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Veröffentlicht am 13.07.2018

Mal ins Ritz

Die Abenteuer der Cluny Brown
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Sie wollte nur mal ins Ritz und damit fangen die Probleme an. Im Jahr 1938 hat eine verwaiste 21jährige, die ihrem Onkel in seiner Klempnerfirma aushilft, dort nichts zu suchen. Und dann übernimmt Cluny ...

Sie wollte nur mal ins Ritz und damit fangen die Probleme an. Im Jahr 1938 hat eine verwaiste 21jährige, die ihrem Onkel in seiner Klempnerfirma aushilft, dort nichts zu suchen. Und dann übernimmt Cluny Brown auch noch selbst einen Auftrag, weil ihr Onkel gerade nicht da ist. Unerhört! Cluny muss unbedingt in Stellung gehen, damit sie weiß, wo ihr Platz ist. Doch schon auf der Zugfahrt von London aufs Land freundet sie sich mit Roddy, dem Hund des Colonels an. Und wieder ist sie nicht da, wo sie hingehört. Trotzdem versucht sie ihre Pflichten als Dienstmädchen zu erfüllen. Den Wortgeplänkeln mit Adam Belinsky, dem Gast des Haus, will sie allerdings nicht ausweichen.

Was für Cluny Brown damals ein Abenteuer war, ist heute ziemlich selbstverständlich. Natürlich darf frau mal ins Ritz, natürlich darf frau auch mal in einem Männerberuf arbeiten, natürlich darf frau nicht auf den Mund gefallen sein. Damals jedoch sticht Cluny Brown mit ihrer unkonventionellen Art hervor. Noch nicht ein mal absichtlich eckt sie an, sie denkt sich einfach nichts groß dabei. Diese kleinen Selbstverständlichkeiten, die ihr eigentlich nicht zustehen dürften, nimmt sie sich. Ein unruhiger, wacher Geist, immer in Eile. Cluny rennt, zu Roddy, mit Roddy, durchs Dorf. Sie scheut keinen Kontakt, das Dienstbotengen fehlt ihr total. Nicht etwas, dass die Herrschaft unzufrieden wäre, nur kaum ist Cluny außer Sichtweite und ohne Aufsicht, macht sie, was ihr in den Kopf kommt.

Cluny Brown hat die Spontanität der Jugend, sie ist unverstellt und geradeaus. Schon mit ihr großen Gestalt und ihrer schlanken Silhouette fällt sie auf. Da muss das Schicksal doch mehr für sie in petto haben als eine Stellung auf dem Land. Wie ein frischer Wind weht Cluny Brown durch die ehrwürdigen Hallen ihrer Dienstherrschaft. Kein Wunder, wenn sie irgendwann entfleucht.

Bereits in den 1940ern im Original erschienen und nun neu veröffentlicht vermag dieser Roman immer noch bestens zu unterhalten. Vielleicht versteht man manche Spitze wegen der fortgeschrittenen Zeit und der inzwischen eingetreten Veränderungen nicht mehr auf Anhieb. Aber immer noch begeistert Clunys frischer ehrlicher Charakter. Cluny Brown ist eine, die überall hinkommen kann. Im Jahr 1946 hat sie es sogar in eine Verfilmung des bekannten Regisseurs Ernst Lubitsch geschafft.

Veröffentlicht am 08.07.2018

Fiona Perfekt

Fiona: Das Leben und das Sterben
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Ihre Intuition braucht Fiona Griffiths noch nicht als sie mit einem Streifenkollegen zu einer Wohnungsauflösung gerufen wird. Angeblich soll dort illegaler Müll entsorgt worden sein. Die Situation ändert ...

Ihre Intuition braucht Fiona Griffiths noch nicht als sie mit einem Streifenkollegen zu einer Wohnungsauflösung gerufen wird. Angeblich soll dort illegaler Müll entsorgt worden sein. Die Situation ändert sich jedoch schon bald. In einer Kühltruhe findet Fiona das Bein einer Frau, wobei der Fuß noch in einem Schuh steckt. Schnell stellt sich heraus, dass vor einigen Jahren eine junge Frau als Vermisst gemeldet wurde, auf die die DNA des Leichenteils passt. Eine fieberhafte Suche nach weiteren Leichenteilen beginnt. Bald darauf werden weitere Teile gefunden, diese allerdings stammen von eine männlichen Toten. Und nun ist Fionas Gabe wirklich gefragt.

