaufen haben und der australische Busch seine Tücken hat. Als Alice die Gruppe verlassen will, nachdem auch noch der Proviant ausgegangen ist, kommt es zu immer größeren Streiteren und Handgreiflichkeiten. Zickenkrieg pur...wer kennt das nicht?! Und in einer lebensgefährlichen Situation kann das schon mal sehr interessant werden....aber auch tödlich?
Bei einer verschollen Hütte im Wald entdecken die Frauen ein Skelett und erinnern sich plötzlich, dass vor Jahren ein Mörder genau in dieser Gegend tötete. Die Leiche der letzten vermissten Frau wurde bis heute nicht gefunden....

Die Ermittlungen, die im zweiten Handlungsstrang erfolgen, sind anfangs schleppend. Sie nehmen auch nur einen kleinen Teil des Romans ein und werden erst zum Ende hin weiträumiger. Aaaron Falk ist im Roman eher eine Randfigur, wobei mir das Zusammenspiel mit seiner Kollegin Carmen sehr gut gefallen hat.
Der Spannungsbogen steigt leider erst sehr spät an.
Der Handlungsstrang mit den fünf Frauen hingégen nimmt den größten Teil ein. Er beginnt leise und subtil und artet immer mehr zu einem Drama aus. Dabei fragt sich der Leser: Handelt es sich hier um Mord oder einer Tat unter den Frauen? Oder sollte sich Alice als Zeugin nicht mehr äußern?
Das Ende ist perfekt gelöst und glaubwürdig, jedoch war es mir für einen Thriller mir eindeutig zu wenig.
Als Drama oder Abenteuerroman deklariert schneidet die Geschichte auf jeden Fall besser ab.

Schreibstil:
Der Schreibstil der Autorin gefällt mir sehr gut. Obwohl das Buch einige Längen hat, ist die Erzählung sehr dicht und atmosphärisch. Die Umgebung und die Landschaft, als auch der australische Busch mit seinen Gefahren wird so bildhaft und detailliert beschrieben, dass man das Gefühl hat sich selbst im australischen Busch zu befinden. Absolut toll!
Die Charaktere sind sehr lebendig beschrieben und direkt aus dem Leben gegriffen. Die Zickereien zwischen den Frauen und die Kämpfe um die Gruppenführung werden absolut authentisch beschrieben. Die Spannungskurve steigt jedoch leider sehr spät an.


Fazit:
Für einen Thriller war es mir zu wenig. Die Spannungskurve steigt erst gegen Ende an, aber die wirklich sehr atmosphärische Erzählung der Autorin und die grandiose Charakterdarstellung konnten bei mir, wie schon im ersten Teil, voll punkten. Im Großen und Ganzen aber schwächer als "The Dry/Die Hitze".

Veröffentlicht am 04.11.2018

Der Waldschrat

Wo mein Herz dich findet
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Kathryn Taylors neuer Wohlfühlroman führt uns diesmal nach Irland. Nachdem ich letztes Jahr "Wildrosensommer" gelesen habe, das mir überraschend gut gefiel, griff ich in der Bücherei gleich zu. Leider ...

Kathryn Taylors neuer Wohlfühlroman führt uns diesmal nach Irland. Nachdem ich letztes Jahr "Wildrosensommer" gelesen habe, das mir überraschend gut gefiel, griff ich in der Bücherei gleich zu. Leider kam "Wo mein Herz dich findet" nicht an ihren letzten Roman heran.
Für mich war nämlich bereits nach 100 Seiten klar, was hinter den Familiengeheimnissen und wer hinter welchen Intrigen steckt. Trotzdem fand ich die Geschichte rund um Cara, Liam, Patrick, Amy und Charlie unterhaltend und kurzweilig.

