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Veröffentlicht am 05.12.2021

Geerbte Familie

Die Enkelin
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Birgit ist tot. Nach langen Ehejahren merkt ihr Mann, dass der Charakter seiner Frau facettenreicher war als geahnt. Nicht nur hat sie ihre Gedanken niedergeschrieben, Gedanken, die durchaus einer Veröffentlichung ...

Birgit ist tot. Nach langen Ehejahren merkt ihr Mann, dass der Charakter seiner Frau facettenreicher war als geahnt. Nicht nur hat sie ihre Gedanken niedergeschrieben, Gedanken, die durchaus einer Veröffentlichung wert gewesen wären, sie hatte auch eine Tochter, die sie vor Kaspar geheim gehalten hat. Kaspar und Birgit lernten sich in der DDR kennen, er aus dem Westen, sie aus dem Osten. Und sie wollte leben und frei sein, deshalb ist sie ohne das Kind in den Westen gegangen. Vor ihrem Tod hatte Birgit begonnen, nach ihrer Tochter zu suchen. Kaspar sieht es als Vermächtnis und beginnt ebenfalls mit der Suche.

Wer ist die unbekannte Tochter? Die Familie ist auch nach der Wende im Osten geblieben. Kaspar findet nicht nur seine Stieftochter, auch eine Enkelin kann er kennenlernen. Er möchte sich auf seine neue Familie einlassen, sich aber nicht aufdrängen. Schnell muss Kaspar feststellen, dass die sich am politisch rechten Rand tummelnde neue Familie keinesfalls auf ihn gewartet hat. Soll er den Kontakt aufgeben oder soll er besonders seiner Enkelin von der Welt erzählen, die sie so augenscheinlich ablehnt. Und immer noch erscheint seine verstorbene Frau in einem anderen Licht.

In seinem neuen Roman über die Entdeckung einer dem Stiefvater unbekannten Tochter und Enkelin, wendet sich der Autor einem Thema zu, dass wohl zu wenig Aufmerksamkeit erhält. Wie soll man Menschen in seinem Umfeld begegnen, die sich in eine Parallelwelt zurückgezogen haben. Eine Frage, die sich nicht nur Kaspar stellt, eine Frage, die man sich auch selbst stellt. Es gibt Momente, da möchte man einfach die Tür zuschlagen. Es gibt aber auch Moment, in denen man es weiter versuchen möchte, Möglichkeiten aufzuzeigen. Welchen Umgang wird Kaspar schließlich wählen und hat er überhaupt eine Wahl? Um eine Wahl zu haben, muss sich ja auch die neue Verwandtschaft bewegen, was ihr nicht leicht fallen dürfte. Wird wenigstens die Enkelin ihren eigenen Weg finden? Dieser unaufgeregte Roman zeugt davon, dass sich der Autor eingehend mit dem Thema beschäftigt hat, dass er zwar keine leichten Lösungen anbieten kann, aber sehr zum Nachdenken anregt.

Veröffentlicht am 04.12.2021

Lebenswille

Elbstürme
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Nachdem sie sich hat überreden lassen, Henry zu heiraten und mit ihm und ihrer neugeborenen Tochter nach England zu gehen, lebt Lily zwar nicht in glücklicher Ehe, aber doch mit gewissen Freiheiten. Als ...

Nachdem sie sich hat überreden lassen, Henry zu heiraten und mit ihm und ihrer neugeborenen Tochter nach England zu gehen, lebt Lily zwar nicht in glücklicher Ehe, aber doch mit gewissen Freiheiten. Als nach ungefähr drei Jahren erfährt, dass ihr Vater erkrankt ist, eilen sie und Henry zurück nach Hamburg. Dort muss Lily sich wieder in die alte Enge einfügen, womit sie eigentlich nicht gerechnet hatte. Aber Henry und die Familie verlangen nachdrücklich, dass sie sich an die Konventionen hält. Doch Lily kann nicht anders, sie muss ihre alten Freundinnen wiedersehen und vielleicht auch Jo, ihre große Liebe.

In diesem Nachfolgeband zu dem historischen Roman „Elbleuchten“ darf man erfahren, wie es mit Lily und Jo Ende des 19. Jahrhunderts weitergeht. Die Tochter aus gutem Haus und der Arbeiter, kann diese Liebe eine Zukunft haben? Aus ihrer Ehe, in der keine Liebe herrscht, möchte Lily am liebsten ausbrechen. Ihre größte Angst ist allerdings, dass Henry ihr Hannah wegnehmen könnte. Und auch ihre Eltern scheinen eher zu Henry zu stehen. Ihr Bruder Franz hat wohl seine eigenen Probleme. Seine ebenfalls unglückliche Ehe macht ihn nicht umgänglicher, ihm Gegenteil, er lässt seine schlechte Laune an der Familie aus. Und Lilys beste Freundin Emma, die Medizin studiert hat, müht sich, den Schein zu wahren und der Obrigkeit vorzugaukeln, dass sie eine bloße Krankenschwester ist.

