Desolate Familienverhältnisse meistern
22 BahnenIn ihrem gelungenen Debütroman gibt die Autorin einmal solchen Personen das Wort, die in unserer Gesellschaft nur zu gerne übersehen werden: den beiden Töchtern einer alkoholkranken und an Depressionen ...
In ihrem gelungenen Debütroman gibt die Autorin einmal solchen Personen das Wort, die in unserer Gesellschaft nur zu gerne übersehen werden: den beiden Töchtern einer alkoholkranken und an Depressionen leidenden Mutter. Letztere hat (krankheitsbedingt?) nicht viel für ihre Kinder übrig. Die jüngste, zwölfjährige Ida leidet unter den Gewaltausbrüchen der Mutter und fürchtet diese. Die Älteste, Tilda, kümmert sich intensiv um die geliebte Schwester, und das neben ihrem Mathestudium, einem Nebenjob an der Supermarktkasse und ihrem allabendlichen Schwimmen von Bahnen im Schwimmbad. Nichts will sie sehnlicher, als dem verhassten Kleinstadtleben zu entkommen. Zuvor will sie die kleine Schwester darauf vorbereiten und stark machen. Dann tritt Viktor in ihr Leben, dessen Familiengeschichte ebenfalls, aus ganz anderen Gründen, sehr tragisch ist und mit dem Tilda über seinen toten Bruder verknüpft ist. Beide tun sich schwer, eine Liebesbeziehung aufzunehmen …
Trotz all der Probleme, die sich für Tilda angesichts ihres desolaten Familienlebens auftun, ist es sehr erfrischend, aus ihrem Leben zu lesen. Die Beziehung zu ihrer kleinen Schwester ist einfach wunderbar und einzigartig. Sie erleben viele magische Momente miteinander und Ida wächst und reift sichtlich in den wenigen Monaten, über die erzählt wird. Genauso besonders ist die sich ganz allmählich entwickelnde Beziehung zwischen Tilda und Viktor. Formell finden sich ebenfalls einige Besonderheiten. So sind die vielen Dialoge nicht durch wörtliche Reden kenntlich gemacht, sondern schlicht durch Voranstellung des Namens des Sprechenden und einen Doppelpunkt. Und Tildas Liebe zur Mathematik wird herausgestellt durch Ziffernschreibweise anstelle ausgeschriebener Zahlen.
Sehr zu empfehlen.