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Veröffentlicht am 01.11.2022

Hoffnungsreise

Die Geschichte des Wassers
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Im Jahr 2017 macht sich die ungefähr 70jährige Signe mit dem Segelboot auf den Weg nach Süden. Signe ist eine Warnerin und Umweltaktivistin, die nach Jahren der Aktionen fühlt, dass sie kaum gehört wird. ...

Im Jahr 2017 macht sich die ungefähr 70jährige Signe mit dem Segelboot auf den Weg nach Süden. Signe ist eine Warnerin und Umweltaktivistin, die nach Jahren der Aktionen fühlt, dass sie kaum gehört wird. Und nun will sie den Mann wieder treffen, der der Mann ihres Lebens war und der doch so unterschiedlich dachte, dass sie nicht zusammenbleiben konnten. Im Jahr 2041 herrscht in Frankreich eine unbarmherzige Dürre. Mit knapper Not hat David mit seiner kleinen Tochter Lou ein Lager weiter nördlich erreicht. Dort wollen sie auf seine Frau Anna und seinen Sohn August warten. Die Familie wurde auf der Flucht getrennt.

Mit diesem zweiten Band ihres Klimaquartetts widmet sich die Autorin dem Wasser, genauer dem Süßwasser. Die Klimaaktivistin Signe versucht den Raubbau an dem kostbaren Gut zu verhindern. Sie will die Seen und Flüsse Norwegens in ihrem natürlichen Verlauf erhalten. Doch gegen die kommerziellen Ziele der Besitzenden kommt sie nicht an. Ungefähr 25 Jahre später herrscht in Frankreich eine große Dürre. David, der lange in einer Firma zur Wasserentsalzung gearbeitet hat, muss nach katastrophalen Bränden aus seiner Heimatstadt fliehen. Dort hatte er alles, eine Frau, zwei Kinder, Eltern, Freunde und eine Arbeit. Und nun hat er wenigstens seine Tochter und ein Feldbett in einer Flüchtlingsunterkunft.

Während die Geschichte der Bienen (Band 1 der Reihe) die Erzählungen der Protagonisten auf spannende Weise verknüpft, kommt dieses Element hier lediglich am Rande vor. Dennoch fesselt die Handlung, denn auf beiden Erzählebenen verfolgt man mit Neugier, ob die handelnden Personen ihr Ziel erreichen. Wird Signe mit ihren Aktionen etwas ändern können, wird sie ihre Norwegischen Mitbürger überzeugen können, dass Gewinnstreben nicht alles ist, dass es sich lohnt, die Natur für künftige Generationen zu erhalten. Und wird David es schaffen, seine Tochter in den Norden zu bringen, wo es noch Süßwasser und Regen gibt. Ob der Raubbau an den Quellen des Wassers in Norwegen etwas mit der Dürre im Süden zu tun haben kann, bleibt unklar. Vielleicht wäre es auch interessant gewesen, inwieweit die Autorin die Handlung ihres Romans in der Realität verankert hat. Dies kam im ersten Band des Klimaquartetts besser zutage. Dennoch liest sich der vorliegende Roman sehr flüssig und spannend.

Veröffentlicht am 31.10.2022

Die Schweiz der Zukunft

Der Wille des Volkes
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Mit um die Siebzig hat der pensionierte Journalist Kurt Weilemann nicht mehr viel zu tun. Hin und wieder darf es ein Nachruf sein 1200 Zeichen, für mehr ist kein Platz. Da meldet sich sein alter Kumpel ...

Mit um die Siebzig hat der pensionierte Journalist Kurt Weilemann nicht mehr viel zu tun. Hin und wieder darf es ein Nachruf sein 1200 Zeichen, für mehr ist kein Platz. Da meldet sich sein alter Kumpel Felix Derendinger und sie verabreden ein Treffen. Von Angesicht zu Angesicht wirkt Derendinger sehr ängstlich, fahrig und nervös. Er sei einer großen Sache auf der Spur. Nur kurze Zeit später ist Derendinger tot. So wie beschrieben kann er nicht gestorben sein, sollte er ermordet worden sein? Ist Weilemann etwa auch in Gefahr? Weilemann will wissen, was geschehen ist.

Eigentlich ist man mit siebzig nicht alt und so will es Weilemann nochmal wissen. Schließlich hat er vor Jahren mal einen Fall aufgeklärt, der schon auf andere Weise gelöst schien. Vielleicht kann so ein Clou nochmal gelingen. Nach der Beerdigung lernt Weilemann die junge Eliza kennen, die eine Freundin von Derendinger war. Gemeinsam gedenken sie des Toten und sie bestärkt Weilemann darin, den Tod des Freundes genauer zu untersuchen. Doch wo anfangen, schließlich hatten sich die Männer ewig nicht gesehen. Zum Glück kann Eliza mit dem Wohnungsschlüssel Derendingers aushelfen. Da ist dann sogar die knarrende Hüfte des Kurt Weilemann, genannt kw, egal.

