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Veröffentlicht am 06.01.2019

Wunderschönes modernes Märchen, das gesellschaftliche Vorurteile gehörig auf den Kopf stellt.

Happy End
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Wer meinen Blog bereits länger verfolgt, weiß, dass ich ein ganz großes Amélie Nothomb Fangirl bin. Zu ihrem Roman „Die Metaphysik der Röhren“ kam ich beinahe zufällig, nachdem ich einiges Gutes gehört ...

Wer meinen Blog bereits länger verfolgt, weiß, dass ich ein ganz großes Amélie Nothomb Fangirl bin. Zu ihrem Roman „Die Metaphysik der Röhren“ kam ich beinahe zufällig, nachdem ich einiges Gutes gehört hatte, mir aber nicht sicher war, mit welchem ihrer zahlreichen Bücher ich beginnen sollte. Dieses Buch öffnete mir die Augen. Ich verliebte mich auf einen Schlag und sammelte nach und nach alle ihre auf Deutsch erschienenen Werke an und achtete darauf, nicht alle auf einmal zu lesen. Seit letztem Jahr verfolge ich aber ihre Neuerscheinungen und so zog rechtzeitig zum Erscheinen auch ihr neuestes Werk „Happy End“ bei mir ein. Wie bei allen ihren Büchern kann ich mich da nicht zurückhalten und häppchenweise genießen, nein, ich schlinge das gesamte Buch direkt in mich hinein. Und diesmal war es mit seinen knapp 190 Seiten sogar noch ein wenig dicker als ihre vorangehenden Werke! Und ich kann euch sagen: Es war mir ein Genuss!

Außergewöhnliche Schönheit lässt niemanden kalt – sie ruft offenen Zorn hervor. Hässliche Menschen werden manchmal bemitleidet – sehr schöne meist erbarmungslos gehasst.

Es geht um Déodat und Trémière, die nicht unterschiedlicher sein könnten: Während Déodat bereits bei Geburt ein unglaublich hässliches Kind war, bezaubert Trémière alle mit ihrer Schönheit; Déodat ist ein intelligenter Einzelgänger, Trémière fehlt es an Geist und sie kann sich an den simpelsten Dingen erfreuen. Déodat , der bereits in der Wiege seinen ersten vollen Satz spricht (»Dieses Kleid steht dir gut, Mama«), erfasst aufgrund seiner Intelligenz schon früh das Problem seiner Hässlichkeit; Mitschüler meiden ihn, das ist ihm aber relativ gleichgültig, da er sich sowieso lieber mit Vögeln befasst. Trémière kommt überraschenderweise auch nicht mit ihren Mitschülern klar; aufgrund ihrer Schönheit wird sie von allen beneidet. Trémière lebt wie Déodat isoliert, sie bei ihrer Großmutter, die sie bei sich behält, damit niemand merkt, wie dumm sie ist, und er, weil er sich selbst dafür entschieden hat. Bis die Beiden aufeinander treffen, vergeht einige Zeit, doch umso schöner ist das Zusammentreffen von Schön und Hässlich schließlich.

Amélie Nothomb erzählt mit „Happy End“ das Märchen des „Riquet mit der Locke“ auf ihre Art und Weise neu. Wer das Märchen, auf dem dieser Roman basiert, nicht kennt, findet es im Anhang und kann dort direkt Verbindungen, aber auch Unterschiede erkennen. Nothomb nimmt hier gesellschaftliche Vorurteile und Normen, die sie auf den Kopf stellt und lässt die beiden Leben gezielt aufeinander zulaufen. Die Geschichte wird abwechselnd aus Trémières und Déodats Sicht geschildert, im gewohnten und geliebten Stil der Autorin.



Weiterlesen: https://killmonotony.de/rezension/amelie-nothomb-happy-end

Veröffentlicht am 06.01.2019

Wunderbar frisch, spannend und witzig – Robin Sloans neues Werk nimmt uns mit in den Untergrund der Food-Startups.

Der zauberhafte Sauerteig der Lois Clary
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Auf dieses Buch habe ich mich schon unglaublich lange gefreut! Und Ende Oktober war es endlich soweit und Robin Sloans neues Buch, „Der zauberhafte Sauerteig der Lois Clary“ ist auf Deutsch erschienen. ...