Mit Lilys Leben geht es genauso dramatisch weiter wie im ersten Band. Es scheint sich wirklich alles gegen sie und die Menschen, die ihr wichtig sind, zu wenden. Auch wenn sie schließlich eine Art Frieden findet, wird ihr doch etwas arg viel zugemutet. Das macht die Lektüre bzw. das Hören dieses Romans etwas schwierig. Es fehlen einfach die hellen Momente, die Hoffnung, die Besserung wenigstens in einigen Bereichen. Es scheinen beinahe alle Männer der sogenannten feinen Gesellschaft keine menschliche Bildung zu haben, während die einfachen Leute menschlicher agieren, aber dafür meist jede Menge Pech haben. Es fehlt ein gewisser Ausgleich. Spannend ist dagegen die dramatische Handlung und beeindruckend mit welcher Kraft Lily ihren Weg geht und nie aufgibt. Sehr stimmungsvoll vorgetragen wird dieses Hörbuch wie auch beim ersten Band von Tanja Fornaro.

Veröffentlicht am 02.12.2021

Vinnie, Schatz

The Stranger Times
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Hannah Willis steht an einem Wendepunkt in ihrem Leben. Sie hat herausgefunden, das ihr Mann sie betrogen hat und versehentlich das Haus angezündet. Nun sucht sie Arbeit und ein Vorstellungsgespräch läuft ...

Hannah Willis steht an einem Wendepunkt in ihrem Leben. Sie hat herausgefunden, das ihr Mann sie betrogen hat und versehentlich das Haus angezündet. Nun sucht sie Arbeit und ein Vorstellungsgespräch läuft schlecht. Eine zweite Chance hat sie noch, bei einer Zeitung, die ihren Sitz in einer ehemaligen Kirche hat. Hannah bekommt den Job als stellvertretende Chefredakteurin. Eine Sache, von der sie keine Ahnung hat. Und die Zeitung „The Stranger Times“ ist auch irgendwie außergewöhnlich. In ihr werden alle Seltsamkeiten berichtet, die sich in der Gegend von Manchester so zutragen. Trotz ihres cholerischen Chefs und der eigenartigen Arbeitsbedingungen fühlt sich Hannah schnell wohl in ihrem neuen Umfeld.

Dieser magisch angehauchte Kriminalroman ist der Start einer neuen Reihe um die Zeitung „The Stranger Times“, in der wöchentlich alles Unerklärliche erklärt wird. Chefredakteur Vincent Banecroft war früher an der Fleet Street. Doch nach einem tragischen Ereignis schwenkt er lieber die Whiskeyflasche statt eines Stiftes, dennoch schafft er es die wöchentlichen Zeitungsausgaben zusammenzustellen. Helfen soll ihm die Stellvertreterin. Genau genommen muss einen nicht unerheblichen Teil der Arbeit abnehmen. Als Hannah das Zeitungsgebäude betritt, ahnt sie das natürlich nicht. Schon nach dem ersten chaotischen Tag fühlt sie sich dem Team zugehörig. Und das Team muss den Job ordentlich machen.

Gerade zu Beginn sprüht dieser Roman vor Witz und Humor. So manches Mal grinst man beim Lesen und denkt irgendwie, so ein schrullig chaotischer Job ist schon cool. Wegen der unheimlichen Ereignisse, die um die Stranger Times passieren, verliert sich dies im Verlauf beinahe zwangsläufig ein wenig. Dafür gewinnt die Handlung an Suspense und man fragt sich, wie sich das Knäuel an Hinweisen nur auflösen soll. Dabei sind die ungewöhnlichen Zeitungsmacher durchweg sympathisch, mitunter lustig und doch von einiger Tiefe. Und der Autor beglückt die Leser dieses ersten Bandes mit einem wirklich fiesen Cliffhanger, so dass man am liebsten gleich weiter schmökern möchte.

Veröffentlicht am 27.11.2021

Die Eine

Das Therapiezimmer
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Der Psychotherapeut Sam Statler ist seit kurzem glücklich verheiratet. Seine Frau Annie ist mit ihm in seinen Heimatort gezogen. Sams neue Therapiepraxis beginnt gut zu laufen. Es könnte kaum besser laufen, ...

Der Psychotherapeut Sam Statler ist seit kurzem glücklich verheiratet. Seine Frau Annie ist mit ihm in seinen Heimatort gezogen. Sams neue Therapiepraxis beginnt gut zu laufen. Es könnte kaum besser laufen, einzig, dass Sams Mutter im Pflegeheim untergebracht werden musste, trübt das Glück. Sam und Annie feiern ihre Ehe jede Woche mit einem besonderen Treffen. Doch eines stürmischen Abends verschwindet Sam. Annie ist verzweifelt. Sie will ihn sofort als vermisst melden, was sich bei einem Erwachsenen als nicht so einfach herausstellt. Die Lage wird nicht besser als Annie herausfindet, dass Sam ihr nicht immer die Wahrheit gesagt hat.