In diesem zweiten Teil der Reihe um die Polizistin Fiona Griffiths geht es hoch her. Fiona, die eigentlich nur normal, am liebsten perfekt normal sein möchte, fängt an zu graben. In ihrer eigenen Vergangenheit, aber natürlich in erster Linie in der der Opfer. Können die beiden etwas miteinander zu tun gehabt haben. Der angesehene Forschungsmitarbeiter mit Migrationshintergrund und die kleine Poledancerin. Das scheint ausgeschlossen, aber wenn Fiona dieses Kribbeln spürt, wird sie nicht lockerlassen. Bei ihren Vorgesetzten eckt sie des Öfteren an, auch wenn diese widerwillig eingestehen müssen, dass Fionas Ansätze Beachtung verdienen und nicht selten zu Ergebnissen führen.

Die schwere Krankheit, die Fiona in ihrer Jugend überstanden hat, wirkt immer noch nach. Als Polizistin hat sie damit ungewöhnliche Fähigkeiten, ihr Privatleben macht sie schwer. Beinahe verzweifelt erscheint Fionas Bemühen, eine perfekte Darstellung einer Tochter, Freundin oder Kollegin zu bieten. Bei ihren Ermittlungen jedoch erweckt sie den Eindruck, als könne sie jede Situation erspüren, Zusammenhänge wie ein Seismograph empfangen. Doch auch Fionas Tätigkeit besteht zu großen Teilen aus kleinteiligen Puzzeln, die zusammengesetzt werden müssen. Man kann es direkt vor sich sehen, wie die Chefin den Mund verzieht, wenn Fiona sich mal wieder am Rande des Erlaubten bewegt hat und dies die Untersuchung auch noch weiterbringt. Fionas Humor ist manchmal schon sehr trocken, ihre Handlungen schwer zu verstehen und doch muss man sie sympathisch finden in ihrem Versuch so zu sein, wie sie denkt, dass andere es von ihr erwarten.

Eine Reihe, die in der richtigen Reihenfolge gelesen werden sollte, um Fionas Charakter richtig einschätzen und den losen Rahmenhandlungen folgen zu können. Ist einem das egal, kann man den behandelten Fall auch so verstehen, allerdings verpasst man dann etwas. Dieser Kriminalroman fesselt mit seiner ungewöhnlichen Ermittlerin, die die ganze Aufmerksamkeit einfordert und jede Sekunde mit Überraschungen aufwarten kann.

Veröffentlicht am 07.07.2018

Glücksbuch

Das Mädchen, das in der Metro las
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Jeden Tag fährt Juliette mit der Metro zur ihrer Arbeit in einem Maklerbüro, um der Eintönigkeit zu entgehen, hat sie immer ein Buch dabei. Und sie beobachtet ihre Mitfahrer, am liebsten die mit Büchern. ...

Jeden Tag fährt Juliette mit der Metro zur ihrer Arbeit in einem Maklerbüro, um der Eintönigkeit zu entgehen, hat sie immer ein Buch dabei. Und sie beobachtet ihre Mitfahrer, am liebsten die mit Büchern. Was lesen die anderen? Wo mögen sie hinwollen? Was sind ihre Geschichten? Manches denkt sich Juliette aus, manches bekommt sie am Rande mit. Doch wirklichen Kontakt wagt sie nicht aufzunehmen. Eines Tages steigt sie einfach mal eine Station früher aus und so trifft sie das Mädchen Zaīde und ihren Vater Soliman, der in seinem Heiligtum zwischen Unmengen von Büchern sitzt. Sein größter Wunsch ist es, die richtigen Bücher zu den richtigen Lesern zu bringen.

