Intensiv, exzessiv, anders - aber auch mit einigen Längen
Sweetbitter"Wir nannten sie die "Geregelten". Sie arbeiteten täglich von neun bis siebzehn Uhr. Geregelte Arbeitszeiten. Sie lebten mit dem Einklang der Natur, wachten und schliefen mit der Sonne...Sie dinierten, ...
"Wir nannten sie die "Geregelten". Sie arbeiteten täglich von neun bis siebzehn Uhr. Geregelte Arbeitszeiten. Sie lebten mit dem Einklang der Natur, wachten und schliefen mit der Sonne...Sie dinierten, sie gingen einkaufen, sie konsumierten und entspannten sich. Sie breiteten sich aus, während wir arbeiteten, verblassten und Teil der Kulisse wurden, in der sie sich bewegten. Deshalb waren wir - die Gastro-Leute, so gierig, wenn die "Geregelten" ins Bett gingen". (Zitat S. 194/195)
Tess ist Mitte zwanzig, als sie vom ländlichen Heimatort nach New York entflieht um ihr Glück zu suchen. Sie kann einen Job als Hilfskellnerin in einem gehobenen und angesagtem altem Restaurant ergattern. Es geht um die Anfänge, ihre Lehrstunden über Essen, Wein und Gäste. Gerade am Anfang geht es darum, die Geschmackssinne zu schärfen. Aber es geht auch und gerade um das Leben der Angestellten, während und nach der Arbeitszeit. Ihre Beziehungen unter einander, das Arbeiten zu der Zeit, wenn andere Feierabend haben und ausgehen - der Zusammenhalt, aber auch die Intrigen, die Drogen, der schnelle Sex und die interne Hierarchie, die nach der Arbeit teilweise aufgelöst wird. Ein Beziehungsgeflecht. Vier Jahreszeiten lang berichtet die Protagonisten von ihren Anfängen, ihren Einstieg und Aufstieg, vom Ende. Von dem was sie lernt, was sie falsch versteht, was sie hofft, von ihren Enttäuschungen, von dem was hinter den Kulissen für die Gäste abläuft, von teilweise erschreckenden Zuständen und vor allem von den Exzessen nach der Arbeit.
Es ist für mich eine andere Welt. Eine, die mich teilweise abgestoßen hat, die für mich völlig fremd war. Dazu kommt, dass ich lange gebraucht habe um einigermaßen in diese Geschichte hinein zu kommen, erst nach gut einem Drittel kamen für mich auch fesselndere Abschnitte. In vier Abschnitten erzählt uns die Protagonistin von ihren Erfahrungen und Erlebnissen in New York. Anfangs sind es kurze Sequenzen, teilweise werden Geschmackssinne beschrieben, kurze Erlebnisse, es sind Gedankensplitter - nahtlos, willkürlich scheint es, aneinander gereiht. Es gibt anfangs keinen - wie mir scheint- richtigen Erzählstrang. Und das hat mir das Lesen sehr erschwert, weil ich keine Spannung, keinen Faden gefunden hatte.
Im mittleren Teil wird es besser - es kommt eine Art Handlung, eine kleine, intensive, kuriose Liebesgeschichte/Dreiecksgeschichte dazu. Interessant ist der Blickwinkel hinter die Kulissen eines Restaurants, die Empfindlichkeiten, die Welt der Nacht mit all seinen Schattenseiten.
Es ist auf die eine spezielle Art eine ganz andere Art der Erzählung, ich muss zugeben, die Autorin schafft es eine ganze Bandbreite an Gefühlen und Sinneserlebnissen in Worte zu fassen. Nicht alle gefallen, viele schrecken ab. Vielleicht ist das auch die Intension gewesen, wie das von mir anfangs angestellte Zitat beschreibt - die andere Seite, die dunkle Seite, die der "Gastro-Leute" darzustellen.
"Sweet" - manchmal - "bitter" - zu viel.
Von mir leider nur 2,5 Sterne - die ich leider nicht aufrunden kann auf 3.