Cara Connelly steht mit nassem Haar und frierend vor einer einsamen Hütte, nachdem ihr Auto während eines Unwetters einfach liegengeblieben ist. Erst nach mehrmaligen klopfen und klingeln öffnet ihr ein eher griesgrämiger und wortkarger Mann, den sie im Geheimen "den Waldschrat" nennt. Als dieser sich doch noch erweichen lässt und sie in sein Zuhause bittet, erkennt Liam sehr schnell, dass es ein Fehler war. Nicht umsonst hat er sich die einsam gelegene Hütte als seinen neuen Wohnort ausgesucht. Die neugierige Jusstudentin, die wegen der Hochzeit ihres Bruders Patrick nach Hause gekommen ist, packt jedoch die Neugierde. Obwohl Liam sie gebeten hat ihr Treffen geheim zu halten, fängt Cara an ihn weiterhin zu besuchen und Nachforschungen anzustellen. Bald erkennt Liam, dass er sich auf die Besuche der jungen Frau zu freuen beginnt, doch niemand soll sein dunkles Geheimnis erfahren....

Die Kurzbeschreibung klingt in meinen Ohren fast wie die Inhaltsangabe eines Young Adult Romans, denn mit Liam haben wir eindeutig den "Bad Boy", der von der Gemeinschaft ausgestoßen wurde und sich schuldig fühlt. Eigentlich keine Beschreibung, die mich zu einem derartigen Buch greifen lässt!
Doch schon der Schreibstil der Autorin, den ich ja bereits kenne, lässt einem in diesem Wohlfühlbuch versinken. Und nachdem mir ihr letztes Buch gut gefallen hat, ist es kurzfristig zu Hause bei mir eingezogen.

Der Inhalt besteht eigentlich aus zwei Haupthandlungen, denn die in der Inhaltsangabe angegebene Geschichte von Cara und Liam ist nur ein Handlungsstrang. Der zweite, der genauso viel Spielraum einnimmt geht an Patrick und Amy, der mir sogar eine Spur besser gefallen hat. Die Gefühle zwischen den Beiden kamen für mich glaubwürdiger rüber. Amy, einstmals Patricks Freundin, tritt mit ihrem Sohn Charlie wieder in sein Leben und bringt es kurz vor der Hochzeit gehörig durcheinander. Es wird dramatisch, emotional und auch etwas kitschig.
Der Roman besteht allerdings nicht nur aus zwei Liebesgeschichten, sondern Kathryn Taylor versucht dem Leser in ihre Buch auch zu vermitteln, was vorschnelle Verurteilung und Dorftratsch alles anrichten können. Schuld und Vergebung, Familienzusammenhalt und auch Trauer und Verlust sind weitere Themen, denen sich die Autorin widmet.
Das Ende war rasant, dramatisch und spannend und hatte auch eine kleine Überraschung zu bieten.

Die Charaktere sind liebevoll ausgearbeitet und lebendig. Sie haben Ecken und Kanten und auch bei den unsympathischen "bösen" Charakteren kann man nachvollziehen, was sie angetrieben hat. Amys Sohn Charlie erobert dabei sehr schnell das Leserherz. Aber auch Amy mochte ich sehr, die einen schweren Stand gegen ihre Widersacherin hatte.

Und ja, die Geschichte ist wirklich vorhersehbar. Das hat mich trotz der netten Unterhaltung und dem Wohlfühlfaktor doch etwas gestört. Man kann zwar das Rad nicht neu erfinden, aber einige unvorhersehbare Wendungen oder einmal eine ganz neue Idee wären nicht schlecht gewesen. So ist es ein netter Wohlfühlroman, der sich gut lesen lässt, aber ob er mir länger in Erinnerung bleiben wird, ist abzuwarten...

Schreibstil:
Kathryn Taylor schreibt wunderbar lebendig und verzaubert durch ihren emotionalen Schreibstil. Die rauhe Landschaft Irlands wird bildhaft dargestellt. Auch ihre Figuren sind voller Leben und ich konnte mir jede Einzelnen sehr gut vorstellen. Emotionen und Ängste wurden realistisch dargestellt.

Fazit:
Ich habe "Wo mein Herz dich findet" in einem Rutsch durchgelesen. Es unterhält und hat so ziemlich alles, was ein Liebesroman braucht. Trotzdem war es mir zu vorhersehbar und ziemlich leichte Kost. Die Stunden im Flugzeug hat mir dieser Wohlfühlroman jedoch angenehm verkürzt. Leider reicht es meiner Meinung aber nicht an "Wildrosensommer" der Autorin heran.

Veröffentlicht am 03.11.2018

Das beste Buch der Reihe

Verliebt für eine Weihnachtsnacht
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Der sechste Band der "From Manhattan with Love" Reihe hat mich diesmal richtig verzaubert. Waren mir die Vorgängerbände doch manchmal etwas zu kitschig, war für mich die Dosis hier genau richtig.

