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Veröffentlicht am 10.07.2017

Geschichte mit Sogwirkung

Schere, Stein, Papier
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Der Vater von Thomas und Jenny stirbt. Ein einfacher Trauerfall ? Mitnichten, denn die Beziehung der drei war mehr als schwierig. Die Mutter hat die Familie schon früh verlassen, der Vater war oft handgreiflich ...

Der Vater von Thomas und Jenny stirbt. Ein einfacher Trauerfall ? Mitnichten, denn die Beziehung der drei war mehr als schwierig. Die Mutter hat die Familie schon früh verlassen, der Vater war oft handgreiflich gegenüber seinen Kindern, ein Kleinkrimineller, der ihnen das Leben nicht leicht gemacht hat. Sein Tod reißt alte Wunden wieder auf.
Das Erbe besteht nur aus Schulden - ein letzter Gang in seine verwahrloste Wohnung. Ein Erinnerungsstück will Jenny behalten, seinen Toaster. Als Thomas ihn repariert macht er eine unglaubliche Entdeckung: zwei Geldpäckchen. Heimlich schiebt er sie sich unter den Pullover, erzählt auch seiner Lebensgefährtin Patricia nichts davon. Der Tod, die Entdeckung des Geldes und die Bekanntschaft mit Luke, dem "Jungen", der anscheinend so viel Zeit mit Jacques, Thomas Vater, verbracht hat und so viel zu berichten hat - über Ereignisse und Erlebnisse, die Thomas nie mit seinem Vater erlebt hat - all dies setzt bei Thomas eine Veränderung seiner Gedanken, seines Verhaltens in Gang, dass ihn unaufhörlich immer weiter in den Abgrund zieht......


Das Buch ist kein einfaches Buch. Es fordert den Leser heraus, sich auf diese Geschichte einzulassen. Es ist kein Spannungsroman, sondern ein Roman, der so viele Ereignisse, so viele Veränderungen so genau beschreibt, dass man als Leser das Gefühl hat, selber in der Haut von Thomas, aus dessen Sicht erzählt wird, zu stecken.
Grandios aus meiner Sicht ist, wie gut die Autorin diese Veränderungen, die Thomas durchlebt, realistisch und vor allem nachvollziebhar erzählt. Es ist ein schleichender Prozess, der nicht nur ihn, sondern durch ihn auch seine Lebensgefährtin, seine Familie und seine Freunde betrifft.
Durch die Beschreibungen, die gut gesetzten Dialoge und Ereignisse, die sich immer weiter dramatisieren, die immer wieder härter und agressiver werden, fühlt man sich auf dieser Abwärtsspirale wie in der ersten Reihe. Das besondere darin ist, dass die Autorin Naja Marie Aidt die Protagonisten so gut skizzieren kann. Vor allem voran natürlich Thomas, dessen Innenleben wir beobachten können. Aber auch die anderen Patricia, Jenny, seine Nichte Alice und weitere Verwandte, sein Freund und Kollege Maloney, sie alle werden in diesem Buch lebendig - sie sind und bleiben keine starren Figuren, sondern verändern sich, entwickleln sich. Dies zu beschreiben, so dass es so echt wirkt, ist eine Kunst.

Fazit:
Sehr gut beschriebener Roman über die Auswirkungen von Vergangenheit gepaart mit Kurzschlusshandlungen, über große Gefühle wie Eifersucht, Liebe und Freundschaft.
Was verändert einen Menschen ? Wie weit wird er getrieben von seinen eigenen Gefühlen und Wünschen ? Wie weit nimmt er in Kauf andere zu verletzen - und wie weit kann er sich dabei einreden, dass alles nur zum Besten geschieht ?
Der Roman von Naja Marie Aidt erzählt die Entwicklung eines Menschen, dessen Abwärtsspirale ihn immer tiefer nach unten zieht....

Veröffentlicht am 10.07.2017

Gut konstruierter Fall

Into the Water - Traue keinem. Auch nicht dir selbst.
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Beckford, ein Ort, in dem schon mehrere Frauen im Fluss ertrunken sind. Frauen, die ihrem Leben ein Ende setzen wollten. Die letzten zwei Fälle waren Katie, ein erst 15 Jahre altes Mädchen und ein halbes ...

