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Veröffentlicht am 10.03.2018

Ein großer Roman zu einem wichtigen, viel zu wenig besprochenem Thema, bildgewaltig und emotionsgeladen erzählt.

Ein mögliches Leben
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Hannes Köhlers „Ein mögliches Leben“ hat mich aus der Frühjahrsvorschau des Ullstein Verlags heraus direkt angelacht. Die unverbrauchte Thematik, über die bisher kaum geschrieben wurde, und ein Schritt ...

Hannes Köhlers „Ein mögliches Leben“ hat mich aus der Frühjahrsvorschau des Ullstein Verlags heraus direkt angelacht. Die unverbrauchte Thematik, über die bisher kaum geschrieben wurde, und ein Schritt aus meiner Komfortzone heraus waren die Punkte, die mich zu dem Entschluss brachten: Muss ich lesen! Denn Bücher über den Krieg, speziell den zweiten Weltkrieg, sind in meinem Lese-Repertoire noch Mangelware. Und nun habe ich es beendet und kann das Gelesene kaum in Worte fassen. So vielschichtig, so emotional: Martin kennt seinen Großvater eigentlich nur aus von Bitterkeit geprägten Geschichten seiner Mutter, denn für sie war er zwar physisch vorhanden als Vater, mehr aber auch nicht. Und trotzdem willigt Martin ein, mit Franz die Stationen seiner Kriegsgefangenschaft in Amerika zu besuchen. Für Martin beginnt eine Reise, die er nie wieder vergessen wird, denn unter der sengenden Sonne beginnt sein Großvater endlich, sich zu öffnen.

„Ein mögliches Leben“ wird in mehreren ineinander verflochtenen Handlungssträngen erzählt. Zum einen ist da die Reise in die Vereinigten Staaten, Martin, der seinem Großvater beim Erinnern zusieht und im Endeffekt sein eigenes Leben mit seinem Kind von einer Frau, mit dem ihm nicht so wirklich etwas verbindet, klarer sieht. Ein weiterer Erzählstrang wird von Sicht Barbaras erzählt, Franz‘ Tochter und Martins Mutter, Monate nach der Reise. Den größten Platz in „Ein mögliches Leben“ nimmt aber die Rückschau auf Franz‘ Leben in Kriegsgefangenschaft ein, wie er von einem Lager zum nächsten kommt und Arbeiten in der Hitze verrichten muss, wie er Kameradschaftlichkeit in seinen Mitgefangenen entdeckt, einen Freund findet und sich schließlich als Dolmetscher und Übersetzer nützlich macht. Das Leben im Lager ist nie leicht für Franz, obwohl er einigen Komfort erlebt, den es nicht überall gibt in den Lagern: fließendes Wasser, geregelte Mahlzeiten, ein eigenes Bett und den Luxus, Sprachkurse zu besuchen. In Nachbarlager gibt es Radios, und Franz und seine Kameraden, wenn man das so sagen kann, versuchen alles, um einen Fetzen aufzuschnappen, welche Stadt gefallen ist und ob der Krieg ein Ende erreicht. Tägliches Bangen um die Familie in Deutschland ist an der Tagesordnung. Als Paul, Franz‘ bester Freund in der Gefangenschaft, stirbt, wendet er sich an dessen Schwester, und die beiden schreiben sich Briefe voller Trauer und Einsamkeit. Franz spürt, dass sich ihm eine Möglichkeit eröffnet; eine Möglichkeit, nach der Gefangenschaft in dem Land zu bleiben, in das er sich trotz aller Widrigkeiten verliebt hat. Doch wie der Leser schon an der Tatsache erkennen kann, dass Franz Jahrzehnte später mit seinem Enkel nach Amerika reist, ist klar, dass Franz sich gegen das mögliche Leben entschieden hat und nach seiner Gefangenschaft zurück nach Deutschland gereist ist, wo nichts mehr ist, wie es einmal war.

Die vollständige Rezension findet ihr auf meinem Blog: https://killmonotony.de/rezension/hannes-koehler-ein-moegliches-leben

Veröffentlicht am 10.03.2018

Eindringliche Erzählungen aus Galtür, beim Lesen derer man bereits den Schnee auf der Zunge schmecken kann

Lichter im Berg
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„Berge? Das einfache Leben? Gedanken über das Leben und darüber, was wichtig ist? Ich bin dabei.“ – Das waren so ungefähr meine Gedanken, als mir Barbara AschenwaldsKurzgeschichtensammlung „Lichter im ...