Harriet, ...

Der sechste Band der "From Manhattan with Love" Reihe hat mich diesmal richtig verzaubert. Waren mir die Vorgängerbände doch manchmal etwas zu kitschig, war für mich die Dosis hier genau richtig.

Harriet, Zwillingsschwester von Fliss, die wir im letzten Band "Verliebt bis in die Fingerspitzen" begleitet haben, fühlt sich alleine. Gemeinsam mit ihrer Schwester besitzt Harriet das Gassi-geh-Service "Bark Rangers" in Manhattan, welches ziemlich gut läuft. Doch nun lebt Fliss mit Seth in den Hamptons und Harriet fühlt sich sehr einsam, denn sie war noch nie in ihrem Leben von ihrer Zwillingsschwester getrennt. Auch Bruder Daniel steht kurz vor seiner Hochzeit mit Molly...nur Harriet ist Single. Die Geschwister haben für sie immer alles geregelt und nun ist sie plötzlich ganz auf sich alleine gestellt.
Seit ihrer traumatischen Kindheit hat sie Probleme auf andere Menschen zuzugehen. Deshalb versucht sie krampfhaft mehr Selbstvertrauen durch ihre eigene ins Leben gerufene "Harriet-Challenge" zu bekommen. Ihr Ziel ist es, sich bis Weihnachten jeden Tag neuen Herausforderungen zu stellen - bis sie in der Notaufnahme bei Doktor Ethan Black landet! "Dr. HOT", wie ihn Harriet heimlich nennt, kreuzt schon bald wieder ihren Weg. Der total gestresste Arzt soll sich um die Hündin seiner Schwester kümmern, die Kundin bei Harriet ist und für einige Wochen verreisen muss. Ethan ist jedoch total überfordert mit seiner Aufgabe sich um "Madi" zu kümmern. Nach einem anstrengenden Tag, an dem er vollkommen vergessen hat, dass er einen Hund zuhause hat, steht er vor seiner total verwüsteten Wohnung. Harriet, die zur selben Zeit Madi zum Spaziergang abholen will, bekommt seine geballte Wut zu spüren. Daraufhin bricht ihre alte Sprachstörung wieder durch, die sie bereits überwunden glaubte. Völlig verzweifelt flüchtet Harriet und fühlt sich außerstande ihren Job zu machen.....

Harriet und Ethan sind ein Paar, das sich erst zusammenraufen muss. Ethan hat durch seinen anstrengenden Arbeitsalltag seine Gefühle fast ausgeschaltet, um mit den Tragödien und Zwischenfällen in der Notaufnahme klarzukommen. Außerdem kann er mit Hunden so gar nichts anfangen und will einfach nur sein Versprechen an seine Schwester halten. Für Harriet geht jedoch das Wohl eines Hundes über alles und kennt dabei keine Kompromisse.

Die Charaktere sind hervoragend und äußert lebendig gezeichnet. Außerdem entwickeln sie sich weiter und haben Ecken und Kanten.
Wie schon im Vorband setzt sich die Autorin dem Thema seelischer Verletzungen an Kindern und Vertrauensverlust auseinander. Harriet leidet seitdem an ihrer Sprachstörung, die wieder durchbricht, als sie sich einem wütenden Mann gegenüber sieht. Sie macht in dieser Geschichte eine wunderbare Entwicklung durch, die ihre wahre Stärke zeigt und die ihr endlich auch das gewünschte Selbstvertrauen gibt. Harriet besitzt den Mut sich jeden Tag einer neuen Herausforderung zu stellen und aus dem Schatten anderer zu treten. Dabei sieht man als Leser schon zu Beginn, dass sie es ist, die größtenteils für den Erfolg der Bark Rangers verantwortlich ist. Nur Harriet selbst stellt ihr Licht immer wieder unter dem Scheffel.
Auch Ethan, der für seinen Job lebt, aber dadurch sein eigenes Leben aus den Augen verloren hat, macht eine Wandlung durch. Er beginnt zu erkennen, dass er von seinem ursprünglichen beruflichen Weg abgekommen ist.