Auf dieses Buch habe ich mich schon unglaublich lange gefreut! Und Ende Oktober war es endlich soweit und Robin Sloans neues Buch, „Der zauberhafte Sauerteig der Lois Clary“ ist auf Deutsch erschienen. Zwar hatte ich das Buch bereits bei Erscheinen der englischen Ausgabe im Auge, jedoch konne mich das Cover nicht so richtig vom Hocker reißen und so passt der „Sauerteig“ auch zu meiner Hardcover-Ausgabe von „Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra“, das vorige Werk von Sloan, das mich bereits vollkommen begeistern konnte. Und auch bei „Sauerteig“ wusste ich bereits beim Lesen des Klappentextes, dass es sich um ein großartiges Buch handeln würde. Und – Spoiler – es ist wirklich ganz wunderbar! Wo „Mr. Penumbra“ die Buchnerds und Verschwörungstheoretiker abgeholt hat, widmet sich „Der zauberhafte Sauerteig der Lois Clary“ der Startup-Szene der Branchen Food und Tech. Lois Clary arbeitet zu Beginn des Buchs bei einem entspannten Unternehmen voller älterer Leute und sie mag ihren Trott und die Nähe zu ihren Eltern, als sie Tech-Gigant General Dexterity abwirbt und sie mit tollen Konditionen lockt. General Dexterity programmiert Roboterarme für die verschiedensten Situationen, vom Kernreaktorbetrieb bis hin zum Eier aufschlagen. Letzteres klappt noch nicht so gut. Lois zieht also nach San Francisco, doch anstatt toller Konditionen wartet nur ein Haufen Arbeit auf sie, der berühmte Startup-Spirit, dass man mit Leidenschaft gerne rund um die Uhr dabei ist, um das junge Unternehmen zu pushen, und ihr Privatleben verkümmert Schlag auf Schlag. Bis sie durch verrückte Umstände einen Sauerteig-Ansatz erhält. Die Aussicht, selbst köstliches Brot zu backen, lockt Lois, und während einem ihrer theoretischen Urlaubstage geht sie dem Mysterium „Sauerteig“ auf die Spur. Sie füttert ihn, sie spielt ihm Musik vor, und wird nachts wach, weil der Ansatz in seinem Keramiktopf zu singen scheint. Noch ahnt sie nicht, dass sie bald für hunderte Menschen Sauerteigbrot backen und mit der Food-Startup-Welt verschmelzen wird…

Folgendes glaube ich über Menschen meines Alters: Wir sind die Kinder aus Hogwarts, und mehr als alles andere wollen wir wissen, wo wir hingehören.

In diesem Buch passiert wirklich viel, eine kurze Inhaltsangabe reicht fast nicht aus, um das Spektrum an Ideen, die Robin Sloan zwischen diese zwei Buchdeckel steckt, in Worte zu fassen. Ich habe versucht, es möglich knapp zu halten, doch ihr seht, dank meiner Begeisterung ist das nicht so leicht! Als ich „Der zauberhafte Sauerteig der Lois Clary“ aus meinem Briefkasten gefischt habe, musste ich sofort beginnen zu lesen und habe es wirklich binnen einiger Stunden ausgelesen. Die Elemente, die Sloan hier zusammenmischt, scheinen zu Beginn so gar nicht zueinander zu passen (hochtechnisierte Roboter und das Bäckereihandwerk), doch nach und nach fügt sich alles zu einem wunderbaren Ganzen zusammen. Dass ich nach der Lektüre bereits geschaut habe, was man zum „Einfangen“ eines wilden Sauerteigs benötigt und wie man weiter vorgeht, dürfte offensichtlich sein.

Weiterlesen: https://killmonotony.de/rezension/sauerteig-101-mit-robin-sloan

Veröffentlicht am 04.11.2018

Spannender Wissenschaftsthriller rund um Ethik und Forschung, Epigenetik und nichts weniger als die Zukunft der menschlichen Spezies.

Das Alphabet der Schöpfung
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Wenn ihr meinen Blog schon länger verfolgt, wisst ihr, dass ich eigentlich keine Thriller lese. Zu dick, zu unspannend, alles bei den Haaren herbeigezogen – das waren meine bisherigen Erfahrungen mit diesem ...