Sam und Annie scheinen eine fast ideale Ehe zu führen, sie machen es sich schön. Annie besucht Sams Mutter regelmäßig und als Therapeut erlangt Sam Beliebtheit vor allem bei den weiblichen Klientinnen. Erst nach Sams Verschwinden stellt sich heraus, dass es doch ein paar Risse in der schönen Fassade gibt. Annie will nicht an Sams zweifeln, ins Grübeln kommt sie allerdings schon. Sie kannten sich erst einige Monate bevor sie geheiratet haben. War das vielleicht doch zu schnell? Die Polizisten vor Ort bestärken ihr Misstrauen eher noch. Aber Annie gibt nicht auf, sie muss einfach herausfinden, was mit Sam geschehen ist.

Einige Spitzfindigkeiten muss der geneigte Leser dieses Thrillers einfach selbst herausfinden. Das erschwert es allerdings ein wenig, sich zu diesem Buch zu äußern. Vielleicht würde man gerne etwas mehr über Annie erfahren. Doch sie und Sam als frisch Verheiratete sind sympathisch gezeichnet und sowohl ihre Zweifel an ihm als auch ihr Vertrauen überzeugen. Sam scheint an seiner Aufgabe als Therapeut zu wachsen. Gelungen ist der langsame Spannungsaufbau. Was einem zunächst als vielleicht betulich vorkommen mag wird später richtig fesselnd. Da hat schließlich jede der handelnden Personen ihre Geschichte, eine gewisse Prädisposition, die schließlich ihrem Handeln führt. Dieser packende Thriller vermag nach einem eher langsamen Beginn mit seinen geschickten Wendungen und der immer weiter anziehenden Spannung sehr zu gefallen.

Veröffentlicht am 26.11.2021

Düstergrün

Talberg 1935
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Nach dem Studium ist Wilhelm Steiner nach Talberg zurückgekehrt, um die Stelle des Dorflehrers anzutreten. Geheiratet hat er Elisabeth Wegebauer, doch auch noch einigen Ehejahren kündigt sich kein Erbe ...

Nach dem Studium ist Wilhelm Steiner nach Talberg zurückgekehrt, um die Stelle des Dorflehrers anzutreten. Geheiratet hat er Elisabeth Wegebauer, doch auch noch einigen Ehejahren kündigt sich kein Erbe an. Und nun liegt Wilhelm mit gebrochenen Knochen tot am Fuße des Turms, den er selbst hat errichten lassen. Der Polizeimajor Karl Leiner, ein Neffe des Bäckers, kommt in den Ort, um zu klären, ob es sich um ein Verbrechen gehandelt hat. Von den Dorfleuten erfährt Karl erstmal nicht sehr viel. Nur Wilhelms Frau ist etwas freundlicher zu dem Major. Sie scheint allerdings auch nicht viel zu wissen oder zu sagen.

In diesem ersten Roman einer Trilogie herrscht eine sehr düstere Stimmung. Die dunkelbewaldeten Hügel und Berge wirken bedrückend und es scheint so, als seien die Dorfbewohner durch die äußere Umgebung beeinflusst missgestimmt, neidisch und missgünstig. Die meisten Familien hatten im ersten Weltkrieg herbe Verluste hinzunehmen und nun im Jahr 1935 spürt man schon die negativen Auswirkungen des neuen Regimes. Dem Major Leiner wird Misstrauen entgegen gebracht. Gerade in den betroffenen Familien, den Steiners und Wegebauers, herrscht Schweigen und Personen, die befragt werden sollten, tauchen zu den Vernehmungen nicht auf. Und dann wird eine weitere Leiche gefunden.

Dieser Roman ist bestimmt von den Innensichten der handelnden Personen und den ausführlichen Beschreibungen der eher unwirtlichen Umgebung und weniger von der politischen Lage wie man anhand der Jahreszahl anzunehmen verleitet wird. Das Setting weckt Erinnerungen an Ganghofer-Verfilmungen mit ihrem Waldesrauschen. In dem man sich durch die Gedankengänge der Protagonisten hangelt, versucht man hinter die Vorgänge um den Tod des Wilhelm Steiner zu kommen. Auch wenn man eine Sache ab einem gewissen Zeitpunkt ahnt, ist man am Ende doch überrascht wie sich alles klärt. Ob es jedoch ein Dorf geben kann, das nur von Düsternis geprägt ist und keine einigermaßen glückliche Bewohner hat, erscheint doch ein wenig schwierig nachzuvollziehen. Dafür kann man sich schön aufregen über einige Unsympathlinge, die mit ihren Verhaltensweisen eher Unmut ernten, gerade auch, weil sie meinen, sie kämen mit allem durch. Bei diesem Buch handelt es sich mehr um einen Heimatroman als um einen Thriller. Kommt man damit klar, wird man gut unterhalten.

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