Wie sich die beiden doch noch zusammenraufen liest sich einfach köstlich und kommt diesmal meiner Meinung mit weniger Kitsch als in den Vorgängeromanen aus, sodass ich gerne 4 1/2 Sterne für diese süße Weihnachtsliebesgeschichte gebe.

Für Leser der Reihe gibt es auch ein Wiedersehen mit einigen Charakteren aus der "Snow Crsytal Reihe", was ich äußerst erfrischend gefunden habe.

Schreibstil:
Sarah Morgans Schreibstil ist flüssig, kurzweilig und lässt sich wunderbar lesen. Die bildhaften Beschreibungen, sowie Szenen, die mit Witz und Humor und einem Schuss Romantik gespickt sind, sind das Markenzeichen der Autorin. Sarah Morgan verpackt die winterliche Stimmung von Manhattan zu einer wundervollen Wohlfühlgeschichte.


Fazit:
"Verliebt für eine Weihnachtsnacht" war für mich das beste Buch der sechsteiligen "From Manhattan with Love-Reihe" und konnte mich richtig verzaubern. Perfekt für die kommende Vorweihnachtszeit und für Hundeliebhaber im Allgemeinen.

Veröffentlicht am 31.10.2018

Zeitgeschichte wird lebendig

Die Schwestern vom Ku'damm: Jahre des Aufbaus
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Bewertung: 4 1/2 Sterne

Berlin 1945. Der Zweite Weltkrieg ist offiziell vorbei, doch die Menschen leiden noch sehr an den Nachwirkungen. Hunger und Elend sind weitverbreitet und die Stadt ist von den ...

Bewertung: 4 1/2 Sterne

Berlin 1945. Der Zweite Weltkrieg ist offiziell vorbei, doch die Menschen leiden noch sehr an den Nachwirkungen. Hunger und Elend sind weitverbreitet und die Stadt ist von den Siegermächten besetzt. Familie Thalheim, einst Besitzer eines der größten Kaufhäuser Berlins, muss ihre Villa ebenfalls räumen, die von den Russen beschlagnahmt wurde. Begründer des Kaufhauses, Friedrich Thalheim, ist in russischer Gefangenschaft, Sohn Oskar im Krieg verschollen. Seine erste Frau Alma starb bereits 1932 bei einem Autounfall. Claire, seine zweite Frau und die gemeinsame Tochter Florentine, leben mit den älteren Töchtern Rike und Sylvie in der ehemaligen Wohnung der Großmutter in Charlottenburg.
Ulrike, genannt Rike, die Älteste der Thalheim-Schwestern, um die sich der erste Band der Trilogie dreht, träumt davon das Kaufhaus wieder aufzubauen und den Frauen nach den Entbehrungen neue modische Kleidung anzubieten. Doch noch haben die Menschen kein Geld für "Luxusartikel" und Stoffe sind ebenso schwer zu bekommen, wie Strickwaren. Trotzdem hungern die Berlinerinnen nach all den Entbehrungen des krieges ebenso nach den schönen Dingen des Lebens. Mit Hilfe von Miriam, einer Jüdin, die als U-Boot den Krieg überlebt hat, beginnt Rike in der verwahrlosten Wohnung ihrer Großmutter zu nähen und neue Modelle zu entwerfen. Als Friedrich Thalheim aus der Gefangenschaft entlassen wird, steht Rike vor einem weiteren Problem, denn ihr Vater nimmt sie geschäftlich nicht ernst. Er ist ein Mann der alten Schule, ein Patriarch, der sowohl seinen politischen Ansichten treu bleibt, als auch seinem Denken Frauen gegenüber. Doch dies bleibt nicht die einzige Hürde für Rike, denn ein Brief aus der Schweiz und das Tagebuch ihrer Mutter sorgen für weitere Verwicklungen in ihrem Leben.

Rikes lebenshungrige Schwester Sylvie ist ihr beim Wiederaufbau anfangs keine große Hilfe, denn diese hat nur Männer und Musik im Sinn. Mit ihrer rauchigen Stimme verdreht sie nicht nur den Soldaten den Kopf, sondern setzt ihre Attraktivität ebenso am Schwarzmarkt ein.
Die Jüngste, Halbschwester Florentine, steckt mitten in der Pubertät und hat jede Menge Unsinn im Kopf. Dabei ist sie aber auch ein Freigeist und liebt das Zeichnen und Malen.
Die verschiedenen Charaktere sind großartig ausgearbeitet und stimmig. Ich hatte jeden Einzelnen von ihnen vor Augen.

