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Veröffentlicht am 27.02.2021

Wolfsrituale

Homo Lupus
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Die Biologin Dr. Lena Bondroit hat sich von der Erforschung der Ameisen auf die Beobachtung von Wölfen verlegt. Mit ihrem Lebensgefährten Michael und ihrem kleinen Sohn Jean lebt sie in der Nähe von Berlin. ...

Die Biologin Dr. Lena Bondroit hat sich von der Erforschung der Ameisen auf die Beobachtung von Wölfen verlegt. Mit ihrem Lebensgefährten Michael und ihrem kleinen Sohn Jean lebt sie in der Nähe von Berlin. Von irgendwelchen Polizeioperationen will sie nichts mehr wissen. Dann allerdings kann sie doch nicht nein sagen. Kurz vor der Wahl gibt es Hinweise, dass in Berlin ein Anschlag geplant ist. Im Verdacht stehen Mitglieder eines Berliner Clans. Versuche, jemanden dort einzuschleusen, sind fehlgeschlagen und nun soll Lena mit ihrer Erfahrung einen entscheidenden Tip geben. Kann man einen Clan etwa mit einem Wolfsrudel vergleichen.

Bei Lena Bondroits zweitem Auftritt ist die politische Lage in Berlin kurz vor der Wahl unsicher. Neue Kräfte, die nur bedingt in der demokratischen Tradition stehen, streben nach der Macht. Und nun die Bedrohung durch diesen Hinweis auf einen möglichen Anschlag, der in einem abgehörten Telefonat aufgeschnappt wurde. Der Ermittler Stefan Ewald bittet Lena um Unterstützung, da seine Beamten einfach nicht mehr weiterkommen. Lena nimmt an einem Treffen mit den Ermittlern teil. Da sie schließlich nicht persönlich beteiligt werden soll, dürfte so eine Beratung keine Gefährdung bringen. Allerdings läuft die Sache anders als geplant und Lena Bondroit ist näher am Geschehen als geplant.

Auch wenn sich die Handlung zu Beginn etwas langsam entwickelt, wird dieser Thriller im weiteren Verlauf sehr spannend. In dem Moment, wo sich der Autor beginnt mit den möglichen Erwartungen der Lesen zu spielen, wird es interessant. Das politische Gefüge im Berlin nach der Corona-Krise wirkt latent bedrohlich, doch scheinen die Wähler diese Bedrohung nicht wahrzunehmen. Die Bedrohung durch die Clans erscheint dagegen offensichtlich. Gut dargestellt, wie Erwartungen nicht immer bedient werden und dass es durchaus eine positive Wirkung haben kann, wenn sich Menschen in gegenseitigem Interesse mal richtig unterhalten. Und wenn man ab einem Punkt als Leser beinahe nicht mehr glaubt, dass das noch gut ausgehen kann, mag man das Buch nicht mehr aus der Hand legen.

Veröffentlicht am 22.02.2021

Die Häkelmafia

Sylter Affären
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Undercover als Kari Bloom reist die Kommissarin Karolina Dahl nach Sylt. Sie soll dem ortsansässigen Bauunternehmer Jahnke auf die Schliche kommen. Dieser steht unter Geldwäsche- und Steuerbetrugsverdacht. ...

Undercover als Kari Bloom reist die Kommissarin Karolina Dahl nach Sylt. Sie soll dem ortsansässigen Bauunternehmer Jahnke auf die Schliche kommen. Dieser steht unter Geldwäsche- und Steuerbetrugsverdacht. Kari Bloom gibt sich als Schriftstellerin aus, damit es nicht auffällt, wenn sie viele neugierige Fragen stellt. Auf Sylt kommt Sie zur Eröffnung des neuen hippen Inselclubs an, den Jahnke errichten ließ. Allerdings nimmt sich Jahnke schon beim ersten Gespräch einige Freiheiten heraus, die nichts mit seiner Biografie zu tun haben. Und Kari sieht sich genötigt, ihm unmissverständlich klarzumachen, dass das so nicht geht. Dummerweise ist Jahnke am nächsten Morgen tot und Kari gerät unter Verdacht.

In ihrem ersten Fall arbeitet Kari Bloom als verdeckte Ermittlerin mit der Sylter Polizei zusammen, ohne dass die Sylter Polizei etwas davon weiß. Auch den Kollegen gegenüber muss Kari ihr Cover aufrecht erhalten. Dass ist nicht so einfach, weil ihr Kommissar Jonas Voss doch sehr sympathisch ist. Überhaupt gefällt es ausnehmend gut. Von ihrer Pensionswirtin, einer älteren Dame mit einem Häkelclub anderer älterer Damen, lässt sich Kari gerne mal etwas bemuttern, was sie sich im wahren Leben nicht so häufig gönnt. Kari Bloom ermittelt gewissenhaft, aber sie gerät auch in Versuchung, die Wahrheit zu sagen.

