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Veröffentlicht am 16.06.2021

Verwickelte Familien- und Liebesgeschichte

Laudatio auf eine kaukasische Kuh
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Das wunderschöne farbenfrohe Cover mit der Vorder- und Rückseite einnehmenden bunten Kuh, die dann tatsächlich in der Geschichte selbst eine Rolle spielt, sowie der ungewöhnliche Buchtitel und natürlich ...

Das wunderschöne farbenfrohe Cover mit der Vorder- und Rückseite einnehmenden bunten Kuh, die dann tatsächlich in der Geschichte selbst eine Rolle spielt, sowie der ungewöhnliche Buchtitel und natürlich auch der auf eine Familiengeschichte mit Migrationshintergrund schließende Klappentext haben mich zu diesem Buch greifen lassen. Es ist dann aber leider doch hinter meinen Erwartungen zurückgeblieben. Eigentlich ist Dreh- und Angelpunkt des Ganzen, dass die Mutter der 26jährigen angehenden Ärztin Olga mit griechisch-georgischen Wurzeln diese endlich unter die Haube bringen will mit einem Mann, der ihren traditionellen Vorstellungen entspricht. Olga hingegen verheimlicht ihre Verbindung zu einem deutschen Kollegen und gerät selbst in Zweifel, als sie den Lebemann und Taugenichts Jack kennenlernt. Ihren Höhepunkt erreicht alles auf einer gemeinsamen Familienreise in die alte Heimat Georgien, wo Olga zwischen zwei Männer steht und es zu vielen Heimlichtuereien kommt.
Die Informationen über Georgien, seine Bevölkerung und Sprache, fand ich äußerst lehrreich. Hier wird deutlich, dass sich die Autorin in Georgien aufgehalten hat. Absurd und unrealistisch erschien mir aber, mit welcher Vehemenz Olga an den Mann gebracht werden soll und wie wenig sie, die doch als Beinahe-Ärztin fest und unabhängig im Leben steht, sich dem Willen ihrer Mutter mit deren so gänzlich anderer Vorstellung von der Frauenrolle entgegenstellt. Traurig macht, dass sich Olga ihrer einfachen Herkunft und ihrer Eltern geradezu schämt. Die Natur der Kaukasier wird wohl als überzeichnet dargestellt.
Alles in allem eher ein leichter Unterhaltungsroman denn anspruchsvolle Lektüre.

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Veröffentlicht am 12.06.2021

Beeindruckende Lebensgeschichte einer französischen Frau

Annette, ein Heldinnenepos
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Das Buch wurde 2020 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet.
In der Erzählform eines Epos skizziert die Autorin, die selbst Bezüge zu Deutschland und Frankreich hat, das Leben der 1923 in Frankreich ...

Das Buch wurde 2020 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet.
In der Erzählform eines Epos skizziert die Autorin, die selbst Bezüge zu Deutschland und Frankreich hat, das Leben der 1923 in Frankreich geborenen Annette Beaumanoir. Diese war im Zweiten Weltkrieg Résistance-Kämpferin, später tätig in der algerischen Befreiungsbewegung, galt in ihrer französischen Heimat als Terroristin, Neurowissenschaftlerin. Ihrer Version, jegliche Unterdrückung zu unterbinden, opfert sie ihr privates Leben.
Durch die besondere Erzählform hebt sich das Buch von der klassischen Biografie ab, ist allerdings deshalb auch nicht einfach zu lesen. Lobenswert ist, wie der Fokus auf alles Wesentliche im Leben der Protagonistin gesetzt wird und doch ihr Leben umfassend dargestellt wird. Allerdings denke ich, dass das Buch eher französische Leser ansprechen wird, denn vor allem die Thematik rund um die Unabhängigkeit Algeriens von Frankreich seit den 1950er Jahren ist bei uns von geringerer Bedeutung.

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Veröffentlicht am 04.06.2021

Absolut hörenswert

Vom Aufstehen
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Ruth Reinecke ist die Sprecherin dieses absolut hörenswerten Hörbuchs. Ihrer Erzählstimme lässt sich gut folgen.
Erzählt wird aus dem Leben der bis zur Wende in Ostdeutschland lebenden und schreibenden ...

Ruth Reinecke ist die Sprecherin dieses absolut hörenswerten Hörbuchs. Ihrer Erzählstimme lässt sich gut folgen.
Erzählt wird aus dem Leben der bis zur Wende in Ostdeutschland lebenden und schreibenden Autorin Helga Schubert, die letztes Jahr den Ingeborg-Bachmann-Preis erhielt. In einzelnen Kapiteln wird eingegangen auf das unfreie Leben der Autorin in der DDR, ihre Schriftstellerei und immer wieder auf ihr schwieriges Verhältnis zu ihrer Mutter, von sie sich nicht geliebt fühlte.
Sehr interessant vor allem für jene mit Interesse am Leben in der DDR.

