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Veröffentlicht am 06.10.2019

Die Braut

Als ich jung war
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In seiner Jugend war Franz der Fotograf. Sein Vater richtete Hochzeiten in seinem Restaurant aus und Franz war für die Fotos zuständig. Spaß hat es ihm nicht gemacht. Oft dachte er, diese Ehe wird nicht ...

In seiner Jugend war Franz der Fotograf. Sein Vater richtete Hochzeiten in seinem Restaurant aus und Franz war für die Fotos zuständig. Spaß hat es ihm nicht gemacht. Oft dachte er, diese Ehe wird nicht halten, warum macht sie das. Dann stirbt eine Braut an ihrem Hochzeitstag und Franz hat die Fotos gemacht. Es heißt nachher, sie habe sich selbst umgebracht, aber richtig klar wird nie, was tatsächlich geschehen ist. Später lebt Franz lange Zeit in den USA, wo er als Skilehrer arbeitet. Nach einem Unfall kehrt er zurück nach Österreich und ist überrascht, dass sein Bruder das Restaurant leitet und Hochzeiten ausrichtet.

Was passiert, was bildet man sich selbst ein und welche Gerüchte glauben die anderen. Das beschäftigt einen bei der Lektüre dieses Romans. Franz ist ein Typ, der eigentlich alles eher nicht macht bis auf einmal, wo er Grenzen überschreitet. Obwohl es so aussieht als habe er nichts gemacht, fragt man sich und wenn doch? Mit nur zwei Selbstmorden kommt er in Berührung und doch ist er beide Male recht nah am Geschehen. Zu nah, etwa? Er beschwört Fragen herauf, die er dann zu umgehen versucht. Und daheim wartet der Kommissar.

Es bleibt schön spannend in diesem Buch. Während des Lesens fragt man sich, was Franz für sich behält. Ist er tatsächlich so unschuldig, wie er es darstellt? Wie der Kommissar fragt man sich, was ist das Verborgene. Der Autor lässt einen herrlich im Unklaren und regt gerade damit das Gedankenkarussell an. In einem Krimi hätte man eine Tat, eine Ermittlung, eine Lösung. Hier ist es schon ähnlich, aber doch ganz anders. Man hat die Erzählung eines noch jungen Mannes, der nach einem Unfall von seinem Leben erzählt, von Dingen, die er getan oder nicht getan hat, von denen, die er zugeben muss und denen, die nichts mit ihm zu tun haben. Man fliegt durch die Geschichte und je weiter man fliegt, desto mehr beginnt man zu grübeln. Dieser Roman schleicht sich an, um zu bleiben.

Veröffentlicht am 03.10.2019

St. Jude

Die ewigen Toten
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Es ist stillgelegt. Dr. David Hunter wird zu dem alten geschlossenen Krankenhaus gerufen, weil eine Leiche gefunden wurde. Auf dem Dachboden des Gebäudes wurde sie versteckt und längere Zeit nicht gefunden. ...

Es ist stillgelegt. Dr. David Hunter wird zu dem alten geschlossenen Krankenhaus gerufen, weil eine Leiche gefunden wurde. Auf dem Dachboden des Gebäudes wurde sie versteckt und längere Zeit nicht gefunden. Die Bergung gestaltet sich in dem schon baufälligen Haus schwierig. Ein Kollege stürzt dabei durch die marode Decke. Nun heißt es, sich zunächst um den Kollegen kümmern. Im Bemühen, ihn zu finden, stoßen die Sucher auf einen Raum, der hinter einer Wand versteckt war. In diesem geheimen Zimmer finden sie zwei weitere Tote. Was war nur in dieser Klinik los?

Nun ermittelt der forensische Anthropologe Dr. David Hunter schon in seinem sechsten Fall und er hat nichts von seinem Können eingebüßt. Genauestens untersucht er die Toten, um hinter die Todesursache zu kommen. Er schaut dabei nach links und rechts, stellt Fragen und erledigt Aufgaben, die eigentlich Sache der Polizei wären. Hunter kann nicht anders, er muss die Fragen klären. In die Quere kommt ihm ein junger Kollege, der von der Polizei hinzu gezogen wird. Dieser führt ein großes Wort und geht Hunter damit gehörig auf die Nerven. Entspannung findet David bei Telefonaten mit seiner Freundin Rachel, die berufsbedingt in Griechenland weilt.