Beckford, ein Ort, in dem schon mehrere Frauen im Fluss ertrunken sind. Frauen, die ihrem Leben ein Ende setzen wollten. Die letzten zwei Fälle waren Katie, ein erst 15 Jahre altes Mädchen und ein halbes Jahr später Nel, Mutter von Katies Freundin Lena. Was hat diese beiden in den Selbstmord getrieben ? Jules, Nel´s Schwester, glaubt nicht an einen Selbstmord- obwohl sie mit ihr seit langem keinen Kontakt mehr hatte und nur nach Beckford zurückkehrt, weil sie nun die Verantwortung für ihre Nichte Lena trägt. Denn sie kehrt an den Ort ihre Albträume zurück...mit Erinnerungen an Ereignisse, die sie am liebsten für immer vergessen möchte.
Was steckt hinter den Todesfällen ? Trügt der Schein ?


Paula Hawkins erzählt aus vielen Perspektiven. Immer wieder wechseln die erzählenden Protagonisten. Dazwischen gibt es kleinere Rückblenden zu den verschiedenen Todesopfern, die der Fluss in Beckford gefordert hat. Interessant beim Lesen ist, dass der Leser auch nicht schlauer ist als die erzählenden und agierenden Protagonisten.
Anfangs braucht man ein bisschen um die vielen losen Fäden, die die Autorin hier verknüpft, sortiert zu bekommen. Aber nach und nach lernt man jeden der Handelnden sehr gut kennen und kann ihn einordnen. Doch Vorsicht ! Paula Hawkins verrät am Anfang noch nicht viel und man wird lange auf falsche Spuren und Fährten gelenkt. Erst am Ende löst sich alles in einem spannenden Finale auf.

MIr haben die wechselnden Perspektiven sehr gut gefallen. Dieses langsame Aufdecken, Schritt für Schritt und Schicht um Schicht. Der Schreibstil wechselt auch mit den Protagonisten. Bei Jules bedient sich die Autorin der Ich-Perspektive, bei den anderen wird aus einer Erzählperspektive, die dem jeweils Handelnden angepasst ist, erzählt. So bekommt der Roman einen angenehmen und abwechslungsreichen Erzählstil.

Ich weiß nicht, warum so viele Leser diesen Roman eher negativ bewerten, ich kann es nicht nachvollziehen. Allerdings muss dazu gesagt werden, dass es sich hier nicht um einen Thriller handelt, sondern um einen spannenden Roman - und wer mit den richtigen Erwartungen an diese Geschichte heran geht, dem wird er auch gefallen.

Fazit:
Verwickeltes Verwirrspiel mit spannendem Finale

Veröffentlicht am 10.07.2017

Ernstes Thema - Roman zum Mitfühlen

Wo der Regenbogen anfängt ...
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Maeve ist erst Anfang zwanzig, doch sie trägt seit dem Tod ihrer Eltern die Verantwortung und die Sorge um ihre kleine 11 jährige Schwester Niamh, die seit ein paar Monaten im Krankenhaus liegt mit ALL ...

Maeve ist erst Anfang zwanzig, doch sie trägt seit dem Tod ihrer Eltern die Verantwortung und die Sorge um ihre kleine 11 jährige Schwester Niamh, die seit ein paar Monaten im Krankenhaus liegt mit ALL (akute lymphatische Leukämie). Bisher gibt es keinen Knochenmarkspender, Niamh bekommt wöchentlich Chemo, trotz aller schlechten Phasen ist sie dennoch ein fröhliches Mädchen.
Maeve organisiert eine kurze Auszeit - eine gemeinsame Reise von Deutschland über Rotterdam und London nach Irland, zu ihren Verwandten. Dort, in Dublin, soll Niamhs Behandlung dann fortgesetzt werden.

Das Buch ist eine Mischung aus Familienroman, Liebesroman und hat auch einen Hauch von Mysthik, hinzu kommt noch ein kleines Geheimnis, dass erst nach und nach aufgelöst wird.
Der Roman behandelt das Thema Leukämie und Knochenmarkspende, es geht am Rande auch um die Knochenmarkspendedatei und die Möglichkeiten der Registrierung. Am Ende gibt es dazu aber noch ein ausführliches Nachwort.

Julia Bohndorf hat einen abwechslungsreichen, lebhaften Schreibstil, der vor allem Gefühle und Emotionen gut ausdrücken kann. Gerade die liebevolle Beziehung zwischen den Geschwistern, die nicht nur durch das Leid geprägt ist, sondern auch Humor, wurde sehr gut beschrieben. Die Geschichte wird aus Sicht der älteren Maeve beschrieben, so dass man sich gut in sie hinein versetzen kann. Am Ende jeden Kapitels sind in Form von Tagebucheinträgen Niamhs Gefühle ausgedrückt. Sie rekapituliert darin ihre Sicht des Tagesablaufes. Das ergänzt das Kapitel, zeigt aber manchmal auch, dass Niamh manche Dinge anders sieht als ihre große Schwester.