Juliettes Leben fließt wie ein ruhiger Fluss, ohne besondere Höhen und Tiefen so scheint es. Ihre Existenz ist gesichert, ihr alltägliches Dasein getaktet. Im Prinzip könnte sie sagen, sie wird auch in drei Monaten noch jeden Tag zur Arbeit gegen, Abends vor dem Fernseher essen und am Samstag ins Kino gehen. Ein nettes Dahingleiten, aber ist nett nicht die kleine Schwester von Sch****? Seit sie in Solimans Welt der Bücher eingetaucht ist, entwickeln sich Juliettes Gedanken. Allerdings bringt die Erkenntnis, dass nett vielleicht nicht alles ist, zunächst mehr Trübsal als alles andere. Denn wenn nett nicht mehr reicht, könnte es wohl erst zu einer gewissen Leere kommen, die mit einem Ziel erfüllt werden sollte, das alles andere als nett und dafür umso erfüllender ist. Doch woher soll man wissen, welche Wünsche man hat, wenn man in seiner Nettigkeit zufrieden war.

Eine etwas melancholische Grundstimmung strahlt dieser Roman aus. Allerdings ein Roman über das Lesen und die Gabe der Bücher, Leben und Lieben zu verändern und zu beeinflussen. Wer ein Faible für Bücher hat, in denen Bücher eine große Rolle spielen, wird an diesem Buch viel Gefallen finden. Auch wenn die Bücher nicht alles und jeden retten können, so verheißen sie doch einen Zufluchtsort vor dem rauen Alltag. Und wenn sie auch nicht alles können, so können sie doch viele Ansätze zu positiven Veränderungen bringen. Letztlich mag man aus Büchern immer Hoffnung schöpfen, von ihnen unterhalten werden, in ihnen lehrreiche und informative Inhalte finden.

Bei dem vorliegenden Roman verdient das liebevoll und ideenreich gestaltete Cover besondere Erwähnung, auf dem sich bei genauerer oder wiederholter Betrachtung immer neue wunderbare Details entdecken lassen.

Veröffentlicht am 01.07.2018

Daphnes Cornwall

Post für den Mörder
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Schon seit drei Ewigkeiten trägt Daphne Penrose in Fowey die Post aus. Sie ist glücklich verheiratet mit ihrem Francis und die gemeinsame Tochter studiert in London. Ein freundliches vielleicht etwas ereignisloses ...

Schon seit drei Ewigkeiten trägt Daphne Penrose in Fowey die Post aus. Sie ist glücklich verheiratet mit ihrem Francis und die gemeinsame Tochter studiert in London. Ein freundliches vielleicht etwas ereignisloses Leben, könnte man meinen. Doch als Postbotin ist Daphne natürlich immer am Puls des Ortes, der sehr stolz ist auf seine berühmte Einwohnerin Daphne du Maurier, deren Namen Daphne nicht zufällig trägt. Während ihrer Arbeit entdeckt Daphne, dass die Malerin Sandra McKallan tagelang nicht in ihrem Haus war. Beinahe gleichzeitig hat Francis die traurige Pflicht, etwas aus dem Fluss zu bergen, dass sich als männliche Leiche entpuppt. Wie in einem kleinen Ort nicht anders zu erwarten kennt Francis den Toten.

Wer kann es auf den unbescholtenen Reeder Edward Hammett abgesehen haben. Der war doch gerade erfolgreich ins Kreuzfahrtgeschäft eingestiegen und vielen als ehrenwerter Chef und guter Kumpel bekannt. Nur mit seiner Ehe stand es nicht zum Besten. Aufgerüttelt von den Ereignissen begeben sich Francis und Daphne daran, herauszufinden, wie die Geschehnisse zusammenhängen. Grundsätzlich ist dafür zwar die Polizei zuständig, aber dem Heimkehrer aus London Chief Inspector Vincent trauen sie nicht allzu viel zu.