Wenn ihr meinen Blog schon länger verfolgt, wisst ihr, dass ich eigentlich keine Thriller lese. Zu dick, zu unspannend, alles bei den Haaren herbeigezogen – das waren meine bisherigen Erfahrungen mit diesem Genre. Zugegeben, einige interessante Titel habe ich schon gelesen, allerdings waren die mir immer zu gruselig. Doch in meiner aktuellen Lesewut zum Thema Tod und Seele kam mir I. L. Callis‘ Thriller „Das Alphabet der Schöpfung“ gerade recht, denn es geht um nicht weniger als um die Erschaffung von synthetischem Leben, Genveränderungen und die Zukunft der Spezies „Mensch“. Klingt ziemlich hochtrabend? Vielleicht, aber genau das macht diesen Thriller so spannend! Wir lernen Protagonisten Alex an einem normalen Tag bei seiner Arbeit kennen. Er arbeitet als freiberuflicher Journalist und Texter für das MAGAZIN. Doch wirklich Freiheit bei dem, was er schreibt, hat er nicht, und so wird sein bereits fertiger Report zum Elend in Afrika durch eine Tourismus-Spalte mit traumschönen Bildern ersetzt. Glücklicherweise erhält er zeitgleich einen Anruf von seinem alten Freund Max, der einen Gentechnik-Konzern leitet, und erhält das Angebot seines Lebens: Er soll die Arbeit von Phoenix, so der Name des Giganten, in einem Buch zusammenfassen. Klingt spannend, denkt Alex, willigt ein und findet sich bald in einem Alptraum wieder. Die Mitarbeiter von Phoenix scheinen zwar auf den ersten Blick alle sympathisch, doch ihm wird ein Aufpasser an die Seite gestellt, der ihn rund um die Uhr verfolgt und jeden seiner Schritte überwacht, und bereits am ersten Tag flüstert ihm eine Kollegin die Worte „Wir müssen reden. Phoenix verheimlicht etwas.“ ins Ohr und setzt damit eine Reihe von Ereignissen in Gang, mit denen Alex so nicht gerechnet hätte.

"Phoenix – der Wiedergeborene. Der mythische Vogel, der am Ende seines Lebens verbrennt oder stirbt und aus der Asche oder dem verwesenden Leib wieder aufersteht. Warum hatte Max ausgerechnet diesen Namen gewählt?"

Dass ich nochmal einen Thriller lese, hätte ich ja nicht gedacht, deshalb bin ich umso glücklicher, I. L. Callis‘ „Das Alphabet der Schöpfung“ gelesen zu haben. Da ich Thrillern gegenüber skeptisch eingestellt bin (wo ist nur mein Lesen außerhalb der Komfortzone Spirit hin?), bin ich nicht komplett neutral an den Text herangegangen, sondern mit einer Erwartungshaltung, dass mir dieses Genre doch eigentlich nicht zusagt. Doch I. L. Callis hat es geschafft, mich vom Gegenteil überzeugen: Während die Charaktere nicht immer ausgefleischt waren und selbst unser Protagonist Alex nicht der Sympathischste ist, hat mich die Story doch sofort in ihren Bann gezogen. Das Unternehmen Phoenix und dessen Forschung ist auch auf Seite 400 noch interessant und glaubwürdig. Auch haben mir die vielen ethischen Aspekte gefallen, die die Charaktere regelmäßig in Grundsatzdiskussionen (bzw. die Ablehnung ebensolcher) stürzen; zu Beginn seiner Recherchen ist Alex fassungslos, was bei Phoenix hinter verschlossenen Türen geschieht. Am Rande erfahren wir noch von zwei Kindern, die sich zu einem Ausflug ins Moor begeben haben, doch nur eines kehrt zurück. Wenige Tage später setzt eine Forensikerin, deren Schicksal wir auch begleiten, alles daran, die Leiche eines im Moor gefundenen Kindes zu identifizieren, und stößt dabei auf DNA-Spuren, die nichts ähneln, was menschlich oder tierisch ist. Und langsam scheinen sich die verschiedenen Erzählstränge zusammenzufügen.

Weiterlesen: https://killmonotony.de/rezension/thriller-time-das-alphabet-der-schoepfung

Veröffentlicht am 04.11.2018

Ein Trip durch das unter einem totalitären Umweltregime entstandene »Kulinarische Institut«, das sehr unangenehme Machenschaften zu verbergen hat.

Hysteria
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Diesen Titel entdeckte ich in der Piper Herbstvorschau und nicht nur das wahnsinnig hübsche Cover (zudem: kein Schutzumschlag! Liebe!), sondern auch der verdammt interessante Klappentext lockten mich so ...

