Profilbild von uli123

uli123

Lesejury Star
offline

uli123 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit uli123 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.09.2016

Der Lebenslauf einer dem Laufen verschriebenen Sportlerin

Die Frau, die allen davonrannte
0

Kanada 1908: Aganetha Smart wird als jüngstes Kind einer langen Geschwisterreihe auf einer Farm geboren. Der Laufsport wird früh ihr Ein und Alles. Mit 18 nimmt sie eine Fabrikarbeit in Toronto auf und ...

Kanada 1908: Aganetha Smart wird als jüngstes Kind einer langen Geschwisterreihe auf einer Farm geboren. Der Laufsport wird früh ihr Ein und Alles. Mit 18 nimmt sie eine Fabrikarbeit in Toronto auf und findet in dem Besitzer einen sportlichen Förderer. Zwei Jahre später gewinnt Aganetha bei den Olympischen Spielen in Amsterdam in dem erstmals für Frauen zugelassenen 800-Meter-Lauf die Goldmedaille und wird zum bekannten Werbestar. Private Probleme lassen sie bald ihre Läuferinnenkarriere aufgeben. Im hohen Alter von 104 Jahren lebt sie, gebrechlich, in einem Altersheim in ihrer Heimat. Dort geben zwei junge Leute vor, Filmaufnahmen und ein Interview mit ihr machen zu wollen. Es stellt sich heraus, dass es zwischen Aganetha und ihnen eine in der Vergangenheit liegende Verbindung gibt, die Aganetha mit einer nie offenbarten Lüge konfrontiert …

Nicht nur Laufbegeisterte werden bei dem Buch voll auf ihre Kosten kommen. Am Beispiel der fiktiven Olympiateilnehmerin Aganetha ist so viel zu erfahren über die Trainings- und Wettkampfbedingungen speziell weiblicher Athleten in den 20er Jahren. Von der Warte der Emanzipation und Frauendiskriminierung aus betrachtet, ist es interessant zu lesen, dass schon bald nach den Olympischen Spielen von 1928, in denen erstmals Frauenwettkämpfe in ausgewählten Leichtathletikdisziplinen stattfanden, der 800-Meter-Lauf für Frauen bis zu den 60er Jahren verboten wurde. Es berührt sehr zu hören, welche schwierige Phase Aganetha während ihrer aktiven Zeit als Sportlerin durchmacht. Als Mädchen vom Land erwartet sie in der Stadt manche Lehre, insbesondere in Sachen Freundschaft, Liebe und sportlicher Kollegialität. Schnell muss sie erwachsen werden. Eine Goldmedaille im Sport gewinnt sie zwar. Aber im wirklichen Leben steht sie nicht auf der Siegerseite.
Der Sport macht allerdings nur den einen Teil der Geschichte aus. Der andere Aspekt ist die gelungene Darstellung der komplexen Familiengeschichte von Aganetha, die sie während der wenigen Stunden mit den vermeintlich fremden jungen Leuten resümiert. Ein dem Vorwort vorangestellte Familienstammbaum hilft, sich in der verzweigten Familie Smart zurechtzufinden, von der jedes Mitglied ein spezielles eigenes Schicksal hat.

Ein beeindruckender Debütroman, den zu lesen ich nur empfehlen kann.


Veröffentlicht am 15.09.2016

Eine bedrückende Familiengeschichte

Was ich euch nicht erzählte
0

1977: Die 16jährige Highschool-Schülerin Lydia, Kind eines Chinesen und einer weißen Amerikanerin, wird in einem See nahe ihrem Elternhaus ertrunken aufgefunden. Die näheren Umstände sind unklar. Für ihre ...

1977: Die 16jährige Highschool-Schülerin Lydia, Kind eines Chinesen und einer weißen Amerikanerin, wird in einem See nahe ihrem Elternhaus ertrunken aufgefunden. Die näheren Umstände sind unklar. Für ihre Mutter Marilyn, die einst ihren Traum von einer Tätigkeit als Ärztin zugunsten ihrer Familie zurückstellte, kommt nur ein Mord in Betracht, denn ihrer Überzeugung nach war ihrer ehrgeizigen und klugen Lieblingstochter eine Karriere als Ärztin gewiss. Der ältere Bruder verdächtigt den Nachbarsjungen Jack, mit dem Lydia zuletzt heimlich ihre Freizeit verbrachte. Andererseits kommen nach und nach immer mehr Aspekte und Geheimnisse ans Tageslicht, die auch einen Selbstmord möglich erscheinen lassen. Am Ende erfährt nur der Leser, was sich wirklich ereignete.