Veröffentlicht am 04.06.2021

Schöner Einblick in die marokkanisch-französische Gesellschaft vor 70 Jahren

Das Land der Anderen
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Mit seinem mir bislang nur wenig geläufigen geschichtlichen Hintergrund hat mich dieser Roman in den Bann gezogen.
Es geht um die Mischlingsehe, die die lebenshungrige Elsässerin Mathilde 1945 aus Liebe ...

Mit seinem mir bislang nur wenig geläufigen geschichtlichen Hintergrund hat mich dieser Roman in den Bann gezogen.
Es geht um die Mischlingsehe, die die lebenshungrige Elsässerin Mathilde 1945 aus Liebe mit dem für die Befreiung Frankreichs kämpfenden marokkanischen, einen Kopf kleineren Offizier Amine eingeht. Beide ziehen in das karge marokkanische Hinterland, um eine eigene Landwirtschaft zu betreiben. Mathilde findet nicht das erhoffte Glück. Sie bleibt fremd in der patriarchalischen Gesellschaft mit den so gänzlich anderen, strengen Moralvorstellungen, in der auch ihre französischen Landsleute sie und ihre Tochter wegen ihrer Mischehe nicht anerkennen. Amine wiederum wird von seinen Landsleuten als Verräter an seinem Volk beäugt und kann mit den von Mathilde begangenen europäischen christlichenTraditionen nichts anfangen. Ihr gegenüber wandelt er sich zum Tyrannen und fordert ihren Gehorsam.
Wie schon gesagt, ist der Zeitraum, in dem die Geschichte spielt – die Zeit der Unabhängigkeitsbestrebungen Marokkos von der Kolonialmacht Frankreich - sehr interessant und facettenreich dargestellt. Die Protagonisten stehen hier quasi zwischen den Fronten. Die Rolle der Frau in der traditionellen Ordnung wird gelungen beschrieben und löst bei europäischen Lesern geradezu Entsetzen aus, wenn ausgeführt wird, welcher brutalen Gewalt und Unterwerfung die Frauen ausgesetzt waren. Etwas mehr Handlung hätte ich mir gewünscht.
Sehr lesenswert.

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Veröffentlicht am 01.06.2021

Ein charmant geschriebenes Buch über die eigene Kindheit der Autorin

Vater. Mutter. Kind. Kriegserklärungen
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In gewisser Weise fühlte ich mich beim Lesen erinnert an die „Geschichten vom Franz“ der wie die Autorin aus Österreich stammenden Schriftstellerin Christine Nöstlinger. Auch hier steht ein pfiffiges österreichisches ...

In gewisser Weise fühlte ich mich beim Lesen erinnert an die „Geschichten vom Franz“ der wie die Autorin aus Österreich stammenden Schriftstellerin Christine Nöstlinger. Auch hier steht ein pfiffiges österreichisches Kind im Vordergrund. Während ersteres ein Kinderbuch ist, ist Schreiners Buch ein Roman für Erwachsene, wenngleich inhaltlich über ihre Kindheit zwischen dem 7. Und 10. Lebensjahr. Diese Zeit ist, wie es die Autorin zutreffend ausführt, enorm prägend im Leben eines Kindes, weil es hier seine wichtigsten Erfahrungen macht und sich der Ernst des Lebens in die Unbeschwertheit der Kindheit schleicht. Von eben diesen Erfahrungen lässt sie die kleine Margit aus der Ich-Perspektive erzählen. Herausgekommen sind anekdotenhafte, charmant und humorvoll dargebotene Erlebnisse aus dem familiären und weiteren sozialen Umfeld wie z.B. das gemeinsame Spielen mit den Nachbarskindern im Hof, ein Verwandtenbesuch, ein imaginärer Hund, der erste Abend ohne Eltern allein zu Hause, der Besuch im Büro des Vaters. Alles zeugt von einer übersprühenden Fantasie des Mädchens. Wiedergegeben im Erzählton eines Kindes, kommt es dann schon einmal zur Verwendung von Wörtern aus der Fäkalsprache, was einen einfach nur schmunzeln lässt. Da Margits Kindheit wie meine eigene in die 1960er Jahre fiel, wurden bei mir viele schöne Erinnerungen geweckt. Gelungen ist die vergleichende Bezugnahme auf das Leben der Autorin in der Gegenwart sechs Jahrzehnte später.
Ein sehr lesenswertes Buch, dessen Titel allerdings abschreckend auf mich wirkt.

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