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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.08.2019

Die Rache der betrogenen Ehefrau

Das Heinrich-Problem
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Als Coach beruflich betrogenen Ehefrauen mit Rat und Tat zur Seite stehen, ist eine Sache. Doch auf einmal selbst in deren Rolle zu sein, ist etwas ganz anderes. So verhält es sich jedenfalls bei der die ...

Als Coach beruflich betrogenen Ehefrauen mit Rat und Tat zur Seite stehen, ist eine Sache. Doch auf einmal selbst in deren Rolle zu sein, ist etwas ganz anderes. So verhält es sich jedenfalls bei der die 50 überschrittenen Berti, deren von sich sehr überzeugter, rücksichtsloser Ehemann Heinrich sich Knall auf Fall von ihr trennen will. Zunächst wie gelähmt, geht Berti mehr und mehr in der Rolle der Aktiven auf und nimmt Nachforschungen über ihren untreuen Mann auf. Dabei kommt so vieles zu Tage, vor allem so manch andere Frau (und Kind). Berti und ihre gleichfalls hintergangenen Nebenbuhlerinnen starten einen Rachefeldzug gegen Heinrich.

Ein heiterer Frauenroman, der die Leserinnen vor allem mit der Protagonistin Berti sympathisieren lässt und in ihnen hoffentlich größtmögliche Antipathie für den untreuen Heinrich weckt. Sehr schön ist die Entwicklung dargestellt, wie sich Berti im Zuge ihres Rachefeldzuges von dem eher unselbständigen Hausmütterchen zur beruflich ambitionierten Pensionswirtin mausert und am Ende ihrem Männe haushoch überlegen ist, vor allem in finanziellen Dingen, in denen sie ihn so erfolgreich überlistet. Der lokale Hintergrund in Zürich und Ascona am Lago Maggiore im Tessin gibt schöne Einblicke in das Leben in der Schweiz, wo die Autorin ja herkommt.

Veröffentlicht am 25.08.2019

Das Schicksal der Bewohner eines Dorfes in der DDR

Kastanienjahre
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Wie schon Anja Baumheiers erstes Buch „Kranichland“ handelt auch ihr vorliegendes zweites von Schicksalen von Bürgern der DDR. Sie weiß, wovon sie schreibt, hat sie doch die ersten zehn Lebensjahre selbst ...


Wie schon Anja Baumheiers erstes Buch „Kranichland“ handelt auch ihr vorliegendes zweites von Schicksalen von Bürgern der DDR. Sie weiß, wovon sie schreibt, hat sie doch die ersten zehn Lebensjahre selbst noch in der DDR verbracht.
Aufbereitet wird ein Stück deutscher Geschichte, das gerade für mich, die ich aus Westdeutschland stamme und keinen persönlichen Bezug zur früheren DDR und ihren Bewohnern habe, interessant ist. Im Mittelpunkt stehen einige Personen aus einem kleinen Dorf an der mecklenburgischen Ostsee in dem Zeitraum ab Gründung der DDR über den Mauerbau bis zur Nachwendezeit. Sehr hilfreich ist insoweit das vorangestellte Personenverzeichnis, auf das ich zunächst noch einige Male zurückgreifen musste. In der Gegenwart im Jahr 2018 kehrt eine von ihnen – Elise, die Hauptprotagonistin, mittlerweile in Paris lebend – zurück, um zu erfahren, was es mit dem Tod ihres Vaters und dem plötzlichen Verschwinden ihres Freundes auf sich hatte.
Sehr schön ist die Darstellung des beispielhaften Zusammenhaltes im Dorf. Gelungen ist auch die detaillierte und wirklich wissenswerte Beschreibung der verschiedenen zeitlichen Stationen in der Gesellschaft der DDR mit ihren jeweils so spezifischen Problemen – wie etwa die Überführung der landwirtschaftlichen Betriebe in LPGs, der Mangel an Konsumgütern und Gegenständen des täglichen Bedarfs, die Bespitzelung und Denunziation durch die Stasi, Ausreiseschwierigkeiten, Flucht und Fluchthilfe, die in der Form gar nicht gewollte Wiedervereinigung, der Konsumrausch und die Übervorteilung nach der Wende.
Gestört hat mich lediglich die gelegentliche unrealistische zeitliche Darstellung. So wird Elise bereits im Alter von fünf Jahren als begabte Näherin eingeführt oder wird ihr ihre Boutique in Paris Ende Dezember schon zu Anfang Januar gekündigt.
Ein empfehlenswertes Buch für Leser von Familiengeschichten mit Interesse an der jüngeren deutschen Geschichte.

