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Veröffentlicht am 21.01.2024

Gesang der Amsel

Lichtungen
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Wann kommst du?, lautet der Satz, der Lev nach Zürich holt. Er wird seine Jugendfreundin Kato wiedertreffen. Schon als Kinder haben sie sich kennengelernt. Damals war Lev krank und Kato wurde an sein Krankenbett ...

Wann kommst du?, lautet der Satz, der Lev nach Zürich holt. Er wird seine Jugendfreundin Kato wiedertreffen. Schon als Kinder haben sie sich kennengelernt. Damals war Lev krank und Kato wurde an sein Krankenbett geschickt, um ihm die Aufgaben zu bringen. Gerade Kato, die von den anderen etwas schräg angesehen wurde. Doch Lev merkt schnell, Kato hat einen wachen Geist und für diese Außenseiterposition kann Lev keinen Grund finden. Aber das ist lange her. Inzwischen ist die Mauer gefallen und viele Rumänen haben sich die neue Freiheit genommen, den Westen zu erkunden, während Lev in heimatlichen Gefilden geblieben ist.

Ihre Wege führen in unterschiedliche Richtungen und möglicherweise doch irgendwann zusammen. Zumindest über die Postkarten sind sie in Verbindung geblieben. Und nun fährt Lev nach Zurüch. Wie Lichtungen ragen die Erinnerungen auf. Wie war es mit Kato? Wo war sei vor Zurüch? Und davor? Und wo war er? Wie hat sich ihre Freundschaft entwickelt? Hätte da mehr sein können? Kann da mehr sein? Hätten sie sich überhaupt kennengelernt, wenn seine Erkrankung nicht gewesen wäre? Und ihre schönen Bilder, viele davon vergänglich, weil auf die Straße gezaubert.

Erwachsenwerden im damals noch kommunistischen Rumänien. Ein Land mit einer wechselvollen Geschichte, welche sich auch in den Familienerzählungen niederschlägt. Veränderungen bringt die Wende auch in diesem etwas entlegenen Land. Lev und Kato werden als Kinder eher vom Zufall zusammengebracht. Und doch wächst eine zarte, aber unverbrüchliche Freundschaft. Aus ihren Erinnerungen und Gedanken speist sich dieser berührende Roman, der langsam zum Anfang führt. In teilweise poetischen Bildern beschreibt die Autorin die Erinnerungsinseln. Die Beschreibung als Lichtung erscheint sehr treffend. Der Gesang der Amseln, Katos ausdrucksvolle Bilder, ihre Neugier an der Welt. Dagegen Levs Heimatverbundenheit. Iris Wolf weiß wie sie ihre Leser und Leserinnen fesselt und Bilder vor ihren Augen erstehen lässt. Stimmig und schön anzuschauen ist auch das Titelbild.

Veröffentlicht am 20.01.2024

Keine ruhige Minute

Der grillende Killer
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Nur noch eine gute Woche hat Kommissar Wu in Taiwan bis zur Pensionierung. Genau weiß er nicht, was ihn erwarten wird. Er weiß auch nicht, ob er es überhaupt wissen will. Der neue Fall eines Selbstmords ...

Nur noch eine gute Woche hat Kommissar Wu in Taiwan bis zur Pensionierung. Genau weiß er nicht, was ihn erwarten wird. Er weiß auch nicht, ob er es überhaupt wissen will. Der neue Fall eines Selbstmords eines Militärs kommt ihm nicht ganz unrecht. Die Frau des Toten will nicht glauben, dass ihr Mann sich umgebracht hat, und sie bittet Wu um eine eingehende Untersuchung. Viel Zeit bleibt dafür nicht. Am anderen Ende der Welt, in Rom, geschieht ein weiterer Mord. Hier allerdings ist offensichtlich, dass es nur die Tat eines Killers sein kann, denn der, Alex, freut sich über den gelungenen Job.

Weniger freut sich Alex bei seinem ersten Auftritt, dass plötzlich er es ist, der gejagt wird. Einen Anschlag übersteht er noch recht gut. Bei einem zweiten Vorfall wird er jedoch richtig misstrauisch. Dass er in Rom gefunden wird, wo er zwangsläufig Spuren hinterließ, nun gut, kann passieren. Aber danach hatte er seine Spuren gründlich verwischt, oder? Trotzdem ist er wieder aufgeflogen und es heißt er oder der andere. Kommissar Wu nutzt seine letzten Tage im Amt, um die Hintergründe des vermeintlichen Selbstmords aufzuklären. Dabei stößt er auf erstaunliche Spuren.