So ein Krimi gefällt. Zwar handelt es sich um eine eher leichte Lektüre. Diese ist aber sehr gelungen und unterhaltsam. Mit Kari Bloom und Jonas Voss hat man ein sympathische Ermittlerduo, wobei nur sie von der Zusammenarbeit weiß. Das führt zu amüsanten Verwicklungen. Und die Häkelmafia, bestehend aus den alten Damen, die Kari Bloom unter ihre Fittiche nehmen, ist ein echtes Highlight. Kein Wunder, dass sich Kari Bloom auf Sylt ausgesprochen wohl fühlt und der Leser gleich mit. Auch der Fall, in dem sie ihre Untersuchungen anstellt, ist interessant und gut durchdacht.

Veröffentlicht am 20.02.2021

Die innere Ruhe

Señor Herreras blühende Intuition
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Der Schriftsteller Leo Renz reist nach Andalusien, um in einem entlegenen Kloster zu entspannen. Seine Ärztin hat empfohlen, er solle seinen Ruhepuls senken. Deshalb hat Renz einen Ort gewählt, an dem ...

Der Schriftsteller Leo Renz reist nach Andalusien, um in einem entlegenen Kloster zu entspannen. Seine Ärztin hat empfohlen, er solle seinen Ruhepuls senken. Deshalb hat Renz einen Ort gewählt, an dem nichts passiert. Nur mit dem Essen des klösterlichen Kochs hat er Probleme. Herrera war zwar auf der Hotelschule, aber das Kochen hat er sich selbst beigebracht. Überrascht ist Leo Renz allerdings, als Herrera berichtet, mit der einen Nonne könne etwas nicht stimmen, sie lebe einfach zu freiheitlich in diesem Trappistinnen-Kloster. Vielleicht sei sie gar keine Nonne, sondern eine Frau, die sich vor irgendwelchen Verbrechern in Sicherheit gebracht habe.

Wer würde im Februar nicht gerne vom Sommer in Andalusien lesen. Und welcher Leser würde nicht gerne ein wenig in den Schaffensprozess hinein schnuppern. Leo Renz wirkt etwas kauzig und sein Bedürfnis nach Ruhe ist eigentlich schnell befriedigt. Jedenfalls helfen Yoga und Entspannung nicht bei der Normalisierung der Pulsfrequenz. Sein Interesse wird jedoch durch die Andeutungen des Kochs geweckt, die seltsame Ähnlichkeiten mit Leos neuem Romanprojekt aufweisen. Sollte sich diese junge Nonne tatsächlich im Kloster verstecken? Leo Renz muss dem Geheimnis einfach auf die Spur kommen. Sein Roman soll aber bestimmt kein Krimi werden.

Der Autor versteht es wahrlich besondere Werke hervorzubringen. Er stellt seine Protagonisten in fremde oder auch befremdliche Situationen und macht was draus. Der Autor, der auf die Äußerungen des Kochs anspringt und mit angeregter Phantasie nicht nur am Plot für seinen Roman feilt, sondern auch versucht die vermeintliche Nonne zu beschützen. Dazu das Zirpen der Zikaden. Man fühlt sich beim Lesen in Urlaubsstimmung versetzt, ist aber gleichzeitig angeregt, das Wechselspiel von Erfindung und Wahrheit mitzumachen, wobei sich immer wieder Neuigkeiten ergeben, die auch neue Schlüsse zulassen. Natürlich hält der Autor dabei so einige Überraschungen bereit. Ein sehr vergnügliches Buch, über eine Reise, die so stattgefunden haben könnte oder auch nicht.

Veröffentlicht am 14.02.2021

Das Werden

Bis ans Ende der Ewigkeit
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Hundert Tage müssen Marcus und Phoebe getrennt ausharren. Um Marcus’ wegen hat sich Phoebe zum Vampir wandeln lassen und nun gilt es diese Zeit zu überstehen. Während Phoebe die Wochen in Paris verbringt, ...

Hundert Tage müssen Marcus und Phoebe getrennt ausharren. Um Marcus’ wegen hat sich Phoebe zum Vampir wandeln lassen und nun gilt es diese Zeit zu überstehen. Während Phoebe die Wochen in Paris verbringt, ist Marcus bei Diana und Matthew. Hier stellt er sich der Geschichte seiner eigenen Wandlung. Im 18. Jahrhundert begannen große Umwälzungen in der Welt und Marcus war ein kleiner Teil davon, nachdem er schwierige Jahre in seinem menschlichen Elternhaus verbrachte. Im Unabhängigkeitskrieg findet er seine Tätigkeit in den Reihe der Mediziner. Trotz seiner einfachen Herkunft ist Marcus ein neugieriger Lernender, der seine Chancen nutzt.