„Berge? Das einfache Leben? Gedanken über das Leben und darüber, was wichtig ist? Ich bin dabei.“ – Das waren so ungefähr meine Gedanken, als mir Barbara AschenwaldsKurzgeschichtensammlung „Lichter im Berg“ das erste Mal vor die Flinte lief. Und ein guter Jäger bringt seine Beute schließlich mit nach Hause. ? Es geht in diesem Erzählband um ein Dorf in den Bergen, nämlich um die österreichische Gemeinde Galtür, und deren Bewohner, aber auch deren Sitten, Gebräuche und Lebensweise. In den zwölf Kurzgeschichten greift Aschenwald stets einen anderen Aspekt des Lebens der Bergbewohner auf und zeichnet deren Geschichte nach. So haben wir beispielsweise das Ehepaar, das mit ihrem eigenen Gasthaus ein gutes Einkommen erzielt, und die Frau dafür plädiert, dass an einigen Monaten im Jahr das Haus geschlossen wird. Gedanken, was man im Leben braucht und was genügt, um eine schöne Zeit zu verleben, kommen auf. Eine andere Geschichte erzählt von einem Mann, der in seinem Leben nicht glücklich ist und die tägliche Monotonie nicht mehr aushält. Parallel dazu erfahren wir die Geschichte von seinem Vater in Galtür, der ein zufriedenes und bescheidenes Leben führt. Wieder einmal der Gedanke von Genügsamkeit — wie viel braucht der Mensch, um glücklich zu sein? Barbara Aschenwald nimmt uns mit in die Berge; ich finde, man kann den Schnee schon schmecken.

Wenn man nicht einmal einen einzelnen Menschen auf der Welt glücklich machen konnte, wie war es dann um die Welt bestellt?

… das fragt sich Joachim Kaltwasser, der nach einem scheinbar endgültigen Streit mit seiner Ehefrau nach Galtür begeben hat. Das Glück seiner Frau stellte er stets über sein eigenes, sie schien jedoch ihr Unglück zu brauchen, weil sie sonst nichts mehr hat. Einfach nur glücklich sein, das schien ihr unmöglich. Kunststudium, Urlaube, Renovierungen, Liebe – all dies genügte ihr nicht. Joachim gerät ins Stutzen und möchte nicht länger für ihr Unglück verantwortlich sein. In Galtür angekommen, wird er gefragt, was für einer er denn sei, und diese Frage überrumpelt ihn. Ja, was für einer war er denn? Und was brauchte er, um glücklich zu sein?

Die vollständige Rezension findet ihr auf meinem Blog: https://killmonotony.de/rezension/barbara-aschenwald-lichter-im-berg

Veröffentlicht am 06.02.2018

»Man kann nicht rumrennen und der ganzen Welt seine verfluchten Gefühle zeigen« — eine Liebeserklärung an die Literatur und an die Verlage der Welt!

Lieber Mr. Salinger
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Auf dieses Buch wurde ich aufgrund der vielen positiven Meinungen aufmerksam. Und obwohl ich (noch!) nichts von J.D. Salinger gelesen hatte, entschloss ich mich, Joanna Rakoffs „Lieber Mr. Salinger“ eine ...

Auf dieses Buch wurde ich aufgrund der vielen positiven Meinungen aufmerksam. Und obwohl ich (noch!) nichts von J.D. Salinger gelesen hatte, entschloss ich mich, Joanna Rakoffs „Lieber Mr. Salinger“ eine Chance zu geben. Und irgendwie schaffte es dieser Roman, der viel mehr eine Erinnerung aus Rakoffs Zeit als Assistentin in einer Verlagsagentur ist, mich völlig in den Bann zu ziehen, sodass ich das Buch an zwei Abenden durchgeschmachtet hatte. Es geht um die junge Joanna Rakoff, die Mitte der Neunziger einen Job bei einer Verlagsagentur bekommt und dort mit dem Traum, selbst Autorin zu werden, anfängt Briefe zu tippen – auf einer Schreibmaschine! Die Agentur scheint in der Zeit stehen geblieben zu sein, weigert sich die Chefin starrköpfig, Computern Einzug zu gewähren. Joanna kommt sich vor wie bei einer Zeitreise, alles erscheint ihr leicht altertümlich, und doch macht ihr der Job Spaß. Eines Tages entdeckt sie in einem der zahlreichen Regale im Büro einen Autor, den sie hier nicht erwartet hat: J.D. Salinger. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie noch nichts von ihm gelesen, dennoch hat sie großen Respekt vor dieser literarischen Größe. Wenig später wird sie auch mit der Bearbeitung der Fanpost Salingers beauftragt und sie beginnt, sich mehr und mehr mit seinen Büchern zu beschäftigen und die Briefe nicht wie angeordnet mit einem Standardschreiben zu beantworten, sondern sich in die Seele der Menschen einzufühlen.