Brigitte Riebe gelingt es wieder großartig, die damalige Zeit einzufangen und fesselt mit ihrem ausdrucksstarken Schreibstil. Sie bringt wichtige Themen der Nachkriegszeit, wie die Berlin-Blockade, die Währungsreform, das Leben der Trümmerfrauen und die verschiedenen Besatzungszonen, die Berlin immer mehr in Ost- und West teilt, in ihre Geschichte rund um die Thalheims ein und verpackt es zu einem großen Ganzen. Die Autorin hat die Zeit des Wiederaufbaus hervorragend recherchiert und bringt sie dem Leser anschaulich nahe. Man fiebert mit den Charakteren mit und erlebt die Nöte der Einwohner der in vier Zonen geteilten Stadt Berlin. Brigitte Riebe hat die Gabe diese Zeit wirklich fesselnd und authentisch zu erzählen und versteht es den Leser damit in den Bann zu ziehen.

Einzig Rikes Liebesgeschichte konnte mich nicht zu 100% überzeugen. Hier fehlte mir einfach das gewisse Etwas. Dies ist jedoch nur ein kleiner Kritikpunkt am Roman, der mich sonst wirklich fesseln konnte.

Schreibstil:
Der Schreibstil von Brigitte Riebe ist ausdrucksstark, flüssig und atmosphärisch. Man taucht von der ersten Seite an sofort in ihre Geschichten ein und erst nach dem letzten Satz wieder auf. Sehr anschaulich schildert sie die politischen Geschehnisse der Nachkriegszeit.
Am Ende des Buches gibt es eine detaillierte Zeittafel des berlins von 1945 bis 1951.

Fazit:
Ein toller Auftakt einer Trilogie, die die schwere Zeit nach dem Krieg und den Wiederaufbau schildert. Verwoben mir einer Familiengeschichte rund um die Thalheim Schwestern wird hier Zeitgeschichte lebendig. Ich freu mich schon auf den nächsten Band.

Veröffentlicht am 19.10.2018

Wenn Recht nicht Gerechtigkeit ist

Grenzgänger
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Liest euch den Klappentext vorher bitte NICHT durch!

"Wenn Recht nicht Gerechtigkeit ist"...mit diesem Satz wirbt der Verlag für dieses Buch und ich kann dem zu 100% zustimmen. Was für eine Geschichte! ...

Liest euch den Klappentext vorher bitte NICHT durch!

"Wenn Recht nicht Gerechtigkeit ist"...mit diesem Satz wirbt der Verlag für dieses Buch und ich kann dem zu 100% zustimmen. Was für eine Geschichte! Wow!

Mechthild Borrmann hat ihren neuen Roman in zwei Zeitebenen angelegt. 1970 steht Hanni wegen Mord und Brandstiftung vor Gericht. Sie schweigt jedoch zu den Vorwürfen. Einzig ihre Jugendfreundin Elsa besucht sie jeden Tag während des Prozesses in Aaachen. Sie ist nicht überzeugt von Hennis Schuld und verfolgt den Ablauf gespannt. Dabei wird sie von einem jungen Mann angesprochen, einem Jurastudenten, der sich für den Fall interessiert und auch eine Arbeit darüber schreibt. Er möchte mehr über die Hintergründe der Verurteilung und über Hennis Leben wissen.....

Die Autorin wechselt zwischen verschiedenen Zeitebenen, Personen und Orten. Das erfordert anfangs etwas Konzentration und Aufmerksamkeit, jedoch sollte man dran bleiben, denn schon nach kurzer Zeit kann man das Buch nicht mehr aus der Hand legen.