Veröffentlicht am 19.08.2019

Fortsetzung von Kleine Stadt der großen Träume

Wir gegen euch
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Nach dem ersten Band „Kleine Stadt der großen Träume“ wird nunmehr auf die folgenden Monate eingegangen. Maya, Vergewaltigungsopfer im ersten Band, versucht, die schlimmste Zeit ihres Lebens hinter sich ...

Nach dem ersten Band „Kleine Stadt der großen Träume“ wird nunmehr auf die folgenden Monate eingegangen. Maya, Vergewaltigungsopfer im ersten Band, versucht, die schlimmste Zeit ihres Lebens hinter sich zu bringen; der für den Ort Björnstadt so wichtige Eishockey-Club steht vor der Insolvenz; ein Geheimnis eines begnadeten Spielers wird gelüftet und die Bewohner so gezwungen zu zeigen, wofür sie stehen. Und natürlich steht auch die Rivalität zwischen Björnstadt und dem Nachbarort Hed wieder im Vordergrund, die zu einem Kampf um Geld und Macht führt.
Backman ist es erneut gelungen, eine komplexe, zum Nachdenken anregende Geschichte über Verantwortung, zusammenbrechende Beziehungen, Hass und Verzweiflung zu schreiben. Er hat lebendige Charaktere geschaffen. Jede Romanfigur berührt auf irgendeine Weise. Einige Beschreibungen sind besonders gelungen, wie z.B. die der Ehe der Anderssons, die Risse bekommt. Hier stellt Backman kleine Worte und Gesten gekonnt in den Vordergrund. Ebenso wird alles rund um den Eishockeysport sehr lebendig geschrieben und kann sich der Leser so selber als Teil der ausgetragenen Spiele sehen. Der Sport bildet aber nur den Rahmen, so dass nicht nur Sportfans angesprochen werden. Der dem Autor eigene Stil ist beeindruckend, etwa seine Andeutungen, was in Zukunft mit den Charakteren passieren wird.
Ich fand auch diesen Band wieder sehr lesenswert.

Veröffentlicht am 14.08.2019

Über den Zweiten Weltkrieg in Polen

Hannah und ihre Brüder
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Dieser fiktive Roman schockiert von Beginn an. In Chicago im Jahr 2004 beschuldigt der Holocaust-Überlebende Ben Solomon den angesehenen Geschäftsmann Elliot Rosenzweig, in Wahrheit der ehemalige SS-Offizier ...