Doch Rakoff erzählt in ihrem Werk nicht nur von ihrem Arbeitsleben, auch Privates fließt in ihr Werk. So erzählt sie von ihrem damaligen Freund, der selbst Autor ist – oder zumindest versucht, einer zu sein. Die Beziehung der beiden hat immer wieder Höhen und Tiefen und als Leser war mir schleierhaft, wie sie es miteinander aushalten. Die Beziehung zu ihren Eltern ist auch nicht allzu positiv, bekommt sie doch zum Geburtstag einen Haufen Rechnungen geschenkt, da sie jetzt einen richtigen Job hat und diese nun selbst bezahlen kann. Dass Joannas halbes Gehalt bereits für die Miete drauf geht, davon wissen ihre Eltern nichts. Auch sonst erscheint sie sehr schweigsam, ihre Welt dreht sich nur um die Literatur und ihre Arbeit.


"Wochenlang tat ich nichts anderes als tippen, tippen und nochmals tippen. Ich tippe so viel, dass ich vom Tippen träumte. In diesen Träumen flogen meine Finger über die Tasten, doch nichts passierte […]. Anstelle von gedruckten Buchstaben flatterten zwitschernde Vögel aus dem Innenleben meiner Selectric oder Schwärme von weißen, staubigen Motten. Das Summen der Maschine füllte meine Tage, unterlegte jedes Gespräch, jedes Wort […]."


Obwohl in diesem Buch nicht allzu viel passiert, hat Joanna Rakoff es doch geschafft, mich zu fesseln. Die Dialoge, die Telefonate mit Salinger, die Fanpost – all das hat diesen Roman zu einem perfekten literarischen Leckerli gemacht. Wenn Joanna relativ am Ende die Bücher Salingers endlich liest und entdeckt, dass diese einfach grandios sind, gibt es einen kleinen Gänsehaut-Moment, und selbst ich, die die Bücher nicht gelesen hat, kann dieses Gefühl nachvollziehen. Joanna, die in ihrer bisherigen literarischen Laufbahn nur eher „schwere Kost“ gelesen hatte und den Grundsatz verfolgte, dass Literatur sie fordern, nicht unterhalten soll, hatte sich gezielt von Salingers vermeindlicher Unterhaltungs-Literatur ferngehalten. Doch seitdem sie die Fanpost las und ihn persönlich kennenlernte, wurde das Feuer der Neugierde, die sie empfand, immer weiter geschürt.


Die vollständige Rezension findet ihr auf meinem Blog: https://killmonotony.de/rezension/joanna-rakoff-lieber-mr-salinger

Veröffentlicht am 21.01.2018

Der Autor hält dem Leser den Spiegel vor und zeigt, was beim Thema „Flüchtlinge“ in Deutschland alles schief läuft.

Hinterhofleben
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Im Rahmen meiner „Lesen außerhalb der Komfortzone“ Aktion habe ich mich mal wieder aus meiner bequemen literarischen Reichweite begeben, und zwar mit Maik Siegels Gesellschaftsroman„Hinterhofleben“. Normalerweise ...

Im Rahmen meiner „Lesen außerhalb der Komfortzone“ Aktion habe ich mich mal wieder aus meiner bequemen literarischen Reichweite begeben, und zwar mit Maik Siegels Gesellschaftsroman„Hinterhofleben“. Normalerweise versuche ich, beim Lesen wenigstens eine gewisse Distanz zu politischen Themen zu wahren, dabei sind gerade diese Themen doch besonders wichtig. In Siegels Roman geht es also um ein Paar, das einen syrischen Flüchtling Unterkunft bieten möchte. So weit, so gut, doch hat jeder der 14 (sofern ich mich nicht verzählt habe) Bewohner der Nummer 68 da auch ein Wörtchen mitzureden. Während die einen für die Aufnahme Samihs sind, sind die anderen dagegen, und als der Syrer dann nach einem demokratischen Entscheid in Inga und Jans Wohnung landet, entspinnen sich Intrigen und Verschwörungen zwischen den Mietern, die Gerüchteküche brodelt, und mittendrin steht Samih, der sich nichts zu schulden kommen lässt, aber trotzdem „auffällig schweigsam“ oder „verdächtig“ scheint – zumindest für einige der Anwohner. Was ist ihm widerfahren? Und was ist seine Geschichte? Ist er wirklich ein Alawit und hat Menschen auf dem Gewissen? Oder ist alles doch ganz anders, als die Bewohner der 68 sich zusammengespinnt haben?