Die Reise der Beiden ist so gut beschrieben, so dass man gerne diese Tour mit unternommen hätte. Nur manchmal fehlte mir bei all der Details doch etwas der Spannungsbogen.
Das Ende hat sich schon früh angedeutet und am Schluß ging es sehr schnell - das sind aber auch meine einzigen kleinen Kritikpunkte, denn ansonsten habe ich mich beim Lesen des Romans sehr wohl gefühlt, auch wenn es natürlich auch um eine ernstes Thema geht.
Aber die Autorin hat es geschafft, dass man mit den Personen mitfühlt und mithofft.

Fazit:
Lebendiger Erzählstil, warmherzige Protagonisten, ernstes Thema - ein Roman zum Mitfühlen

Veröffentlicht am 04.07.2017

Eine interessante Biografie

By a Lady
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Rebecca Ehrenwirth und Nina Lieke haben eine interessante und ausführliche Biografie über Jane Austen geschrieben. 2017 jährt sich der Todestag der berühmten englischen Autorin zum 200. Mal.

Im Buch erfährt ...

Rebecca Ehrenwirth und Nina Lieke haben eine interessante und ausführliche Biografie über Jane Austen geschrieben. 2017 jährt sich der Todestag der berühmten englischen Autorin zum 200. Mal.

Im Buch erfährt der Leser mehr über ihre Kindheit und Jugendjahre, über Geschwister und Eltern und die Lebensumstände der Familie Austen. Dann die Zeit, als Jane anfing Geschichten zu schreiben. Die Umzüge, die Gründe, warum es Pausen im Schreiben gab. Die ersten Versuche, die Geschichten drucken zu lassen. Und warum als Autor nur "By a Lady" angegeben wurde.
Dabei haben die Autorinen erhaltene Briefwechsel der Geschwister Jane und Cassandra Austen ausgewertet, sowie die biografischen Werke der Nachkommen der Familie.
Viele Zitate, Bilder, geschichtliche Daten ergänzen das Ganze.

Besonders hat mir gefallen, dass auf die einzelnen Werke Jane Austens besonders eingegangen wurde. So wurden die Romane Jane Austens chronologisch dargestellt und ihr Inhalt kurz angerissen und ausführlich gedeutet. Für alle Kenner der Romane ein Wiederaufleben, für alle, die sie noch nicht kennen, wird hier zwar etwas viel verraten, allerdings für mich tolerierbar, da es mir bei den Romanen von Jane Austen nicht um Spannung geht, sondern um die Art und Weise, wie sie sich ausgedrückt hat und hier verhelfen mir die inhaltlichen Angaben zum besseren Auswählen, welches Werk ich als nächstes lesen möchte.

Im vorliegenden Buch "By a Lady" gibt es noch viele ergänzende Angaben zu Adaptionen, Filmen und Nippes-Kult, sowie eine angehängte Zeittafel.

Wer sich näher mit Jane Austen beschäftigen möchte, dem kann ich diese Biografie empfehlen !

Veröffentlicht am 01.07.2017

Isländische Geschichte interesant, informativ und mal ganz anders erzählt

Die Sturlungen
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"Die Sturlungen" von Einar Kárason ist ein ungewöhnlicher und interessanter Roman.

Es geht um die isländische Geschichte Mitte des 13. Jahrhunderts, um die Zeit des einzigen Bürgerkrieges, den das Land ...

"Die Sturlungen" von Einar Kárason ist ein ungewöhnlicher und interessanter Roman.

Es geht um die isländische Geschichte Mitte des 13. Jahrhunderts, um die Zeit des einzigen Bürgerkrieges, den das Land bisher erlebt hat.

Der Autor, Einar Kárason hat sich 25 Jahre mit dem Original, der „Saga von den Sturlungen“ beschäftigt, das aus verschiedenen Büchern und Geschichten besteht. Geschrieben wurden sie im 13. Jahrhundert von einem Skalden (Geschichtenschreiber) aus Island, Sturla Thórdason (Skalden-Sturla), der auch selber in den Geschichten eine Rolle spielt. Kárason hat sich lange mit diesem schwer lesbaren, sehr ausführlichen Berichten und Aufzählungen, die aus einer sachlich beobachtenden Erzählebene heraus erzählt werden, befasst. Und daraus entstand dann dieser Roman.

