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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.06.2017

Moderne Version von Austens "Stolz und Vorurteil"

Vermählung
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Ich muss gestehen, den Klassiker „Stolz und Vorurteil“ von Jane Austen nie gelesen zu haben, wenngleich ich grob über seinen Inhalt informiert bin. Daher kann ich nicht wirklich beurteilen, in welchem ...

Ich muss gestehen, den Klassiker „Stolz und Vorurteil“ von Jane Austen nie gelesen zu haben, wenngleich ich grob über seinen Inhalt informiert bin. Daher kann ich nicht wirklich beurteilen, in welchem Maße sich das vorliegende Buch – gemäß der Aufschrift auf dem Cover „Jane Austen neu erzählt“ – an den berühmten Klassiker anlehnt. Doch scheint es mir eine durchaus gelungene Adaption zu sein. Die Geschichte spielt im amerikanischen Cincinnati im Jahr 2013. Im Mittelpunkt stehen die fünf Bennet-Schwestern im Alter von 23 bis 39 Jahren, die ihre Mutter - sozialen Wohltätigkeitsprojekten und der Kaufsucht verschrieben, - lieber heute als morgen verheiratet sehen würde. Die beiden ältesten und einzig berufstätigen Schwestern kehren zwecks Unterstützung ihrer Eltern ins Elternhaus zurück, das die drei jüngsten nie verlassen haben. Der alles umspannende Rahmen ist die Reality-TV-Show „Vermählung“, in der Chip Bingley eine Rolle spielt. Neben verschiedenen amourösen und nicht immer den konservativen Vorstellungen der Mutter entsprechenden Verhältnissen spielen auch Themen wie Rassismus, Homosexualität, anonyme Samenspende, biologische Uhr, Vorbehalte gegenüber unverheirateten Frauen eine Rolle. Von sehr subtilem Humor sind die verbalen Äußerungen der Bennet-Eltern und die Wortgefechte zwischen Liz und dem arroganten Arzt Darcy. Bis zur Lektüre der ersten 400 Seiten hätte ich das Buch glatt mit fünf Sternen bewertet. Doch leider enttäuschte mich das letzte Fünftel. Hier steht nur noch die Reality-Show im Focus, was leicht kitschig anmutet und nicht zu den Charakteren passt, wie sie bis dahin dargestellt wurden. Auf jeden Fall lesen sich die immerhin 576 Seiten mit sage und schreibe 181 Kapiteln recht flott.

Veröffentlicht am 03.06.2017

Spannend, aber verwirrend

Der Brief
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Die Journalistin Marie lebt glücklich in lesbischer Beziehung in Hamburg. Ihr Leben wird auf den Kopf gestellt, als sie einen Brief von ihrer alten Schulfreundin Christine erhält, gerichtet an eine Pariser ...

Die Journalistin Marie lebt glücklich in lesbischer Beziehung in Hamburg. Ihr Leben wird auf den Kopf gestellt, als sie einen Brief von ihrer alten Schulfreundin Christine erhält, gerichtet an eine Pariser Anschrift, abgesandt in Berlin, obwohl Christine in ihrem Heimatdorf lebt. Er enthält Einzelheiten zu Maries Leben, die so gar nicht zutreffen. Christine wiederum erhält einen vermeintlich von Marie stammenden Brief. Marie geht der Sache auf den Grund.
Spannend und zum Weiterlesen animierend ist es zu erfahren, was hinter den Briefen steckt. Ist Marie psychisch krank? Bildet sie sich alles ein? Führt sie ein Doppelleben? Treibt jemand Psychoterror mit ihr? Der Leser wird angeregt, sich eigene Gedanken zu machen. Alles wird zunehmend mysteriöser, um dann am Ende völlig rätselhaft zu bleiben, weil die Geschichte offen abschließt. Ich empfinde die Handlung als zu unrealistisch.

Veröffentlicht am 25.05.2017

Ein modernes Märchen

Mr. Peardews Sammlung der verlorenen Dinge
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Der Schriftsteller Anthony Peardew sammelt seit 40 Jahren auf der Straße gefundene Dinge und archiviert sie sorgfältig. Trauriger Anlass hierzu ist der Verlust eines Medaillons, das ihm seine geliebte, ...

Der Schriftsteller Anthony Peardew sammelt seit 40 Jahren auf der Straße gefundene Dinge und archiviert sie sorgfältig. Trauriger Anlass hierzu ist der Verlust eines Medaillons, das ihm seine geliebte, früh verstorbene Verlobte übergeben hatte. Getrieben wird Anthony von der Hoffnung, mit dem Zusammenbringen von Besitzern und Gegenständen seinen Fehler wiedergutzumachen und vielleicht das Liebespfand zurückzuerhalten. Zu einzelnen Gegenständen schreibt er kurze Erzählungen. Als Anthony stirbt, setzt seine Assistentin Laura seine Arbeit fort. Parallel zu ihrer beider Geschichte geht es um den Verleger Bomber und seine beste Freundin Eunice. Beide Geschichten sind geschickt miteinander verwoben, der eigentliche Verknüpfungspunkt ergibt sich am Ende des Buches.