Sehr spannend wie Hunter hier mal wieder durch einen Fall stiefelt. Bei den Toten im Krankenhaus denkt man zunächst wer weiß was. Wie Simon Beckett die Sache allerdings zusammenfügt und die Fäden verschlingt, das ist schon ziemlich gut. Nur in ein paar kurzen Momenten denkt man, so blauäugig kann man doch jetzt nicht sein. Meist jedoch sitzt man gebannt durch die packende Handlung und möchte hinter das Geheimnis der Toten kommen. Da ist Beckett einem allerdings meist ein, zwei Schritte voraus. Wenn daran geht, den Täter zu finden, bleibt man so lange ahnungslos wie der Autor es vorgesehen hat. Natürlich behält der Autor auch seine Nebenfiguren genauestens im Blick.

Dieses Hörbuch ist durch Johannes Steck so fesselnd eingelesen, dass man häufiger innehält und denkt, ach, ein Kapitel noch und noch eins.

Veröffentlicht am 01.10.2019

Hallo, da bin ich

Schräge Vögel singen nicht
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Markisenhändler Trond Bast ist dauerkrank, weil er einen Virus im Gleichgewichtssinn hat. Seine Zeit verbringt er mit dem Angeln. Als sich eines Tages die Angelschnur abrollt, ist er sicher, es kann nur ...

Markisenhändler Trond Bast ist dauerkrank, weil er einen Virus im Gleichgewichtssinn hat. Seine Zeit verbringt er mit dem Angeln. Als sich eines Tages die Angelschnur abrollt, ist er sicher, es kann nur zwei Gründe haben. Entweder hat er einen großen Fisch an der Angel oder der Haken geht auf Grund. Diesmal hat er tatsächlich etwas an der Angel, allerdings keinen Fisch, sondern eine Leichenteil. Leo Vangen, der nie richtig als Anwalt gearbeitet hat, wird in die Ermittlung einbezogen, weil Trond ihn als Zeugen benannt hat. Nicht schön in eine Leichensache verwickelt zu sein. Etwas Gutes hat es aber, Leo kommt wieder in Kontakt zu seiner Jugendliebe Mariken, bei der es sich um die ermittelnde Kommissarin handelt.

Etwas schräg sind sie hier alle, na ja, außer Mariken, die ist relativ normal. Leo lebt zurückgezogen in einem Haus seiner Eltern. Ihm wurde die Welt zu viel. Die beiden Gestalten, die sich beim Fertigen eines Drohbriefes unterhalten, wirken doch sehr speziell. Der Riese scheint noch eine Art Gewissen zu haben, während der kleine Giftzwerg seine Boshaftigkeit genießt. Doch wie hängt das zusammen. Zunächst gilt es herauszufinden, wer der Tote ist. Doch niemand wird vermisst. Hat es vielleicht mit dem nahe gelegenen Baugebiet zu tun, das sich näher ans Naturschutzgebiet ausgedehnt hat als erlaubt.

Wenn man skurrile Typen mag, wird man von diesem Roman bestens unterhalten. Auf den ersten Blick ist die Sprache recht einfach gehalten. Doch manchmal muss man etwas um die Ecke denken, um alles richtig zu erfassen. Und manches wird in einem Nebensatz erwähnt, wodurch Umweltschutz und eine leichte Gesellschaftskritik in die Handlung Einzug halten. Im Original ist der vorliegende Band zuerst erschienen. Auf Deutsch erschien im Vorjahr ein weiterer Band der Reihe, der im Original später erschienen ist. Man hat nun also die beste Gelegenheit mit einer etwas anderen Reihe zu beginnen, deren erster (zweiter) Band sehr vergnüglich zu lesen ist und dabei mit seinen Spitzfindigkeiten fesselt.

Veröffentlicht am 27.09.2019

Kriegsreporterin

Liebe Mrs. Bird
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London leidet im Jahr 1940 sehr unter den Luftangriffen der Nazis. Doch die Bevölkerung trotzt der Gefahr. Die Freundinnen Emmeline und Marigold (Emmy und Bunty) helfen tatkräftig, um die Kriegsfolgen ...

London leidet im Jahr 1940 sehr unter den Luftangriffen der Nazis. Doch die Bevölkerung trotzt der Gefahr. Die Freundinnen Emmeline und Marigold (Emmy und Bunty) helfen tatkräftig, um die Kriegsfolgen zu lindern. Emmys großer Traum ist es, Kriegsreporterin zu werden. Als sie eine Stellenanzeige eines renommierten Verlagshauses sieht, bewirbt sie sich sofort und bekommt die Stelle. Erst als mit der Arbeit beginnt, merkt Emmy, dass sie Hilfskraft für die Seite mit den guten Ratschlägen (Dear Mrs. Bird) einer Frauenzeitschrift geworden ist. Nun, daraus muss man eben das Beste machen. Und die Frauen, die mit ihren Sorgen und Nöten an die Zeitschrift schreiben, verdienen eine mitfühlende Antwort.