Kurt Weilemann wirkt mit seinen siebzig Jahren irgendwie tatteriger als es nötig wäre. Seine Abschweifungen, die schmerzende Hüfte, seine Teilnahmslosigkeit, da kennt man andere in dem Alter, die dem Leben mehr zugewandt sind. Und doch ist Weilemann gewieft und er ist in der Lage, den verschlüsselten Hinweisen Derendingers zu folgen. In einer Schweiz, von der man hofft, dass sie so nie existieren wird, sucht er nach dem mutmaßlichen Mörder seines Kumpels. Dass er dabei den Fängen der Täter immer näher kommt, lässt einen erschauern. Auch wenn der Roman nicht richtig zündet, weil Weilemann zwar schlau, aber gleichzeitig auch dem Schicksal ergeben wirkt, will man doch wissen, was hinter allem steckt. Mal wieder wird klar, dass die Menschen sich ihr Grab mit Freude selbst graben.

Veröffentlicht am 30.10.2022

Western Avenue

Diese Frauen
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Dorians Tochter wurde vor vielen Jahren umgebracht. Und sie gehörte nicht zu diesen Frauen, von denen etliche getötet wurden. Dorian versucht den Frauen zu helfen, sie dürfen sich in ihrem Lokal aufhalten. ...

Dorians Tochter wurde vor vielen Jahren umgebracht. Und sie gehörte nicht zu diesen Frauen, von denen etliche getötet wurden. Dorian versucht den Frauen zu helfen, sie dürfen sich in ihrem Lokal aufhalten. Nicht alle in der Nachbarschaft finden das gut. Vor allem nicht als erneut zwei dieser Frauen umkommen. Und die Polizei? Die Polizei möchte keinen Serienmordfall. Die Behörden sehen keinen Zusammenhang. Bis auf eine Polizistin, sie hat schon während der ersten Serie an den Fällen gearbeitet und als sie vom Mord an die Sitte versetzt wurde, hatte sie wieder mit diesen Frauen zu tun.

Aus der Sicht von fünf Frauen entwickelt sich das Geschehen. Schon in den 1990ern werden in Los Angeles mehrere Prostituierte umgebracht und nun in 2014 gibt es wieder Fälle. Und Dorian kann die Frauen nicht retten. Sie muss immer an ihre Tochter denken, die ihr Leben noch vor sich hatte. Besonders eine erinnert sie an ihre Tochter, Dorian warnt sie immer wieder, doch Julianna ist jung und glaubt, sie sei unverletzbar. Bis sie ermordet am Straßenrand gefunden wird. Und nur die abgehalfterte Polizistin Esmeralda Perry interessiert sich für die toten Frauen. Sie allein sieht die Ähnlichkeiten, sie vermutet eine Serie.

Gerade zu Beginn muss man sich in diesem Roman etwas zurechtfinden, weil es sich nicht einfach um einen Thriller handelt, bei dem auf eine Tat die Aufklärung folgt. Hier kommen die Frauen zu Wort, die nicht gehört werden, die zu Opfern werden, die gezeichnet sind. Erst nach und nach gewinnen die Ermittlungen von Esmeralda Perry an Gewicht, ob wohl auch ihr kaum jemand zuhört. Ein eigenwilliger Roman, der langsam immer intensiver wird. Warum bekommen die Frauen kein Gehör, warum müssen noch mehrere von ihnen sterben. Warum werden sie nicht geschützt? Wenn sich ein Zusammenhang herauskristallisiert, gewinnt dieser Roman an echter Tiefe und wächst sich tatsächlich zu einem packenden Thriller aus.

Veröffentlicht am 29.10.2022

Der Glückliche

Felix Blom. Der Häftling aus Moabit
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Felix heißt der Glückliche. Ein wenig glücklich fühlt sich Felix Blom auch als er im Jahr 1878 nach drei Jahren aus dem Gefängnis entlassen wird. Allerdings muss er bald feststellen, dass ihm das Schicksal ...

Felix heißt der Glückliche. Ein wenig glücklich fühlt sich Felix Blom auch als er im Jahr 1878 nach drei Jahren aus dem Gefängnis entlassen wird. Allerdings muss er bald feststellen, dass ihm das Schicksal in Form der Berliner Polizei doch einige Steine in den Weg legt. So soll er innerhalb von wenigen Tagen einen Wohnsitz und eine Anstellung nachweisen. Hier ist ihm das Glück hold, denn sein alter Mentor verhilft ihm zu einer Wohnung in seinem alten Viertel. Dort er hält er einen geheimnisvollen Brief, mit dem ihm angekündigt wird, er sei in wenigen Tagen tot.