Maik Siegel bringt mit „Hinterhofleben“ ein sehr wichtiges Thema in unseren Aufmerksamkeitsbereich. Denn oft werden die Augen vor Themen wie der Flüchtlingskrise verschlossen, Gerüchte verbreiten sich, Vorurteile entstehen. Dass dies nicht die optimale Entwicklung ist, sollte klar sein. Siegel zeichnet seine Charaktere deshalb so, dass der Leser innerhalb des Mikrokosmus der Nummer 68 möglichst diverse Meinungen und Ansichten erfahren kann. Sei es nun die kritische Ute, die gern alle möglichen (vor allem negativen) Gerüchte im Haus herumtratscht, damit jeder bloß Bescheid weiß, „wen er sich da ins Haus geholt hat“, oder aber Inga, deren Idee es ja war, Samih eine Unterkunft zu bieten, die sich aber ärgert, weil die anderen Bewohner ihn nicht so aufnehmen, wie sie es sich gewünscht hätte. Und weil Samih nicht ihren Erwartungen – welche Erwartungen darf man denn an einen Flüchtling haben? – entspricht: Samih ist nicht dürr, struppig und gezeichnet genug, erscheint ihr gar wie ein normaler Mensch; er blüht auch nicht, wie erhofft, unter ihrer Fürsorge auf. Inga will Samih helfen, aber sie möchte für ihre selbstlose Tat anerkannt werden, laut Freund Sven am liebsten einen „Preis bekommen“. Die Aufnahme Samihs erscheint mehr und mehr ihrem Schuldbewusstsein geschuldet, ihrem Wunsch nach Anerkennung und Lob, und nicht der Selbstlosigkeit, die sie vorgibt.

Flüchtlinge ja, aber nicht, wenn sie das gemütlich bürgerliche Leben beeinträchtigten.

Samih gegenüber negativ eingestellt erscheint auch Miesepeter und Grummel Ott, der Samih sogar einen deutschen Namen (Erwin) erteilt. Während Sven, Anne, und die beiden Studentinnen Julia und Nikola anfangs die Aufnahme Samihs begrüßen, hält Ott sich aus der Diskussion heraus, streut aber selbst Gerüchte über den Syrer oder lässt ihn Schweinefleisch essen. Jedoch erscheint Ute als einzigste der Beherbergung Samihs am Ende völlig abgeneigt, befürchtet sie doch, dass dieser letzten Endes nutzlos und ohne Beschäftigung gelangweilt im Hof herumsitzen und vermutlich anfangen würde, Drogen zu verkaufen und im Müll nach Pfandflaschen zu wühlen.

Und während der kleine Tumaini, Sohn der afrikanischen Familie im Haus, nachforscht, was es denn mit diesen Flüchtlingen überhaupt auf sich hat und wieso diese ihr Land verlassen müssen, erkennt der Leser nach und nach erkennt, wer aus der Nummer 68 sich wirklich um Samih sorgt und ihn nicht nur aus Schuldgefühlen oder „weil man das gerade so macht“ aufnimmt; sich seine Geschichte anhört; mitfühlt.

Die vollständige Rezension findet ihr auf meinem Blog: https://killmonotony.de

Veröffentlicht am 21.01.2018

Ein charmantes Sachbuch, mit liebevollen Anekdoten gespickt, verrät uns alles, was wir jemals über Meisen wissen wollten (und noch mehr).

Das verborgene Leben der Meisen
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Andreas Tjernshaugens „Das verborgene Leben der Meisen“ ist mir zunächst bei einer Lovelybooks-Leserunde ins Auge gefallen. Wenig später durfte der Meisenführer in toller Aufmachung dann auch bei mir einziehen. ...