Der Einstig ist eher ruhig, denn Borrmann hat ihre Geschichte so angelegt, dass man zuerst mit Ennie in ihren Erzählungen in die Vergangenheit zurückreist.
Wir begeben uns in das Dorf Velda nahe der deutsch-belgischen Grenze. Elsa lebt im Nachbarhaus, wo einst Hennis Familie, die Schönings gelebt haben.
Henni ist erst 12 Jahre, als ihr Vater aus dem Krieg zurückkehrt. Der gelernte Uhrmacher ist zum Kriegzitterer geworden und wird arbeitslos. Er wird immer depressiver und wendet sich schlussendlich der Kirche zu. Henni und ihre Mutter beginnen für den Lebensunterhalt zu sorgen, doch es reicht einfach nicht aus. Als auch noch plötzlich die Mutter stirbt, wollen ihr Vater und der Pastor, Henni und ihre Geschwister Matthias, Fried und Johanna ins Heim stecken. Doch Henni hat ihrer Mutter kurz vor ihrem Tod versprochen für ihre Brüder und die Schwester zu sorgen und übernimmt mit ihren 17 Jahren die ganze Verantwortung, während ihr Vater sich dieser entzieht und sich zu einem bigotten, faulen und kalten Menschen entwickelt.
Bald bleibt den Kindern nicht mehr wirklich viel zum Leben und Henni entschließt sich den "Grenzgängern" anzuschließen. Viele aus dem Dorf, das zwischen der Eifel und der belgischen Grenze liegt, schmuggeln Kaffee, den sie gegen Lebensmitteln tauschen. So kommen die Meisten über die Runden. Henni schließt sich den Dörflern an. Einige Zeit geht alles gut, doch nach einem kleinen Zwischenfall wird die gängige Route stärker bewacht und Henni entschließt sich über das Moor zu gehen. Eiinge Wagemutige schließen sich ihr an, doch letztendlich kommt es zu einem tragischen Vorfall. Henni wird daraufhin in die Besserungsanstalt gesteckt und ihre Brüder kommen ins Waisenhaus...und hier fängt erst das richtige Grauen für die Kinder an...

In einem weiteren Erzählstrang in der Gegenwart, die im Roman 1970 spielt, lernen wir den Künstler Thomas kennen. Hennis Bruder Fried bittet ihn als Zeuge auszusagen. Eine Ordensschwester aus dem Kinderheim in dem Matthias, Fried und Thomas waren und deren Willkür sie ausgesetzt waren, ist angeklagt. Durch die Erinnerungen von Thomas an seine schlimme Kindheit, erfährt der Leser mehr über die Zeit im Heim, die Thomas noch heute in seinem Träumen quält.
Auch Elsas Leben wird beleuchtet. Obwohl sie eine wichtige Funktion hat, bleibt sie doch eher eine Nebenfigur.

Mechthild Borrmann hat mit einigen ehemaligen Waisen geprochen, die in diesen meist kirchlichen Institutionen untergebracht waren. Die Zustände waren großteils unbeschrieblich. Grausamkeiten im Namen der Moral und des Glaubens, jedoch jenseits genau dieser Werte. Sogar Folterungen der Kinder waren an der Tagesordnung. Obwohl die Autorin eher sachlich und nüchtern erzählt, sind viele Begebenheiten teilweise so unmenschlich und grausam, dass man es sich gar nicht vorstellen kann.

Auch über die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und dem allgegenwärtigen Hunger, der den Schmuggel und Schwarzhandel förderte, erzählt die Autorin näher.

Schreibstil:
Mechthild Borrmann schreibt hier eher nüchtern, jedoch hätte wohl kein Leser einen sehr bildhaften und emotionalen Schreibstil bei all den Grausamkeiten ausgehalten. Trotzdem ist der Roman atmosphärisch sehr dicht und stimmungsvoll. Mein Kopfkino war immerzu am Laufen....
Besonders entwickelte ich aber eine immer stärkere Abneigung gegen den Vater, die sich beim Lesen zum Hass entwickelte. Dies zeigt von der grandiosen Charakterdarstellung und der Schreibskunst der Autorin.
Die kurzen Kapitel lassen sich angenehm lesen und man fliegt förmlich durch den Roman und bangt um Hennis Zukunft.

Fazit:
Ein Roman, der zwar fiktiv ist, bei dem die Autorin jedoch Missstände in Waisenhäusern aufgreift, die tatsächlich stattgefunden haben. Bewegend und emotional wird hier vom Schicksal einer Familie und ein Stück Zeitgeschichte erzählt. Eine Lektüre auf hohem Niveau! Von mir gibt es eine absolute Leseempfehlung!