Felix Blom hat schon einiges auf dem Kerbholz, doch ausgerechnet den Einbruch, für den er gesessen hat, hat er nicht begangen. Doch wie soll er sich rehabilitieren? Einem Einbrecher, Dieb und Trickbetrüger glaubt doch keiner. Felix muss selbst herausfinden, was passiert ist und auch was es mit der eigenartigen Karte auf sich hat. Unerwartete Hilfe bekommt er von Mathilde Voss, die eine Detektei eröffnet hat und zu ihrem Leidwesen feststellen muss, dass sie als Frau in dieser Position nicht für voll genommen wird. Und so geht sie mit Felix eine Zweckpartnerschaft ein. Die Polizei ermittelt inzwischen in einem Tötungsdelikt, bei dem der Verstorbene einen Brief erhalten hat, in dem ihm angekündigt wird, er sei in dreißig Stunden tot.

Die bekannte Autorin Alex Beer hat mit Felix Blom einen neuen Ermittler erschaffen, der sehr gut in die Reihe ihrer weiteren Protagonisten August Emmerich und Isaak Rubinstein passt. Bei Felix Blom handelt es sich um einen sympathischen Hallodri, der es zunächst durch seine Gaunereien zu was gebracht hatte, dann doch ins Gefängnis musste und es nun mit ehrlicher Arbeit versuchen will. Dass er so zum Ermittler würde, hätte er wohl selbst nicht erwartet. Seine Erfahrung und sein Können kommen ihm dabei zupass. Und seine neue Bekanntschaft mit Mathilde Voss erweist sich als Glücksfall. Wird es Beiden gelingen, den Fall zu lösen und Bloms Leben zu retten? Vor dem Hintergrund des ausgehenden 19. Jahrhunderts hat man eine spannende und interessante Lektüre. Es ist klasse gemacht, wie man verfolgen kann, was sich aus einer kleinen, aber geheimnisvollen Zeitungsnotiz entwickelt. Man darf gespannt sein, wie sich die Detektei Voss mit ihrem Angestellten Felix Blom weiter entwickelt.

Veröffentlicht am 28.10.2022

Der unverliebte Toni

Die Mauersegler
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In mittleren Jahren hat es Toni immerhin zum Philosophielehrer gebracht, zu einer geschiedenen Ehe und einem Sohn, der bei der Verteilung der Intelligenz nicht zugelangt hat. Am liebsten ist ihm wohl noch ...

In mittleren Jahren hat es Toni immerhin zum Philosophielehrer gebracht, zu einer geschiedenen Ehe und einem Sohn, der bei der Verteilung der Intelligenz nicht zugelangt hat. Am liebsten ist ihm wohl noch sein Hund Pepa. Eines Tages beschließt Toni, es reicht, in genau einem Jahr wird er sich das Leben nehmen. Und bis dahin wird er jeden Tag aufzeichnen. An was er sich erinnert, was ihm wichtig erscheint oder auch nur die alltäglichen kleinen Dinge. Und neben seiner niedergedrückten Stimmung freut er sich über die Dinge, die er nie wieder tun muss.

Über 800 Seiten, jeden Tag, jeden Monat lässt Toni den Leser oder die Leserin an seinem Leben teilhaben, dass sich nun dem Ende entgegen neigen soll. Sein Elternhaus war oft nicht leicht zu ertragen. Seine Ehe mit Amalia auf Wolke sieben gestartet hat doch eine harte Landung hingelegt. Und auch sein Sohn, auf dem alle Hoffnungen lagen, ist nur normal. Seinen besten und einzigen Freund, der bei einem Anschlag einen Fuß verloren hat, nennt er insgeheim Humpel. Und so beginnt Tonis letztes Jahr mit Gemecker und Genörgel. Kann es etwas geben, was seinen Entschluss ändert? Etwa Pepas treue Augen, der er eigentlich nicht im Stich lassen kann.

Der Ansatz dieses Romans weckt großes Interesse. Wie denkt jemand, der sich umbringen will, wie geht er sein letztes Jahr an, was sind die Gedanken und Erinnerungen, die Toni gerne hinterlassen möchte, ändert sich etwas im Laufe des Jahres. Leider stellt sich heraus, dass Toni ein eigenbrötlerischer Charakter ist, der den Eindruck erweckt, dass er den Misserfolgen viel zu lange hinterher hängt. Seinen einzigen Freund belegt er mit einem blöden Spitznamen und hat dann noch nicht mal den Mut, das offen auszusprechen. Wer will Toni retten? Man kommt bei der Lektüre des Buches, das den Weg auf die Wunschliste gefunden hat, weil man es mögen wollte, an den Punkt, an dem man sich fragt, ob man weiterlesen möchte. Wenn man sich befreit vom Wunsch des mögen wollens, kommt man mit der Lektüre gut voran, weil der Autor sehr gut mit Sprache umzugehen weiß. Wenn dieser Roman inhaltlich enttäuscht, kann das ja auch an der Person liegen, die vor den Zeilen sitzt. Der Autor jedenfalls hat eine tolle Idee verarbeitet.