Dieser Debütroman der Autorin ist fast schon ein modernes Märchen. Die Geschichte ist so vielschichtig mit einer Bandbreite unterschiedlicher Themen. Sie ist eine Liebesgeschichte, hat etwas Magisches, es gibt Geister und mit Anthonys geschickt eingestreuten Kurzgeschichten sogar Geschichten in der Geschichte. Die Romanfiguren sind ebenfalls recht vielschichtig und allesamt liebenswert und besonders, sei es Lauras junge, am Downsyndrom erkrankte Nachbarin mit ihrer besonderen Sicht der Dinge, Anthony mit seiner berührenden Vergangenheit oder der Gärtner Freddy. Sogar Bombers unsympathische Schwester ist mit ihren Versuchen, Romane zu schreiben, einzigartig. Selbst Hunde mit markanten Namen spielen eine wichtige Rolle.

Das Buch erhält von mir eine absolute Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 11.05.2017

Kann es Glück im Krieg geben?

Die Liebe in diesen Zeiten
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Anders als es der Klappentext vermuten lässt, handelt es sich nicht so sehr um eine Liebesgeschichte als vielmehr um eine Erzählung über den Zweiten Weltkrieg. Die Handlung spielt in den frühen Tagen dieses ...

Anders als es der Klappentext vermuten lässt, handelt es sich nicht so sehr um eine Liebesgeschichte als vielmehr um eine Erzählung über den Zweiten Weltkrieg. Die Handlung spielt in den frühen Tagen dieses Krieges. Im Mittelpunkt stehen vier junge Briten: Mary, aus gutem Hause, rebellisch, meldet sich zur Truppenunterstützung; ihre beste Freundin Hilda, die sich immer als in Marys Schatten stehend fühlt, weil Mary ihr die Männer ausspannt; Tom, Mitarbeiter einer Schulbehörde, verschafft Mary einen Job und wird ihr Geliebter; Toms bester Freund Alistair, Restaurator, der sich schnell freiwillig meldet.
Die Geschichte wechselt im Wesentlichen zwischen Marys und Alistairs Perspektive. In London erlebt Mary die Angriffe der deutschen Luftwaffe zunächst als Hilfslehrerin, dann als Rettungswagenfahrerin. Alistair ist auf Malta stationiert, um die Kontrolle über die belagerte, strategisch wichtige Insel zu behalten, und ist ständigen Bombardierungen der deutschen und italienischen Luftwaffe ausgesetzt. Beide begegnen sich nur einmal und verlieben sich ineinander. Verkompliziert wird alles durch Marys Beziehung zu Tom und Hildas Interesse an Alistair.
Die Erzählung bietet neben mir bisher nicht geläufigen Informationen zum Zweiten Weltkrieg – wie die Belagerung Maltas (wo der Großvater des Autors diente) und das Schicksal nicht aus London evakuierter Kinder – weitere interessante Aspekte: Morphinsucht, Rassismus gegenüber der schwarzen Bevölkerung. Das Buch ist gut geschrieben. Auffällig sind die fast schon scherzhaften Dialoge der Romanfiguren, die den Kriegshorror überdecken sollen. Das offene Ende ließ mich etwas unbefriedigt zurück.

Veröffentlicht am 06.05.2017

Ein folgenschweres Kindheitstrauma

Ich, Eleanor Oliphant
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Die 30jährige Eleanor Oliphant führt ein sozial völlig zurückgezogenes Leben. Unter der Woche arbeitet sie als Buchhalterin und das Wochenende schlägt sie mit Pizza, Pasta, Um-die-Ecke-gedacht-Rätseln ...

Die 30jährige Eleanor Oliphant führt ein sozial völlig zurückgezogenes Leben. Unter der Woche arbeitet sie als Buchhalterin und das Wochenende schlägt sie mit Pizza, Pasta, Um-die-Ecke-gedacht-Rätseln und Wodka tot. Sie ist sehr intelligent, wortgewandt, weltfremd und vor allem einsam. Nach einem mysteriösen Ereignis in ihrer Kindheit, das ihr Gesicht entstellte, lebte sie in Pflegefamilien und Heimen. Jetzt hingegen geht es ihr genau richtig, wie sie sich selbst beständig versichert. Aber ist es tatsächlich so? Immerhin hortet sie Schmerztabletten und ist, fast einer Stalkerin gleich, völlig besessen von einem Musiker. Als sich Raymond, ein Kollege aus der IT-Abteilung, mit ihr anfreundet, beginnt sich ihr Leben zu verändern.
Eleanor selbst erzählt ihre Geschichte. Angesichts ihres doch monotonen Lebens erfährt diese eine tolle Aufheiterung durch Eleanors beständige innere Monologe, die schrullig, lustig und von trockenem Humor sind. Eleanor hat zu allem etwas zu sagen, z.B. fragt sie sich im Kosmetiksalon beim Anblick schwarzer Handtücher, welche hygienischen Mängel die Farbe wohl verbergen soll oder bei der Bestellung einer Lieferpizza, wie sie das mit dem frischen Basilikum machen, ob der Pizzabote eine Pflanze bei sich hatte. Eleanors traumatische und der psychotherapeutischen Behandlung bedürftige Vergangenheit, an die sie selbst kaum Erinnerungen hat, kommt erst nach und nach zu Tage. Da es aber schon frühzeitig Hinweise darauf gibt, dass ihr Leben für Eleanor wohl doch nicht o.k. ist und sie sich hinter einer Maske versteckt, bleibt die Spannung bis zum Schluss aufrechterhalten. Angesichts der positiven Entwicklung, die Eleanor durch die Inanspruchnahme professioneller Hilfe und der ihres Freundes erfährt, stimmt das Ende hoffnungsvoll.

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