Diesen Titel entdeckte ich in der Piper Herbstvorschau und nicht nur das wahnsinnig hübsche Cover (zudem: kein Schutzumschlag! Liebe!), sondern auch der verdammt interessante Klappentext lockten mich so schließlich zu Eckhart Nickels „Hysteria“. Es geht um Bergheim, der auf dem Markt nicht nur seltsame Himbeeren entdeckt, sondern auch ein Kalb, das sich sehr merkwürdig verhält, sich selbst Wunden zufügt, aber kein Blut zutage tritt, sondern scheinbar nur eine weitere Schicht Fleisch. Als er den Blick des Marktverkäufers auffängt, schrillen beim hypersensiblen Bergheim alle Alarmglocken und seine Paranoia erwacht. Er lässt sich am Stand erklären, wie das „Kulinarische Institut“ das Monopol für Lebensmittel hält und erhält einen kleinen Überblick über die Arbeit, die dort verrichtet wird, seine Neugier ist dadurch aber nicht befriedigt. Für eine Führung am Institut begibt Bergheim sich durch einen Wald, der ihm zunehmend bedrohlich erscheint. Irgendwas stimmt nicht, das hat er im Gefühl – und, einmal im Institut angekommen, bestärkt sich dieses Gefühl. Eine alte Geliebte (Charlotte ihr Name) scheint dort zu arbeiten und als weiterer Teilnehmer der Führung hat sich ausgerechnet sein ältester Freund Ansgar ebenfalls angemeldet. Zufälle häufen sich (wieso zeigt man ihm überhaupt so freigiebig das Institut?), und als Bergheim während der Führung, die von seltsamen Schreien begleitet wird, verloren geht, widerfährt ihm etwas Verstörendes. Ob er dem Geheimnis des Instituts noch auf die Schliche kommen kann? Und was hat es mit diesem nicht blutenden Tier auf sich?

"Die Natur, die wir in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzen wollten, war gerade dabei, sich selbst aufzulösen."

Eckhart Nickels Roman spielt in einer nicht weit entfernten Zukunft, in der das Umweltministerium über die Zeit immer mehr Gesetze gegen den Fleischkonsum und die Ausbeutung unserer Erde erlässt (gut so!), sich allerdings zum totalitären Regime ausbreitet, in dem der Genuss von Alkohol, Drogen, ja sogar Koffein und Teein untersagt ist. Den „Kick“ findet man legal nur noch in sogenannten Aroma-Bars, in denen mit Kräutern angereicherte Säfte und Duftreisen verkauft werden. Auslöser für diese Bewegung waren tatsächlich satirische Arbeiten von Bergheim, Ansgar und Charlotte selbst, die allerdings ernsthafte Anhänger gefunden haben und durch diese den Zugang zur Regierung ermöglicht wurde.

Mit „Hysteria“ zeichnet Eckhart Nickel eine ziemlich unangenehme, bedrückende Dystopie – ohne, dass der Leser zu Beginn wüsste, warum sich alles überhaupt so seltsam anfühlt. Er nimmt uns mit in die Vergangenheit Bergheims und seiner zwei besten Freunde, Ansgar und Charlotte, die während ihrer Studienzeit viel gemeinsam erlebt haben und sich Vorlesungen zu Themen wie dem „spurenlosen Leben“ anhörten. Was zunächst spannend klingt – denn wie könnte man als Mensch jemals wirklich spurenlos leben? – entwickelt sich schnell zum Alptraum, wenn der Leser erfährt, was das Kulinarische Institut dafür für ethische Probleme aufwirft. Doch nicht nur die Thematik von „Hysteria“ ist spannend, sondern auch der Charakter Bergheims an sich: So fürchtet er sich beispielsweise vor der Strahlung des heimischen Stromnetzwerks, stellt sich selbst aber als der „Normale“ hin, denn schließlich gebe es Menschen, die keine Steckdose im Haus unverbunden lassen konnten vor lauer Panik, was aus den „offenen“ Steckdosen alles entweichen konnte. Bergheim legt zudem eine ausgeprägte Paranoia an den Tag, die erschreckende Maße annimmt, nachdem er auf dem Markt das verstörte Kalb sah. Von diesem Zeitpunkt an ist er höchst verunsichert und seine Hypersensibilität nimmt dadurch noch weiter zu. Der Leser kann Bergheim als Erzähler nur eingeschränkt trauen, denn er erzählt von durch seine Hypersensibilität ausgelösten Halluzinationen, einem höchst verstörenden Experiment, wo ihm seine Sinne wieder einen Streich zu spielen scheinen, oder anderen kuriosen Gegebenheiten. Nach und nach ergeben sich jedoch Dinge innerhalb des Instituts, die Bergheim nicht mehr auf seine Kondition schieben kann – und hier beginnt „Hysteria“, nachhaltig zu verstören.