Andreas Tjernshaugens „Das verborgene Leben der Meisen“ ist mir zunächst bei einer Lovelybooks-Leserunde ins Auge gefallen. Wenig später durfte der Meisenführer in toller Aufmachung dann auch bei mir einziehen. Bei diesem Buch handelt es sich allerdings nur auf den ersten Blick um ein herkömmliches Sachbuch, denn wer erst einmal reinliest, merkt schnell, dass der Autor hier nicht nur viele Jahre Arbeit, sondern auch Herzblut hineingesteckt hat. Tjernshaugen hat nicht nur ein ganzes Jahr der Meisen-Beobachtung gewidmet, sondern gräbt auch tief im Fundament seiner Erinnerungen und erzählt nicht nur aus seinem Leben, sondern auch aus dem seines Vaters – der auch begeisterter Hobby-Ornithologe ist. Die einzelnen Kapitel über die unterschiedlichen Themengebiete sind immer wieder von schönen und teils auch witzigen Anekdoten aus Tjernshaugens Leben und das seines Vaters eingeflochten. So wird das „Meisenbuch“, das auch mit beeindruckenden Fotos und Illustrationen gespickt ist, zu etwas persönlichem. Klingt interessant? Ist es auch! Hobby-Ornithologen kommen hier gehörig auf ihre Kosten und auch der Vogel-Neuling (ich) wird von den kleinen Vögeln und ihren Eigenarten gefangen genommen. Ob wir nun lernen, dass die kleinen Piepmätze sich nicht mit einem kleinen Territorium begnügen, sondern mindestens 2.500, in manchen Fällen gar bis zu 30.000 Quadratmeter für sich beanspruchen, wenn das Gebiet weniger ertragreich und meisenfreundlich ist; oder dass eine Kohlmeise eine Blaumeise tötet, wenn sich denselben Nistkasten benutzen wollen — Andreas Tjernshaugen schafft es, die recht trockene Materie der Vogelkunde toll aufzubereiten.

Auf knapp 240 Seiten lernt der Leser so einiges über Meisen. Manche Dinge erscheinen unglaublich und verrückt: Hättet ihr zum Beispiel gewusst, dass Meisen Bienen fressen? Oder, dass männliche Meisen durch ihren Gesang ihr Revier gegen andere Meisenmännchen verteidigen wollen? Tjernshaugen weiht uns auch in die Meisenforschung ein, die bisher betrieben wurde, und so lernen wir, dass Wissenschaftler das Singverhalten der männlichen Meisen untersucht haben, indem sie Tonbänder von lauten, kräftigen Meisenrufen abgespielt haben, um Terrainstreits zu imitieren. Die Beobachtungen sind faszinierend! Dass Vögel intelligent sind, stand nie außer Frage, doch was Tjernshaugen in seinem Buch an Informationen über die Piepmätze zusammengetragen hat, ist unglaublich: So hat sich unter anderem herausgestellt, dass Meisen ihr Revier gegen andere Vogelarten verteidigen, nicht jedoch gegen andere Meisenarten! (Obwohl die Tötung im Nistkasten durchaus vorkommt) Und genauso erstaunlich ist es, dass es wohl zu Urzeiten auch Dinosaurier gegeben haben soll, die mit Federn ausgestattet waren — der Urvater der Meisen also womöglich ein riesiger Dino war! Der Autor gräbt allerhand Skurrilitäten über unsere gefiederten Freunde aus, und oftmals sind die Informationen nicht nur völlig neu für den Leser, sondern auch absolut unglaublich.

Die kleinen Vögelchen in unserem Garten sind viel mehr als niedlich und Tjernshaugens Buch kann dem Leser völlig neue Sichtweisen offenbaren. Toll ist auch die Ausstattung am Ende des Buches: Dort findet der Leser Anregungen und Tipps zum Nistkastenbau, Fütterung der Flattermänner und allen anderen wichtigen Infos, die man als Vogelbeobachter so braucht! Dieses Sachbuch deckt also nicht nur Themen von Gesang und Geschichte, dem Sozialleben der Meisen, deren Paarungsverhalten und Nachwuchs bis hin zu dem Winterumzug der Vögel und dem Überleben in einer Umgebung mitten im Klimawandel ab, sondern bringt noch weiteres Lesefutter mit zur Meisenfütterung, (besonders in der Winterzeit) oder der Vogelerkennung durch Stimme oder Aussehen.

Die vollständige Rezension findet ihr auf meinem Blog: https://killmonotony.de