Dieses Hörbuch wird so vorgetragen, dass man den Geschehnissen gefesselt lauscht. Ein Thriller eines asiatischen Autors ist hier noch nicht so häufig anzutreffen. Und so nutzt man die Gelegenheiten, die sich bieten, um die Erfahrungen mit dem Genre zu erweitern. Eine kleine Schwierigkeit bei einem Hörbuchdownload bildet regelmäßig und hier noch mehr die Sache mit den Namen und deren Schreibweise. Da fragt man sich, ob nicht die Möglichkeit besteht, ein Booklet auch beim Download mitzuschicken. Die rasante Handlung in diesem Roman, die Stimmung des Killers auf der Flucht und die des Kommissars, der seinen Beruf eigentlich nicht missen möchte, wird vom Sprecher sehr gut rübergebracht. Hier macht das Hören Spaß.

Veröffentlicht am 19.01.2024

Kopflos

Mord zu fünft
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Etwas kopflos hängt eine Leiche in einem Baum. Die Nachricht ereilt Kommissar Brahms unerwartet. Ob er will oder nicht, muss er sich an die Lösung des Falles machen. Seine letzten Arbeitsjahre verbringt ...

Etwas kopflos hängt eine Leiche in einem Baum. Die Nachricht ereilt Kommissar Brahms unerwartet. Ob er will oder nicht, muss er sich an die Lösung des Falles machen. Seine letzten Arbeitsjahre verbringt er mit seinem kleinen Team in der Abteilung für Abseitiges, Böses und Skurriles, auch Abstellgleis genannt. Gut, wenn die Obrigkeit einen unterschätzt. Dann ermittelt es sich in Ruhe. Dieser Mord ist doch sehr seltsam. Warum sollte ein Mensch erst ertrinken und ihm dann der Kopf abgetrennt worden sein. Als bald ein zweiter Mordfall folgt, wird klar, die Sache ist größer. Brahms und die Kriminalrätin gehen energisch ans Werk.

Dieses Kriminalhörspiel mit einer knappen Stunde Spieldauer versammelt einige verschrobene Ermittler. Kommissar Brahms, der noch ein paar Jahr bis zur Rente hat. Der Kollege, der schon alles gemacht hat, von der Küche bis zur Rechtsmedizin. Die Kriminalrätin und der, der auch den Telefondienst macht. Keine Probleme hat Brahms mit den zwanzig Stunden, die er bei der Psychologin verbringen musste. Da ermittelt er umso entspannter. Seltsam sind die Todesfälle und ein Motiv ist schwer zu finden.

Als „Bestes Hörspiel“ ist diese Produktion für den Deutschen Hörbuchpreis 2024 nominiert. Das hat wohl seinen guten Grund. Allein schon die illustre Runde von Sprechern kann sich sehen und hören lassen. Zu Beginn fängt man an zu raten, welcher Schauspieler wohl welche Rolle übernimmt. Da liegt man manchmal durchaus richtig, wofür man am Ende eine Bestätigung erhält. Die Zeichnung der skurrilen Charaktere wirkt liebevoll und gelungen und die Sprecher scheinen Spaß an der Arbeit zu haben. Mit der Auflösung hat man vielleicht ein wenig sein Tun, weil man hier schon die Bedeutung des Begriffs abseitig erfährt. Doch wie gewitzt die Ermittler an des Rätsels Lösung herangehen, macht einfach Spaß.

Sehr gelungen wie in dieser relativ kurzen Spielzeit ein packender Krimi verpackt wird, der noch mit den passenden Geräuschen untermalt wird. Bei der Musik können sich die Geister scheiden, da sind die Geschmäcker eben unterschiedlich. Nachdem es einen rechtschaffen geschaudert hat, ist man jedoch froh, über die zwar schräge aber sehr stimmige Auflösung. Und das Aussagekräftige Cover gibt einen kleinen Vorgeschmack auf diese bizarre, aber sympathische Ermittlertruppe.

Veröffentlicht am 18.01.2024

Totengesang

Paris Requiem
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Im besetzten Paris des Jahres 1940 wird Inspecteur Eddie Giral zu einem Mordfall gerufen. In einer geschlossenen Bar wurde ein kleiner Gauner, der eigentlich im Gefängnis sitzen sollte, grausam umgebracht. ...

Im besetzten Paris des Jahres 1940 wird Inspecteur Eddie Giral zu einem Mordfall gerufen. In einer geschlossenen Bar wurde ein kleiner Gauner, der eigentlich im Gefängnis sitzen sollte, grausam umgebracht. Motiv und Täter sind völlig ungewiss. Giral versucht zunächst zu klären, wieso der Tote überhaupt auf freiem Fu8 war. In der Haftanstalt erfährt er, dass eine ganze Reihe von Verbrechern freigelassen wurden. Allerdings nicht von offizieller Seite. Das ist doch höchst mysteriös. Zumal niemand aus den eigenen Behörden Informationen weitergeben will. Die Ermittlungen gestalten sich nicht nur aus diesem Grund schwierig. Auch über den Toten will niemand reden.

