Als Emily mitten in der Nacht Besuch von einer sprechenden Ratte erhält, bleibt ihr kaum Zeit sich darüber zu wundern. Plötzlich ist die junge Waise dem Geheimnis ihrer Herkunft auf der Spur, sie lernt den mürrischen Alchemisten Wittgenstein kennen und hat alle Hände voll zu tun, Wittgenstein, sich und ihre kleine Schwester vor Wölfen und anderen gefährlichen Wesen zu retten. Denn in London, der Stadt der Nebel, ist nichts wie es scheint...
Lycidas - Die uralte Metropole und ich hatten so unsere Probleme miteinander.
Bereits vor einigen Jahren durfte das Buch aufgrund des Klappentextes bei mir einziehen, doch den ersten Leseversuch brach ich nach etwa einem Drittel ab. Die Story packte mich nicht.
Jahre später wollte ich nun einen zweiten Anlauf starten. Und relativ schnell wurde mir klar, warum mein erster Versuch missglückte. Da ich noch nie ein Buch wirklich abgebrochen und nie beendet habe, wollte ich nicht damit anfangen und biss mich durch. Es entwickelte sich eine Art Hassliebe.
Wie schon erwähnt, hatte ich so meine Problemchen mit dem Buch.
Los ging es für mich mit dem doch sehr großen Umfang und der wirklich kleinen Schrift. Ich habe die Taschenbuchversion gelesen, die es auf stolze 862 Seiten bringt.
Den mächtigen Umfang des Buches kann ich mir am Ende dann leicht erklären. Und zwar aufgrund von Wiederholungen, Rückblenden und ständigen Zusammenfassungen. Im Laufe der Handlung kommt es des Öfteren vor, dass sich die Gruppe der Protagonisten trennt. Geführte Gespräche werden dann teilweise eins zu eins wiedergegeben, wenn es in der Handlung darum geht, den Rest der Gruppe auf Stand zu bringen. Die Ironie an der Sache ist die Definition der Hölle im Buch Dort heißt es nämlich: "Wiederholung ist die Hölle". Der Autor wäre gut damit gefahren, dies auch für das Buch zu berücksichtigen und nicht nur seine Protagonisten damit zu behelligen.
Wo ich schon bei Wiederholungen bin: Unsere Geschichte spielt in London. Das Wetter dort ist nicht für seine Heiterkeit bekannt, so kommt es, dass auch im Buch das Wetter selten heiter bis freundlich mitspielt. Zwangsläufig macht es sich Wittgenstein zur Aufgabe seinen Mantelkragen gegen Wind und Wetter aufzustellen. Verständlich eine tolle Schutzmaßnahme, aber muss man es denn in jeder verdammten Außenszene wiederholen? Muss man immer und immer wieder diesen aufgestellten Kragen erwähnen? Das Ganze macht den Textfluss holprig, da ich ständig dachte: Habe ich das nicht gerade schon gelesen?
Mit dem Schreibstil bin ich im Allgemeinen nicht wirklich warmgeworden. Die Erzählperspektive aus der Sicht des Alchemisten ist extrem gewöhnungsbedürftig. Wie kann ein Ich-Erzähler denn bitte die tiefsten Gefühle und Gedanken der anderen Protagonisten wiedergeben? Die Wortwahl und die sprachlichen Mittel bereiteten mir im Übrigen wirklich Schwierigkeiten damit, die Story zeitlich einzuordnen. Im weitesten Sinne spielt die Geschichte wohl in der Gegenwart, doch machten bestimmte Floskeln oder Umschreibungen den Eindruck, als ob es sich manchmal doch eher um eine historische Erzählung handelt.
Außerdem stolperte ich im Laufe der Geschichte immer mal wieder über Logikfehler. Die Haarfarbe der Protagonistin änderte sich, Namen in Gesprächen wurden vertauscht und plötzlich sprach jemand anders oder man sprach über jemand anderen. Und durch das viele, viele Drumherum wurde die Geschichte unrund. Viele Zusammenhänge blieben unklar. Die Geschichte war teils extrem langatmig und ich kämpfte mit mir, um weiterzulesen.
Sehr schade alles, denn die Idee und vor allem die Figuren haben durchaus Potenzial. Mir gefielen natürlich auch Dinge, sonst wäre es ja keine Hassliebe geworden. Die Charaktere wirkten auf mich sehr authentisch. Der Autor hat sich gründlich damit auseinandergesetzt, wofür die einzelnen Personen stehen sollen, was sie verkörpern sollen und welche Eigenschaften er ihnen zusprechen wollte. Auch die Welt der Metropole in Verknüpfung mit den realen Schauplätzen Londons waren toll gewählt. Ich bekam zeitweise Lust auf eine Reise nach London. Auch, dass Mythen, wie die Geschichte um Jack the Ripper etc., aufgegriffen und integriert wurden, gefiel mir gut.
Doch was nutzt die beste Idee, wenn es an der Umsetzung scheitert? Was nutzen tolle Figuren, wenn der Leser das Buch wegen der Langatmigkeit nach ein paar hundert Seiten weglegen möchte?
Ich bin am Ende froh, den Kampf zu Ende gekämpft zu haben, doch wird der zweite Band mich wohl vorerst nicht locken.