Der Roman wartet mit spannenden Thriller-Elementen auf: Warum hat Lydia in der Nacht das Haus erlassen? Warum ist sie auf den See hinausgerudert, obwohl sie nicht schwimmen kann? Warum benimmt sich Jack so merkwürdig? Sie treten allerdings zurück zu der im Vordergrund stehenden Geschichte um eine chinesisch-amerikanische Familie, die aufgrund dieser besonderen Konstellation eine Außenseiterrolle einnimmt, mit der vor allem der Vater hadert. Behutsam wird immer wieder das Thema Rassismus berührt. Lydia und ihr Bruder sind die einzigen Asiaten an ihrer High School, deshalb ohne Freunde und immer wieder anzüglichen Bemerkungen ausgesetzt. Der Vater wird als nicht-weißer Schwiegersohn abgelehnt, muss sich mit einer zweitklassigen Karriere als Dozent an der Universität einer Kleinstadt zufriedengeben. In den Fokus rückt auch immer wieder das Thema Emanzipation, dargestellt anhand des Verhältnisses von Marilyn zu ihrer Mutter, die ihre Tochter gut verheiratet am Herd stehen sehen wollte, was Marilyn undenkbar erschien. Ihren eigenen unerfüllt bleibenden Traum, Ärztin zu werden, projiziert sie, es eigentlich gut meinend, auf Lydia, deren schulischen und beruflichen Werdegang sie dominant plant. Lydia vermag sich (aufgrund eines Erlebnisses in ihrer frühen Kindheit) nicht zur Wehr zu setzen, bis … ja, bis zu ihrem Tod. Seine Umstände aufgeklärt zu bekommen, hält den Leser im Bann. Auf dem Weg dahin erfährt er viele ungeheuerliche Einzelheiten über die Familie aus der Perspektive aller Familienmitglieder, die nachdenklich zurücklassen.

Ein beeindruckender Debütroman, den ich uneingeschränkt empfehlen kann.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Buch über zwei starke Frauen

Die Reise der Amy Snow
0

England 1831: Die einzige Tochter wohlhabender Gutsherren findet im Schnee ein nacktes, ausgesetztes Baby. Sie nennt es Amy Snow und setzt beharrlich gegen den Widerstand ihrer Eltern durch, Amy auf dem ...

England 1831: Die einzige Tochter wohlhabender Gutsherren findet im Schnee ein nacktes, ausgesetztes Baby. Sie nennt es Amy Snow und setzt beharrlich gegen den Widerstand ihrer Eltern durch, Amy auf dem Gut aufwachsen zu lassen. Für Aurelia wird Amy zu einer Freundin und Schwester. Nach der Diagnose einer lebensbedrohlichen Erkrankung begibt sich Aurelia auf Reisen. Amy fühlt sich zum ersten Mal von ihr im Stich gelassen. Mit Mitte zwanzig stirbt Aurelia und ihre Eltern jagen Amy fort. Aurelia hat allerdings finanziell für sie vorgesorgt und außerdem in Anlehnung an ein früheres Kinderspiel eine Schatzsuche für sie organisiert. Anhand aufzuspürender Briefe, die viel Neues über Aurelia preisgeben, begibt sich Amy an verschiedene Orte zu wohlgesonnenen Freunden, wo sie ein gut gehütetes Geheimnis Aurelias aufdeckt und obendrein ihr eignes, selbstbestimmtes Leben zu führen lernt.

Die Geschichte ist schon historisch interessant, spielt sie doch im viktorianischen England, benannt nach Queen Victoria, die als emanzipiert und selbstbewusst galt. Über das gesellschaftliche Leben in dieser Zeit ist so manches Detail zu erfahren. Die beiden Protagonistinnen passen vorzüglich zu diesem Hintergrund. Aurelia mit ihrem Drang zu Unabhängigkeit verkörpert ein neues Frauenbild; Amy entwickelt sich von einer grauen Maus zu einer selbstbewussten Frau, der der gesellschaftliche Aufstieg gelingt. Darüber hinaus ist die Geschichte spannend und lässt den Leser miträtseln, was für eine Botschaft Aurelia wohl an Amy weiterleiten wollte. Zwar hegt Amy selbst ab dem Mittelteil eine Vermutung, die aber trotzdem noch auf Bestätigung wartet. Das Buch liest sich recht flüssig. Die gute Strukturierung der Geschichte anhand der Vorgeschichte und der verschiedenen Reisestationen Amys erlauben auch schon einmal eine Lesepause, ohne dass der Faden verloren geht. Anmerken muss ich allerdings, die Passage über Amys Station in Bath im Mittelteil als die schwächste und als ein wenig ermüdend empfunden zu haben. Hier gibt es schlichtweg zu viele in meinen Ohren sehr gekünstelt klingende Dialoge zwischen Amy und ihrem Verehrer Henry.

Trotzdem hat mir das Buch gut gefallen und kann es Leserinnen historischer Romane empfehlen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Rückwärts erzählte Familiensaga

Die Sommer mit Lulu
1

Die Engländerin Lulu leitet seit Jahrzehnten ein kleines Strandhotel im Osten Mallorcas. Inzwischen ist sie über 80 Jahre alt, aber wie seit jeher charmant, witzig und großzügig. Eines Tages trifft sie ...