In seinem zweiten Fall muss Inspecteur Eddie Giral seine Nachforschungen weiterhin unter der Beobachtung diverser Überwachungsdienste der Nazi-Besatzer durchführen. Das fühlt sich für ihn wie der Weg durch ein Minenfeld an, schließlich darf er keinem auf die Füße treten und soll gleichzeitig seinem Chef von Ermittlungsergebnissen berichten. Auch seinen Sohn, dem er eine sichere Flucht ermöglichen möchte, hat Giral immer in seinen Gedanken. Da treten die kleinen Schwierigkeiten mit seinem Kollegen Boniface, der manchmal etwas leutselig daherkommt, doch eher in den Hintergrund. Rätselhaft ist natürlich dieser Todesfall und die Umstände. Die Mauer des Schweigens lässt sich nur schwer durchbrechen.

Sehr eindrücklich schildert der Autor das widersinnige und umabschätzbare Vorgehen der Besatzer. Sie lassen die Pariser Polizisten arbeiten, weil sie sie für die Erledigung von Kleinigkeiten brauchen. Gleichzeitig bespitzeln sie alles, um bei Bedarf mit Strafen zu drohen. Welche Zwickmühle für Giral, der seinen Sohn und einige alte Freunde, denen er wieder begegnete, schützen will. Der Kriminalfall tritt dabei ein wenig in den Hintergrund, was die Lektüre aber nicht beeinträchtigt. Will man unter einer derartigen kriegerischen Besatzung leben? Eine beklemmende und bedrückende Vorstellung. Eine Lage, die man einfach nicht einschätzen kann, die unwägbare Gefahren für Leib und Leben mit sich bringt, so ein Leben wünscht man sich nicht. Zur richtigen Einschätzung der erzählten Geschichte dienen auch einige Anmerkungen des Autors, die das Verhalten der Nazi-Besatzer in einem klaren Licht darstellen. Dieser Kriminalroman besticht mit seiner historischen Genauigkeit und den eindringlichen Schilderungen, wobei das Cover die düstere Stimmung während der Tages des zweiten Weltkriegs sehr deutlich wird.

Veröffentlicht am 14.01.2024

Cabramatta

All die ungesagten Dinge
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Die junge Ky Tran arbeitet nach ihrem Studium in Melbourne. Ende der 1990er hat sie gerade als Journalistin angefangen. Nach Cabramatta, einen Vorort von Sydney, will sie eigentlich nicht mehr. Dort hat ...

Die junge Ky Tran arbeitet nach ihrem Studium in Melbourne. Ende der 1990er hat sie gerade als Journalistin angefangen. Nach Cabramatta, einen Vorort von Sydney, will sie eigentlich nicht mehr. Dort hat sie immer mit ihren Eltern und ihrem kleinen Bruder Denny gelebt. Als vietnamesische Einwanderer leben sie eher zurückgezogen. Doch die Eltern wollen unbedingt das Beste für ihre Kinder. Sie sollen in der Schule zu den Besten gehören und auch später im Beruf. Doch nun haben die Eltern versucht, Ky zu erreichen. Denny ist tot. Nach der Schulabschlussfeier sind er und ein paar Mitschüler essen gegangen. Nur er wurde zu Tode geprügelt.

Nicht einfach ist es für die vietnamesischen Einwanderer in Australien. Niemand hat auf sie gewartet. Und sie haben sich in Cabramatta gesammelt, wo so viele von ihnen leben, dass sie nicht unbedingt Englisch lernen müssen. Die Kinder empfinden es als etwas nervig, wenn sie für ihre Eltern übersetzen müssen. Obwohl sie die Sprache meist gut beherrschen, müssen damit leben, dass sie nicht richtig dazu gehören. Ky ist als Streberin verschrieen und ihre beste und einzige Freundin, die Rebellin, bricht die Schule ab. Denny war immer der gute Junge, der beste Schüler. Nun ist er tot.

Wie muss es sein für Einwanderer und Flüchtlinge? Wahrscheinlich müssen wenige lange in ihrer Umgebung suchen, um Menschen zu finden, die davon erzählen können. Dieses Gefühl des nicht gewollt seins, diese Wurzellosigkeit. Und die nächsten Generationen, die sich einfügen wollen, die den Druck haben, die sich auf eine Art einleben, aber doch nicht so richtig. Und dann passiert in einer Familie so eine Tragödie und keiner kann oder will sagen warum. Ky macht sich auf die Suche nach der Wahrheit. Doch sie und andere Beteiligte reflektieren darüber, wie es überhaupt dazu kommen konnte. In Teilen liest es fast wie ein Kriminalroman. Wichtiger sind jedoch die Gedanken und Gefühle der verschlossenen Elterngeneration und die der Kindergeneration, die den Druck aushalten muss, sich auflehnt oder fügt. Eine packende Familiengeschichte, die viel Verständnis weckt.