Im vierten Band der „All Souls“ Reihe geht es hauptsächlich um Marcus de Clermonts Geschichte und das historische Umfeld, in das er hineinwächst. Aber auch Diana und Matthew müssen eine neue Situation meistern, ihre Zwillinge Becca und Philip zeigen schon früh, dass Übernatürliches in ihnen schlummert. Damit bekommen die Eltern Probleme, denn nicht jeder ist der Meinung, dass die Kinder sich einfach frei entfalten sollten. Auch Phoebes erste Tage und Wochen als Vampirin sind nicht so ganz einfach. Obwohl gut vorbereitet, hat sie gerade zu Beginn schon Mühe überhaupt etwas in die Hand zu nehmen, ohne es zu beschädigen.

Wenn man nach einer kleinen Pause mal wieder eine Gelegenheit hat, sich in die Welt der „All Souls“ zu begeben, nimmt man das doch gerne wahr. Zwar stehen Diana und Matthew nicht im Mittelpunkt, aber sie haben doch ihre Auftritte. Wichtiger jedoch ist die Erzählung von Marcus’ Jugend, der amerikanischen Unabhängigkeit und der französischen Revolution. Damit hat man einen historischen Roman, einen des Paranormalen und einen Familienroman. Eine quasi allumfassende Mischung, die der Story eine besondere Note gibt. Eine sich langsam entwickelnde Handlung und ein Wiederlesen mit lieb gewonnenen alten Bekannten, das ist eine gelungene Komposition, die anregende Lesestunden bietet.

Veröffentlicht am 13.02.2021

DoppelDenk

1984
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Im Jahr 1984 ist Winston Smith gerade noch 39 Jahre. Er arbeitet im Ministerium der Wahrheit, wo er Berichte aus der Vergangenheit so anpasst, dass sie den Gegebenheiten der Gegenwart entsprechen. Winston ...

Im Jahr 1984 ist Winston Smith gerade noch 39 Jahre. Er arbeitet im Ministerium der Wahrheit, wo er Berichte aus der Vergangenheit so anpasst, dass sie den Gegebenheiten der Gegenwart entsprechen. Winston weiß, was er tut und er macht es trotzdem. Schließlich ist es sein Job. In der Zeit der totalen Überwachung auch durch den TeleSchirm, der in seiner Wohnung hängt, wagt es Winston nicht, zu widerstehen. Aber Winston erinnert sich noch an die alte Zeit, bevor der große Bruder alles sah und alles wusste. Seine kleine Rebellion besteht darin, ein Tagebuch zu führen und sich seine Gedanken nicht immer vorgeben zu lassen.

„1984“ ist sicherlich das bekannteste Werk von George Orwell. Beinahe prophetisch erscheint die Beschreibung eines totalitären Staates. Der Protagonist Winston Smith wirkt wie ein Hoffnungsträger, einer der Wenigen, die sich gegen das System stellen, wenn auch nur im Verborgenen. Langsam nimmt er sich größere Freiheiten heraus und fühlt sich erstmal gut. Ein Traum scheint in Erfüllung zu gehen, als eine junge Frau, die er flüchtig kennt, sich ihm anschließt. Teilt sie seine Überzeugungen? Oder geht es ihr mehr um eine Liebesbeziehung? Am liebsten möchte Winston die Zeit mit ihr einfach nur genießen.

Egal, ob man das Buch in Jugendjahren schon einmal gelesen hat oder ob man Winston Smith zum ersten Mal begegnet, dieser Roman hat nichts von seiner Wirkung verloren. Gerade in der heutigen Zeit, wo manipulative Kräfte in sogenannten sozialen Medien wirken und Wahrheiten nicht beschrieben, sondern kreiert werden, überkommt einem bei der Lektüre ob der Weitsichtigkeit, sei sie beabsichtigt oder nicht, des Autors das Gruseln. In einer Ära, in der vieles gespeichert werden kann und die Information durch Algorithmen gelenkt werden, sollten Romane wie dieser eine Pflichtlektüre sein, um wenigstens die aufzuwecken, die dafür offen sind. Die Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit und sie muss sich wehren können und dürfen. Kaum zu glauben, dass der Autor schon vor siebzig Jahren viel zu früh verstorben ist.