Weiterlesen: https://killmonotony.de/rezension/eckhart-nickel-hysteria

Veröffentlicht am 04.11.2018

Welche Methoden hat die Wissenschaft parat, um dem Tod ein Schnippchen zu schlagen? Frédéric Beigbeder geht dieser Frage mit seinem Roman »Endlos leben« auf den Grund.

Endlos leben
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Ich hatte das Glück, Frédéric Beigbeder auf der Frankfurter Buchmesse bei einem Interview am F.A.Z.-Stand zu sehen, in dem er von seinem neuen Buch „Endlos leben“ erzählte. Zu diesem Zeitpunkt wartete ...

Ich hatte das Glück, Frédéric Beigbeder auf der Frankfurter Buchmesse bei einem Interview am F.A.Z.-Stand zu sehen, in dem er von seinem neuen Buch „Endlos leben“ erzählte. Zu diesem Zeitpunkt wartete ebendieses bereits daheim auf mich und nach diesem Interview musste ich sofort beginnen, es zu lesen. Beigbeder erzählte, dass es in seinem neusten Buch (eigentlich als „Roman“ betitelt) um die Frage seiner Tochter geht: „Papa, stimmt es, jeder mal stirbt?“ Da er feige sei, habe er dies mit folgendem Satz beantwortet: „Bisher war das so, aber jetzt wird sich etwas daran ändern!“ – und so beginnt Frédéric Beigbeders Reise (oder vielmehr die seines Protagonisten/Alter Egos) um die Welt, zu den fortschrittlichsten Forschungseinrichtungen und zu berühmten Kurhäusern, um alles aufzusaugen und auszuprobieren, was man im heutigen Zeitalter gegen den Erzfeind, den Tod, unternehmen kann. Und Methoden und Forschungsansätze gibt es verdammt viele: vom Transhumanismus (Erweiterung der Lebensdauer durch Technologie) über Genveränderungen bis hin zu der Umkehrung des Altersprozesses. Frédéric Beigbeder schaut sich zusammen mit seiner Familie die verschiedenen Methoden an und fühlt der Wissenschaft gehörig auf den Zahn. Dass er sich dabei immer weiter von seiner Frau entfremdet, merkt er dabei nicht…

"Das Leben ist ein Massaker. Ein Mass murder mit 59 Millionen Toten pro Jahr. […] Es ist mir ein Rätsel, warum Terroristen sich solche Mühe geben, die Statistik aufzubessern: So viele Leute wie Mutter Natur können sie nie umbringen. Die Menschheit wird unter allgemeiner Gleichgültigkeit dezimiert. Wir akzeptieren diesen täglichen Genozid, als handele es sich um einen normalen Prozess."

Dieses Buch ist unglaublich schwer einzuschätzen. Ist es ein Roman, sind alle diese Dinge tatsächlich passiert oder gibt es lediglich kleinere Überschneidungen? Frédéric Beigbeder sagt auf der Buchmesse und auch im Vorwort zu „Endlos leben“, dass es all die erwähnten wissenschaftlichen und auch weniger wissenschaftlichen Methoden zur Lebensverlängerung tatsächlich gibt. Auch scheinen der Protagonist und er einiges gemein zu haben… Doch lassen wir diesen Aspekt einmal offen. Beigbeders „Endlos leben“ liest sich wie ein skurriler Trip durch die abgedrehtesten Neuheiten, die der Verjüngungsmarkt zu bieten hat: Bluttransfusionen mit dem Blut junger Menschen, die Übertragung des eigenen Bewusstseins auf eine Festplatte, eine ganz spezielle Ernährung, die niemandem schmeckt, aber trotzdem den Tod in Schach halten soll… Beigbeder wendet sich jedoch nicht nur der Wissenschaft zu, als Atheist besucht er auch die heiligen Stätten in Jerusalem und nimmt neben einigen Eindrücken der Kultur auch den Wunsch, zu glauben, mit auf seine weiteren Reisen.

Weiterlesen: https://killmonotony.de/rezension/endlos-leben-fakt-oder-fiktion