Dieser fiktive Roman schockiert von Beginn an. In Chicago im Jahr 2004 beschuldigt der Holocaust-Überlebende Ben Solomon den angesehenen Geschäftsmann Elliot Rosenzweig, in Wahrheit der ehemalige SS-Offizier Otto Piontek zu sein, der als „Schlächter von Zamosc“ galt und unter dem er selbst und seine Familie leiden, mussten, ja sogar verraten wurden. Rosenzweig streitet ab und tut den Vorwurf als Verwechslung eines alten kranken Mannes ab. Um seinen guten Ruf nicht zu verlieren, lässt er sogar nach Otto Piontek suchen. Ben jedoch ist sich sicher und engagiert die Rechtsanwältin Catherine Lockhart, um Otto wegen seiner Vergangenheit vor Gericht zu bringen. Diese ist zunächst widerwillig, ändert aber ihre Ansicht, je mehr sie von Ben über die Vergangenheit hört.
Wer historische, im Dritten Reich angesiedelte Romane mag, sollte unbedingt zu diesem Buch greifen. Gut recherchiert und sehr realistisch stellt der Autor die Geschichte des Zweiten Weltkriegs in Polen dar, und zwar anhand der fiktiven Familie Solomon und ihres Ziehsohnes Otto. Ergebnis ist eine sehr berührende Lebensgeschichte eines den Holocaust Überlebenden, der alle Schrecken der damaligen Zeit durchlebt hat und die dafür Verantwortlichen bestraft wissen will. Das Buch ist ein guter Beitrag, um die Erinnerung an das furchtbarste Kapitel deutscher Geschichte wachzuhalten. Interessant ist auch der juristische Nebenschauplatz, dem anzumerken ist, dass der Autor von Haus aus Rechtsanwalt ist. Erst gegen Ende wird natürlich die Frage beantwortet, ob Ben mit seiner Anschuldigung richtig liegt.

Veröffentlicht am 14.08.2019

Tolle Familienchronik

Die Leben der Elena Silber
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Ein sehr beeindruckendes Buch, sowohl nach Umfang als auch nach Inhalt.
In der Gegenwart im Jahr 2017 betreibt der auf Selbstfindung bedachte Filmemacher Konstantin Stein auf Drängen seiner Mutter Maria ...

Ein sehr beeindruckendes Buch, sowohl nach Umfang als auch nach Inhalt.
In der Gegenwart im Jahr 2017 betreibt der auf Selbstfindung bedachte Filmemacher Konstantin Stein auf Drängen seiner Mutter Maria Familienforschung, um ein ihrer Meinung nach adäquates Thema zu haben. Diese führt zurück ins Jahr 1905 in Russland, wo Marias Großvater als Revolutionär gegen den Zaren erschlagen wird und seine zweieinhalbjährige Tochter Elena – die Patriarchin und Protagonistin der Geschichte – mit Mutter und Bruder flüchten muss. Elenas Werdegang ist von weiteren Fluchten/Ortswechseln und Freiheitsstreben geprägt – an andere Orte in Russland und später im Zweiten Weltkrieg in Schlesien, woher die Familie ihres deutschen Ehemannes Robert Silber stammt, ein Ingenieur, den sie noch in Russland geheiratet hat. In den Nachkriegswirren landet Elena mit ihren vier Töchtern schließlich im späteren Ostberlin. Der Verbleib von Robert bleibt rätselhaft, Elena erklärt ihn und auch andere Vorkommnisse innerhalb der Familie mit wechselnden Geschichten. Auf seiner Spurensuche begibt sich Konstantin an verschiedene Schauplätze und sucht Gespräche mit seinen noch lebenden Angehörigen.
Nachdem ich den rückwärtigen Bucheinband aufgeschlagen habe, wo der Familienstammbaum dargestellt wird, war ich zunächst erschlagen von der Vielzahl an Personen, die mich in der Geschichte erwarten würden. Das erwies sich aber schnell als grundlos. Den roten Faden betreffend die Romanfiguren wie auch die regionalen Schauplätze und zeitlichen Etappen habe ich nie verloren. Alle Romanfiguren haben spezielle Charakterzüge und zum Teil skurrile Eigenheiten, sind deshalb sehr interessant zu studieren (z.B. das Hobby von Konstantins dementem Vater und ihm selbst, sich Filmquizfragen zu stellen oder die zu Quacksalbertum neigende Tante Vera). Als Leser erfährt man im Zuge der Nachforschungen von Konstantin so viel Wissenswertes über die russische und ostdeutsche Geschichte. Spannend bleibt die Frage, ob sich das Schicksal von Robert Silber tatsächlich wird aufklären lassen.
Eine schöne Familiengeschichte, die sich flugs lesen lässt.