Die Engländerin Lulu leitet seit Jahrzehnten ein kleines Strandhotel im Osten Mallorcas. Inzwischen ist sie über 80 Jahre alt, aber wie seit jeher charmant, witzig und großzügig. Eines Tages trifft sie zufällig auf Gerald, mit dem sie im Jahr 1948 für sehr kurze Zeit verheiratet war und dem sie seither aus dem Weg gegangen ist. Es kommt zum Streit, beide stürzen von den Klippen und ertrinken im Meer. Was ist im Jahr 1948 passiert?

Wir haben es mit drei Handlungssträngen zu tun – die beiden Liebesgeschichten zwischen Lulu und Gerald einerseits und ihrer Kinder aus zweiter Ehe Aegina und Luc andererseits, ferner Geralds Segeltouren, die denen von Homers Odyssee folgen. Die Besonderheit im Aufbau ist, dass rückwärts erzählt wird. Die Geschichte beginnt im Jahr 2005 mit dem Unglück und reicht zurück über die Jahre 1995 mit Lulus 70. Geburtstag, 1983, 1970, 1966, 1956 bis 1948, was zunächst nicht einfach zu lesen ist. Mit jedem Abschnitt erschließt sich mehr, wie Lulu und Gerald ihre Leben gelebt haben und welche Auswirkungen das Ereignis von 1948 auf die Leben ihrer Kinder und Freunde hatte. Die Handlung entwickelt sich nur langsam, so dass ich irgendwann an einen Punkt gelangt bin, an dem ich nur noch wissen wollte, was 1948 passiert ist. Zu meiner Enttäuschung entpuppte sich das Schlüsselereignis als banal und unglaubhaft. Eine Erklärung vermisse ich zu der Frage, ob Lulu ihren Ex-Mann an den Klippen aufgrund noch immer fortwirkenden Hasses beschimpft hat oder ob sie die Beleidigungen ungewollt geäußert hat, weil sich ihr Wesen nach einem Schlaganfall verändert hat. Obwohl die Geschichte auf Mallorca spielt und schöne Impressionen von der Insel vermittelt, ist sie nicht als Strandlektüre geeignet, weil es schon gewisser Konzentration beim Lesen bedarf. Insbesondere die Vielzahl der Romanfiguren lässt sich schwer auseinanderhalten. Sympathisch sind mir von den zumeist als Neureiche, Bohemiens und Lebenskünstler daherkommenden Personen nur die wenigsten.

Für mich ein sich nicht vom Durchschnitt der Bücher abhebender Roman.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Mischung aus Romanze und Thriller

Wenn du mich siehst
0

Ein ganz untypischer Roman des Autors, vermischt er doch die Genres Liebesgeschichte und Thriller. Bereits im Prolog wird eine namenlose männliche Person eingeführt, die sich an der Protagonistin rächen ...

Ein ganz untypischer Roman des Autors, vermischt er doch die Genres Liebesgeschichte und Thriller. Bereits im Prolog wird eine namenlose männliche Person eingeführt, die sich an der Protagonistin rächen will. Sodann werden die beiden Hauptfiguren vorgestellt. Colin Hancock ist in der Vergangenheit wegen zahlloser Kneipenschlägereien mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Im Bemühen, sich zu ändern, konzentriert er sich ganz auf sein Ziel, Lehrer zu werden, und den Käfigkampf, um Aggressionen abzubauen. Eines Nachts trifft er auf die mit einer Reifenpanne liegen gebliebene Maria Sanchez, die Anwältin ist. Angesichts des Autors wenig überraschend, entwickelt sich zwischen beiden eine Liebesbeziehung, die durch einen Maria wegen eines ihrer früheren Fälle gnadenlos verfolgenden Stalker gestört wird. Colin setzt alles daran, den Stalker zu fassen …

Die Kapitel sind abwechselnd Colin und Maria gewidmet und werden erzählt von einem beobachtenden Erzähler. Es ist sehr viel Dialog enthalten. Das sprachliche Niveau ist eher einfach gehalten und erinnert mit vielen Aufzählungen der Handlungsabfolge („erst …“, „danach …“, „dann …“) an Grundschulaufsätze. Colin ist aufgrund seiner Vergangenheit nicht gerade ein Sympathieträger. Seine Standardantwort „okay“ auf alle möglichen Fragen, sein Hang zur absoluten Ehrlichkeit und der Umstand, den Stalker im Alleingang wie ein Detektiv zu erwischen, sind etwas befremdlich. An Maria stört mich, dass sie als erfolgreiche junge Rechtsanwältin eingeführt wird, sich dann aber als schwach und ängstlich entpuppt. Die Auflösung des Geschehens um den Stalker fesselt bis zum Schluss.

Alles in allem ein sich im durchschnittlichen Rahmen bewegender Roman.