Mit viel Liebe schildert der Autor das kleine Städtchen Fowey (gesprochen Foy) an der Küste des Ärmelkanals. Wenn man sie kennt, denkt man an die Serie „Doc Martin“, die zwar an der Atlantikküste Cornwalls spielt, aber doch das cornische Flair ähnlich zu transportieren weiß, wie das vorliegende Buch. Man bekommt direkt Lust, den Ort und die Umgebung zu besuchen solange es noch geht. Dies wird durch die freundlichen Reisetipps am Ende des Romans noch verstärkt. Gestärkt mit einem guten Essen, könnte man sich gleich auf Daphnes Spuren begeben. Dass dabei der Fall etwas ins Hintertreffen gerät, ist durchaus verzeihlich. Nichtsdestotrotz beschert der Autor einen zwar ruhigen, aber klug konstruierten Kriminalroman, der durch seinen Lokalkolorit zu punkten versteht. Auch als Fremder fühlt man sich heimisch in dem kleinen Städtchen mit seinen liebenswerten Bewohnern, die meist friedlich sind.

Veröffentlicht am 30.06.2018

April

Fiona: Den Toten verpflichtet
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So ganz einverstanden war Fiona Griffiths’ Vater nicht als sie zur Polizei ging, bei den Uniformierten ging es ja noch, aber bei der Kriminalpolizei. Doch nach einer langen Krankheit, die Fiona als Jugendliche ...

So ganz einverstanden war Fiona Griffiths’ Vater nicht als sie zur Polizei ging, bei den Uniformierten ging es ja noch, aber bei der Kriminalpolizei. Doch nach einer langen Krankheit, die Fiona als Jugendliche durchlitten hat, ist die junge Frau froh, einen so normalen Job zu haben. Und die Chance des Kripojobs musste sie einfach wahrnehmen. Die Arbeit ist einfach unabsehbar, die eher langweilige Ermittlung im Fall einer Unterschlagung ist im Grunde genauso wichtig wie der grausame Mord an einer jungen Prostituierten und ihrer kleinen Tochter April. Obwohl sie ihre eigentliche Aufgabe noch nicht vollständig erledigt hat, will Fiona unbedingt in ihrem ersten Mordfall ermitteln.

So offen ist Fiona mit ihrer Vergangenheit nicht und doch ist dieses Loch im Lebenslauf da und jeder weiß davon. Fiona ist gut in ihrem Job. Manchmal schlampig und faul, kann sie ihre Vorgesetzten zur Weißglut treiben. Dann wieder trifft sie intuitiv richtige Entscheidungen und bringt ihre Kollegen wichtige Schritte voran auf dem Weg zur Lösung der Fälle. Da hat es ihr Chef mitunter sehr schwer mit ihr. Warum ihr Aprils Schicksal so wichtig ist, weiß Fiona lange nicht, fast ist ihr das kleine Mädchen zu einer Schwester geworden, eine verstorbene kleine Schwester.

Bei ihrem ersten Auftritt ist Fiona Griffiths gerade zur Kriminalpolizei gekommen. Wie öde die tägliche Routine sein kann, lässt sich an den Schilderungen aus ihrer Sicht gut nachvollziehen. Wer kennt das schließlich nicht, einen Berufsalltag, der einem schwer werden kann, wenn so viele ähnliche Sachen täglich neu abgearbeitet werden müssen. Doch dann wieder überschlagen sich die Ereignisse, das Adrenalin fließt, vor Spannung ist es kaum auszuhalten. Fiona läuft zu Höchstform auf, ihre Gedanken rotieren und bringen sie zu so ungewöhnlichen Lösungsansätzen, dass ihr schon von vornherein klar ist, da braucht sie ihren Chef nicht erst zu fragen. Da wird der Vergleich mit dem eigenen Leben schon schwieriger, wer hat schon die Gelegenheit, auf eigene Faust loszuziehen, wer will überhaupt schon solche Gelegenheiten haben. Schließlich kann man auch in Gefahr geraten. Lieber lässt man sich von Fiona atemlos machen. Ihre vielschichtige Persönlichkeit ist gekonnt geschildert, wenn man vielleicht auch nicht jede ihrer Handlungen verstehen kann, weil man einfach zu normal ist.

Fiona - eine Polizistin auf der Suche nach sich selbst - gelungen beschrieben bei der authentisch dargestellten Ermittlung in einem verzwickten Kriminalfall.