Mrs. Bird findet allerdings die meisten Themen inakzeptabel und so ist es Emmy, die ohne Erlaubnis beginnt, einige Briefe zu beantworten. Emmy und Bunty sind junge Frauen, die in einer schlimmen Zeit versuchen, nicht den Mut zu verlieren. Manchmal ignorieren sie die Bombardierungen einfach. Es wird sie schon nicht treffen. Meist jedoch helfen sie zum Beispiel als Telefonistinnen bei der Feuerwehr. Die Freundinnen sind verlobt. Buntys Bill ist Feuerwehrmann und Emmy Edmund ist Soldat. Trotz der vielen Gefahren, die drohen können, sind die beiden Freundinnen weitgehend glücklich. Einen ersten Wermutstropfen gibt es als Edmund mit einer anderen durchbrennt.

Nicht aufgeben, das Beste draus machen, das beschreibt so in etwa die Stimmung in diesem Roman. Auch in übelsten Zeiten gibt es Momente, in denen ein wenig Glück zu erhaschen ist. Frauen wie Emmy und Bunty scheinen so vielen Rückhalt zu geben. Eigentlich werden sie viel zu selbstverständlich genommen. Nur selten erhalten sie Lob und doch machen sie weiter. Und auch sie sind vor Schicksalsschlägen nicht gefeit. Auch wenn die Kämpfer für die Freiheit im Feld einen wichtigen Beitrag leisten, so sollen doch die im Hintergrund wirken und mitunter eben dieses Rückgrat bilden nicht vergessen werden. Und ihnen gilt dieser Roman mit zwei ganz tapferen Heldinnen, die im Gedächtnis bleiben. Mit leichter Hand wird hier ein ernstes Thema intelligent dargebracht.

Veröffentlicht am 23.09.2019

Liebhaberhaus

Der Große Garten
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Manchmal wird die Fülle des Lebens zu viel und man zieht aufs Land, weil es dort wohl ruhiger zugeht. Die Empfehlung, einen Garten anzulegen, nimmt man gerne an. Natürlich stellt man fest, dass das nicht ...

Manchmal wird die Fülle des Lebens zu viel und man zieht aufs Land, weil es dort wohl ruhiger zugeht. Die Empfehlung, einen Garten anzulegen, nimmt man gerne an. Natürlich stellt man fest, dass das nicht so einfach ist. Besonders nicht, wenn die Mutter alles besser weiß und einen mit guten Ratschlägen überhäuft. Leider hat sie auch noch meistens recht, sie kennt sich eben aus mit dem Gärtnern. Und wenn da noch ein Liebhaber ist in seinem Liebhaberhaus und der Mann und die Kinder und Irmi und Hermann. Die Ruhe auf dem Land ist auch nicht so das. Vielleicht kann es die Therapeutin richten oder der Analytiker.

Man könnte sich diesen Roman auch gut als App vorstellen. Kurze Kapitel die gut mit Zeichnungen, Fotos oder kleinen Filmen ausgeschmückt werden. Es ist schon klug, sich mit dem Anlegen eines Gartens zu beschäftigen. In der schnelllebigen Zeit heute gibt ein Garten eine tolle Gelegenheit zur Entschleunigung. Man weiß, wie schön es ist, die Blumen zu betrachten, die man selbst eingepflanzt oder ausgesät hat. An einem sonnigen Tag lässt sich die Blütenpracht genießen und die Pflege nimmt man gerne in Kauf. Die Erzählerin des Gartens hat schon eine spezielle Persönlichkeit. Ihre umherflatternden Ideen lassen sich zum Glück gut in dem entstehenden Garten kanalisieren.

Beim Erzählen über den Garten entfaltet sich eine kluge, ein wenig chaotische Geschichte, die die Augen umschmeichelt. Man bemerkt die Eigenheiten der Erzählerin, doch sie entwickelt eine so erfrischende Art, dass sie immer sympathisch bleibt. Sicher wird man einiges am Dorfleben wieder erkennen, wenn man selbst auf dem Land aufgewachsen ist und manchmal etwas genervt, meist aber schmunzelnd denken, ja, so kann es sein. Zugleich erfährt man, dass man einfach drauf los gärtnern kann oder auch planvoll vorgehen kann. Dieser Roman flattert leicht dahin und ist dabei doch gehaltvoll und lebensnah. Ein Jahr im Garten mit seinen Höhen und Tiefen und einer anheimelnden Wärme.