Kárason hat diese Geschichten, die auch das Zeitgeschehen der damaligen Zeit in Island beschreiben, nacherzählt – aber ganz anders als die ursprüngliche Version. Er hat die Personen „zum Leben erweckt“, hat sie selber erzählen lassen. Und so kam dieser Roman zustande. Abwechselnd erzählen die Personen. Hauptfiguren und Nebenfiguren. In kurzen und mal längere Abschnitten. Jeder erzählt von den Ereignissen aus seiner ganz besonderen Sicht. Manchmal kommt man sich als Leser vor, als würden die erzählenden Personen auf einer Bühne stehen, vor einer Kamera. Sie erzählen dem Zuhörer/Leser. Man fühlt sich direkt angesprochen.


Es ist die Zeit des Bürgerkrieges, mit wechselnden Allianzen, Feind und Freund bleibt nicht immer derselbe. Es ist eine grausame Zeit, mit vielen Kämpfen und Toten. Zimperlich ist hier keiner. Durch die wechselnden Perspektiven ist die Schuldfrage nicht immer eindeutig, jeder der Akteure hat seine Gründe. Die Ereignisse wiederholen sich in dem Roman, werden immer wieder neu beleuchtet. An manchen Stellen ist es mir jedoch die eine oder andere Wiederholung zu viel, auch wenn der Autor immer neue Nuancen mit hinein bringt.

Allerdings muss dazu ergänzend gesagt werden, dass das vorliegende Buch gleich vier Bücher des Autors umfasst, die dieser in der Zeit zwischen 2001 und 2014 veröffentlicht hat. Bisher waren erst zwei Bücher ins Deutsche übertragen worden. Diese Ausgabe umfasst also erstmals alle vier Bücher und vorangestellt wurde extra für diese deutsche Ausgabe ein langes erklärendes Vorwort des Autors, das sehr gut seine Motivation und Herangehensweise erklärt und neugierig auf die Geschichte macht.



Das Buch ist mit 830 Seiten ein echter Wälzer, lest sich allerdings durch die schnell wechselnden Perspektiven gut lesen. Durch die Wiederholungen, die der Autor aber immer wieder von den verschiedensten Seiten beleuchtet, prägen sich die Ereignisse dem Leser sehr gut ein. Hinzu kommt – und hier passt auch ein Zitat aus dem Buch, dass zwar im anderen Zusammenhang steht, aber dennoch auch das Buch als Ganzes beschreiben könnte:

„….dass das, was er erzählte, die reine Wahrheit war und nicht bloß eine von vielen möglichen Sichtweisen auf ein Ereignis, das man auch ganz anders hätte darstellen können“.(Seite 804)



Kárason zeigt, dass die Menschen damals nicht viel anders waren, als wir heute. Andere Lebensbedingungen, aber auch sie schliefen, aßen, arbeiteten, liebten und hassten. Sie erzählten sich Geschichten, sie machten Geschichte. Der Autor zeigt, dass Ereignisse viele Facetten hat, nicht alles ist schwarz oder weiß. Der Erzählstil ist wie gesagt ungewöhnlich, es mutet so modern an, so theatralisch, man meint die Erzählenden säßen im Scheinwerferlicht á la „Big Brother“ oder „Dschungelcamp“. Solche Fernsehformate sind nicht mein Ding, aber nachdem ich mich an diese Art der Erzählung hier im Buch gewöhnt hatte, gefiel es mir aber auch. Denn es macht die Erzählenden menschlicher, greifbarer, interessanter. Gibt ihnen Konturen und Meinungen.Zu den wechselnden Erzählern kommt allerdings hinzu, dass es keinen linearen Erzählstrang gibt, immer wieder gibt es Sprünge nach vorne und zurück. Manchmal verwirrt das, man muss beim Lesen mitdenken und einordnen können. Je weiter man liest, desto besser kann man dann aber auch die Figuren und Ereignisse zuordnen. Und dann hat man ein sehr gutes Verständnis für die Akteure und vor allem die Geschehnisse.

Erst am Ende, im vierten Teil, wechselt der Autor. Lässt hier auch einen sachlichen Erzähler berichten. Aber auch hier fließen die persönlichen Teile immer wieder mit ein.


Fazit:

Das Buch hat mir einen Teil der isländischen Geschichte näher gebracht. Und zwar auf eine interessante, ungewöhnliche Art. Ausgeprägte Charaktere, Figuren, denen Leben eingehaucht wurde und spannende Ereignisse machen das Buch zu einer sehr interessanten Lektüre.